Wahan Ke Log - Nisar Ahmad Ansari (1967)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3072
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Wahan Ke Log - Nisar Ahmad Ansari (1967)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Bild

Originaltitel: Wahan Ke Log

Produktionsland: Indien 1967

Regie: Nisar Ahmad Ansari

Darsteller: Pradeep Kumar, Tanuja, Nilofar, Nisar Ahmad Ansari, Johnny Walker, Shobhna Samarth
Es gibt Filme, die nach außen hin ein ganz unschuldiges Gesicht zeigen, und denen man deshalb nie und nimmer zutrauen würde, dass man sich nach ihrem Genuss erst einmal reif für die nächste Tollhauszelle fühlt. WAHAN KE LOG ist ein Paradebeispiel für einen solchen Fallstrick, der mir völlig unvermittelt über den Hals geworfen worden ist. Ein indischer Science-Fiction-Film von 1967, was, bitte, kann einen daran schon erschüttern? Der Film wird, denke ich mir in meinem nicht mehr ganz so jugendlichen Leichtsinn, kurzweilig sein, naiv, was die Effekte betrifft einigermaßen trashig, und Überlange besitzen, da jede sich bietende Gelegenheit – und selbst die, die sich nicht bieten – genutzt werden muss, um storyferne Tanz- und Sanges-Szenen unterzubringen. Diese Einschätzung sollte sich, wie ich jetzt, zweieinhalb Stunden später, weiß, durchaus bestätigen. Die Rasanz, der unbedingte Willen zum fiebrigsten Delirium, die Tatsache, dass WAHAN KE LOG vollgestopft wie ein Füllhorn mit scheinbar allem ist, was den Verantwortlichen während der Produktion an schrägen Ideen vor die Füße fiel – mit alldem habe ich allerdings wenig bis kaum gerechnet, weshalb das Epos sich für mich einerseits zur wahren Geduldsprobe entwickelt hat, andererseits aber auch zu einem Reigen, vor dem ich im Grunde nur ungläubigen Blickes und offenen Mundes sitzen kann und konnte.

WAHAN KE LOG – was auf Deutsch scheinbar so viel heißt wie „Die Menschen aus diesem Land“ - macht bereits ab der ersten Filmminute keine Gefangenen: Ein Diamantenhändler in irgendeiner indischen Großstadt bekommt Besuch von einer Art fliegendem Walkie-Talkie, das sich an der Wand seines Wohnzimmers materialisiert, und aus dem heraus ihm eine gebieterische Stimme befiehlt, sämtliche in seinem Besitz befindlichen Klunker bis Mitternacht zusammenzusammeln und darauf zu warten, dass der Besitzer der Stimme vorbeikomme, um sie sich zu holen. Sollte er dem nicht Folge leisten, muss der arme Mann damit rechnen, es mit Vergeltungsmaßnahmen aus dem Weltall zu tun zu bekommen, denn die dreisten Erpresser seien nichts anderes als Bewohner des Planeten Mars auf Elsterraubzug durch die Galaxien. Diese Seltsamkeit, mit der WAHAN KE LOG eröffnet, ist indes kein Einzelfall. In ganz Indien häufen sich in letzter Zeit nicht nur die UFO-Sichtungen, auch werden konsequent alle Juweliere von derart einschüchternden Erpressungsversuchen inklusive fliegendem Walkie-Talkie heimgesucht. Dem Rätsel auf der Spur befindet sich der Chief Sheikh of the Central Intelligence Service, der eine Mordserie an besagten Juwelieren aufklären bzw. nachweisen soll, ob da tatsächlich irgendwelche Marsianer ihre Hände im Spiel haben, diese Aufgabe jedoch an seinen besten Assistenten, Rakesh, weiter delegiert, der beruflich mit allen Geheimdienstwassern gewaschen ist, privat aber noch immer bei seiner Mutter wohnt, und nicht mal in seiner eigenen bevorstehenden Hochzeit mitzureden hat: Seine Zukünftige wurde von Mama ausgesucht, und er selbst kennt die Frau, mit der er sein restliches Leben verbringen soll, nicht mal von Photos. Daran ändert sich nun auch erst einmal nichts, denn Rakesh verschlägt es nach Bombay, wo er eine Allianz mit dem tollpatschigen Privatdetektiv Neelkanth schließt, und sich alsbald schon in einem Netz aus Intrigen, Agenten und Gegenagenten verstrickt, von denen nicht alle, aber viele ihm ans Leder wollen. Ebenfalls Hilfe erhält er von dem greisen, weißbärtigen und vom Regisseur der Chose höchstpersönlich gegebenen Professor Chakravarty, bei dem zurzeit wiederum der Haussegen schief hängt, hat sich sein eigener Sohn, Anil, doch mit dubiosen Gestalten eingelassen, und versucht die neuste Erfindung seines Vaters, eine permanent piepsende Maschine zur Datenübertragung an die Grenzen des uns bekannten Universums, zu sabotieren. Während Rakesh immer wieder auf eine mysteriöse Frau trifft, die genau über seine Mission Bescheid zu wissen scheint, muss Professor Chakravarty sich den Mordanschlägen des eigenen Sohnes erwehren und werden Rakeshs Braut in spe und ihr Papa von Leuten in Raumanzügen gekidnappt, die vorgeben, Marsmenschen zu sein.

Schon lange habe ich mich nicht für eine, wenn auch noch so grobe, Inhaltsangabe derart abgequält wie für die paar flüchtigen Zeilen einen Absatz höher, und selbst jetzt bin ich mir nicht sicher, die Essenz von WAHAN KE LOG auch nur ansatzweise getroffen bzw. verständlich gemacht zu haben, worum es in diesem Film überhaupt geht – sowohl meinen Leser als auch mir selbst. Kennt ihr noch die berühmten bunten Tüten, die man sich als Kind beim Kiosk seines Vertrauens für einen Euro gekauft hat, und in der sich dann alles tummelt, wovor gesunde Zähne Alpträume haben? Genau eine solche bunte Tüte ist auch WAHAN KE LOG. Quasi im Sekundentakt mäandern die mehreren parallel zueinander verlaufenden Plots in neue befremdliche Richtung, quasi im Sekundentakt werden neue Figuren eingeführt oder neue Figurenkonstellationen durchexerziert, die ich selten als leicht nachvollziehbar empfunden habe, quasi im Sekundentakt lugt irgendein verrückter Einfall um die Ecke, sei es in Form von fliegenden Untertassen, die selbst alles weit in den Schatten stellen, was Ed Wood als Spezialeffekte auszugeben versucht hat, sei es in Form solcher illustren Charaktere wie den Professorensohn Anil, der aussieht wie ich mir Bela Lugosi als Ölmagnat vorstelle, oder sei es in Form der nicht mal so zahlreichen, dafür aber weitgehend ohne Bezug zur eigentlichen Handlung stehenden Szenen aus dem Sektor von Tanz und Gesang. WAHAN KE LOG ist dabei dermaßen voller Wendungen, dass der Film nach kurzer Zeit offenbar selbst schon gar nicht mehr weiß, worauf er hinauswill, wechselt zudem munter die Genres wie es ihm gerade passt, d.h. es kann vorkommen, dass wir vom Bord eines Raumschiffs in eine schmachtende Liebesszene gestoßen werden, und von dort aus in Segmente, wo sich der mit Gadgets bestückte Rakesh wie ein indischer James Bond gegen ihn operierende Geheimdienstler zur Wehr setzen muss. Konsequent ist bei WAHAN KE LOG, dass er es schafft, dieses an sich schon anstrengende Schema sukzessive bis zum totalen Kollaps zu steigern, und sich allerspätestens im unglaublich ausgewalzten und mit Archivaufnahmen von Panzern, Flugzeugen, Explosionen regelrecht zugekleisterten Finale selbst in die Luft sprengt. Würde nicht alles darauf hindeuten, dass WAHAN KE LOG seinerzeit wirklich als eigenständiger Spielfilm in die Kinos gekommen ist, würde ich fast annehmen, es mit dem Zusammenschnitt eines Serials zu tun zu haben, bei dem man nur die Höhepunkte aus, sagen wir, ein paar Dutzend Folgen relativ ungeschickt aneinandermontiert hat ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dabei möglicherweise der Sinn des großen Ganzen auf der Strecke bleiben könnte, selbst wenn die Schauspieler, übrigens allesamt aus der Starriege des indischen Kinos, noch so oft und gerne in endlosen Dialogszenen und wahlweise in Hindi, Panjabi, Urdu oder Englisch kauderwelschen.

Da die Vernunft sich aufgrund dessen sowieso früher oder später von selbst ausschaltet, kann man WAHAN KE LOG in der Gemütsverfassung eines kleinen Kindes genießen, sich totlachen über die grenzdebile Szene, in der Rakesh und Neelkanth mit Motorrädern einen Haufen Gangster jagt – und bei der die Komik hauptsächlich dadurch entstehen soll, dass man besagte Szene im Zeitraffer abspult -, mitwippen, wenn weibliche Marsianer in ihren silbernen Ganzkörperkostümen zum Bauchtanz laden, oder sich an den großartigen Wunderwaffen ergötzen, die Rakesh auf seinem Kampf für die Gerechtigkeit begleiten, darunter ein Stift, der mit unsichtbarer Tinte schreibt, und ein weiterer Stift, der eine versteckte Pistole ist, jedoch nur über Lagerkapazitäten für eine einzige Munitionskugel verfügt. Habe ich schon erwähnt, dass dieser Film noch das verknöchertste Gehirn aufweicht, dass man es für ein Fondue nutzen kann?
Antworten