Die Karriere des Zebedy Colt ist ja auch mal wieder eine, die man sich in seinen Träumen nicht ausdenken kann: Geboren 1929 avanciert Edward Earle Marsh zunächst zum Hollywood-Kinderstatist - und sitzt beispielweise gemeinsam mit Errol Flynn in THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD (1938) im Sherwood Forest am Lagerfeuer herum -, schafft es in Cecil B. De Milles THE TEN COMMANDMENTS (1958) schließlich sogar zum Sklaven, und fasst nebenbei Fuß in der New Yorker Theaterszene, was ihm die eine oder andere Nebenrolle in populären Broadway-Musicals einbringt. Wie jeder Mensch so hat aber auch Herr Marsh eine unkonventionelle Seite – nur lebt er die offener aus als es die meisten anderen tun würden: Auf seinem Ende der 60er aufgenommenen Musik-Album I’LL SING WITH YOU adaptiert er mit der Stimme eines charismatischen, tonsicheren Swing-Sängers und unterstützt vom London Philarmonic Orchestra größtenteils klassische Standards, verleiht ihnen aber, indem er meist nur das „she“ durch ein „he“ ersetzt, einen unverhohlen homoerotischen Unterton. Ohne auf irgendeine camp-Ästhetik zurückzugreifen oder sich in einem gängigen Schwulenklischee zu verlieren, intoniert Colt, wie sich Marsh für die Platte umgetauft hat, auf die denkbar ehrlichste Art und Weise Liebeslieder von Männern für Männer, ohne dass man das Gefühl bekommt, das sei nicht die natürlichste Sache der Welt. Die LP, auf deren Cover übrigens sexy die David-Statue Michelangelos prangt, wird – wenig verwunderlich – vom Mainstream-Radar überhaupt nicht erfasst, in einschlägigen Homosexuellen-Zines aber umso begeisterter aufgenommen, was Colt quasi über Nacht zu einer Ikone der Schwulenbewegung macht. Nachhaltiger im (gegen-)kulturellen Gedächtnis verankert sind allerdings die hardcore-pornographischen Filmprojekte, die der bisexuelle Tausendsassa ab 1975 unter dem gleichen Pseudonym zu realisieren beginnt. Während allerdings mir allesam bislang (noch!) unbekannte Werke wie UNWILLING LOVERS (1975), THE FARMER’S DAUGHTERS (1976) oder VIRGIN DREAMS (1977) die Schmuddel-Kinos der Staaten einsauen, tritt parallel dazu Marsh weiterhin als mehr oder minder seriöser Broadway-Schauspieler auf – was, wie er in späteren Interviews erzählt, zu mehr als einer absurden Situation geführt haben soll, als zum Beispiel seine Mitstreiter auf den Bühnenbrettern in ihm plötzlich einen Darsteller des Pornos zu erkennen meinten, den sie letzte Nacht im Hinterhofkino um die Ecke geschaut haben. THE DEVIL INSIDE HER (1977) ist mein erster Zebedy-Colt-Film – (wenn man den kürzlich von mir besprochenen, und ihm von mancher Quelle zugeschriebenen THE RITES OF URANUS (1975) einmal ausklammern möchte) -, und wenn alle seiner gerade mal zehn Sexfilmchen, bei denen er Regie geführt hat, in die gleiche Kerbe schlagen, dann habe ich, glaube ich, ein neues (bzw. da hier mehrere Leute mitlesen, nicht allzu) heimliches Laster gefunden.
Abb.1: Farbspiele, die Roger Corman nicht besser hinbekommen hätte. Gleich zu Beginn verortet sich Colts Film in einer Genre-Traditionslinie, die ihm keine Last, sondern federleichter Ball zum Ausspielen der eigenen Gegenkultur-Sensibilitäten zu sein scheint.
Schon gleich der Vorspann weckt schöne Erinnerungen an Roger Cormans märchenhaften Gothic-Horror-Klassiker THE FALL OF THE HOUSE OF USHER (1960), denn wie dort pantscht Colt in dickflüssigen, psychedelisch-bunte Komplementärfarben, die dicht vor der Kameralinse ineinanderfließen, blubbern, Schlieren ziehen, sich aneinander reiben, während eine völlig derangierte musique concrète scheppert, dass es den zartbesaiteteren Ohren schon zu viel sein dürfte. Was wir als nächstes sehen, sind Schafe, und zwar im Neuengland des Jahres 1826, wo die Handlung vorliegenden Filmes spielt, obwohl die Männer bereits Jeans tragen, und die Frauen Lidschatten. Dreh- und Angelpunkt ist die Farm des Ezekiel Hammond – (gespielt von niemand Geringerem als dem Regisseur selbst, und zwar stilecht mit angeklebtem Backenbart und verhärmtem Puritaner-Gesicht) -, wo, neben ihm, noch seine unscheinbare Gattin Rebecca sowie die beiden programmatisch betitelten Töchterchen Hope und Faith leben. Da beide Jungfräulein dabei sind, in die Geschlechtsreife zu kommen, fällt es ihnen schwer, ihre Augen von dem Adonis Joseph abzuwenden, der als Waisenknabe sein Unterhalt auf dem Hammond-Hof verdingt, und dabei gerne mal mit nacktem Oberkörper die Sense zur Beseitigung von Dorngestrüpp schwingt. Joseph indes hat seinerseits nur Blicke für Faith, mit der er sich solange verstohlene, aber immer außerordentlich keusche Treffen liefert bis ihr sittenstrenger Vater hinter das vermeintlich unlautere Treiben kommt, Joseph der Farm verweist und seiner Tochter versucht mit erhobener Peitsche die Sünde auszutreiben. Das hätte allerdings mehr noch Hope verdient, die, nachdem sie erfahren hat, dass Joseph und ihre Schwester bereits zarte Liebesbande geknüpft haben, rasend vor Eifersucht durch den Wald wütet, und Gott oder den Teufel anruft, ihr Flehen zu erhören: Niemand bisher habe jemals so wie sie unter Herzschmerz gelitten! Da die Existenz Gottes in einem Porno-Film selten bewiesen wird, ist es natürlich der Satan höchstpersönlich, der aufgrund ihres Geschreis aus der Hölle steigt, und einen nicht staunen lässt über das – sagen wir – eher spezielle Gemächt seines Darstellers. Nicht nur hat man Rod DuMont eine Gesichtsbemalung verpasst, die ihn aussehen lässt wie das verlorene fünfte Mitglied von KISS oder einen frühen Black-Metal-Panda, zudem verfügt der ständig wie Gene Simmons mit seiner Zunge tänzelnde Diabolus über einen extrem großen Liebesmuskel und extrem schwergewichtige Hoden, so, als seien sie mittels Gewichte künstlich die Länge gezogen worden. Zu Mönchsgesängen aus dem Off onaniert der Gehörnte nun erstmal zur Feier des Tages im Gehölz, bevor er sich in Joseph verwandelt – wobei aber trotz veränderter Gestalt Make-Up-Rückstände im Gesicht des Jünglings verbleiben -, und Faith, ohne deren Konsens abzuwarten, die Jungfräulichkeit raubt.
Abb.2: Da ich Schafe (&Ziegen!) mag, ist jeder Film, der mit solchen eröffnet, schon einmal ein Herzenskandidat. Wenn sie dann auch noch hinter dem Schriftzug "New England 1826" der Kamera entgegenschlendern, ist die Welt für mich *fast* perfekt.
Parallel dazu verschlägt es Hope, die freilich nichts davon ahnt, dass der Herr der Fliegen bereits ganz in ihrer Nähe seinen Schabernack treibt, zu einer ausgestoßen von der Gesellschaft im Forst lebenden Kräuterhexe, von der sie – ganz wie in Shakespeares MIDSUMMERNIGHT’S DREAM – einen Liebestrank fordert, den sie Joseph einflößen möchte, auf dass er sich unsterblich in sie vergucke. Allerhand ekelhafte Ingredienzien werden von der Zauberin zusammengerührt – darunter Ziegenschweiß, Fledermausaugen, Krötenblut, und Papageiensperma – bevor sich aus den Baumwipfeln ein männlicher Waldelf namens Nicodemus herniederschwingt, dem Hope nun ebenfalls den Lebenssaft aussagen muss, damit die Hexe ihn als angeblich wichtigsten Bestandteil ihres Gebräus verwenden kann. Natürlich steckt die Hex‘ aber mit dem Teufelchen unter einer Decke, dessen Plan vorsieht, den gesamten Landstrich mit Sünde und Gottlosigkeit zu kontaminieren. Hierfür nimmt er in der Folge – erneut wie im berühmten Theaterstück des Dichterbarden – so ziemlich jede Gestalt an, die sich ihm bietet: Als Mutter Rebecca penetriert er Faith mit einem Strap-on-Dildo. Als Vater Ezekiel schläft er mit der inzwischen dauergeilen Hope. Als schwarzer Hund greift er schließlich den „richtigen“ Ezekiel an, der seinen Augen kaum glauben mag, als er sich selbst mit der eigenen Tochter unzüchtig auf der Wiese verkehren sieht. Turbulent purzeln die Szenen in den gerade mal knapp siebzig Minuten Laufzeit alsbald durcheinander, was Colt mehr als eine Gelegenheit gibt, auch storyfremde Elemente einzustreuen, die scheinbar hauptsächlich dazu dienen sollen, mich als Betrachter zu schockieren, (mich letztlich aber – was möglicherweise ein weiteres Indiz für die zunehmende Verrohung ist, der ich durch den Konsum solcherlei Giftschrankware ausgesetzt bin - oftmals eher amüsiert haben). Großartig ist zum Beispiel die Szene, in der Faith wie von Sinnen mit einer Trias aus Maiskolben, Banane und Karotte masturbiert, oder der zitierfähige Satz, den Hope fallenlässt, als sie vom Teufel in der Verkleidung ihres eigenen Vaters penetriert wird: „My own father whoring after me, this makes my life complete!“ Die abschließende etwa viertelstündige Orgie, bei der die Story endgültig in ihre Bestandteile zerfällt, spult dann in knalligem Bava-Rot mit teilweise gänzlich anderen Darstellern eher raueres Material ab, bei dem mich die Goldene Dusche, die eine der Damen durch ein gemischtrassiges Herrenensemble erfährt, dann doch kurz hat irritiert zusammenzucken lassen. Ansonsten muss ich THE DEVIL INSIDE HER jedoch bescheinigen, dass sein Hardcore-Sex gleichberechtigt neben der aus klassischen schauerromantischen Topoi zusammengesetzten Geschichte steht, - wenn nicht sogar vor ihr in den Hintergrund gerät. Die Balz-Szenen sind oft vergleichsweise kurz, stehen zumeist in klar erkennbarem Verhältnis zu den narrativen Elementen, und höchstens der finale Hexensabbat sticht als Kulminationspunkt emanzipatorisch aus dem konsequentem Schema hervor.
Abb.3: King Diamond in seinen jungen Jahren. Aus Jugendschutzgründen kann ich euch leider nicht zeigen, was für ein unglaubliches Spektakel unterhalb dieses Bildausschnitts baumelt.
Da THE DEVIL INSIDE HER offenbar vor allem auch eine Geschichte erzählen möchte – tatsächlich habe ich die Kopulationen, wie bei so vielen anderen Pornos auch, als wenig inspirierend, manchmal sogar reichlich unerotisch empfun-den -, ist es umso löblicher, dass Colt das Fabulieren mehr recht als schlecht gelingt. Sein Film hat nicht nur Muschi und Schwanz, sondern auch Hand und Fuß, wird veredelt von einer teilweise wunderschönen Photographie, die den schlafwandlerischen Zauber des neuenglischen Forstes auf eine Weise einzufangen versteht, bei der ich das wohl ziemlich zusammengeschnürte Budget-Korsett des Films gerne bereitwillig vergesse, und erfrischt mich als Literaturwissenschaftler nicht nur mit der einen oder anderen witzigen Shakespeare-Referenz, sondern als Connoisseur von allem, was außerhalb der Norm stattfindet, mit einer ganzen Handvoll surrealer Szenen, die mir wie selbstverständlich ein Lächeln ins Gesicht kleben: Rauchende Teufelspenisse, Feuer spuckende Satane, back-wards-masking auf der Tonspur, muntere Waldelfen, ein ganzes Arsenal an schwarzmagischer Zaubermittel macht THE DEVIL INSIDE HER zu einem kurzweiligen Vergnügen für, denke ich, jeden aufgeschlosseneren Cineasten. Bricht man den Film übrigens auf seine basale Substanz herunter – ein strengreligiöser Vater verbietet seinen Töchtern jeden Anflug von Zuchtlosigkeit, bekommt dafür aber dadurch die Quittung, dass seine Verbote die jungen Frauen erst recht zum Tabubruch anstacheln, und muss letztendlich seine eigenen Moralvorstellungen dahingehend modifizieren, dass er ihnen ein individuelles Geschlechtsleben zugesteht -, kann man ihn übrigens auch als Parabel auf die Gegenkulturbewegung der späten 60er und deren Auswirkungen auf die westliche Gesellschaft lesen: Wenn Hope den Teufel um Hilfe anruft, dann bewirkt das eine ähnliche Explosion wie die, die vermeintlich etablierte Normen und Werte spätestens im Schicksalsjahr 1968 erfahren haben, und das Ergebnis bedeutet Opfer auf der Seite derer, die sich ohne Ziel und Halt in diesem Überschäumen revolutionärer Energie verlieren (in unserem Fall: Hope, die den Hexensabbat nicht überleben wird), vor allem aber eine gesamtgesellschaftliche Liberalismus, was vorherige Moralvorstellungen betrifft. Letztlich kann man THE DEVIL INSIDE HER damit sogar als systemstabilisierend interpretieren: Colt propagiert das berühmte „rechte Maß“, sprich: eine, wenn man so will, lustvolle Ehe zwischen zwei Liebenden, und kehrt sich ab von den Verlockungen einer destruktiven Sexualität, die sich die Zerstörung als Selbstzweck auf die erigierten Penisse und feuchten Vaginen geschrieben hat. Hierbei gilt aber, wie immer: Es kann natürlich auch sein, dass ich erneut zu viel mit dem Kopf und weniger mit den Lenden denke, und diesem Film Dinge unterstellte, von denen er sich, wenn er könnte, wortreich distanzieren würde. Trotzdem: Ich bin ziemlich positiv überrascht von diesem kleinen, schmutzigen Teufelsspuk, den ich mir gut und gerne in einem Programm mit, sagen wir, Nino Oxilias RAPSODIA SATANICA (1915), J. A. Protasanows SATAN TRIUMPHANT (1917) oder Hans Mierendorffs DIE TEUFELSKIRCHE (1919) vorstellen könnte.
Abb.4: Zu guter Letzt: Eine wirklich wunderschöne Bildkomposition, bei der in fast schon betörender Weise mit Licht/Gegenlicht gearbeitet wird. Die kurz danach zur Teufelsanbeterin mutierende Hope ist für einen flüchtigen Moment in eine Korona gekleidet, die sie zur (falschen?) Heiligen stempelt.
P.S.:
jogiwan hat geschrieben:Zebedy Colt hat in seiner Karriere als Erwachsenenfilm-Regisseur ja eine Vielzahl von berüchtigten und sogenannten „Roughies“ gedreht und auch darin mitgewirkt.
Was kannst Du sonst noch empfehlen?
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