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Ich glaube, ich muss den (intendierten) Wortwitz nicht noch großartig erklären, oder? THE RITES OF URANUS = THE RITES OF YOUR ANUS = DIE RITUALE DEINES/EURES ANUS. Genauso überflüssig ist wohl auch die Anmerkung, dass es sich bei unserem heutigen corpus delicti um reinrassiges Pornomaterial handelt, und zwar welches, das in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1975 offensichtlich in irgendwelchen Sexclubhinterzimmern und –kellern produziert, und dann einem zahlenmäßig sicherlich überschaubaren Publikum in irgendeinem Hinterhofkino oder Sexclubkeller zum Fraß vorgeworfen wurde. Der Film ist dermaßen Untergrund, dass die oder der Hauptverantwortliche(n) nicht mal ihren oder seinen Namen im Vorspann hinterlegt hat/haben, und lediglich die – für einen Film mit einer Laufzeit von einer knappen Stunde vergleichsweise zahlreichen und jemandem, der sich mit US-Pornos des Goldenen Zeitalters besser auskennt als ich es tue, wohl nicht unbekannten – Darsteller genannt werden. Mir soll es recht sein: Umso kürzer wird die Einleitung und umso vorbehaltloser der Sprung ins kalte Wasser.
THE RITES OF URANUS trägt seinen Titel nicht nur, um uns mit einem mehr oder minder heiteren Wortspiel anzuheizen, sondern hat, im weitesten Sinne, tatsächlich etwas mit dem siebten Planeten des uns bekannten Sonnensystem zu tun – bzw. haben die Verantwortlichen zumindest versucht, besagten Planeten doch irgendwie im wahrsten Sinne über die Hintertür in ihren Film einzuführen. Gleich die erste Szene zeigt zwei Gestalten - die linke in einer weißen, die rechte in einer roten Robe - wie sie vor einer Darstellung der Tierkreiszeichen aus Messing oder Blech stehen, – (es könnte natürlich in Anbetracht des Budgets auch bloß bemalte Pappe sein) - aus der wiederum ein phallisches Rohr sich ihnen entgegenreckt. Eine körperlose Männerstimme gibt den andächtig lauschenden Damen, denn um solche handelt es sich bei den Vermummten, folgenden Befehl und damit uns folgendes Plot-Bruchstück: „I, the high priest, command that this novice, Sarah, be allowed to enter the temple of love. Take her and instruct her in the rites of Uranus. I am always with you and henceforth I shall speak to you through this horn.”
Einen Schnitt später wird klar, dass THE RITES OF URANUS wohl so etwas darstellen möchte wie eine mit Science-Fiction-Elementen aufgemotzte Neuverfilmung klassischer Satanisten-Porno-Ware wie beispielweise dem unlängst von mir besprochenen Franzosen MESSE NOIRE von 1928: Eine Gruppe von Anhängern des Sexkults, der scheinbar auf dem Planeten Uranus zelebriert wird – in vorliegendem Film werden die Kultisten der Einfachheit halber kurz Uranusiten genannt, wobei zumindest mir jedoch nie ganz klar geworden ist, ob wir es bei ihnen nun mit Erdenmenschen zu tun haben, die sich dieser lasterhaften extraterrestrischer Religion angeschlossen haben, oder um tatsächliche Außerirdischen, die es, weshalb auch immer, von ihrem Heimatplaneten auf den unsrigen verschlagen hat – bringt seine Zeit in den oben erwähnten Hinterzimmern oder Kellern hauptsächlich damit zu, junge Frauen – in unserem Fall: die Novizin Sarah – in ihre Glaubensgemeinschaft einzuweisen. Der Initiationsritus besteht, wen wundert’s?, in einer ausgiebigen Gruppensexorgie. Angeleitet wird diese von einer weiblichen Hohepriesterin, die man gleich an ihrem putzigen Krönchen als solche erkennt. Nachdem man Sarahs After mit einer brennenden Kerze – natürlich zum Glück falsch herum! – penetriert hat, muss sie sich auf einen Tisch legen, unter dem eine Nebelmaschine eifrig Schwaden in die Luft pumpt, und eine Gruppe sie umstellender Uranusiten-Mönche oral befriedigen, während diese eifrig auf sie ejakulieren und dabei (asynchron und monoton) gregorianische Gesänge anstimmen, bei denen vor allem die Zeile „Enter the dark passage!“ als Wurm in den Gehörgang sticht.
Das wird übrigens nicht die einzige musikalische Passage des Films sein, die meine Ohren haben spitz werden lassen: Der gesamte Soundtrack von THE RITES OF URANUS stellt ein wildes, völlig heterogenes Potpourri aus, nehme ich einmal frecherweise an, so ziemlich allem dar, was die geheimen Hintermänner des Machwerks in anderen Filmen gehört und von dort in ihre eigene Produktion entführt haben – denn ich kann mir kaum vorstellen, dass all diese jazzigen Gitarrensoli, Heimorgelklänge wie aus einer Zirkusmanege, übersteuerten Orchester-Stücke, Funk-Bassläufe und fiepsende Synthie-Sounds tatsächlich für einen Film dieser Güteklasse komponiert und aufgenommen worden sein sollen.
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Abb.1: Candle Penetration.
Ähnlich zusammenhanglos wie der Score gestalten sich auch die kompletten ersten zwanzig Minuten, in denen im Prinzip nichts weiter passiert, als dass unsere Heldin Sarah von einem männlichen Mitstreiter hand- und schwanzfeste Unterweisungen in die sexuellen Kulthandlungen der satanisch-spacigen Sekte erhält. In zumindest ansprechend okkult ausstaffierten Kammern dürfen wir ihr, bestrahlt von einer knalligen Rotleuchte, gefühlte Stunden bei einem extrem elegischen Blow Job zuschauen, bekommen wir – einer der Fetische des Films – in Großaufnahme das Innere ihrer pulsierenden Vagina zu sehen, und hören die tatenlos dabeistehenden Mönche, wenn, wen wundert’s?, auch Sarahs Hinterpforte verwöhnt wird, einfach nicht auf mit ihren enervierenden Gregorianik-Litaneien. Schon jetzt schicke ich voraus, dass die Kopulationsszenen von THE RITES OF URANUS, gerade eingedenk der Tatsache, dass es sich bei den Kopulierenden um Mitglieder einer Arkangesellschaft handelt, die „the mighty cock of Uranus“ anbeten, unterm Strich dann doch eher harmlos, träge und vor allem wenig erotisch ausgefallen sind. Möglicherweise wirken viele der Zusammenkünfte zwischen männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen aber auch deshalb so einschläfernd, weil auch die Lider der meisten Beteiligten auf Halbmast stehen. Gerade Sarah und der Hohepriesterin glaube ich deutlich anzusehen und anzumerken, dass sie während der Dreharbeiten hoch wie ein Drache auf mindestens Acid geschwebt haben müssen. Das verleiht dem Film aber immerhin gerade in den Dialogszenen eine gewisse (unfreiwillig?) komische camp-Ästhetik – zumindest so lange bis man sich an die altbekannten Horrorszenarien erinnert, die beispielweise Linda Lovelace in ihren späteren Erfahrungsberichten über ihre Zeit im Porno-Geschäft erzählt hat, und in denen Waffengewalt und Drogenrauch nicht selten als Mittel genannt werden, noch die widerspenstigste Actrice für bestimmte Szenen gefügig zu machen.
Aber weiter im Text und Sex: Nach etwa zwanzig Minuten schält sich letztlich doch so etwas wie eine Handlung heraus – und was für eine! Sarah, die ihre erste Prüfung bestanden hat, darf nun den Hohepriester höchstpersönlich besteigen, setzt sich dabei aber derart ungünstig mit ihrem Unterleib auf sein Gesicht, dass dieser dabei erstickt. Obwohl der Raum zu dem Zeitpunkt voller Sektenmitglieder ist, die sehen, dass es ihrem Anführer schlecht zwischen Sarahs Schenkeln ergeht, und er schon krampfhaft mit den Armen zuckt, rühren sie sich erst, als Sarah selbst innehält und feststellt, eine Leiche unter sich zu haben. Die Novizin wird daraufhin in ein unterirdisches Verließ gebracht, und soll dort auf die ihr zustehende Strafe warten. Dabei sind ihre Gedanken aber nach wie vor nur beim Einen. „I want keys and a hard on!“, schreit sie, und meint mit ersterem den Schlüssel zu ihren Handschellen, und mit zweiterem etwas, das ich unübersetzt lassen werde. Immer wieder sind nun übrigens storyfremde, teilweise bloß sekundenlange Szenen eingefügt, die andere Uranusiten bei der Rekrutierung neuen Novizenmaterials zeigen. An Stränden und in (New Yorker?) Straßen irren die (in Bettlaken gehüllten!) Gestalten umher, und drücken Passanten, Männern wie Frauen, Flugzettel in die Hand: „Lost? Find yourself in Uranus!“
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Abb.2: Gnothi seauton.
An dieser Stelle einmal noch eine kurze Anmerkung zum Verhältnis der Geschlechter in vorliegendem Film. Hat man bei der Initiation Sarahs noch den Eindruck, sie als Frau würde dort vor allem zum Objekt degradiert werden – die Männer onanieren im wahrsten Sinne des Wortes auf sie, und sie muss ihnen allen gleichermaßen zur Verfügung stehen -, verwässert der spätestens, wenn wir erfahren, dass auf Uranus sowohl Frauen wie Männer das Hohepriesteramt be- bzw. entkleiden dürfen, und allerspätestens während der Einkerkungsszene, in der Sarah unermüdlich – und „spread out on acid“ – ihren „hard on“ fordert. Offenbar sind die Gesangsmönche Kastraten und können ihre Begierde nicht stillen, doch dafür gibt es sowieso eine Extraklasse Mann – eben die sogenannten „hard ons“ -, die immer und überall, wie lebende Gebrauchsgegenstände, mit erigiertem Penis im Bereitschaftsdienst stehen. Schön zeigt das auch eine weitere Füllszene, in der zwei weibliche Uranusiten in einem großen Wandspiegel ihre Vaginen bestaunen, und dann einem der Mönche befehligen: „Uranusite, go and get a hard on!“, worauf der eben nicht selbst erigiert, sondern einen bereits nackten Jüngling herbeiführt. Ich habe keine Ahnung, ob die Verantwortlichen damit so etwas wie ein utopisches Sexualsystem des fernen Planeten als satirisch-gesellschaftskritisches Zerrbild des konventionellen Geschlechterschemas unserer Erde hatten entwerfen wollen – quasi eine Art Thomas Morus oder Tommasso Campanella in der Horizontalen -, ich weiß nur, falls sie das wirklich vorgehabt haben sollten, ist es ihnen nicht so gelungen, dass ich aus den hingeworfenen Andeutungen zum hierarchischen Aufbau und den geschlechtsspezifischen Aspekten ihrer vermeintlichen Gegengesellschaft besonders schlau geworden wäre.
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Abb.3: Ein Kommentar zur Medienmanipulation auf selbstreflexiver Meta-Ebene, oder einfach nur Edgar Wallaces Mönch mit der Peitsche im Aufnahmestudio eines winzigen Universitäts-Senders? Decerne ipse!
Kommen wir deshalb lieber zu leichter decodierbarem Material, nämlich den beiden wohl mit Abstand kontroversesten Szenen des Films, die dann auch gleich entweder noch einmal untermauern wie wenig subversiv das Gesamtspektakel ausgefallen ist oder wie abgebrüht ich nach jahrzehntelangem Konsum abseitigster Filme inzwischen schon bin. Die erste Grenzüberschreitung besteht in einem Akt, den der italienische Industrial- und Power-Electronics-Pionier Pierpaolo Zappo wohl als Necrofellatio bezeichnet hätte: Die weibliche Hohepriesterin des Uranus-Orden macht sich über den erstickten Leichnam ihres männlichen Gegenstücks her bzw. um genau zu sein: über sein im Tode noch immer blutvolles Geschlechtsteil, und erweckt ihn damit, wenn ich die Szene denn richtig verstanden habe, wieder zum Leben. Das ist nur halb so schockierend wie die kathartisch zusammengestammelten Dialoge der Darsteller, die sicherlich durch die Bank weg vor Ort improvisiert worden sind, und hat mich noch weniger überrascht als der Umstand, dass im Finale – die zweite „subversive“ Szene - tatsächlich doch noch ein männlicher Anus von einem Dildo durchstoßen wird, der auf den feierlichen Namen „sword of Uranus“ hört. Mit so viel „Mut“ hätte ich in diesem zurückhaltenden Filmchen da schon gar nicht mehr gerechnet.
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Abb.4: Das Schwert von Uranus, stolz erhoben zum Erschlagen von Lindwürmern und Jungfräulichkeiten.
Tja, und nachdem man noch eine weitere Novizin geködert hat – und zwar, wie gesagt, mit albernen Flyern -, und man sich Sarahs entledigt hat, indem man ihr vorgaukelte, alles, was sie in den Fängen der Uranusiten erlebt habe, sei reines Drogenfieber gewesen, endet der Film dann auf einer Note so konfus, dass ich gar nicht wiedergeben könnte, wo genau die Story denn nun eigentlich hingeführt hat. Immerhin, beim Abspann wissen wir, dass die Stimme aus dem tönenden Horn zu einem Kapuzenträger in einem Raum gehört, von wo aus dieser sämtliche Vorgänge in den Kellern und Hinterstuben per Kamera überwachen kann, was zumindest die Vermutung nahelegt, der ganze Uranus-Hokuspokus sei blanker Humbug, mit dem eine Gruppe desorientierter Elemente als stimulierendes Opium versorgt wird, und daher zumindest die prinzipielle Möglichkeit eröffnet, man habe mit THE RITES OF URANUS einen Film darüber drehen wollen, wie leicht es religiöse oder politische Ideologie haben, wenn sie die richtige Saite zum Erklingen bringen, ihre Anhänger zu einer tumben Herde blindgläubiger Schafe zu machen. Andererseits: Vielleicht hat man auch einfach nur einen Porno drehen wollen, der irgendwie auf der noch immer noch nicht abgeklungenen Charles-Manson-Welle mitschwimmt, und dabei Versatzstücke des Horror-Genres mit welchen des Science-Fiction-Genres verbindet, und die hauchdünne und hautenge Story später einfach alibihaft und voller Nahtstellen und Flicken um das schnell und billig heruntergekurbelte Gebalze gestrickt. Was mache ich mir aber eigentlich noch weiter Gedanken über dieses historisch sicherlich interessante, ansonsten aber, von der einen oder andern hübschen Einstellung/Bildkomposition einmal abgesehen, nun wirklich keine kostbare Lebenszeit werte Dokument einer Zeit, als bei einem Porno offenbar das bekloppte Drumherum wichtig gewesen ist als die eigentlichen Sexszenen? „Give me a hard on“, rufe ich, „immeditately!“
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