Wir sind deine Community rund ums Thema Film mit Schwerpunkt auf italienischem bzw. europäischem Genre-Kino. Vom Giallo über den Poliziesco/die Poliziotteschi, den Italo-Western, den Horror und der Science-Fiction bis hin zum Eurospy, zur Commedia sexy all'italiana, zu Barbaren und Endzeit, Sex- und Nunploitation, Sleaze und Trash – tausch dich bei uns gratis mit Gleichgesinnten aus, werbefrei und unkommerziell.
Darsteller: Charly Hübner, Milan Peschel, Ulrich Matthes, Rainer Bock, Max Hopp, Frederick Lau, Ludwig Trepte, Robert Gallinowski, Jasna Fritzi Bauer, Ursula Werner, Katharina Lorenz, Thorsten Merten u. A.
Der 9. November 1989 ist ein einschneidender Tag, denn die Reisebeschränkungen für DDR-Bürger sind nun Geschichte und nicht nur der NVA-Oberstleutnant Harald Schäfer (Charly Hübner) ist von der Günter Schabowski Kundgabe auf einer Pressekonferenz erstaunt. Wenig später finden sich zahlreiche Ostberliner vor dem Grenzübergang "Bornholmer Straße" wieder, womit viele dramatische Stunden ihren Lauf nehmen. Harald wartet mit seinen Kollegen auf Anweisungen seines Vorgesetzten, die ausbleiben, und immer deutlicher eskaliert die Lage, denn mehr und mehr Menschen warten vor dem Grenzübergang und fordern lautstark ihre Ausreise. Oberstleutnant Harald Schäfer steckt in der Zwickmühle und muss eine Entscheidung treffen… Als er sich zur Öffnung der Grenze entschließt, wird er damit zum Helden des Tages.
Der zum 25. Jubiläum der Maueröffnung öffentlich-rechtlich produzierte Fernsehfilm „Bornholmer Straße“ aus dem Jahre 2014 erzählt die Geschichte des Falls der Berliner Mauer, genauer: der Öffnung des Grenzübergangs Bornholmer Straße am 9. November 1989 aus Sicht der DDR-Grenzbeamten in Form einer Dramödie. Die Regie führte Christian Schwochow; das Drehbuch stammt von seinen Eltern Heide und Rainer Schwochow, die seinerzeit zu Zeitzeugen der Geschehnisse wurden und sich an der Dokumentation „Der Mann, der die Mauer öffnete. Warum Oberstleutnant Harald Jäger den Befehl verweigerte und damit Weltgeschichte schrieb“ von Autor Gerhard Haase-Hindenberg orientierten.
„Was ist bloß mit unserem Land passiert?!“
Nach bzw. während der Massenproteste und Ausreisewellen ihrer Bevölkerung über Ungarn und die Tschechoslowakei hatte die DDR-Regierung im Oktober 1989 eine kontrollierte Grenzöffnung geplant, die im Dezember 1989 wirksam werden sollte. Aufgrund der Zuspitzung der Lage sollte die Möglichkeit der legalen Ausreise schließlich vorgezogen werden, die ab dem 10. November, 4:00 Uhr morgens gelten sollte. In der Pressekonferenz zur Tagung des SED-Zentralkomitees war Günter Schabowski unvorbereitet und schlecht informiert, sodass er auf Fragen von Journalisten die Grenzöffnung bekanntgab und fälschlicherweise verlautbaren ließ, diese trete sofort in Kraft. Als sich daraufhin zahlreiche DDR-Bürger vor den Grenzpunkten versammelten, fielen die Grenzschützer aus allen Wolken, denn sie hatten keinerlei offiziellen Informationen und Anweisungen erhalten. Sie wussten nicht, wie sie reagieren und mit der Situation umgehen sollten, waren plötzlich auf sich allein gestellt. Als einer der ersten Grenzposten öffnete derjenige an der Bornholmer Straße unter Leitung Harald Jägers die Grenzen und trug damit zum friedlichen Verlauf des historischen Ereignisses bei. In diesem Film wurde er zu Oberstleutnant Harald Schäfer, gespielt von Charly Hübner („Hardcover“).
„Macht das Tor auf, wir kommen wieder!“
Alltag bei den Grenztruppen der Bornholmer Straße: Ein kleiner Hund wird wegen Grenzverletzung „festgenommen“, was eine willkommene Abwechslung darstellt. Ansonsten ist nicht viel los. Doch dann: Schabowsksi unverantwortliches, unwürdiges Gestammel, live übertragen in Funk und Fernsehen. Oberstleutnant Schäfer kann’s nicht fassen. Als die ersten Ausreisewilligen und Neugierigen den Grenzpunkt aufsuchen, lautet die Parole zunächst, die Menschen wegzuschicken. Bei den Grenzern kommt es zu Verwirrung und Diskussionen untereinander. Man glaubt, die Verantwortung an die Volkspolizei abgeben zu können, doch die lehnt ab. Schäfer und seine Truppe erwarten telefonische Anweisungen von „Genosse Oberst“ (Ulrich Matthes, „Herr Ober!“), doch dieser hat auch keine parat. Schäfer versucht, die Leute loszuwerden und die Grenzer versichern sich gegenseitig ihrer sozialistischen Überzeugungen, die jedoch langsam bröckeln. Einer, Burkhard (Max Hopp, „Der Turm“), verliert die Nerven und will schießen, doch Schäfer weiß dies zu verhindern. Der Botschafter aus Mosambik will durch, die Presse ist vor Ort, es wird immer chaotischer und unkontrollierbarer, kommt zu Handgreiflichkeiten. Burkhard ist mittlerweile verzweifelt und heult. Dann endlich – ein Befehl von „oben“! Provokateure sollen klammheimlich ausgebürgert werden, indem man sie nach ihrer Stippvisite in den Westen nicht wieder zurücklässt. Den Grenzern stellt sich jedoch immer stärker die Sinnfrage, denn dieser Befehl trennt auch Ehepaare. Schäfer setzt sich schließlich darüber hinweg und befiehlt die Öffnung des Schlagbaums.
Das Mischgenre der Dramödie erlaubt es den Schwochows & Co., trotz bekannter Faktenlage relativ frei mit dem Stoff umzugehen. So wird er beispielsweise um ein Beziehungsdrama um einen Grenzer und dessen Freundin erweitert und die Grenzposten werden durch diverse Überzeichnungen karikiert. Gleichzeitig werden sie Dank der Perspektive auch als emotionale, empathiefähige Menschen gezeigt und es wird deutlich, was in ihnen vorgegangen sein muss. Die schauspielerischen Leistungen des hochklassig besetzten Films sind herausragend und treffen meist den richtigen Ton. Schwochow und allen Beteiligten gelingt das Kunststück, die Handlung trotz bekannten Ausgangs spannend zu erzählen, ein ergreifendes Finale zu entwickeln, ohne auf die Kitschtube zu drücken und so ein unfassbar wichtiges, entscheidendes Stück nicht nur deutscher, sondern europäischer, ja, Weltgeschichte äußerst angenehm aufzubereiten und dabei die immer machtloser gewordene DDR-Exekutive zwar bisweilen zu veralbern, aber auch ihre menschliche Seite und ihre Konflikte erfahrbar, nachvollziehbar zu machen. Die Lage hätte damals ohne weiteres eskalieren, Blutvergießen und Tote die Folge sein können. Dass es friedlich blieb, ist einer der größten Verdienste des DDR-Apparats, vom ehemaligen Generalsekretär und Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz, der seinerzeit endlich die Nachfolge des starrköpfigen Honeckers antrat und im Vorfeld jeglichen Schusswaffengebrauch gegen Demonstranten untersagte, bis hin zum besonnen bleibenden Grenzposten wie Schäfers reales Vorbild Jäger.
Unerträglich allerdings ist es, wie ausgerechnet Wendehals und Opportunist Schabowski sich im Nachhinein für die Grenzöffnung hofieren und feiern ließ, denn hätten die vollkommen unvorbereiteten Grenzposten, Polizisten etc. anders reagiert, hätte er dies mitzuverantworten gehabt – und in welche Situation er nicht nur sie, sondern auch das normale Volk brachte, ist bereits schlimm genug.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)