Die Heinzelmännchen - Erich Kobler
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Die Heinzelmännchen - Erich Kobler
Herstellungsland: Deutschland 1956
Regie: Erich Kobler
Darsteller: Nora Minor, Dietrich Thoms, Elke Arendt, Christa Falkner, Heini Göbel, Toni Strassmair, Klaus Havenstein, Ado Riegler, Bobby Todd, Monika Jobst, Helmut Lieber, Rolf Bollmann, Erich Holder
Da Dr. Freudstein mich kürzlich darauf hingewiesen hat, dass ja eigentlich ein Jubiläum ansteht, weil ich es mittlerweile in Rekordgeschwindigkeit zu meinem 200. Posting in diesem Forum gebracht habe (!), dachte ich mir, sozusagen zur Feier des Tages, einmal etwas ganz Besonderes aus meinem filmischen Giftschrank zu besprechen.
Die Wahl fiel hierbei auf den deutschen Märchenfilmklassiker DIE HEINZELMÄNNCHEN aus dem Jahre 1956, benannt nach den sagenumwobenen Hauskobolden, die 1833 vom Kölner Dichter August Kopisch nicht nur aus dem Siebengebirge in seine Heimatstadt verpflanzt, sondern mittels eines gleichnamigen Gedichts aus seiner Feder, das weitgehend auch die Grundlage des vorliegenden Films bildet, zugleich unsterblich gemacht worden sind. Wie sklavisch das Werk an seiner literarischen Vorlage klebt, lässt der Anfang indes noch nicht erahnen, wenn zunächst zwei kindliche Hauptcharaktere, ein Junge und ein Mädchen, deren Namen mir leider einfallen sind, eingeführt werden, die bei einer Waldwanderung auf eine seltsame Blume stoßen. Ihr Vater, der Schuster des mittelalterlichen Städtchens, weiß über ihren Fund gleich zu berichten, dass er ihnen einen unfassbaren Segen bereiten würde: diese Blume bedeute nämlich nichts anderes als dass die Heinzelmännchen von nun an jede Nacht Glock zwölf in die Häuser der Stadtbewohner schleichen und die liegengebliebene Arbeit des Vortags sowie die anstehende des nächsten erledigen würden. Die einzige Bedingung: kein Mensch darf die Heinzelmännchen bei ihrem Nachtwerk zu Gesicht bekommen, sollte solch ein Tabubruch nämlich geschehen, werden sie sofort auf Nimmerwiedersehn verschwinden. Woher der Schuster das nun alles herhat, bleibt ebenso unklar wie die genaue Herkunft der dubiosen Blume, die in Kopischs Gedicht ebenso fehlt wie die beiden Kinder, die, so scheint es, die Hauptrollen der beginnenden Geschichte übernehmen werden, von nun an jedoch stetig dem Vergessen anheimfallen bis sie dann im Schlußtakt überhaupt keine Funktion mehr erfüllen. Ebenfalls neu, und nicht von Kopisch entlehnt, ist die Figur eines Landstreichers, der sich in der Stadt versteckt, um bei Einbruch der Nacht, sozusagen analog zu den alsbald sich aus dem Nichts materialisierenden Heinzelmännchen, in die fremden Häuser einzusteigen, jedoch nicht beim Schuften zu helfen, sondern sich die Taschen mit Diebesware zu füllen.
Nach dieser Exposition folgt der lange, eher monotone Hauptteil des Films, der detailreich und unermüdlich aufzeigt, wie die Koboldhorde exemplarisch Schuster, Schneider und Bäcker des Orts besuchen und dort nun - wie sollte es anders sein?! - eben backen, schneidern und schustern. Die Heinzelmännchen, das muss noch gesagt werden, sind freilich - und das unschwer zu erkennen - nichts anderes als eine muntere Kindergruppe mit roten Zipfelmützchen und angeklebten Bärten, die sich von einer Slapstick-Nummer zur nächsten hangeln, permanent wie Mäuse umherflitzen und zwischendurch sogar noch die Zeit haben, ein paar Zirkusnummern wie Radschlagen zu vollführen, natürlich nicht ohne roten Teppich und Trommelwirbel! Das alles ist ohne Frage herzallerliebst und zuckersüß, dabei außerdem nahezu avantgardistisch, da der Film von nun an auf eine Handlung im eigentlichen Sinne verzichtet und sich damit begnügt, das Treiben der Heinzelmänner beinahe dokumentarisch zu beleuchten. Aufgelockert werden die zahllosen Aufnahmen von Stiefel flickenden, Kuchen herbeizaubernden und Röcke stopfenden Kinderlein einzig und allein durch den umherirrenden Landstreicher, der - ein etwas mauer running gag zugegeben - erst beim Bäcker, dann beim Schuster und schließlich beim Schneider einzubrechen versucht und jedes Mal von den Helferkobolden nicht nur in die Flucht, sondern in KEVIN-ALLEIN-ZUHAUS-Manier ordentlich malträtiert und mit raffiniertesten Fallen an Leib und Leben zu Schaden gebracht wird - so verfuhr man in den 50ern eben noch mit subversiven Elementen, die es wagten, den Kopf in die Bürgerstube zu strecken! Großartig mehr kann man über den Mittelteil des Films auch gar nicht sagen, es passiert schlicht nichts, und gerade diesen Leerlauf würde ich, wie man es von mir kennt, als den einen großen Pluspunkt deuten, den das Werk hat. Non-narrativ und, wenn man so will, in einer sich endlos selbst neu produzierenden repetiven Spirale gefangen, kreist der Film eine Weile um sich selbst, und das nicht mal un-unterhaltsam, sofern man denn ironisch mit der biederen, altbackenen Inszenierung umzugehen versteht, die symptomatisch, aber sicherlich unbewusst das geistige Klima der mir immer grausig grau und festgefahren erschienen Nachkriegsära zusammenfasst.
Dennoch, ich kann nicht darüber hinwegsehen, dass DIE HEINZELMÄNNCHEN, so niedlich das alles ja an der Oberfläche arrangiert wurde, in seinem Herzen eine zutiefst misogyne Haltung vertritt. Dazu reicht eine Szene gleich zu Beginn, wenn der Junge und das Mädchen, die die Blume fanden und deren Namen ich noch immer nicht erinnere, von ihrem Vater über den baldigen Besuch der Heinzelmännchen informiert werden, und darob ganz aus dem Häuschen geraten. Endlich muss ich keine Hausaufgaben mehr machen!, ruft der Knabe sinngemäß, während das Mädchen ähnlich euphorisch verkündet, dass es für sie nun erst mal mit dem Saubermachen und Fegen vorbei sei. Okay, mag man sagen, der Film ist eben einer, der in der ahistorischen Märchenzeit spielt, in der nichtsdestotrotz historische Geschlechterklischees gelten, diesen Einwand lasse ich aber spätestens dann nicht mehr gelten, wenn die Frau des Schneiders ins Spiel kommt, eine unmögliche Person, die sich in den Kopf setzte, die Heinzelmännchen unbedingt bei ihrem nächtlichen Großputz überraschen zu müssen. Selbst nachdem ihr Ehemann sie in den Kuhstall gesperrt hat (!), nachdem er sie kurz vor Mitternacht im Treppenhaus herumschleichend fand, steht die Hexe in Menschengestalt nicht von ihrem Vorhaben ab, entwischt ihrem Gefängnis, streut Erbsen im Wohnhaus und kommt so in den Genuss, den Heinzelmännchen dabei zuzusehen wie sie stürzen, sich materialisieren und dann, der Prophezeiung gemäß, auf alle Zeiten verschwinden. Die Moral, die dann tönt, man solle sich eben auf seiner eigenen Hände Arbeit verlassen und nicht auf das Vorhandensein unsichtbarer Helferlein zu hoffen, konnte zumindest mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Film in ein ähnliches Horn bläst wie das, aus dem die alttestamentarische Sündenfallgeschichte oder die Mär von der Pandorabüchse geweht worden sind, nur eben einige Jahrtausende später.
Mein Fazit demnach: von den unzähligen Märchenfilmen deutscher Machart ist DIE HEINZELMÄNNCHEN nun sicherlich keiner, den ich einem Laien als Einstieg empfehlen würde, ganz zu schweigen von den wahren Schätzen, die es in dem Genre zu entdecken gibt, sobald man einmal über den damaligen Eisernen Vorhang späht, wem aber trotzdem der Sinn nach einem netten, reaktionären, konservativen und dabei doch irgendwie possierlichen Unterhaltungsfilmchen steht und ein bisschen inhärente Frauenfeindlichkeit dabei nicht abstößt, der könnte, glaube ich, mit den Heinzelmännchen durchaus kurzweilige achtzig Minuten verleben.