Abwärts - Carl Schenkel (1984)

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
horror1966
Beiträge: 5597
Registriert: Mo 7. Jun 2010, 01:46
Wohnort: Hildesheim

Abwärts - Carl Schenkel (1984)

Beitrag von horror1966 »

abwaerts.jpg
abwaerts.jpg (88.96 KiB) 576 mal betrachtet



Abwärts
(Abwärts)
mit Götz George, Hannes Jaennicke, Renee Soutendijk, Wolfgang Kieling, Klaus Wennemann, Ralf Richter, Jan Groth, Kurt Raab, Ekmekyemez Firdevs, Luce Rains, Hans Schwögler
Regie: Carl Schenkel
Drehbuch: Frank Göhre / Carl Schenkel
Kamera: Jacques Steyn
Musik: Jacques Zwart
FSK 16
Deutschland / 1984

Freitagabend in einem Bürohaus. Die Gänge menschenleer, die Angestellten auf dem Weg ins Wochenende. Für die letzten vier Nachzügler der Beginn eines Alptraums. 100 Meter über dem Boden bleibt der Fahrstuhl stecken...


"Die Mutter aller Fahrstuhl-Thriller"


Nicht selten wird man mit diesem Superlativ konfrontiert, wenn es um diese Filmgattung geht und ehrlich gesagt ist die Aussage noch nicht einmal übertrieben. Oft wirft man ja den deutschen Filmemachern nicht ganz zu Unrecht vor, das gerade im Spannungsbereich nicht besonders viele sehenswerte Filme aus unserem Land kommen, doch das es auch anders geht, wird hier sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zu meiner Schande muss ich eingestehen, das ich dieses Werk bisher noch nie gesehen hatte und so auch keine Ahnung hatte, welch beklemmendes und äusserst intensives Filmerlebnis mir dadurch durch die Lappen gegangen ist. Im Prinzip handelt es sich um ein kammerspielartiges Szenario mit 4 Personen, denn alle anderen Darsteller treten vielmehr sporadisch auf und sind so als notwendiges Beiwerk anzusehen. Was sich allerdings unter den 4 eingeschlossenen Personen innerhalb der Fahrstuhlkabine abspielt ist ein klaustrophobisches Katz-und Maus Spiel, das im Laufe der Zeit immer bedrohlichere Züge aufkommen lässt, was beim Zuschauer für ein starkes Gefühl der Beklemmung sorgt.

Insbesondere Menschen, die unter Platzangst leiden dürften hier mit vollem Einsatz bei der Sache sein und sich eigentlich ganzzeitig nicht ganz wohl in ihrer Haut fühlen. So erscheint das Geschehen von beginn an ziemlich angespannt, was sich insbesondere in den Figuren von Jörg (Götz George) und Pit (Hannes Jaennicke) widerspiegelt, die sich von der ersten Sekunde an nicht ganz grün sind. Das liegt vor allem an der rebellischen Art des jungen Pit, der durch ständige Sticheleien für etliche reibungen unter den Eingeschlossenen sorgt, die sich mit zunehmender Laufzeit immer weiter intensivieren, bis sie letztendlich fast in einer Katastrophe enden. Wie sich hier mit zunehmender Spieldauer die Situation immer mehr zuspitzt ist kaum in Worte zu fassen und wird durch das exzellente Schauspiel seiner Protagonisten noch zusätzlich unterstrichen.

Auch wenn man als Schauplatz fast ausschließlich mit der Fahrstuhlkabine oder dem Fahrstuhlschacht konfrontiert wird, ist es wohl gerade diesem Umstand geschuldet, das die Ereignisse ihre ganze Intensität entfalten können, überkommt einen doch gerade deswegen das Gefühl, selbst in diesem fahrstuhl eingeschlossen zu sein und so das dargestellte Szenario förmlich mitzuerleben. Scweissnasse Hände und eine immer stärker werdende Nervosität sind die durchaus logische Folge, da es sich ja zudem um ein Geschehen handelt, das einem selbst jederzeit widerfahren könnte. Durch dieses sehr hohe Maß an Authenzität hat man eigentlich nie den Eindruck sich in einem Spielfilm zu befinden, sondern vielmehr in einem Szenario, das man am eigenen Leibe erfährt. Und so ist man nicht nur als Betrachter anwesend, sondern wird ein Teil dieser Geschichte und erliegt immer mehr der von ihr ausgehenden Faszination, die nach und nach immer klaustrophobischere Ausmaße annimmt.

Alle 4 Hauptdarsteller liefern hier absolut überzeugendes Schauspiel ab, selbst ein Wolfgang Kieling, der im Prinzip wie ein stiller Beobachter wirkt, ist aus diesem Film nicht wegzudenken. Zudem ist auch mit Renee Soutendijk noch ein weiblicher Part vertreten, der im Laufe der Zeit aus der Rolle des hübschen Beiwerkes heraustritt und eine nicht unwesentliche Rolle einnimmt, die für zusätzliche Spannungen sorgt und sich im Verhältnis zwischen Jörg und Pit äussert, die nun auch im Bezug zu der jungen Frau zu Rivalen werden. Besonders gut hat mir auch das von Regisseur Carl Schenkel gewählte Ende gefallen, das anscheinend als Happy End gestaltet wurde, aber im letzten Moment noch eine äusserst tragische Note beinhaltet. Dadurch wird eine insgesamt erstklassige Geschichte auch noch nahezu perfekt abgerundet und hinterlässt keinerlei schalen Beigeschmack beim Zuschauer, der nach der Sichtung dieses Werkes sichtlich mitgenommen ist und sich von den erhaltenen Eindrücken erst einmal erholen muss.


Fazit:


"Abwärts" ist mit Sicherheit ein deutscher Vorzeigefilm, der aber auch keineswegs den internationalen vergleich zu scheuen braucht. Eine fast minimalistische Story, die mit erstklassigen Darstellern besetzt ist und mit der Zeit einen immer straffer gezogenen Spannungsbogen beinhaltet reicht hier vollkommen aus, um eine so starke Faszination und Intensität zu entfalten, das man als Betrachter selbst ein Teil des Geschehens wird. Die unglaublich dichte und klaustrophobische Atmosphäre des Geschehens tut ihr Übriges, um für ein unvergessliches und jederzeit spannendes Filmerlebnis zu sorgen, das einen auch noch nachhaltig beschäftigt.


9/10
Big Brother is watching you
Benutzeravatar
Onkel Joe
Forum Admin
Beiträge: 18225
Registriert: Sa 28. Nov 2009, 08:40

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von Onkel Joe »

Ein wirklich guter Film, für mich "gute" 7/10.
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
untot
Beiträge: 6906
Registriert: Do 16. Sep 2010, 16:53

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von untot »

Onkel Joe hat geschrieben:Ein wirklich guter Film, für mich "gute" 7/10.

Jepp kann ich mich anschließen! :thup:
Bild
Benutzeravatar
Santini
Beiträge: 5634
Registriert: Do 26. Nov 2009, 16:48

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von Santini »

Bild
Benutzeravatar
Arkadin
Beiträge: 11225
Registriert: Do 15. Apr 2010, 21:31
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von Arkadin »

Den "Abwärts" muss ich auch unbedingt mal weider gucken. Hat mich damals bei der ersten TV-Ausstrahlung wirklich begeistert. Dass so ein gut gemachter, sauspannender und schauspielerisch hochwertiger (Kieling!!!) Film in Deutschland Mitte der 80er möglich - und auch erfolgreich! - war, hatte mich damals sehr erstaunt. Heute weiß ich, dass Deutschland immer das Potential für Genre hatte - aber es dann spätestens mit dem Beginn der 80er nicht mehr ausschöpfte und die paar Produktionen, die mal Genre wagten, gnadenlos an der Kinokasse floppten (Grafs "Die Sieger" z.B.).
Schade, dass der Schenkel dann nach Hollywood (unter)gegangen ist, andererseits hätte er hierzulande wahrscheinlich eh keine Zukunft jenseits von Komödien gehabt. Kennt jemand seinen ersten, bei Lisa Films erschienener, Film "Kalt wie Eis"? Die Besetzungsliste klingt ja famous!
Früher war mehr Lametta
***************************************************************************************
Filmforum Bremen
Weird Xperience
dr. freudstein
Beiträge: 14488
Registriert: Sa 19. Dez 2009, 19:55

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von dr. freudstein »

Zunächst war ich eher gelangweilt, habs dann aber begriffen 6/10
Hatte ich doch schon mal gesehen früher im TV
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40653
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von buxtebrawler »

Der schweizerische Regisseur Carl Schenkel („Exquisite Tenderness – Höllische Qualen“) empfahl sich mit der deutschen Produktion „Abwärts“ aus dem Jahre 1984 für spätere höher budgetierte Projekte, denn es gelang ihm, mit sehr eingeschränkten Mitteln einen gut funktionierenden Psycho-Thriller zu kreieren.

An einem Freitagabend bleiben vier Menschen im Fahrstuhl eines Frankfurter Bürokomplexes stecken: Werbekaufmann und Yuppiemacho Jörg (Götz George, „Der Totmacher“), Kollegin und Karriereblondchen Marion (Renée Soutendijk, „Eve 8 – Außer Kontrolle“), der auf alternativ machende, lässige Pit (Hannes Jaenicke, „Rosa Luxemburg“) und der schweigsame, alte Buchhalter Gössmann (Wolfgang Kieling, „Der Millionenraub“). Damit prallen Welten – insbesondere zwischen Jörg und Pit – aufeinander und Konflikte treten offen zutage, als die Egos der beiden jüngeren Männer sich gegenseitig nur bedingt zu dulden bereit sind. Da die Situation aber immer ernster wird und Hilfe nicht in Sicht scheint, pendelt man zwischen konstruktiver Zusammenarbeit, um der engen Kabine zu entkommen, und offenen Anfeindungen bis hin zu nonverbalen Auseinandersetzungen.

Schenkels klaustrophobischer Thriller gleicht die meiste Zeit einem Kammerspiel, findet es doch hauptsächlich in der Fahrstuhlkabine statt. Dabei möchte er menschliches Verhalten in Extremsituationen aufzeigen, die beinahe alle guten Manieren und vordergründige Etikette vergessen lassen. George nimmt man seine Rolle des sich in seiner Männlichkeit durch Pits Anwesenheit gefährdet sehenden, prolligen Möchtegern-Upperclass-Yuppies zu jeder Sekunde ab, wobei sich mir bei dieser Art des Schauspiels immer die Frage stellt, inwieweit er nicht einfach sich selbst spielt. Jaenicke feiert in „Abwärts“ sein Spielfilmdebüt und ist aus heutiger Sicht zunächst sehr gewöhnungsbedürftig als, ja, als was eigentlich? Ein angepunkter Anarcho? Ein Sponti-Student? Was immer er da genau spielt, seine Rolle, die die Antithese zu Jörg darstellen soll, erscheint mir etwas eigenartig konstruiert, doch Jaenicke füllt sie mit Leben. Und während Kieling als unauffälliger Buchhalter Gössmann erst zu einem relativ späten Zeitpunkt das Sprichwort von den tiefen, stillen Wassern bestätigen darf, verwundert die aufgetakelte, aber recht uncharismatische Soutendijk als Objekte der Begierde sowohl Jörgs als auch Pits. Klar, zu Jörg passt diese oberflächlich erscheinende, egozentrische Schlampe, aber zu Pit? Möglicherweise lässt das Drehbuch sich Pit nur für Marion interessieren, um Jörg eins auszuwischen und schwer auf die Nerven zu gehen.

Generell ist kein wirklicher Sympathieträger vorhanden, Pit nervt ebenso wie Jörg, nur eben auf etwas andere Weise. Am erträglichsten erscheint da noch der Buchhalter, der wenigstens den Mund hält. Kehrseite der Medaille ist, dass man ihn zunächst überhaupt nicht kennenlernt. Dennoch funktioniert „Abwärts“ gut, wenn auch nicht alle Dialogzeilen sofort nachvollziehbar erscheinen. Spannung wird erzeugt, wann immer unsere Gefangenen durchs Kabinendach in den Fahrstuhlschacht klettern, um nach einer Möglichkeit zu suchen, endlich aus dem Schlamassel herauszukommen. Das führt zu schmutzigen Klamotten und blutigen Verletzungen, von der schweißtreibenden Lebensgefahr ganz zu schweigen. Als nach langer Zeit endlich Rettung naht, treibt man die Spannung mit einer nervenzerreißenden Geräuschkulisse auf den Höhepunkt und als es schlussendlich tatsächlich „abwärts“ geht, stellt sich die Frage, wer diesen Wahnsinn wie überleben wird.

Nicht schlecht, was Herr Schenkel da fabriziert hat, wahrlich nicht. Ein paar Abstriche muss man sicherlich bei den konstruierten Charakteren und manch Textzeile des dialoglastigen Films machen, der zudem bisweilen etwas klinisch-kühl und distanziert wirkt. Ansonsten aber gerade für Fahrstuhlphobiker zu empfehlen, die sich „Abwärts“ am besten im Doppelpack mit „Fahrstuhl des Grauens“ anschauen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
dr. freudstein
Beiträge: 14488
Registriert: Sa 19. Dez 2009, 19:55

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von dr. freudstein »

Ja, danke schön für dieses ausführliche und treffsichere Review. Jetzt, wo der Film etwas gesackt ist, gefiel er mir doch besser und es offenbarte sich mir, was der Film eigentlich ausdrücken möchte und das ist gut gelungen.
Ich war halt zunächst mehr auf visuelle Höhepunkte aus wie z. B. bei FAHRSTUHL DES GRAUENS und das stellte sich als Fehler heraus. Zudem bemerkte ich erst im Verlauf der Handlung, das ich den ja doch schon mal gesehen hatte. Somit bedanke ich mich auch hier noch mal für meinen Gewinn von der Redaktion :knutsch:
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39407
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von jogiwan »

Sehr gut in Szene gesetzter und auch recht gut funktionierender Fahrstuhl-Klaustrophobie-Thriller mit Götz George und Hannes Jaennicke, der wirklich an bessere Zeiten des deutschen Films erinnert, auch wenn die ganze Sause bei aller Liebe doch etwas konstruiert und auch sehr Achtziger-lastig daherkommt. Wie Bux dabei schon bemerkte sind in dem Kammerspiel-artigen Streifen die gegenpoligen Rollen teils etwas seltsam gehalten, sodass die Dramaturgie auch etwas holprig daherkommt und vor allem bei Pit weiß man wirklich nicht so genau, was der im Grunde repräsentieren soll. Statt auf Hilfe zu warten, versuchen die beiden Gockel ja vor der holden Weiblichkeit den Helden zu markieren, was jedoch gründlich in die Hose geht und dann in einem Gänsehaut-Finale mit Abschluss-Gag auch alle in Gefahr bringt. Trotz kleinerer, inhaltlicher Mängel aber insgesamt ein doch gelungener Streifen, den man sich als Liebhaber von deutschen Genre-Filmen auch nicht entgehen lassen sollte.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39407
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Abwärts - Carl Schenkel

Beitrag von jogiwan »

demnächst in der EDV geadelt:
01.jpg
01.jpg (69.46 KiB) 594 mal betrachtet
Erscheinungsdatum 29. November 2021

Edition Deutsche Vita #16

Cover A - Limitiert auf 1000 Stück
An einem Freitagabend besteigen vier Personen den Aufzug eines Bürohauses. Nachdem dieser steckenbleibt, bemerken sie recht schnell, dass ihre Hilferufe ungehört verhallen. Verzweifelt entscheiden sie, sich aus eigener Kraft zu befreien und klettern durch eine Luke nach außen. In größter Lebensgefahr kommt es zum Streit und die Situation eskaliert völlig. Mit jeder weiteren Minute in dieser klaustrophobischen Enge hebt sich der Schleier der Oberflächlichkeit und gibt einen Blick in den menschlichen Abgrund preis, der viel tiefer ist, als der Fahrstuhlschacht unter ihren Füßen.

Technische Details:

Bildformat: BD 1.66:1 (23.976fps/AVC/1080p) / 4k UHD Blu-ray 1.66:1 (23.976fps/HDR10/2160p)
Ton: Deutsch DTS HD Master Audio 1.0
Länge: ca. 90 Minuten
Untertitel: Deutsch, Englisch
Region Code: free

Bonusmaterial:
- Interview mit Hauptdarsteller Hannes Jaenicke
- Interview mit Kameramann Jacques Steyn
- Original Kinotrailer
- Bildergalerie
- Exklusives Booklet mit einem Text von Stefan Jung
quelle: https://www.lisa-film-kollektion.de/pro ... ver-a.html
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Antworten