Ganz im Stile des Grand Guignol führt eine Theatergruppe Edgar Allan Poes
"Die Morde in der Rue Morgue" auf. Das Haus ist stets gut besucht da die Masse nach Sensationen und Nervenkitzel sucht. Bei einer Aufführung wird die Hauptdarstellerin Madeleine Charron (Christine Kaufmann) ohnmächtig, nachdem sich in ihrer Fantasie bizarre Sequenzen über einen bestialischen Mord abgespielt haben, doch sie kann die immer wiederkehrenden Träume nicht ordnen. Als sich abseits der Bühne plötzlich Morde abspielen, ist der potentielle Täter schnell ausgemacht, da nur Mitglieder des ehemaligen Ensembles ihres Mannes César (Jason Robards) mit ätzender Säure ermordet werden. Es muss sich um René Marot (Herbert Lom) handeln, den auf der Bühne einst das gleiche Schicksal ereilte, doch Inspektor Vidocq (Adolfo Celi) sieht einen Haken an der Sache. Marot hat bereits vor vielen Jahren Selbstmord begangen. Als das Phantom jedoch immer weitere Opfer fordert, kommt man mit Hilfe von Madeleines Träumen auf die entscheidende Spur...
In der erfolgreichen Edgar Allan Poe-Reihe von American International Pictures stellt Gordon Hesslers
"Mord in der Rue Morgue" ein wirklich sehenswertes, aber genauso eigenwilliges Filmvergnügen dar, das sich zahlreicher Elemente aus Horror, Grusel, bis hin zu kleineren Bruchstücken des gepflegten Psycho-Thrillers bedient. Die große Stärke dieser lediglich nur nominellen Poe-Adaption ist definitiv der sequenzartige Aufbau, der undurchsichtig bis zum zugegebenermaßen etwas zu konstruierten Finale bleibt, was aber nicht gleichzeitig heißt, dass überwiegend viele verworrene Tendenzen aufkommen. Vielmehr sieht man einen Verlauf, der nahezu traumwandlerisch vor sich hin plätschert und die Nerven wegen des diffusen Elements zu strapazieren versucht und dies bestenfalls auch kann. Hessler verweigert dem Zuschauer Transparenz und arbeitet mir allen Mitteln gegen einen klaren Durchblick, denn immer wieder ist man mit in die bizarren Traumsequenzen der Protagonistin mit eingebunden und daher kann man die Bilder auch keineswegs ordnen. Teilweise wirken diese Fragmente sogar so inkohärent, dass man vermutet, gleich in mehreren Parallelhandlungen zu sein. Zwar ahnt man, dass sich ein düsteres Geheimnis hinter all dem verbergen muss, aber Erklärungen gibt es quasi erst im letzten Moment. Mit diesem Film bekommt der Zuschauer also ein schönes Beispiel serviert, wie ein Verlauf auch ohne halsbrecherische Effekte und Überspannung funktionieren kann und das große Ziel, dass die Geschichte einfach beunruhigen soll, wird recht eindrucksvoll erreicht. Der Vorwurf, Hessler habe hier einen potentiellen Whodunit verschenkt ist nur auf den ersten Blick gerechtfertigt, da der Film diese Strategie nicht als Hauptziel verfolgt. Vorhersehbarkeit und Geheimnis veranstalten ein, unterm Strich interessantes Tauziehen, in das sich die Protagonisten jeweils wahlweise einreihen, und sich dieser Strategie sogar beugen.
Gordon Hesslers Edgar-Allen-Poe-Beiträge der AIP überzeugen schon alleine wegen ihren ausgewogenen, und teils spektakulären Besetzungslisten, und auch hier bekommt man einige gute alte Bekannte zu Gesicht. Christine Kaufmann, die nach längerer schöpferischer Pause wieder am aktiven Filmgeschäft teilnahm, fungiert hier als Projeltionsfläche für Angst und Schrecken, aber ebenso für Geheimnisvolles und Undurchsichtiges. Die Kamera bedient sich förmlich ihres zerbrechlich wirkenden Wesens und ihres makellosen Gesichts, welches im Sinne des Verlaufs oft maskenhafte Züge annimmt. Madeleines Träume sind in ihrer optischen und akustischen Serialität nicht zu durchschauen, sie wirken beunruhigend und erscheinen sozusagen wie eine Deviation, deren immer gleich abfolgende Bilder des Rätsels Lösung vorenthalten, verzerren und eine Bewusstlosigkeit folgen lassen. Neben ihr wirkt Jason Robards eher wie ein Fremdkörper wenn man bedenkt, dass die beiden verheiratet sind, allerdings wirkt die unsympathische Note, die von ihm ausgeht, sehr förderlich für den Handlungsverlauf. Zwischen Jason Robards und Herbert Lom, dem Bösewicht der Geschichte, entsteht somit ein Tauziehen auf Augenhöhe, da
Gut und Böse irgendwann kaum mehr voneinander abgetrennt erscheinen. Besonders Herbert Lom als tragische Figur zieht diesen Eindruck immer mehr auf sich, da man als Zuschauer irgendwie Verständnis mit diesem vom Schicksal gestraften Herrn bekommt und seine Motivation teilweise sogar nachvollziehen kann. Beide Akteure wirken solide, wobei dies für deren Verhältnisse fast schon wieder zu wenig ist. Hier werden Adolfo Celi als hartnäckiger Hüter des Gesetzes und Michael Dunn als undurchsichtiger Lakai des totgeglaubten Marot blendend aushelfen, denn sie zeigen weitaus stichhaltigere Leistungen, wenngleich diese wohl auch Parts waren, die das Drehbuch günstiger berücksichtigte. Kurze Wiedersehensfeude gibt es mit der gerne gesehenen Österreicherin Maria Perschy als Dirne und Lilli Palmer als Auslöser für das düstere Geschehen, deren Szenen im Film dem Vernehmen nach übrigens fast alle entfernt wurden. Da sie eine Schauspielerin darzustellen hatte, legt Palmer nochmals einen bedeutenden Schliff in Sachen Overacting drauf.
Mit
"Mord in der Rue Morgue" bekommt man es mit einem beeindruckenden Beispiel zu tun, wie überzeugende atmosphärische Dichte als Alternative aussehen kann, die in ihrer Gestaltung sogar kleinere Ausrufezeichen setzen kann, insbesondere in der Bildgestaltung. Im Gegensatz dazu stehen teilweise hektische und unübersichtliche Tendenzen zu Buche, wenn man die Vokabel verworren allerdings durch verwirrend ersetzt, kommt man der Intention des Ganzen wohl ziemlich nahe. Hessler führt den Zuschauer immer wieder gekonnt in die Irre, da wichtige Erklärungen für den Spannungsaufbau vorenthalten werden. Das Finale ist in mehrere Etappen eingeteilt und verlangt zugegebenermaßen etwas zu viel Aufmerksamkeit ab. In der Ausstattung kann der Film durchaus überzeugen, üppige Settings und Garderoben fangen die Zeit, in der die Handlung spielt, recht gut ein, wobei viele Sequenzen auch eigenartig gestreckt wirken, da zahlreiche Wiederholungen angesagt sind. Im Bereich Effekte fehlen eigentlich entscheidende Akzente, beziehungsweise wie es aussieht, eher das richtige Know-how. Der Versuch, das Publikum nachhaltig auf psychologischer Ebene zu strapazieren, funktioniert zwar immer mal wieder für den Hausgebrauch, aber leider nicht auf einem konstanten Niveau. Die passenden Musikthemen von Waldo de los Rios funktionieren sehr gut und besonders das Titelthema bleibt in Erinnerung, aber konträr dazu nimmt man recht einfache Dialoge wahr. Insgesamt hinterlässt Gordon Hesslers Adaption einen vielleicht zu unschlüssigen Eindruck zurück, da in wichtigen Bereichen Potential verschenkt wurde, doch irgendwie ist dieses (zumindest so angelegte) Verwirrspiel überzeugend genug, um bei der Stange zu halten, vielleicht auch weil der Eindruck entsteht, dass die Gestaltung weitgehend unorthodox ist, und sich dem Empfinden nach von manchen Filmen der gleichen Natur abheben kann. Aber da liegt die Entscheidung wieder einmal beim Konsumenten, denn
"Mord in der Rue Morgue" ist im Endeffekt in einer Art Grauzone anzusiedeln, weil sich die überproportionalen Stärken mit Ketten von durchschnittlichen Fragmenten abwechseln. Für meine Begriffe bleibt dieser immer wieder gerne gesehene Film jedoch sehenswert und absolut unterhaltsam.