Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39419
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Beitrag von jogiwan »

Room 237

Bild

Originaltitel: Room 237

Herstellungsland: USA / 2012

Regie: Rodney Ascher

Darsteller: -

Story:

Für die einen ist Stanley Kubricks Film Movie “Shining” ein Meilenstein des Horrorfilms, für die anderen ein Werk weit unter den Möglichkeiten des Meisterregisseurs. Dazwischen blühen Verschwörungstheorien von Leuten, die in dem 1980 veröffentlichten Klassiker geheime Botschaften vermuten. Fünf dieser etwas anderen Kubrick-Exegeten kommen in Movie “Room 237″ zu Wort. Der Film gleicht ihre skurrilen Mutmaßungen mit Originalszenen aus Movie “Shining” ab – und geht noch weiter: Er dringt in ihre Köpfe ein und visualisiert ihre Bewusstseinsströme. Ein abgefahrener Trip durch ein Labyrinth ohne Ausgang, in dem die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion fließend sind. (quelle: dvd-cover)
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39419
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Beitrag von jogiwan »

Bild Bild

Stanley Kubricks „The Shining“ aus dem Jahre 1980 ist ja unbestritten einer der ganz großen Klassiker und Meilenstein des Horror-Genres, der auch nach über 30 Jahren der Entstehung wenig von seiner Wirkung eingebüßt hat und aktuell mit einer Wertung von 8,5 als Nummer 55 der besten Filme auf der IMDB rangiert. Obwohl Kubricks recht freie Adaption des gleichnamigen Stephen King-Romans bei seinerzeitigen Kinostart auch verhaltende Kritiken erhielt, nicht überall auf Gegenliebe stieß und der Autor selbst bis zum heutigen Tage nie einen Hehl daraus machte, dass er sich losen Adaption seines Werks, dass auch ganz andere Schwerpunkte setzt, wenig anfreunden konnte.

Dennoch ist „Shining“ einer der wenigen Filme, der mit seinem abgelegenen Handlungsort, den wenigen Darstellern und mysteriösen Ereignissen auch fast ohne die üblichen Horror-Zutaten eine unwahrscheinlich intensive, rätselhafte und auch unwirkliche Atmosphäre kreiert, Generationen von Zuschauern beeindruckt hat und auch popkulturell nicht mehr aus den Köpfen von Filmfreunden wegzudenken ist. So zählt der Hubschrauberflug über das herbstliche Montana und der sperrigen Musik von Wendy Carlos sicherlich zu den bekanntesten Eröffnungsszenen der Filmgeschichte und wer einmal die Szenen gesehen hat, in denen sich eine Blutfontäne aus den Fahrstühlen in Richtung Kamera ergießt und Jack Nicholson mit der Axt eine Türe durchschlägt um der völlig verängstigten Shelley Duvall nach dem Leben zu trachten, wird diese wohl ein Leben lang nicht mehr vergessen.

Bild Bild

Doch nicht nur der Streifen selbst, sondern auch der Mythos um die Figur des Regisseurs regt seit jeher die Fantasie der Filmfreunde an und Rodney Aschers Dokumentation „Room 237“ lässt eine Handvoll Personen zu Wort kommen, die sich intensiv mit dem Streifen auseinandersetzen, dahinter eine größere Bedeutung vermuten und dieses im Verlauf der spannenden Doku auch ausreichend begründen. Dabei geht es auch nicht mehr um das langsame Abgleiten einer Familie in den Wahnsinn, sondern ganz andere Dinge und diese Szenen werden mit den entsprechenden Filmausschnitten abgeglichen und die bisweilen abenteuerlichen Gedankengänge der Personen, die man als Zuschauer inklusive Lebensumstände nicht zu Gesicht bekommt, mit Szenen aus anderen Filmen visualisiert.

Und auch wenn ich an dieser Stelle natürlich nichts verraten möchte, wird jeder, der Doku gesehen hat, Kubricks Meilenstein des Horrorfilms unter Garantie mit anderen Augen sehen. „Room 237“ wagt sich dabei auch sehr weit in den Bereich der Verschwörungstheorien und begeht dabei vielleicht auch etwas den Fehler, die journalistische Objektivität zugunsten der Skurrilität der getätigten Aussagen zu sehr aus den Augen zu verlieren. Obwohl manche der Mutmaßungen im Kontext durchaus plausibel klingen, wirken andere wiederum doch arg hypothetisch, dass es durch die gewahrte Anonymität der Personen und ohne jegliche Kontra-Position schwierig für den Zuschauer erscheint, diese Aussagen entsprechend einzuordnen.

Bild Bild

Dennoch ist es zweifelsfrei faszinierend beizuwohnen, wie ein über dreißig Jahre alter Film die Fantasie bestimmter Zuschauer so derart beflügeln kann, das Mutmaßungen, Theorien und sogar Lagepläne des Hotels erstellt werden, die den Streifen inhaltlich neue Facetten abgewinnen wollen oder gänzlich in einem neuen Licht erstrahlen lassen. Die beispiellose und hingebungsvolle Liebe zum Film ist der gemeinsame Nenner aller Personen, die man wohl als „Film-Nerds“ bezeichnen könnte, die im Lauf der Dokumentation zu Wort kommen, auch wenn bei allen Personen der Wunsch nach einer tiefergehenden Bedeutung und das Bestreben diesen zu entdecken wohl etwas überhandgenommen hat.

In der Dokumentation geht es aber rein um diese Spekulationen und gleich zu Beginn weisen die Macher ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei um nicht verifizierte Mutmaßungen von Personen handelt, die auch nicht in Verbindung mit den Machern und dessen Umfeld stehen. Über Kubricks Werk gibt es dann auch keine neuen Erkenntnisse und die Kenntnis des Werks setzt die Doku ebenfalls voraus, da bei den Analysen der Szenen natürlich auch entsprechend gespoilert wird und ohne Kenntnis des Werks wird sich dem Zuschauer auch nicht erschließen, auf welche noch so kleinen Details oder Nebenfiguren diese Fans achten und ihnen auch eine große Bedeutung beimessen.

Bild Bild

Technisch gibt es bei der kurzweiligen und obskuren Dokumentation nichts zu meckern und der Streifen ist sehr flott arrangiert und bedient sich neben Szenen aus Kubricks Oeuvre auch bei anderen Filmen wie z. B. Lamberto Bavas beiden „Dämonen“-Teilen um die Leidenschaft und Theorien der Sprecher ein entsprechendes Gesicht zu verleihen. Obwohl im Verlauf des Streifens ernste Themen angesprochen werden, bleibt die Doku eher augenzwinkernd und schafft auch nach jeder noch so haarsträubenden Theorie und absurden Präsentation wieder hübsch die Kurve. Doch auch wenn diese Leutchen ein Stück weit Bewunderung verdienen und es immer wieder Personen gibt, die solche „Nerds“ die erwünschte Bewunderung entgegen bringt, wirkt „Room 237“ nicht nur faszinierend, sondern auch etwas befremdlich zugleich, wenn man als Zuschauer das Gefühl hat, dass das portraitierte Fan-Interesse der selbsternannten Experten ein ungesundes Maß erreicht hat.

Die DVD aus dem Hause „Rapid Eye Movies“ bringt die obskure und knapp hundertminütige Doku in sehr guter Bild- und Tonqualität in der englischen Originalfassung samt optionaler Untertitel, wobei eine andere Präsentation wohl auch keinen Sinn machen würde. Leider ist das Bonusmaterial leider sehr spärlich ausgefallen und neben den lustigen Trailer, der dem Original auf herrliche Weise Tribut zollt, gibt es noch ein Booklet, dass mir jedoch nicht vorlag und weitere Trailer aus dem Programm des Labels, wie z.B. die empfehlenswerte, Oscar-prämierte und berührende Musik-Doku „Searching for Sugarman“ des kürzlich aus dem Leben verschiedenen Regisseurs Malik Bendjelloul, der allen Fans von Dokumentationen hier nochmals eindringlich ans Herz gelegt wird.

Bild Bild

Unterm Strich ist „Room 237“ eine interessante, unterhaltsame, wie auch etwas nachdenklich stimmende Dokumentation über Fan-Interesse zu Kubricks Meisterwerk des Horror-Genres, die schon weit über ein normales Maß hinausgeht. Wenn die selbsternannten Kubrick-Versteher und Verschwörungstheoretiker zu Wort kommen, bleibt ja kein Auge trocken und auch wenn man den Streifen natürlich als amüsante Dokumentation über bizarre Fan-Auswüchse sehen kann, so offenbart der Streifen neben der übergroßen Liebe zum Medium Film aber schon auch gewisse Defizite, die mit dem übersteigerten und fanatisch wirkenden Wunsch nach einer tiefergehenden Bedeutung einer bestimmten Sache kompensiert werden. „Room 237“ ist dann auch ganz dem portraitierten Werk Kubricks entsprechend eine durchkomponierte, schöne und spannende Angelegenheit, die jedem selbstreflektierenden Filmfreund jedoch auch den Schauer über den Rücken jagt…

Bild Bild
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40654
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Beitrag von buxtebrawler »

Danke für die ausführliche und bebilderte Vorstellung, jogschi. Ich glaub, das muss ich gucken :D
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Nello Pazzafini
Beiträge: 4710
Registriert: Di 16. Feb 2010, 18:50
Wohnort: Roma
Kontaktdaten:

Re: Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Beitrag von Nello Pazzafini »

Find ich sehr interessant und werde ich beizeiten mal organisieren. Empfehlen möcht ich auch gleich den score dazu der als lp/cd set bei deathwaltz erschien und wirklich ein grossartiger, sehr stimmiger score ist!
Bild

"Ein Grab im K-Gebiet wünscht dir Dein Ugo"
Benutzeravatar
supervillain
Beiträge: 2034
Registriert: Di 5. Mär 2013, 13:58
Wohnort: München

Re: Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Beitrag von supervillain »

Ich kann mich dem bereits Geschriebenem nur anschließen, nach dem Kinobesuch im letzten Jahr war ich äußerst fasziniert. Das gewonnene Preisausschreiben von REM tut sein übriges mich wohlwollend an diesen Titel zu erinnern (Gimmicks, VHS, Originalposter + dem darauf abgebildetem Video Recorder). YES!
Benutzeravatar
Seth_LCF
Beiträge: 513
Registriert: Mo 21. Mär 2011, 17:55

Re: Room 237 - Rodney Ascher (2012)

Beitrag von Seth_LCF »

Nachdem ich mir neulich erneut THE SHINING zu Gemüte geführt habe erinnerte ich mich daran dass doch mal eine Dokumentation der Sorte „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ erschienen war, von der ich bisher Abstand genommen hatte. Bisher…

Fan kommt von fanatisch! – war mein erster Eindruck der mir beim Betrachten der Doku in den Sinn kam.
Es ist schon ungeheuerlich auf welche Details manch ein Zuschauer zu achten imstande ist.
Poster an Wänden, plötzlich veränderte Teppichstrukturen oder Titelseiten im Film gelesener Magazine inklusive der Top Berichte.

Wenn man den 5 Erzählern aber unvoreingenommen zusieht und hört, kann man tatsächlich auch endlich die Dinge sehen die bisher im Verborgenen geblieben sind.
Das Dumme ist nur dass all die Erklärungen und Beschreibungen, wie bei Thesen üblich, nicht bewiesen sind.

Im Besonderen ist das wohl bei der These der angeblich gefälschten Mondlandung der Fall.
Beachtlich finde ich in diesem Zusammenhang, da es bewiesenermaßen sehr viele Menschen gibt die sich Jahrelang intensiv dieser Verschwörungstheorie widmen, dass die Erzähler von ROOM 237 dieses Rätsel scheinbar längst gelöst haben.

Nicht nur dass man hier wie selbstverständlich davon ausgeht, dass es sich um eine Fälschung handelt, nein, uns wird auch gleich noch der Regisseur der inszenierten Apollo 11 Mission präsentiert.
Andere, nicht viele, aber doch einige in der Doku dargelegten Aspekte und Theorien wirken vergleichsweise „logischer“, obgleich nicht minder unbewiesen.

Doch selbst wenn ich den 5 Entdeckern alles glaube möchte, bleibt für mich doch zumindest noch eine Frage offen: Warum sollte ein Regisseur Derartiges, und wie in dem beschriebenen Beispiel der Mondlandung, etwas derartig sensibles überhaupt in einem seiner Filme einbauen?
Antworten