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Regie: Cedric Gibbons, Jack Conway, James C. McKay
Darsteller: Johnny Weissmuller, Maureen O'Sullivan, Neil Hamilton, Paul Cavanagh, Forrester Harvey, Nathan Curry, Everett Brown, Ray Corrigan, Doris Lloyd, Paul Porcasi, Desmond Roberts, William Stack u. A.
Die skrupellosen Abenteurer Martin Arlington (Paul Cavanagh) und Harry Holt (Neil Hamilton) bringen Unruhe in das Dschungelidyll von Tarzan (Johnny Weissmuller) und Jane (Maureen O'Sullivan). Sie wollen die Elfenbeinschätze eines Elefantenfriedhofs plündern und Jane zurück nach England holen. Doch Tarzan, der Herr des Urwalds, stellt sich ihnen in den Weg...
„Wirkliche Menschen – das gibt’s? Das glaub‘ ich nicht!“ – „Sagen wir richtige Zivilisierte!“
1934, zwei Jahre nach der recht durchschnittlichen, an den Kinokassen jedoch erfolgreichen ersten Tonfilm-Adaption des Abenteuerromans Edgar Rice Burroughs‘ durch die US-Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Meyer unter Regie W. S. Van Dykes beauftragte MGM das Regie-Trio Cedric Gibbons (die einzige Regiearbeit des Filmausstatters), Jack Conway („Schrei der Gehetzten“, drehte wegen Zeitproblemen Gibbons‘ zu Ende), und James C. McKay (war auch am dritten Teil „Tarzans Rache“ beteiligt) mit der ersten Fortsetzung „Tarzans Vergeltung“, die sicherlich nicht zu unrecht als bester Film der langlebigen Tarzan-Reihe gilt. Die grundlegende Geschichte ist der vorausgegangenen Verfilmung nicht unähnlich:
Ein Jahr nach der letzten Expedition, in deren Anschluss Jane (Maureen O’Sullivan, „Stolz und Vorurteil“) kurzerhand bei Tarzan (Johnny Weissmüller, „Tarzan, der Affenmensch“), dem „Affenmenschen“, respektive „Herrn des Urwalds“ geblieben ist, zieht es Harry Holt (Neil Hamilton, „Batman hält die Welt in Atem“) wieder in den afrikanischen Dschungel. Mit dabei hat er seinen Partner Martin Arlington (Paul Cavanagh, „Das Kabinett des Professor Bondi“). Scharf ist er nicht nur auf das Elfenbein des Elefantenfriedhofs, sondern noch immer auf Jane, die er nach London zurückzulocken versucht – doch Tarzan ist dagegen…
Beim schwierigen Erklimmen des schicksalhaften Bergs sterben viele der „Boys“ genannten afrikanischen Träger, als Gorillas Felsbrocken auf sie werfen. Doch Tarzan pfeift die Affen zurück und bereitet zusammen mit seiner Jane den Männern einen freundlichen Empfang. Jane hat gar nicht unbedingt etwas gegen die Expedition einzuwenden. Tarzan spricht mittlerweile, wenn auch grammatikalisch nicht ganz korrekt. Jane wiederum schwingt sich nun ebenfalls behände an Lianen durch den Urwald und hat einen Schrei ähnlich wie Tarzan entwickelt. Sie vollführt artistische Kunststückchen mit Cheetah, Tarzans Affendame, die hier erstmals in die Handlung eingeführt wird und für einen zusätzlichen Unterhaltungsfaktor sorgt, traurigerweise aber auch eine Affenfreundin verliert, die bei Tarzans Kampf mit einem Nashorn tödlich verletzt wurde.
„Tarzans Vergeltung“ zeichnet den Urwald, den Tarzan und Jane als ihr Zuhause auserkoren haben, keinesfalls als verklärte Idylle, sondern als einen Ort, der immer wieder neu gegen zahlreiche Gefahren in erster Linie der Fauna verteidigt werden muss. Das weitestgehende Ausklammern anderer Unwirtlichkeiten erscheint zwar reichlich naiv, doch richtet die Handlung ihr Augenmerk im Gegensatz zum vorsichtigen und halbgaren ersten Teil konkreter auf den Kampf der Lebensentwürfe, des Archaischen versus Zivilisation, und zeigt das Eindringen des raffgierigen Menschen der Ersten Welt als größere Gefahr verglichen mit Raubtieren und Eingeborenen. Seine Zivilisationskritik äußerst „Tarzans Vergeltung“ unverhohlen, wenn die Männer mit allerlei List und Tricks Jane ihrem Tarzan abspenstig zu machen versuchen und darüber erzürnt sind, dass Tarzan nicht bei der Bergung des Elfenbeins behilflich sein will. Kurzentschlossen schießt Martin einen Elefanten an, damit dieser zum Sterben zum Friedhof trottet und man ihm folgen kann. Der Plan scheint aufzugehen, bis Tarzan spektakulär mit einer Elefantenhorde angeritten kommt und beweist, dass ihm die Tiere näherstehen als die weißen Männer mit ihren Plünderungsplänen. Martins Gier geht gar so weit, dass er seine Einsicht vorgaukelt, nur um schließlich auf Tarzan zu schießen, welcher jedoch von einem Flusspferd gerettet wird. Elfenbein von einem Elefantenfriedhof entwenden zu wollen, ist in „Tarzans Vergeltung“ keine moralisch vertretbare Option mehr und wird entsprechend bestraft. Dem Streben nach Reichtum und materiellem Besitz, in dem Jane lediglich wie eine weitere Trophäe wirkt, stellt die Handlung Tarzans und Janes bescheidenes Glück zu zweit ohne jeglichen Besitz gegenüber. Während Tarzan kein anderes Leben kennt, hat sich Jane bewusst für diese Variante entschieden und wird als selbstbewusste, intelligente Frau charakterisiert, die sich zwar immer mal wieder von Tarzan aus der Bredouille befreien lassen muss, aber ihren eigenen Kopf behauptet. Interessant ist dabei, dass man Jane sich für männliche Urwüchsigkeit entscheiden lässt, an deren Seite sie jedoch wesentlich gleichberechtigter wirkt, als sie es innerhalb einer zivilisierten Gesellschaft, in der sie allein schon aufgrund ihrer körperlichen Attraktivität gewiss hohes Ansehen genießen würde, vermutlich jemals werden könnte. Jane emanzipiert sich von der westlichen Leistungsgesellschaft und fällt der Faszination des Ursprünglichen anheim, ohne jemals ihre Weiblichkeit aufzugeben oder infrage zu stellen. Dort, wo sie viel mehr Frau ist und sein muss, fühlt sie sich freier und geborgener als dort, wo sie ihre Sozialisation erfuhr.
Diese Art der Emanzipation ist gerade für die Entstehungszeit frech und direkt, insbesondere in Zusammenhang mit der nicht von der Hand zu weisenden erotischen Konnotation vieler Szenen. In der Hitze des Dschungels angemessen knapper Bekleidung zeigt O’Sullivan vermutlich das Maximum dessen, was man damals zeigen durfte. Dass ihre Jane mit Tarzan in wilder Ehe lebt, die auch körperlichen Ausdruck findet, ist nicht lediglich zu erahnen, sondern offensichtlich. Einer der ästhetischen Höhepunkte des Films ist gar eine Badeszene, die Jane splitternackt unter Wasser zeigt (wenn auch gedoubelt von Weissmüllers ehemaliger Schwimmkollegin Josephine McKim). Nicht die Nacktheit war Sünde, sondern dass die Zensur diese prächtige Szene herausschnitt. Doch auch ohne McKim ist „Tarzans Vergeltung“ mehr noch als der Vorgänger ein Paradebeispiel für das Ausloten erotischer Grenzen im frühen Unterhaltungsfilm im Sujet eines Abenteuerfilms. Die für die Filmindustrie verpflichtende Einführung des unsäglichen Hays-Codes datiert übrigens auf das Erscheinungsjahr dieses Films. Dass Janes selbstgewähltes Schicksal nicht nur in diesem Kontext aus heutiger Sicht durchaus provokant auf weibliche Emanzipation anders auslegende Feministinnen wirken und als haltlose Männerphantasie abgetan werden könnte, macht sie zum potentiellen Gegenstand lebensphilosophischer Diskussionen. Und nicht nur einmal stellt der Film die Frage, wer hier eigentlich primitiv ist…?
Neben O’Sullivan hat „Tarzans Vergeltung“ selbstverständliche viele andere Schauwerte zu bieten. Tarzans (auch hier teilweise schneller wiedergegebene) Szenen mit der Tierwelt fielen noch aufsehenerregender als zuvor aus. Tarzan kämpft gegen Raubkatzen und Alligatoren, reitet auf Elefanten, lässt sich (sehr niedlich) von Schimpansen versorgen. Teilweise sind diese Szenen untrennbar mit der Handlung verbunden, teilweise sind sie bloßes Streckwerk oder dienen ebenso dem Selbstzweck wie Weissmüllers akrobatische Einlagen etc. Nichtsdestotrotz wurde „Tarzans Vergeltung“ unschwer zu erkennen sehr aufwändig inszeniert und schickt gegen Ende dann auch noch den obligatorischen Eingeborenenstamm ins Rennen, der mit dazu beiträgt, den weißen Eindringligen den Garaus zu machen. Somit ist „Tarzans Vergeltung“ das, was „Tarzan, der Affenmensch“ bereits hätte sein können: Ein offen zivilisationskritischer Abenteuerfilm voll faszinierender, exotischer Bilder, spektakulärer Mensch/Tier-Aktionen, emanzipatorischer Note und fein eingesponnenen Eros, technisch sauber bis beeindruckend und schauspielerisch getragen von O’Sullivans kecker Ausstrahlung sowie Weissmüllers Stunts (bzw. denen seiner Doubles) und Athletik. Dass viele Ungereimtheiten, viele Fragen nach der Bewältigung des Dschungellebens fernab der Zivilisation nicht gestellt, geschweige denn beantwortet werden und man nach wie vor mit reichlich Naivität an das Story-Geflecht herantreten muss, um es ernstnehmen zu können, wird da schon fast schneller verzeihbar als die etwas sehr inflationäre Verwendung des Tarzan-Jodlers – Tonfilm-Frühzeit hin oder her.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)