I got a license to release -Onkel Joe hat geschrieben:Dann hoffen wir doch mal das da die EMS scheibe drin liegt oder abgekupfert wurde.Wenn LP da etwas selber bastelt kommt oftmals ein ziemlicher mist raus.
Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl (1967)
Moderator: jogiwan
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
Was soll ich dir da jetzt sagen, der Kerl von LP macht eh was er will.Manchmal, ja manchmal läuft alles auch ganz legal .
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
Sagen Sie jetzt nichts Hildegard - ich hab ja auch nichts gesagt...Onkel Joe hat geschrieben:Was soll ich dir da jetzt sagen, der Kerl von LP macht eh was er will.Manchmal, ja manchmal läuft alles auch ganz legal .
(und indeed: Ich weiß auch nichts)
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
e-m-s ist weg!? Wie konnte ich das übersehen, das ist ja schrecklich. Denen verdank ich so vieles und habe ihnen immer so wenig dafür geben können.buxtebrawler hat geschrieben:Geht mir genauso. Klasse Programm und niedrige Preise. Nur leider konnte man sich damit nicht am Markt behaupten.Adalmar hat geschrieben:Ich bin immer noch traurig, dass e-m-s sich nicht halten konnte. Für mich ein Super-Label.
Dito, eine der ersten DVDs, die ich besessen habe.buxtebrawler hat geschrieben:Naja, die e-m-s-DVDs sind ja meines Wissens allesamt vergriffen, oder? Insofern find ich's schon ok, wenn der Film neu aufgelegt wird.Adalmar hat geschrieben:Falls LP sich an deren Transfer bedienen sollte, kommt mir das schon ein bisschen wie Leichenfledderei vor
Edit: Ich bin da eh raus, da ich die e-m-s-DVD hab.
Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
"Hartbox Nr. 20 aus der MIDNIGHT MOVIES-COLLECTION
enthält als Re-Pack die Original e-m-s-DVD mit entsprechendem Bonusmaterial,
sehr kleine Auflage, da nur ein kleiner Restbestand an DVDs zur Verfügung stand."
enthält als Re-Pack die Original e-m-s-DVD mit entsprechendem Bonusmaterial,
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
Erscheint voraussichtlich am 15.04.2014 bei '84 Entertainment in drei verschiedenen Ausführungen auf DVD:
Auf 111 Stück limitierte große Hartbox, Cover A.
Auf 99 Stück limitierte große Hartbox, Cover B.
Auf 84 Stück limitierte große Hartbox, Cover C.
Auf 111 Stück limitierte große Hartbox, Cover A.
Auf 99 Stück limitierte große Hartbox, Cover B.
Auf 84 Stück limitierte große Hartbox, Cover C.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
Torture Chamber of Dr. Sadism?buxtebrawler hat geschrieben:Erscheint voraussichtlich am 15.04.2014 bei '84 Entertainment in drei verschiedenen Ausführungen auf DVD:
Auf 84 Stück limitierte große Hartbox, Cover C.
Die Titelschmiede mal wieder... Wie werden die Hartboxkäufer wohl reagieren, wenn sie mitbekommen, haben, dass der Film ab 12 freigegeben ist?
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
So langsam beginne ich '84 zu lieben ... erst der "unglaublich schmelzende Mann", jetzt die Folterkammer des "Dr. Sadism" Was da wohl noch kommt??
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Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl
„Frei nach Motiven von Edgar Allan Poe.“ Der erfahrene Genre-Kenner weiß schon, was er von dieser vollmundigen Ankündigung erwarten darf, wenn sie ihm im Vorspann eines Gruselfilms der 60er gegeben wird. Roger Corman hat es vorgemacht, im Jahre 1967 bereits achtmal. Natürlich, der Titel dieser Constantin-Film-Produktion – DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL - erinnert durchaus an Poe, und zwar an eine seiner besten Kurzgeschichten, die 1842 erstmals veröffentlichte THE PIT AND THE PENDULUM. Der hat man scheinbar nur die Schlangen hinzugedichtet, denn in der Originalgeschichte ist die titelgebende Grube leer bis auf die Schwärze, die sie erfüllt. Doch, zum Vergleich, wie viel hatte denn Roger Corman in seiner ADAPTION von THE PIT AND THE PENDULUM (1961) tatsächlich aus Poes Story entnommen? Sowieso aber ist vorliegender bundesdeutscher Versuch, eine eigene teutonische Gothic-Horror-Tradition zu begründen, wesentlich drei anderen dezidiert filmischen Fixpunkten wesentlich deutlicher verpflichtet als dem alten Edgar Allan – und diese drei Fixpunkte liegen auf der Hand. Es sind: 1. Das britische Schauerkino in Form der Hammer-Film-Produktionen, 2. Das US-amerikanische Schauerkino in Form des Poe-Zyklus von Corman für die AIP und natürlich 3. Das italienische Schauerkino in Form vor allem des unübertroffenen Mario Bava.
Damit das Thema schnell abgehakt werden kann, dennoch ein paar Sätze zu Poe und was er mit der SCHLANGENGRUBE zu tun hat (und man verzeihe mir, dass ich kurz den Literaturwissenschaftler heraushängen lasse): Edgar Allan Poe operiert an einer literaturhistorisch außerordentlich interessanten Schnittstelle zwischen dem eher äußerlichen Schrecken der klassischen Schauerliteratur des ausgehenden achtzehnten und beginnenden neunzehnten Jahrhunderts und zwischen dem eher innerlichen Schrecken des modernen Horrors wie er heute noch praktiziert wird. In seinem überschaubaren Oeuvre aus kurzen und kürzesten Texten verschiedenster Gattungen finden sich sowohl Erzählungen, die ganz bewusst auf das historische Erbe der sogenannten gothic novel rekurrieren, aber genauso oft Erzählungen, von denen man kaum glauben mag, dass sie bereits in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts verfasst worden sind, derart psychologisch ausgefeilt schöpfen sie ihr Grauen weniger aus Gespensterspuk und Gruftge-flüster, sondern aus den Schattenseiten der menschlichen Seele selbst. Zur ersten Kategorie zählt eine von Poes wohl berühmtesten Geschichten, THE FALL OF THE HOUSE OF USHER von 1839. In archaischer, altertümelnder Sprache schwelgt Poe dort geradezu im Repertoire der Schauerliteratur. Ein Familienfluch, ein unheimliches Gemäuer, dahinsiechende Frauenfiguren, ein von Nebel bedeckter Pfuhl, aus dem Teufel heraussteigen, wenn man ihn nur zu lange anguckt – das alles sind Ingredienzien aus einer Traditionslinie, die man von Poe ausgehend bis zum Genre-Grundstein, Horace Walpoles Roman THE CASTLE OF OTRANTO (1764), zurückverfolgen kann. Demgegenüber stehen bei Poe aber solche Texte wie zum Beispiel THE TELL-TALE HEART (1843), in denen auf solche schauerromantischen Schauwerte komplett verzichtet wird. Stattdessen zeichnet Poe mittels klarer, präziser Sprache hier das Psychogramm eines allmählich dem Wahnsinn verfallenden Ich-Erzählers, der eigentlich ohne bestimmten Grund seinen greisen Nachbarn ermordet, ihm das Herz herausschneidet und es unter den Dielen des Zimmerbodens versteckt, wo es bleibt bis er sich der Polizei vor lauter Geltungssucht und weil er das imaginierte Pochen des schrecklichen Dings in den eigenen Ohren nicht mehr erträgt selbst verraten hat. THE PIT AND THE PENDULUM ist interessanterweise eine Mischung aus diesen beiden Formen, ein Zusammentreffen von Vergangenheit und Gegenwart. Angesiedelt hat Poe die Erzählung im Toledo zu Zeiten der Spanischen Inquisition – um genau zu sein: in deren Folterkellern, wo unser Ich-Erzähler auf perfideste Weisen zu Tode gebracht werden soll, zum Beispiel, indem man ihn in einem komplett verdunkelten Raum mit einer Fallgrube in der Mitte umherirren lässt, indem man ihn an ein Brett fesselt, über dem ein riesigen Pendel, dessen Unterseite eine scharfe Klinge trägt, stetig tiefer sinkt, um ihn irgendwann in zwei Hälften zu zerteilen, und schließlich, als er beiden Gefahren hat entrinnen können, indem die Wände seines Gefängnisses zu glühen und sich langsam auf ihn zuzubewegen beginnen. Während die Kulisse durchaus noch dem klassischen Schauerroman entspricht – gerade in den Werken der prototypischen Gothic-Godess Ann Radcliffe wimmelt es von Inquisitionsgerichten und Inquisitionsverließen und satanische Priester, die dafür sorgen, dass unschuldige Engel dort schmachten müssen -, entwickelt Poe den wahren Schrecken erneut dadurch, dass er sich vollkommen auf die Psyche seines Protagonisten konzentriert, und wir quasi aus seiner Sicht miterleben wie die Lage sich für ihn mehr und mehr zuspitzt. Es ist noch immer schlicht atemberaubend, dieses Zusammenziehen der Spannungsspirale, die die ausweglose Situation des Ich-Erzählers zunehmend noch auswegloser werden lässt, und zeugt von Poes Genius, aus einem derart minimalistischen Setting ein derartiges Maximum an Effekten hervorzukitzeln.
Abb.1: Einer der eindruckvollsten Außendrehorte des Films, die Externsteine im Teutoburger Wald, wo auch Kenneth Anger einige der eindrucksvollsten Szenen seines LUCIFER RISING (1980) gedreht hat. Vor allem die Völkische Bewegung und später die Nationalsozialisten haben die massive Sandsteinformation mit der Bedeutung einer einstigen germanischen Kultstätte aufzuladen versucht, und genau diesem mystischen Flair wird auch in DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL Rechnung getragen, wenn die Kutsche mit unseren Helden an Bord mitten zwischen den Externsteinen hindurch fährt, dazu verstörende Musik erklingt und Kutscher Dieter Eppler gar nicht weiß, wo er vor Schreck hinschauen soll.
Nach all dem Gesagten könnte DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL nicht weiter von Poe entfernt sein als irgendeine beliebige Kaminfeuergeschichte aus einer Gespenster-Anthologie um 1800. Ja, gegen Ende des Films wird die Pendel-Szene aus THE PIT AND THE PENDULUM vergleichsweise originalgetreu nachgestellt, doch damit enden die Gemeinsamkeiten, wie bei Cormans Fassung, auch schon. Wenn man DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL in Zusammenhang mit irgendeiner literarischen Tradition bringen möchte, dann ist es ironischerweise genau die, deren allerletzten Schlusspunkt bzw. größtmögliche Transzendierung Poes Werk gewissermaßen bildet. Selbst in seinen gotischen Geschichten wie dem bereits erwähnten THE FALL OF THE HOUSE OF USHER merkt man, dass Poe bereits subtil auf einer Meta-Ebene über die Schauerromantik als etwas reflektiert, das hinter ihm liegt. Sein Schrecken wird, wie gesagt, gewonnen aus den derangierten Psychen seiner kränklichen, verrückten und kauzigen Helden. In der früheren Schauerliteratur gibt es sozusagen gar keinen psychologischen Schrecken, sondern bloße äußerliche Effekte, wenn Gespenster mit Ketten klappern und Gräber komisch dampfen oder, wie bei Walpole, ein riesiger Ritterhelm plötzlich in einem Schlosshof liegt. Das Genre hat seine Blütezeit im Europa irgendwo zwischen dem Jahr 1770 und, spätestens, 1820. Blütezeit ist dabei wortwörtlich zu nehmen. Die Leihbibliotheken in vor allem England und Deutschland platzen aus allen Nähten vor Romanen über entführte unschuldige Mädchen durch schwarze Raubritterbanden, verwunschene Burgen, in denen schlotternde Gerippe des Nachts ihr Unwesen treiben oder vom Teufel persönlich verführte Mönche, die von einem Verbrechen zum nächsten taumeln. Mit einer Naivität, von der man Poe keine Spur mehr findet, reihen solche heute nahezu vergessene, seinerzeit aber im höchsten Maße populäre Schriftsteller und Schriftstellerinnen wie, um nur einige zu nennen, Clara Reeve, Christian Heinrich Spieß, Sophie Albrecht oder Francis Lathom Episoden aneinander, die für den heutigen Leser oftmals hin und her schwanken zwischen dichtestem Kitsch, unfreiwillig komischsten Gruseleffekten und nahezu surrealen Einfällen, bei denen Kategorien wie Logik und Vernunft schon gar nicht mehr greifen wollen. Genau dort nun aber suchen sich DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL ihr Plätzchen. Harald Reinls Film wirkt wie eine augenzwin-kernde Hommage an dieses literarische Genre, dessen Vertreter, wie erwähnt, gerade in Deutschland unglaublich produktiv gewesen sind, eine schrille Geisterbahnfahrt von einem unglaubwürdigen Szenario zu einem noch unglaubwürdigen, ein Sammelsurium von Versatzstücken aus den trivialsten Gruselwerken der Weltliteratur, bei der all das die Leinwand überrennt, von dem man geglaubt hat, dass es Ende der 60er schon seit weit über hundert Jahren in den Giftschränken der Bibliotheken und Archiven versauert sein müsste.
Abb.2: Eine weitere historische Kulisse des Films ist die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber in Mittelfranken. Durch das Stadttor werden hier gerade im Rahmen einer Prozession verschiedene heilige Gegenstände getragen, darunter, ganz vorne, eine Holzstatuette Sebastians. Interessanterweise treibt DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL ein durchaus, aus christlicher Sicht, perverses Spiel mit religiöser Symbolik. Zwar scheut Bösewicht Regular wie ein waschechter Sauger vor Kreuzen zurück, doch zugleich muss er, um das Elixier des Ewigen Lebens zu gewinnen, exakt dreizehn Jungfrauen (=Apostel?) morden, und ihnen, wie in einer widernatürlichen Revision der Eucharistie, das Blut abzapfen. Ausdrücklich wird erwähnt, dass Regulas Auferstehung am Karfreitag - dem Todestag Jesu - stattfindet, und wenn ich mich nicht täusche, sieht man während Rogers Fahrt gen Schloss Adomai ("Adonai"?) am Weg eine Christusstatue, die, genau wie Regula nach seiner Pferdefolter, über keine Gliedmaßen mehr verfügt.
Allein die komplett verschrobene Story, die das Drehbuch von Manfred F. Köhler weniger erzählt, sondern die sich auf eine ganz komische Art viel eher spontan aus den Bildern selbst heraus entwickelt, könnte, ohne großartige Eingriffe, zwischen zwei Buchdeckeln datiert von 1790 zu finden sein: Ein Mann, Roger Mont Elise, weiß nichts über seine Eltern, seine Herkunft. Alles, was man einst bei dem ausgesetzten Säugling gefunden hat, ist ein Amulett. Darauf zu sehen: ein Berg und eine Heilige. Daher sein Name: Mont Elise. Nun hat er einen merkwürdigen Brief erhalten. Ein gewisser Graf Regula lädt ihn auf sein Schloss im Teutonenland. Dort sollen sämtliche Geheimnisse um seine Person gelüftet werden. Doch je näher er ihm kommt desto unruhiger werden die Leute, wenn er sie auf Schloss Andomai anspricht. Endlich erklärt sich ein Kutscher bereit, ihn die letzte Strecke mitzunehmen. Außerdem bekommt er Gesellschaft von dem leutseligen Priester Fabian. Unterwegs werden unsere Helden Zeugen wie eine zweite Kutsche in die Hände einer Räuberbande fällt. Gerettet entpuppen sich die Damen als Baronesse Lilian von Brabant und ihre Zofe Babette. Auch die Baronesse hat einen Brief erhalten, unterzeichnet von Graf Regula, und auch sie wurde von ihm nach Andomai eingeladen, um dort irgendwelche Dinge über ihre verstorbene Mutter zu erfahren, die einst in der Gegend gelebt, jedoch nie gerne über ihre Zeit hier gesprochen hat. Zu viert geht die Reise weiter, und während der Kutscher immer unruhiger wird, tauschen Lilian und Roger schon die ersten zärtlichen Liebesblicke aus. Dann häufen sich die Eigenartigkeiten: Das Haus, in dem Fabian angeblich ein Kind hat taufen sollen, ist bis auf die Grundmauern abgebrannt, dicker Nebel zieht auf, und der Kutscher wähnt die Bäume des Waldes voller Leichenteile. Die Fahrt endet jäh mit einem Herzschlag, der ihn vom Bock befördert, und damit, dass ein Unbekannter die Kutsche mit Lilian und Babette entführt, als Roger und Fabian gerade ein paar Erhängte inspizieren, die am Wegesrand baumeln. Kurz darauf stoßen sie aber schon auf Schloss Andomai, wo sie von einem blassen Diener willkommen geheißen werden, auch die Damen seien bereits vor Ort. Das Schloss indes erweist sich schnell als zusammengesetzt aus Folterkammern, Versuchslaboren und Leichenspeichern, und Graf Regula als vor fünf-unddreißig Jahren hingerichteter Frauenschlächter, der von seinem treuen Diener Anatol unter unfreiwilliger Mithilfe von Roger und Lilian, den Nachfahren seines einstigen Richters bzw. letzten Opfers, zu neuem Leben erweckt werden soll. Das meiste hier Aufgezählte könnte man genauso in einem Lexikonartikel zu Themen und Motiven der gothic novel finden. Adlige, die nichts von ihrer Vergangenheit wissen, vermummte Raubbuben, die im Wald hausen, entführte Kutschen, mysteriöse Briefwechsel, noch mysteriöse Bildamulette, die obligatorische keusche Liebesknospe, falsche Priester – wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, dass DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL inhaltlich wirklich auf einem Trivialbesteller der vorvorletzten Jahrhundertwende beruht.
Abb.3: Eine Szene wie aus einem Acid-Western, dirgiert von Maestro Mario persönlich.
Strukturell kann man den Film in drei etwa gleichgroße Teile zergliedern: a) die Reise zum Schloss von Roger, Lilian, Fabian und Babette, b) ihr dortiger Aufenthalt als Gruppe und c) das Finale, in dem unsere Protagonisten die größte Zeit voneinander getrennt sind und, um zu überleben, ihr jeweils eigenes Abenteuer bestehen müssen. Formal funktionieren diese drei Teile alle auf die gleiche, simple Weise: So, als würden sich die Helden, und wir uns mit ihnen, in einem Geisterbahnwagen befinden, ist der einzige Fixpunkt die Anwesenheit unserer Charakternasen, während sich die Kulissen um sie herum permanent verändern – und das analog zu den aufeinanderfolgenden Räumen in einer Jahrmarktsgeisterburg, deren Erfinder sich hinter jeder Wegbiegung ein neues Szenario einfallen lassen müssen, das uns erschrecken oder erheitern soll. Bei DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL liegt der Fokus eindeutig auf letzterem Aspekt. Ich staune und bin amüsiert wie ein Kind, wenn die Verantwortlichen vor wirklich keinem Klischee, keiner kruden Idee zurückschrecken, nur um ihr Publikum in irgendeiner Weise zu affizieren. Das hat schon viel von Méliès und dem Kino der Attraktion, dieser unablässig wabernde Kunstnebel, und dieser Spukwald, in dessen Bäumen man Fragmente von Schaufensterpuppen drapiert hat, und die Tatsache, dass man sich aus dem örtlichen Zoo sämtliches Getier ausgeliehen hat, das irgendwie unheimlich wirkt, um es danach an feuchten Kerkermauern oder schmalen Folterkammerfluren auszusetzen, wie Skorpione, Spinnen und natürlich die herzallerliebsten Geier, die völlig sinnbefreit im Schlosskeller um etwas Aas herumsitzen, und einen Lidschlag später schon wieder verschwunden sind. Dass DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL angsteinflößend sein will wie ein Bettlaken mit ausgeschnittenen Augen, zeigt allein schon, wie wenig Wert die Verantwortlichen darauf gelegt haben, eine höhere FSK-Freigabe als die ab 12 zu erhalten. Gewaltspitzen fehlen völlig, selbst das Blut des untoten Dieners, das er sich entzapft, um seinen untoten Gebieter zurückholen – eine Szene übrigens, die mir Hammers DRACULA – PRINCE OF DARKNESS (1966) ins Gedächtnis ruft - ist, wie später in THE EVIL DEAD 2, sattgrün statt sattrot, und von der allgemeinen Stimmung her lehnt sich Reinls Werk sowieso stark an die plüschigen Edgar-Wallace-Krimis an, von denen er seinerzeit bereits ebenfalls einige auf dem Kerbholz hatte. Noch am heftigsten ausgefallen ist der Prolog, bei dem es sich um nichts weniger handelt als einen lauen Neuaufguss des Auftakts von Mario Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO: Während es dort Barbara Steele als Teufelshexe ist, die das Gesicht von einer innen mit Stacheln bewehrten Schandmaske zugenagelt bekommt, ereilt hier Christopher Lee das gleiche Schicksal. Deutlich wird beim direkten Vergleich zwischen der Szene bei Bava und bei Reinl, was ich mit der prinzipiellen Kinderfreundlichkeit vorliegenden Films meine. Bava setzte seinerzeit wirklich alles daran, um mich regelrecht physisch spüren zu lassen wie das wohl sein muss, wenn meinem Gesicht eine derartige schmerzhafte Maske aufgepfropft wird. Die Kamera nimmt die Sicht der Delinquentin ein, sodass die Innenseitenstacheln schön dicht auf die Linse zukommen können, und wenn Maske und Gesicht sich treffen, dann nicht einfach unspektakulär, als würde ein Schlüssel in ein Schloss gleiten, sondern der Henker holt noch einmal tüchtig mit dem Hammer aus, und stellt sicher, dass da auch nichts mehr verrückt, während eine Blutfontäne und ein Schmerzensschrei aus dem Innern des eisernen Schleiers entweichen. Anders bei Reinl. Dort wird Graf Regula das Ding wirklich einfach nur aufgesetzt, und besonders wehzutun scheint es auch nicht, denn danach kann er noch problemlos von seiner Gefängniszelle bis zum Schafott schlendern. Zu erwähnen, dass sein Kittel völlig frei von etwaig aus den Wunden tropfendem Blut bleibt, erübrigt sich.
Abb.4: Noch eine Szene, in der Reinl Bava zwar nicht das Wasser, aber doch ein halbwarmes Flaschenweizen reichen kann: Ein Friedhof, als ob der Wurdulak gleich käme.
Aber das ist symptomatisch für einen Film, der nur spielen und nicht beißen will, und der mich gerade dadurch ziemlich entzückt hat. Es ist eben nicht nur wie in den oben erwähnten Schauerromanen, wo es ebenfalls selten einmal wirklich hart zur Sache geht und sich oft genug das vermeintliche Gespenst als falscher Fuffziger enttarnt, und die wehrlosen Frauen immer doch in letzter Sekunde vor den Folterqualen gerettet werden, sondern fast schon wie in einem Märchen. Zu Beginn wird Graf Regula dadurch zu Tode gebracht, dass man ihn – irgendwie erinnert mich das nun wiederum an japanische Ultra-Sickos wie TOKUGAWA ONNA KEIBATSU-EMAKI (1976) – zwischen vier Pferde spannt und die dann in jeweils entgegengesetzte Richtungen treibt. Dass der Graf dadurch zerrissen wird, zeigt die Kamera uns nicht, sondern, Jahre später, die kindlich-naive Grafik eines Bänkelsängers, der Lieder trällert über Leben und Tod des Regula – und auf diesen Grafiken sieht des Grafen Verlust seiner Extremitäten einfach nur putzig aus. Diese Märchenhaftigkeit unterstreichen zudem die oftmals liebliche Musik von Peter Thomas und viele Szenen, die schlicht nicht rational erklärt werden können oder sollen. Was es mit dem Wald voller Leichenteile nun eigentlich auf sich hat, wird ebenso nie aufgedeckt wie solche Seltsamkeiten, dass unsere gefangenen Protagonisten teilweise vor offenen Toren stehen und diese nicht zu sehen scheinen, oder dass Figuren, vor allem an die arme Babette muss ich denken, für lange Zeit aus der Handlung verschwinden, um dann, ohne dass das irgendwie thematisiert werden würde, urplötzlich wieder auftauchen, oder dass derart jauchzend-frohlockende Ende, das man Harald Reinl schon beinahe Ambitionen zu einer Genre-Parodie unterstellen möchte. Ernsthafter macht es das Vergnügen ebenso nicht, dass man die Darstellerriege durch die Bank weg aus den üblichen Karl-May- und Egar-Wallace-Nasen zusammengecastet hat: Karin Dor sieht hübsch aus. Lex Barker ist tough und unkaputtbar. Vladimir Medar raucht viel oder trinkt viel Kaffee, denn sein Oberlippenbart ist gelb verfärbt. Dieter Eppler hat nicht viel zu tun außer angstvoll um sich zu blicken. Christiane Rücker erleidet immerhin fast einen außerordentlich grausamen Tod. Carl Lange hat einen steifen Hals. Und Christopher Lee ist abonniert auf das, wofür ihn wohl die meisten Horrorfilmproduktionen der 60er gebucht haben: Er soll finster dreinschauen und sinistere Dinge sagen. Die Szene, in der er Letzteres tut, ist übrigens die einzige in vorliegendem Film, die als halbwegs plausibler Kitt zwischen den wahllos aufeinandertreffenden Flucht-, Schleich- und Fahrtszenen fungiert: Regula erklärt seinen Gefangenen, er habe am Elixier des Ewigen Lebens geforscht und dafür das Blut von dreizehn Jungfrauen benötigt, die unter Todesangst leiden, nur sei ihm die dreizehnte, Lilians Mutter, entwischt, und er durch sie an die Justiz verpfiffen worden. Dazu folgen noch allerhand Albernheiten wie eine überlebensgroße Sanduhr, die mit Regulas Herz dahingehend verknüpft ist, dass, wenn sie zu rieseln aufhört, es ebenfalls sein Schlagen einstellt. Auch das ist ein Requisit wie wahlweise aus einem frühen Stumm- oder einem Märchenfilm: In DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL siegt das Visuelle so sehr über das Intellektuelle, dass man sicher sein kann, alles, was unsere Helden denken oder fühlen – und das dürfte bei ihrer Eindimensionalität nicht viel sein -, findet früher oder später auch seinen optischen Niederschlag in den aberwitzigen Settings.
Abb.5: Geisterbahn-Feeling mit Lex Barker und Karin Dor. In Schloss Andomai erwartet einen hinter jeder Weggabelung eine Überraschung, und sei es eine Horde Geier, die offensichtlich kurz vorher von oben herab ins Bild geworfen sind, so, als würde, nur ein Stockwerk darüber, gerade der neuste Karl-May-Western mit dem gleichen Cast gedreht werden.
Ein Wort zu diesen noch: Sie stammen aus der Werkstatt Gabriel Pellons, hauptberuflicher Maler, der seit den 1920ern Dadaismus und Surrealismus nahestand, und sich nebenbei seine Brötchen vor allem damit verdient hat, dass er zahllosen Heimatfilmen als Bühnenbildern unter die Arme griff. DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL ist sein letzter Ausflug in die Welt des Films, und es wirkt, als habe er es zu diesem Anlass noch einmal ordentlich krachenlassen wollen. Ohne großartig zu verhehlen, dass es sich um schnödes Pappmaché handelt, bastelt Pellon für den Film mit sichtbar kindlicher Freude eine völlig groteske Parallelwelt irgendwo zwischen Geisterbahn-Dekors, Fantasy-Rollenspiel-Architektur und avantgardistischer Kunstausstellung. Gerade im Schloss Andomai hat Pellon sich quasi in jedem Raum austoben können. Da zieren die Wände Reproduktionen der Höllenszenen aus berühmten Triptychen von Hieronymus Bosch. In der Kammer, wo Lex Barker vom Todespendel geküsst werden soll, stapeln sich haushoch verzerrte Dämonengestalten wie aus einem Fiebertraum, und die Kamera schwelgt richtig in ihnen, fährt ständig zu ihnen zurück, gleitet über sie hinweg. Der Friedhof außerhalb des Schlosses, der problemlos auch in einem Bava-Film wie I TRE VOLTI DELLA PAURA (1963) hätte Verwendung finden können, der mehrfach erwähnte Wald voller Leichenteile, bei denen man, trotz der verfremdenden Kameralinse, gut erkennen kann, dass die angeblichen Toten im früheren Leben wohl in Ladenschaufenstern gewohnt haben, oder das Labor des Grafen, wo es überall zischt und blubbert, als müsse gleich Peter Cushing als Dr. Frankenstein sich hinzugesellen - irgendwie habe ich das Gefühl, dass die wahren Qualitäten von DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL topologische und nicht narrative sind. Zumal Pellons Rauschvisionen schön von Originalschauplätzen konstatiert werden, an denen einige der Außenaufnahmen des Films gedreht wurden, darunter die wunderhübsche Altstadt von Rothenburg ob der Tauber und die sagenumwitterten Externsteine im Teutoburger Wald.
Abb.6: Gabriel Pellons Kniefall vor Hieronymus Bosch, aus dessen wohl um 1500 entstandenen Triptychon "Der Garten der Lüste" diese Anhäufung grausiger Details stammt - und zwar, natürlich, aus dem rechten, der Hölle gewidmeten Seitenflügel des Altarbilds. Auch sonst scheint Perron ziemlich von Bosch inspiriert: Jede der Dämonenfiguren, die in Regulars Schloss scheinbar als reine Deko-Artikel herumstehen, oder die übrigen Folterkammerwänden zieren, sind entweder direkt aus Boschs Werk übernommen oder doch deutlich im Stile Boschs gestaltet. Eine Geisterbahn mit kunsthistorischem Anspruch.
Was bleibt zum Schluss noch zu sagen zu diesem höchstunterhaltsamen Startschuss eines kleinen, aber feinen Zyklus bundesdeutschen Horrortops, der sich nachfolgend in Meisterwerken wie IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE (1968) oder HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT (1970) realisieren sollte? Vielleicht zähle ich einfach noch die drei Dinge auf, die mir bei dieser Tüte voller Jahrmarktswunder von all ihren Vorzügen am besten gefallen haben: 1. Zu Beginn gibt der Bänkelsänger seine Moritaten über Graf Regula zum Besten und steht dabei vor einer historischen Stadtmauer in Rothenburg ob der Tauber. Zum Abschluss der Szene, in der offengelegt worden ist, dass Regula Mädchen aus den seinem Schloss benachbarten Dörfern hat entführen und grausam ermorden lassen, worauf er selbst zu einem grausamen Tod verurteilt worden ist, zoomt die Kamera auf eine steinerne Katzenstatue, die wir die ganze Zeit über schon hinter dem Sänger auf der Mauer haben hocken sehen. Untermalt wird der Zoom von einem schrägen Soundeffekt, der tut, als wolle er uns irgendetwas Wichtiges sagen – mindestens so wichtig wie das Quito-Symbol in Marino Girolamis ZOMBI HOLOCAUST (1980). Dabei taucht im weiteren Verlauf des Films aber weder die steinerne Katze wieder auf noch überhaupt irgendeine, und dieser Zoom scheint der eher halbseidene Versuch zu sein, den Zuschauer einfach mal zwischendurch beunruhigen zu wollen. Oder habe ich gerade eine Reminiszenz an Poes Erzählung THE BLACK CAT übersehen? 2. Meine liebste Rolle ist die des von Vladmir Medas verkörperten Fabian. Der gibt sich zunächst als Priester aus, erweckt schnell aber schon in Roger Misstrauen dadurch, dass er ziemlich locker mit Sprüchen über Frauen um sich wirft, eine Schusswaffe bei sich führt, und dem Alkohol scheinbar ebenfalls nicht abgeneigt ist. In Wirklichkeit ist Fabian kein Geistlicher, sondern mit allen Wassern gewaschener Ganove, der Roger und Lilian mit der Intention begleitet, sie unterwegs ausnehmen zu können wie Weihnachtsgänse. Medas‘ Charakter ist laut, polternd, auf den eigenen Vorteil bedacht, irgendwie aber doch ein liebenswerter Schreihals, bei dem ich vor allem von seinem gelblich eingefärbten Oberlippenbart kaum die Blicke nehmen konnte. Dass er am Ende, wie die Schlussszene suggeriert, mit Lilians Zofe Babett zusammenkommt, ist nur ein weiterer absonderlicher Einfall eines Drehbuchs, in dem man die verständlichen Passagen mit der Lupe suchen kann. 3. Wie Graf Dracula reagiert auch Graf Regula allergisch auf christliche Kreuze. Als Roger dies herausfindet, hält er ihn mit einem solchen, einem Talisman Lilians, in Schach, und zerklopft dabei die Sanduhr, an der Regulas Lebensfaden hängt. Sofort brechen Regula und Anatol zusammen und lösen sich in Nichts auf, nachdem ihre Körper zuvor andeutungsweise eine Phase der Verwesung durchschritten habe, die ihnen von ihrem komischen Elixier bisher verwehrt worden ist. Eklig grün sehen sie dabei aus, schleimig, ein bisschen wie Fulci-Zombies. Diesmal ist mir die Reminiszenz an Poe nicht entgangen. Klar spielt der Film an dieser Stelle auf dessen Erzählung THE FACTS IN THE CASE OF M. VALDEMAR von 1845 an, wo ein bereits Toter mittels Magnetischer Experimente künstlich am Leben erhalten wird, und dann, als man ihn endlich sterben lässt, innerhalb kürzester Zeit zu dem Schleimklumpen verfällt, der er eigentlich längst ist.
„Frei nach Motiven von Edgar Allan Poe“ – wenn man beide Augen zudrückt, könnte das dann also doch irgendwie stimmen. Ob nun frei nach Poe oder frei nach Bava oder frei nach Corman oder frei nach einer Phantasie, die die Zügel verloren hat, auf jeden Fall ist DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL besser als jeder Rummelplatzbesuch. Ich schmecke regelrecht die Zuckerwatte, rieche die Reitschulponys und höre hinter mir die in Gelächter übergehenden Schreie der Gäste, die nach mir in die Geisterbahn gestiegen sind.
Damit das Thema schnell abgehakt werden kann, dennoch ein paar Sätze zu Poe und was er mit der SCHLANGENGRUBE zu tun hat (und man verzeihe mir, dass ich kurz den Literaturwissenschaftler heraushängen lasse): Edgar Allan Poe operiert an einer literaturhistorisch außerordentlich interessanten Schnittstelle zwischen dem eher äußerlichen Schrecken der klassischen Schauerliteratur des ausgehenden achtzehnten und beginnenden neunzehnten Jahrhunderts und zwischen dem eher innerlichen Schrecken des modernen Horrors wie er heute noch praktiziert wird. In seinem überschaubaren Oeuvre aus kurzen und kürzesten Texten verschiedenster Gattungen finden sich sowohl Erzählungen, die ganz bewusst auf das historische Erbe der sogenannten gothic novel rekurrieren, aber genauso oft Erzählungen, von denen man kaum glauben mag, dass sie bereits in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts verfasst worden sind, derart psychologisch ausgefeilt schöpfen sie ihr Grauen weniger aus Gespensterspuk und Gruftge-flüster, sondern aus den Schattenseiten der menschlichen Seele selbst. Zur ersten Kategorie zählt eine von Poes wohl berühmtesten Geschichten, THE FALL OF THE HOUSE OF USHER von 1839. In archaischer, altertümelnder Sprache schwelgt Poe dort geradezu im Repertoire der Schauerliteratur. Ein Familienfluch, ein unheimliches Gemäuer, dahinsiechende Frauenfiguren, ein von Nebel bedeckter Pfuhl, aus dem Teufel heraussteigen, wenn man ihn nur zu lange anguckt – das alles sind Ingredienzien aus einer Traditionslinie, die man von Poe ausgehend bis zum Genre-Grundstein, Horace Walpoles Roman THE CASTLE OF OTRANTO (1764), zurückverfolgen kann. Demgegenüber stehen bei Poe aber solche Texte wie zum Beispiel THE TELL-TALE HEART (1843), in denen auf solche schauerromantischen Schauwerte komplett verzichtet wird. Stattdessen zeichnet Poe mittels klarer, präziser Sprache hier das Psychogramm eines allmählich dem Wahnsinn verfallenden Ich-Erzählers, der eigentlich ohne bestimmten Grund seinen greisen Nachbarn ermordet, ihm das Herz herausschneidet und es unter den Dielen des Zimmerbodens versteckt, wo es bleibt bis er sich der Polizei vor lauter Geltungssucht und weil er das imaginierte Pochen des schrecklichen Dings in den eigenen Ohren nicht mehr erträgt selbst verraten hat. THE PIT AND THE PENDULUM ist interessanterweise eine Mischung aus diesen beiden Formen, ein Zusammentreffen von Vergangenheit und Gegenwart. Angesiedelt hat Poe die Erzählung im Toledo zu Zeiten der Spanischen Inquisition – um genau zu sein: in deren Folterkellern, wo unser Ich-Erzähler auf perfideste Weisen zu Tode gebracht werden soll, zum Beispiel, indem man ihn in einem komplett verdunkelten Raum mit einer Fallgrube in der Mitte umherirren lässt, indem man ihn an ein Brett fesselt, über dem ein riesigen Pendel, dessen Unterseite eine scharfe Klinge trägt, stetig tiefer sinkt, um ihn irgendwann in zwei Hälften zu zerteilen, und schließlich, als er beiden Gefahren hat entrinnen können, indem die Wände seines Gefängnisses zu glühen und sich langsam auf ihn zuzubewegen beginnen. Während die Kulisse durchaus noch dem klassischen Schauerroman entspricht – gerade in den Werken der prototypischen Gothic-Godess Ann Radcliffe wimmelt es von Inquisitionsgerichten und Inquisitionsverließen und satanische Priester, die dafür sorgen, dass unschuldige Engel dort schmachten müssen -, entwickelt Poe den wahren Schrecken erneut dadurch, dass er sich vollkommen auf die Psyche seines Protagonisten konzentriert, und wir quasi aus seiner Sicht miterleben wie die Lage sich für ihn mehr und mehr zuspitzt. Es ist noch immer schlicht atemberaubend, dieses Zusammenziehen der Spannungsspirale, die die ausweglose Situation des Ich-Erzählers zunehmend noch auswegloser werden lässt, und zeugt von Poes Genius, aus einem derart minimalistischen Setting ein derartiges Maximum an Effekten hervorzukitzeln.
Abb.1: Einer der eindruckvollsten Außendrehorte des Films, die Externsteine im Teutoburger Wald, wo auch Kenneth Anger einige der eindrucksvollsten Szenen seines LUCIFER RISING (1980) gedreht hat. Vor allem die Völkische Bewegung und später die Nationalsozialisten haben die massive Sandsteinformation mit der Bedeutung einer einstigen germanischen Kultstätte aufzuladen versucht, und genau diesem mystischen Flair wird auch in DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL Rechnung getragen, wenn die Kutsche mit unseren Helden an Bord mitten zwischen den Externsteinen hindurch fährt, dazu verstörende Musik erklingt und Kutscher Dieter Eppler gar nicht weiß, wo er vor Schreck hinschauen soll.
Nach all dem Gesagten könnte DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL nicht weiter von Poe entfernt sein als irgendeine beliebige Kaminfeuergeschichte aus einer Gespenster-Anthologie um 1800. Ja, gegen Ende des Films wird die Pendel-Szene aus THE PIT AND THE PENDULUM vergleichsweise originalgetreu nachgestellt, doch damit enden die Gemeinsamkeiten, wie bei Cormans Fassung, auch schon. Wenn man DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL in Zusammenhang mit irgendeiner literarischen Tradition bringen möchte, dann ist es ironischerweise genau die, deren allerletzten Schlusspunkt bzw. größtmögliche Transzendierung Poes Werk gewissermaßen bildet. Selbst in seinen gotischen Geschichten wie dem bereits erwähnten THE FALL OF THE HOUSE OF USHER merkt man, dass Poe bereits subtil auf einer Meta-Ebene über die Schauerromantik als etwas reflektiert, das hinter ihm liegt. Sein Schrecken wird, wie gesagt, gewonnen aus den derangierten Psychen seiner kränklichen, verrückten und kauzigen Helden. In der früheren Schauerliteratur gibt es sozusagen gar keinen psychologischen Schrecken, sondern bloße äußerliche Effekte, wenn Gespenster mit Ketten klappern und Gräber komisch dampfen oder, wie bei Walpole, ein riesiger Ritterhelm plötzlich in einem Schlosshof liegt. Das Genre hat seine Blütezeit im Europa irgendwo zwischen dem Jahr 1770 und, spätestens, 1820. Blütezeit ist dabei wortwörtlich zu nehmen. Die Leihbibliotheken in vor allem England und Deutschland platzen aus allen Nähten vor Romanen über entführte unschuldige Mädchen durch schwarze Raubritterbanden, verwunschene Burgen, in denen schlotternde Gerippe des Nachts ihr Unwesen treiben oder vom Teufel persönlich verführte Mönche, die von einem Verbrechen zum nächsten taumeln. Mit einer Naivität, von der man Poe keine Spur mehr findet, reihen solche heute nahezu vergessene, seinerzeit aber im höchsten Maße populäre Schriftsteller und Schriftstellerinnen wie, um nur einige zu nennen, Clara Reeve, Christian Heinrich Spieß, Sophie Albrecht oder Francis Lathom Episoden aneinander, die für den heutigen Leser oftmals hin und her schwanken zwischen dichtestem Kitsch, unfreiwillig komischsten Gruseleffekten und nahezu surrealen Einfällen, bei denen Kategorien wie Logik und Vernunft schon gar nicht mehr greifen wollen. Genau dort nun aber suchen sich DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL ihr Plätzchen. Harald Reinls Film wirkt wie eine augenzwin-kernde Hommage an dieses literarische Genre, dessen Vertreter, wie erwähnt, gerade in Deutschland unglaublich produktiv gewesen sind, eine schrille Geisterbahnfahrt von einem unglaubwürdigen Szenario zu einem noch unglaubwürdigen, ein Sammelsurium von Versatzstücken aus den trivialsten Gruselwerken der Weltliteratur, bei der all das die Leinwand überrennt, von dem man geglaubt hat, dass es Ende der 60er schon seit weit über hundert Jahren in den Giftschränken der Bibliotheken und Archiven versauert sein müsste.
Abb.2: Eine weitere historische Kulisse des Films ist die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber in Mittelfranken. Durch das Stadttor werden hier gerade im Rahmen einer Prozession verschiedene heilige Gegenstände getragen, darunter, ganz vorne, eine Holzstatuette Sebastians. Interessanterweise treibt DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL ein durchaus, aus christlicher Sicht, perverses Spiel mit religiöser Symbolik. Zwar scheut Bösewicht Regular wie ein waschechter Sauger vor Kreuzen zurück, doch zugleich muss er, um das Elixier des Ewigen Lebens zu gewinnen, exakt dreizehn Jungfrauen (=Apostel?) morden, und ihnen, wie in einer widernatürlichen Revision der Eucharistie, das Blut abzapfen. Ausdrücklich wird erwähnt, dass Regulas Auferstehung am Karfreitag - dem Todestag Jesu - stattfindet, und wenn ich mich nicht täusche, sieht man während Rogers Fahrt gen Schloss Adomai ("Adonai"?) am Weg eine Christusstatue, die, genau wie Regula nach seiner Pferdefolter, über keine Gliedmaßen mehr verfügt.
Allein die komplett verschrobene Story, die das Drehbuch von Manfred F. Köhler weniger erzählt, sondern die sich auf eine ganz komische Art viel eher spontan aus den Bildern selbst heraus entwickelt, könnte, ohne großartige Eingriffe, zwischen zwei Buchdeckeln datiert von 1790 zu finden sein: Ein Mann, Roger Mont Elise, weiß nichts über seine Eltern, seine Herkunft. Alles, was man einst bei dem ausgesetzten Säugling gefunden hat, ist ein Amulett. Darauf zu sehen: ein Berg und eine Heilige. Daher sein Name: Mont Elise. Nun hat er einen merkwürdigen Brief erhalten. Ein gewisser Graf Regula lädt ihn auf sein Schloss im Teutonenland. Dort sollen sämtliche Geheimnisse um seine Person gelüftet werden. Doch je näher er ihm kommt desto unruhiger werden die Leute, wenn er sie auf Schloss Andomai anspricht. Endlich erklärt sich ein Kutscher bereit, ihn die letzte Strecke mitzunehmen. Außerdem bekommt er Gesellschaft von dem leutseligen Priester Fabian. Unterwegs werden unsere Helden Zeugen wie eine zweite Kutsche in die Hände einer Räuberbande fällt. Gerettet entpuppen sich die Damen als Baronesse Lilian von Brabant und ihre Zofe Babette. Auch die Baronesse hat einen Brief erhalten, unterzeichnet von Graf Regula, und auch sie wurde von ihm nach Andomai eingeladen, um dort irgendwelche Dinge über ihre verstorbene Mutter zu erfahren, die einst in der Gegend gelebt, jedoch nie gerne über ihre Zeit hier gesprochen hat. Zu viert geht die Reise weiter, und während der Kutscher immer unruhiger wird, tauschen Lilian und Roger schon die ersten zärtlichen Liebesblicke aus. Dann häufen sich die Eigenartigkeiten: Das Haus, in dem Fabian angeblich ein Kind hat taufen sollen, ist bis auf die Grundmauern abgebrannt, dicker Nebel zieht auf, und der Kutscher wähnt die Bäume des Waldes voller Leichenteile. Die Fahrt endet jäh mit einem Herzschlag, der ihn vom Bock befördert, und damit, dass ein Unbekannter die Kutsche mit Lilian und Babette entführt, als Roger und Fabian gerade ein paar Erhängte inspizieren, die am Wegesrand baumeln. Kurz darauf stoßen sie aber schon auf Schloss Andomai, wo sie von einem blassen Diener willkommen geheißen werden, auch die Damen seien bereits vor Ort. Das Schloss indes erweist sich schnell als zusammengesetzt aus Folterkammern, Versuchslaboren und Leichenspeichern, und Graf Regula als vor fünf-unddreißig Jahren hingerichteter Frauenschlächter, der von seinem treuen Diener Anatol unter unfreiwilliger Mithilfe von Roger und Lilian, den Nachfahren seines einstigen Richters bzw. letzten Opfers, zu neuem Leben erweckt werden soll. Das meiste hier Aufgezählte könnte man genauso in einem Lexikonartikel zu Themen und Motiven der gothic novel finden. Adlige, die nichts von ihrer Vergangenheit wissen, vermummte Raubbuben, die im Wald hausen, entführte Kutschen, mysteriöse Briefwechsel, noch mysteriöse Bildamulette, die obligatorische keusche Liebesknospe, falsche Priester – wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, dass DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL inhaltlich wirklich auf einem Trivialbesteller der vorvorletzten Jahrhundertwende beruht.
Abb.3: Eine Szene wie aus einem Acid-Western, dirgiert von Maestro Mario persönlich.
Strukturell kann man den Film in drei etwa gleichgroße Teile zergliedern: a) die Reise zum Schloss von Roger, Lilian, Fabian und Babette, b) ihr dortiger Aufenthalt als Gruppe und c) das Finale, in dem unsere Protagonisten die größte Zeit voneinander getrennt sind und, um zu überleben, ihr jeweils eigenes Abenteuer bestehen müssen. Formal funktionieren diese drei Teile alle auf die gleiche, simple Weise: So, als würden sich die Helden, und wir uns mit ihnen, in einem Geisterbahnwagen befinden, ist der einzige Fixpunkt die Anwesenheit unserer Charakternasen, während sich die Kulissen um sie herum permanent verändern – und das analog zu den aufeinanderfolgenden Räumen in einer Jahrmarktsgeisterburg, deren Erfinder sich hinter jeder Wegbiegung ein neues Szenario einfallen lassen müssen, das uns erschrecken oder erheitern soll. Bei DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL liegt der Fokus eindeutig auf letzterem Aspekt. Ich staune und bin amüsiert wie ein Kind, wenn die Verantwortlichen vor wirklich keinem Klischee, keiner kruden Idee zurückschrecken, nur um ihr Publikum in irgendeiner Weise zu affizieren. Das hat schon viel von Méliès und dem Kino der Attraktion, dieser unablässig wabernde Kunstnebel, und dieser Spukwald, in dessen Bäumen man Fragmente von Schaufensterpuppen drapiert hat, und die Tatsache, dass man sich aus dem örtlichen Zoo sämtliches Getier ausgeliehen hat, das irgendwie unheimlich wirkt, um es danach an feuchten Kerkermauern oder schmalen Folterkammerfluren auszusetzen, wie Skorpione, Spinnen und natürlich die herzallerliebsten Geier, die völlig sinnbefreit im Schlosskeller um etwas Aas herumsitzen, und einen Lidschlag später schon wieder verschwunden sind. Dass DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL angsteinflößend sein will wie ein Bettlaken mit ausgeschnittenen Augen, zeigt allein schon, wie wenig Wert die Verantwortlichen darauf gelegt haben, eine höhere FSK-Freigabe als die ab 12 zu erhalten. Gewaltspitzen fehlen völlig, selbst das Blut des untoten Dieners, das er sich entzapft, um seinen untoten Gebieter zurückholen – eine Szene übrigens, die mir Hammers DRACULA – PRINCE OF DARKNESS (1966) ins Gedächtnis ruft - ist, wie später in THE EVIL DEAD 2, sattgrün statt sattrot, und von der allgemeinen Stimmung her lehnt sich Reinls Werk sowieso stark an die plüschigen Edgar-Wallace-Krimis an, von denen er seinerzeit bereits ebenfalls einige auf dem Kerbholz hatte. Noch am heftigsten ausgefallen ist der Prolog, bei dem es sich um nichts weniger handelt als einen lauen Neuaufguss des Auftakts von Mario Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO: Während es dort Barbara Steele als Teufelshexe ist, die das Gesicht von einer innen mit Stacheln bewehrten Schandmaske zugenagelt bekommt, ereilt hier Christopher Lee das gleiche Schicksal. Deutlich wird beim direkten Vergleich zwischen der Szene bei Bava und bei Reinl, was ich mit der prinzipiellen Kinderfreundlichkeit vorliegenden Films meine. Bava setzte seinerzeit wirklich alles daran, um mich regelrecht physisch spüren zu lassen wie das wohl sein muss, wenn meinem Gesicht eine derartige schmerzhafte Maske aufgepfropft wird. Die Kamera nimmt die Sicht der Delinquentin ein, sodass die Innenseitenstacheln schön dicht auf die Linse zukommen können, und wenn Maske und Gesicht sich treffen, dann nicht einfach unspektakulär, als würde ein Schlüssel in ein Schloss gleiten, sondern der Henker holt noch einmal tüchtig mit dem Hammer aus, und stellt sicher, dass da auch nichts mehr verrückt, während eine Blutfontäne und ein Schmerzensschrei aus dem Innern des eisernen Schleiers entweichen. Anders bei Reinl. Dort wird Graf Regula das Ding wirklich einfach nur aufgesetzt, und besonders wehzutun scheint es auch nicht, denn danach kann er noch problemlos von seiner Gefängniszelle bis zum Schafott schlendern. Zu erwähnen, dass sein Kittel völlig frei von etwaig aus den Wunden tropfendem Blut bleibt, erübrigt sich.
Abb.4: Noch eine Szene, in der Reinl Bava zwar nicht das Wasser, aber doch ein halbwarmes Flaschenweizen reichen kann: Ein Friedhof, als ob der Wurdulak gleich käme.
Aber das ist symptomatisch für einen Film, der nur spielen und nicht beißen will, und der mich gerade dadurch ziemlich entzückt hat. Es ist eben nicht nur wie in den oben erwähnten Schauerromanen, wo es ebenfalls selten einmal wirklich hart zur Sache geht und sich oft genug das vermeintliche Gespenst als falscher Fuffziger enttarnt, und die wehrlosen Frauen immer doch in letzter Sekunde vor den Folterqualen gerettet werden, sondern fast schon wie in einem Märchen. Zu Beginn wird Graf Regula dadurch zu Tode gebracht, dass man ihn – irgendwie erinnert mich das nun wiederum an japanische Ultra-Sickos wie TOKUGAWA ONNA KEIBATSU-EMAKI (1976) – zwischen vier Pferde spannt und die dann in jeweils entgegengesetzte Richtungen treibt. Dass der Graf dadurch zerrissen wird, zeigt die Kamera uns nicht, sondern, Jahre später, die kindlich-naive Grafik eines Bänkelsängers, der Lieder trällert über Leben und Tod des Regula – und auf diesen Grafiken sieht des Grafen Verlust seiner Extremitäten einfach nur putzig aus. Diese Märchenhaftigkeit unterstreichen zudem die oftmals liebliche Musik von Peter Thomas und viele Szenen, die schlicht nicht rational erklärt werden können oder sollen. Was es mit dem Wald voller Leichenteile nun eigentlich auf sich hat, wird ebenso nie aufgedeckt wie solche Seltsamkeiten, dass unsere gefangenen Protagonisten teilweise vor offenen Toren stehen und diese nicht zu sehen scheinen, oder dass Figuren, vor allem an die arme Babette muss ich denken, für lange Zeit aus der Handlung verschwinden, um dann, ohne dass das irgendwie thematisiert werden würde, urplötzlich wieder auftauchen, oder dass derart jauchzend-frohlockende Ende, das man Harald Reinl schon beinahe Ambitionen zu einer Genre-Parodie unterstellen möchte. Ernsthafter macht es das Vergnügen ebenso nicht, dass man die Darstellerriege durch die Bank weg aus den üblichen Karl-May- und Egar-Wallace-Nasen zusammengecastet hat: Karin Dor sieht hübsch aus. Lex Barker ist tough und unkaputtbar. Vladimir Medar raucht viel oder trinkt viel Kaffee, denn sein Oberlippenbart ist gelb verfärbt. Dieter Eppler hat nicht viel zu tun außer angstvoll um sich zu blicken. Christiane Rücker erleidet immerhin fast einen außerordentlich grausamen Tod. Carl Lange hat einen steifen Hals. Und Christopher Lee ist abonniert auf das, wofür ihn wohl die meisten Horrorfilmproduktionen der 60er gebucht haben: Er soll finster dreinschauen und sinistere Dinge sagen. Die Szene, in der er Letzteres tut, ist übrigens die einzige in vorliegendem Film, die als halbwegs plausibler Kitt zwischen den wahllos aufeinandertreffenden Flucht-, Schleich- und Fahrtszenen fungiert: Regula erklärt seinen Gefangenen, er habe am Elixier des Ewigen Lebens geforscht und dafür das Blut von dreizehn Jungfrauen benötigt, die unter Todesangst leiden, nur sei ihm die dreizehnte, Lilians Mutter, entwischt, und er durch sie an die Justiz verpfiffen worden. Dazu folgen noch allerhand Albernheiten wie eine überlebensgroße Sanduhr, die mit Regulas Herz dahingehend verknüpft ist, dass, wenn sie zu rieseln aufhört, es ebenfalls sein Schlagen einstellt. Auch das ist ein Requisit wie wahlweise aus einem frühen Stumm- oder einem Märchenfilm: In DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL siegt das Visuelle so sehr über das Intellektuelle, dass man sicher sein kann, alles, was unsere Helden denken oder fühlen – und das dürfte bei ihrer Eindimensionalität nicht viel sein -, findet früher oder später auch seinen optischen Niederschlag in den aberwitzigen Settings.
Abb.5: Geisterbahn-Feeling mit Lex Barker und Karin Dor. In Schloss Andomai erwartet einen hinter jeder Weggabelung eine Überraschung, und sei es eine Horde Geier, die offensichtlich kurz vorher von oben herab ins Bild geworfen sind, so, als würde, nur ein Stockwerk darüber, gerade der neuste Karl-May-Western mit dem gleichen Cast gedreht werden.
Ein Wort zu diesen noch: Sie stammen aus der Werkstatt Gabriel Pellons, hauptberuflicher Maler, der seit den 1920ern Dadaismus und Surrealismus nahestand, und sich nebenbei seine Brötchen vor allem damit verdient hat, dass er zahllosen Heimatfilmen als Bühnenbildern unter die Arme griff. DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL ist sein letzter Ausflug in die Welt des Films, und es wirkt, als habe er es zu diesem Anlass noch einmal ordentlich krachenlassen wollen. Ohne großartig zu verhehlen, dass es sich um schnödes Pappmaché handelt, bastelt Pellon für den Film mit sichtbar kindlicher Freude eine völlig groteske Parallelwelt irgendwo zwischen Geisterbahn-Dekors, Fantasy-Rollenspiel-Architektur und avantgardistischer Kunstausstellung. Gerade im Schloss Andomai hat Pellon sich quasi in jedem Raum austoben können. Da zieren die Wände Reproduktionen der Höllenszenen aus berühmten Triptychen von Hieronymus Bosch. In der Kammer, wo Lex Barker vom Todespendel geküsst werden soll, stapeln sich haushoch verzerrte Dämonengestalten wie aus einem Fiebertraum, und die Kamera schwelgt richtig in ihnen, fährt ständig zu ihnen zurück, gleitet über sie hinweg. Der Friedhof außerhalb des Schlosses, der problemlos auch in einem Bava-Film wie I TRE VOLTI DELLA PAURA (1963) hätte Verwendung finden können, der mehrfach erwähnte Wald voller Leichenteile, bei denen man, trotz der verfremdenden Kameralinse, gut erkennen kann, dass die angeblichen Toten im früheren Leben wohl in Ladenschaufenstern gewohnt haben, oder das Labor des Grafen, wo es überall zischt und blubbert, als müsse gleich Peter Cushing als Dr. Frankenstein sich hinzugesellen - irgendwie habe ich das Gefühl, dass die wahren Qualitäten von DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL topologische und nicht narrative sind. Zumal Pellons Rauschvisionen schön von Originalschauplätzen konstatiert werden, an denen einige der Außenaufnahmen des Films gedreht wurden, darunter die wunderhübsche Altstadt von Rothenburg ob der Tauber und die sagenumwitterten Externsteine im Teutoburger Wald.
Abb.6: Gabriel Pellons Kniefall vor Hieronymus Bosch, aus dessen wohl um 1500 entstandenen Triptychon "Der Garten der Lüste" diese Anhäufung grausiger Details stammt - und zwar, natürlich, aus dem rechten, der Hölle gewidmeten Seitenflügel des Altarbilds. Auch sonst scheint Perron ziemlich von Bosch inspiriert: Jede der Dämonenfiguren, die in Regulars Schloss scheinbar als reine Deko-Artikel herumstehen, oder die übrigen Folterkammerwänden zieren, sind entweder direkt aus Boschs Werk übernommen oder doch deutlich im Stile Boschs gestaltet. Eine Geisterbahn mit kunsthistorischem Anspruch.
Was bleibt zum Schluss noch zu sagen zu diesem höchstunterhaltsamen Startschuss eines kleinen, aber feinen Zyklus bundesdeutschen Horrortops, der sich nachfolgend in Meisterwerken wie IM SCHLOSS DER BLUTIGEN BEGIERDE (1968) oder HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT (1970) realisieren sollte? Vielleicht zähle ich einfach noch die drei Dinge auf, die mir bei dieser Tüte voller Jahrmarktswunder von all ihren Vorzügen am besten gefallen haben: 1. Zu Beginn gibt der Bänkelsänger seine Moritaten über Graf Regula zum Besten und steht dabei vor einer historischen Stadtmauer in Rothenburg ob der Tauber. Zum Abschluss der Szene, in der offengelegt worden ist, dass Regula Mädchen aus den seinem Schloss benachbarten Dörfern hat entführen und grausam ermorden lassen, worauf er selbst zu einem grausamen Tod verurteilt worden ist, zoomt die Kamera auf eine steinerne Katzenstatue, die wir die ganze Zeit über schon hinter dem Sänger auf der Mauer haben hocken sehen. Untermalt wird der Zoom von einem schrägen Soundeffekt, der tut, als wolle er uns irgendetwas Wichtiges sagen – mindestens so wichtig wie das Quito-Symbol in Marino Girolamis ZOMBI HOLOCAUST (1980). Dabei taucht im weiteren Verlauf des Films aber weder die steinerne Katze wieder auf noch überhaupt irgendeine, und dieser Zoom scheint der eher halbseidene Versuch zu sein, den Zuschauer einfach mal zwischendurch beunruhigen zu wollen. Oder habe ich gerade eine Reminiszenz an Poes Erzählung THE BLACK CAT übersehen? 2. Meine liebste Rolle ist die des von Vladmir Medas verkörperten Fabian. Der gibt sich zunächst als Priester aus, erweckt schnell aber schon in Roger Misstrauen dadurch, dass er ziemlich locker mit Sprüchen über Frauen um sich wirft, eine Schusswaffe bei sich führt, und dem Alkohol scheinbar ebenfalls nicht abgeneigt ist. In Wirklichkeit ist Fabian kein Geistlicher, sondern mit allen Wassern gewaschener Ganove, der Roger und Lilian mit der Intention begleitet, sie unterwegs ausnehmen zu können wie Weihnachtsgänse. Medas‘ Charakter ist laut, polternd, auf den eigenen Vorteil bedacht, irgendwie aber doch ein liebenswerter Schreihals, bei dem ich vor allem von seinem gelblich eingefärbten Oberlippenbart kaum die Blicke nehmen konnte. Dass er am Ende, wie die Schlussszene suggeriert, mit Lilians Zofe Babett zusammenkommt, ist nur ein weiterer absonderlicher Einfall eines Drehbuchs, in dem man die verständlichen Passagen mit der Lupe suchen kann. 3. Wie Graf Dracula reagiert auch Graf Regula allergisch auf christliche Kreuze. Als Roger dies herausfindet, hält er ihn mit einem solchen, einem Talisman Lilians, in Schach, und zerklopft dabei die Sanduhr, an der Regulas Lebensfaden hängt. Sofort brechen Regula und Anatol zusammen und lösen sich in Nichts auf, nachdem ihre Körper zuvor andeutungsweise eine Phase der Verwesung durchschritten habe, die ihnen von ihrem komischen Elixier bisher verwehrt worden ist. Eklig grün sehen sie dabei aus, schleimig, ein bisschen wie Fulci-Zombies. Diesmal ist mir die Reminiszenz an Poe nicht entgangen. Klar spielt der Film an dieser Stelle auf dessen Erzählung THE FACTS IN THE CASE OF M. VALDEMAR von 1845 an, wo ein bereits Toter mittels Magnetischer Experimente künstlich am Leben erhalten wird, und dann, als man ihn endlich sterben lässt, innerhalb kürzester Zeit zu dem Schleimklumpen verfällt, der er eigentlich längst ist.
„Frei nach Motiven von Edgar Allan Poe“ – wenn man beide Augen zudrückt, könnte das dann also doch irgendwie stimmen. Ob nun frei nach Poe oder frei nach Bava oder frei nach Corman oder frei nach einer Phantasie, die die Zügel verloren hat, auf jeden Fall ist DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL besser als jeder Rummelplatzbesuch. Ich schmecke regelrecht die Zuckerwatte, rieche die Reitschulponys und höre hinter mir die in Gelächter übergehenden Schreie der Gäste, die nach mir in die Geisterbahn gestiegen sind.
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- Registriert: Mi 23. Dez 2009, 18:53
Re: Die Schlangengrube und das Pendel - Harald Reinl (1967)
Filmmuseum München:
DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL | BRD 1967 | Regie: Harald Reinl
Darsteller: Lex Baker, Karin Dor, Christopher Lee, Dieter Eppler,
Dienstag, 8. Oktober 2019, 21.00 Uhr (Erstaufführung der 4K restaurierten Fassung)
Hier gehts zum Link:
https://www.muenchner-stadtmuseum.de/fi ... 31fc129c8d
DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL | BRD 1967 | Regie: Harald Reinl
Darsteller: Lex Baker, Karin Dor, Christopher Lee, Dieter Eppler,
Dienstag, 8. Oktober 2019, 21.00 Uhr (Erstaufführung der 4K restaurierten Fassung)
Hier gehts zum Link:
https://www.muenchner-stadtmuseum.de/fi ... 31fc129c8d