Produktionsland: USA 2014
Regie: Kevin B. Lee
Wozu dieser lange Exkurs zu Michael Bay und seine, wie ich sie einmal laienhaft nennen würde, Automobil-Roboter? Weil Kevin B. Lee TRANSFORMERS: AGE OF EXTINCTION als Ausgangsbasis seiner nur wenige Monate nach dem US-Kinostart des Bay-Vehikels im Internet veröffentlichten sechsundzwanzigminütigen Dokumentation TRANSFORMERS: THE PREMAKE nutzt – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Für seinen Film hat Lee nicht weniger als 355 Youtube-Videos zusammengegossen wie in einem Schmelztiegel. Sie zeigen die Dreharbeiten zum vierten TRANSFORMERS-Teil, meist aus inoffiziellen Quellen, d.h. von Passanten, die an Fenstern oder auf offener Straße mit den Handykameras aufzeichnen, was da vor ihren Augen explodiert oder vorbeirollt. Sie zeigen offizielle Pressedokumente, darunter Schnipsel aus dem chinesischen Staatsfernsehen, mit dessen Filmproduktion Bay in AGE OF EXTINCTION offenbar einen Schulterschluss gemacht hat, und Bays berühmtes Straucheln bei einer Pressekonferenz, als sein Teleprompter versagt und er plötzlich keinen vernünftigen Satz mehr herausbringt. Sie zeigen aber auch wie all diese kurzen Videofragmente im Netz zirkulieren, kommentiert oder von der verantwortlichen Produktionsfirma gesperrt werden. Dabei ist Lees Konzept so simpel wie brillant: TRANSFORMERS: THE PREMAKE spielt sich vollkommen im begrenzten Kader eines Notebook-Bildschirms ab. Extrem hat Lee dort durchchoreographiert, wann welches Video aufploppt, wann der Cursor uns von welchem Youtube-Link zum nächsten führt, welche Bild- und Audio-Dateien synchron abgespielt werden und wie viele Tabs zeitgleich geöffnet sind. TRANSFORMERS: THE PREMAKE besitzt dadurch einen rasanten Rhythmus, bei dem aber, obwohl ständig neue virtuelle und thematische Fenster aufgemacht werden, zu keinem Zeitpunkt der Inhalt auf der Strecke bleibt. Völlig im Gegensatz zu dem, was man den TRANSFORMERS-Filmen gemeinhin nachsagt, nämlich, dass sie wie ein Sedativ für das kritische Denken wirken, spornt Lees Film dieses kritische Denken in vollem Umfang an. Uns werden zwar lediglich einzelne Fetzen aus der Produktionsgeschichte, aus den politischen und gesellschaftlichen Implikationen, aus den im Hintergrund ablaufenden Verhandlungen und Vereinbarungen vorgeworfen, doch es bleibt nicht aus, dass wir, ganz automatisch, zu diesem Schnipsel-Salat irgendeine Haltung einnehmen. Wenn ein Produzent des Films auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit China erklärt, für ihn sei Kino schon immer ein Mittel gewesen, Menschen über alle Grenzen hinweg zusammenzubringen, und wenn wir sehen wie ganze Straßenzüge in, schätze ich, New York abgesperrt werden, damit dort minutenlang irgendwelche Autos in die Luft gehen können, und wenn Lee selbst mit einigen Youtube-Usern Kontakt aufnimmt, um zu erfahren, weshalb ein bestimmtes Video, das Mark Wahlberg und Nicole Peltz vor einem Green-Screen zeigt, von Paramonut, jedes Mal, wenn es irgendwo im Netz auftaucht, sofort gelöscht wird, dann stellen sich in mir vor allem eher unangenehme Gefühle ein, die daraus resultieren, dass a) Produzenten von Unterhaltungsfilmen es offenbar noch immer nötig haben, mit sinnlosen Floskeln alibihaft rein finanzielle Entscheidungen zuzudecken, und b) solche Explosionen, gefilmt von Amateuren, zudem innerhalb eines Youtube-Fensterchens, wesentlich härter und erschreckender wirken als im eigentlichen Filmkontext, wo sie auf Hochglanz poliert und eingebettet sind in sie legitimierende Narrativa, und c) ein Konzern von Paramount theoretisch wohl sogar diesen meinen Text verbieten könnte, wenn er in ihm eine Gefahr sehen und es unbedingt darauf anlegen würde.
TRANSFORMERS: THE PREMAKE ist jedenfalls einer der wenigen Filme, die ich bislang gesehen habe und denen ich attestieren würde, dass sie die Medien des neuen Jahrtausends nicht allein dazu nutzen, durchgekaute Genre-Muster des letzten Jahrtausends einfach nur ein bisschen aufzupimpen – siehe zum Beispiel: UNKNOWN USER und Konsorten -, sondern sie tatsächlich als Werkzeuge einer kritischen Investigation über diese Medien – und darunter: das Medium Kino selbst – gebrauchen. Mit dem einen oder anderen Walter-Benjamin-Zitat und Eisenstein-Einsprengsel könnte TRANSFORMERS: THE PREMAKE letztlich sogar ein Spätwerk von Godard sein. Die Themen nämlich sind dieselben: Kino im Angesicht der Globalisierung, Politik mit Hilfe von Bildern, ein Wirtschaftssystem, für das noch jedes Gefühl in einen ökonomischen Wert umzuwandeln ist. So schnell werde ich mir dann wohl doch keinen Michael-Bay-Film anschauen…