Mädchen in Uniform - Géza von Radványi (1958)

Moderator: jogiwan

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Prisma
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Mädchen in Uniform - Géza von Radványi (1958)

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Lilli Palmer   Romy Schneider   in

MÄDCHEN IN UNIFORM / JEUNES FILLES EN UNIFORMES (1958)

mit Blandine Ebinger, Adelheid Seeck, Ginette Pigeon, Sabine Sinjen, Danik Patisson und Therese Giehse
eine Produktion der CCC Filmkunst | Les Films Modernes | im Verleih der Gloria
ein Film von Géza von Radványi


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»Was Sie Härte nennen, ist der Grundbegriff von Zucht und Ordnung!«
Im Jahre 1910. Nach dem Tod ihrer Mutter wird Manuela von Meinhardis (Romy Schneider) von ihrer herzlosen Tante in ein Internat für junge adelige Mädchen gesteckt. Manuela, die schwer unter dem Verlust ihrer Mutter leidet, soll dort die strengen Gebote des Hauses, Grundregeln der Gesellschaft und der Etikette erlernen. Geführt wird das Stift von der verhärteten Oberin (Therese Giehse), die mit eiserner Hand ihr Regiment führt und die verängstigten Mädchen mit ihren unerbittlichen Methoden wie in einem Gefängnis führt. Manuela findet nur schwer Anschluss und ihre Leistungen im Unterricht sind sehr schwach, doch es gibt einen Lichtblick für sie: Fräulein von Bernburg (Lilli Palmer) vertritt ihre eigenen, unkonventionellen Ansichten, behandelt die Mädchen zwar streng, aber gerecht und herzlich, sodass Manuela schnell eine schwärmerische Bewunderung für die allseits beliebte Lehrerin entwickelt. Manuela schöpft neue Hoffnung und als sie auch noch die Hauptrolle des Romeo im schuleigenen Theaterstück spielen darf, scheint sie sich zu fangen und aufzublühen. Doch der Tag der Vorführung gipfelt in einem Skandal. Nicht nur für Manuela, sondern auch für Fräulein von Bernburg drohen drastische Konsequenzen...

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Mit "Mädchen in Uniform" wagte sich der Ungar Géza von Radványi an die Neuverfilmung des bereits im Jahre 1931 verfilmten Stoffes heran, der seinerzeit für einen Skandal sorgte. Es heißt, dass sich vor ihm bereits zwanzig andere Regisseure des Stoffes annehmen wollten. Diese deutsch-französische Co-Produktion der CCC Filmkunst vereinte die Hauptdarstellerinnen Lilli Palmer und Romy Schneider nach "Feuerwerk" (1953) wieder vor der Kamera, ein Umstand über den Romy Schneider dem Vernehmen sehr glücklich war. Es würde der erste Film in ihrer noch jungen Karriere sein, den sie sich selbst und unabhängig von Magda Schneider aussuchen konnte, und da sie ins Charakterfach überwechselte, handelt es sich um einen weiteren Meilenstein ihres Schaffens. Es wird hier bereits sehr deutlich, welches Potential in ihr schlummerte. Die Produktion rief unterschiedliche Reaktionen beim Publikum hervor, auch der Unmut über das zuvor abgelehnte Angebot eines weiteren "Sissi"-Films war noch längst nicht vergessen. "Mädchen in Uniform" erhielt schließlich das Prädikat »wertvoll«. Dem Film bekommt seine beinahe isolierte Handlung sehr gut, denn er spielt sich ausschließlich in dem preußischen Mädcheninternat ab. Die Besetzungsliste vereinte große deutsche Kino- und Bühnenstars, die dem Film einen zusätzlich besonderen Reiz geben, in der Handlung ist übrigens kein einziger männlicher Darsteller zu sehen. Aus heutiger Sicht sieht man einen ambitioniert gehaltenen und kammerspielartig, aber konsequent umgesetzten Film, der für damalige Verhältnisse als gewagt einzustufen ist, heute eher harmlos anmutet.

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Die Besetzung mit Lilli Palmer als Fräulein von Bernburg ist eine der wichtigsten Komponenten für das Funktionieren und die hohe Glaubhaftigkeit dieser Produktion, beziehungsweise der Interaktion. Schon bei ihrem ersten Erscheinen wird dem Zuschauer klar, warum die Mädchen im Internat für die Lehrerin schwärmen und sie als mütterliche Freundin ansehen. Ihre Erscheinung ist wie gewohnt überaus elegant und von besonnener, reifer Selbstsicherheit geprägt. Innerhalb des von Anfang an düsteren und unbehaglichen Settings ist sie die einzige Vertrauensperson, ja der einzige Lichtblick für die Insassinnen und stößt mit ihren progressiven Ansichten auch zahlreiche Widerstände innerhalb des Kollegiums. Eine faszinierende Persönlichkeit wird von der 1914 geborenen Schauspielerin mühelos dargestellt und auch nachhaltig geprägt. Für pikante Momente sorgt das intensive Zusammenspiel zwischen ihr und Filmpartnerin Romy Schneider. Sie wirkt dieses Mal mit ungewohnt sparsamer Mimik und Gestik zunächst unscheinbar, bis sie im Verlauf ihr Temperament voll entfalten kann, insbesondere während und nach dem Theaterstück, welches erahnen lässt, wie glaubwürdig sie auf der Bühne gewirkt haben muss. Manuela wirkt lange traurig und einsam, gehemmt und ohne Selbstbewusstsein. Die Gefühle, die sie für ihre Lehrerin entwickelt, resultieren aus der Tatsache, dass sie nach einem Halt sucht, nach einer verlässlichen Bezugsperson, möglicherweise sogar nach einem Mutterersatz. Die kalten und strengen Regeln im Internat tun das Übrige dazu. Deutlich wird jedenfalls, dass Romy Schneider im Charakterfach angekommen war und prädestiniert war für alles, außer seichten Rollen. Anzumerken bleibt, dass die Geschichte um die Zuneigung (aus welchen Gründen auch immer) nicht tiefenpsychologisch aufgeschlüsselt werden muss, denn dafür ist die doch sehr züchtige, ungefährliche oder ansatzweise Darstellung viel zu oberflächlich inszeniert worden. Dennoch spielen Lilli Palmer und Romy Schneider wirklich großartig, aber eine andere Dame spielt hier tatsächlich in einer ganz eigenen Liga.

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Therese Giehse liefert als Oberin ein Kabinettstückchen der Spitzenklasse. Ihr dominantes und kaltherziges Auftreten wird in dieser Produktion zum Ereignis. Sie regiert ihr Internat unerbittlich und sorgt für Angst und Schrecken bei den Mädchen. Ihre Ansichten sind derartig festgefahren, dass sie keine anderen Denkansätze duldet. Die cholerische Frau gefällt sich vor ihren Untergebenen in Selbstinszenierungen, was die Mädchen betrifft, werden ihre Ansichten äußerst deutlich zum Ausdruck gebracht, sie erziehe schließlich zukünftige Soldatenmütter, die abgehärtet, und uneingeschränkt nach ihren Wünschen funktionieren müssen. Ihr Motto lautet daher: »Kinder, Kirche, Küche«. Therese Giehse strahlt eine bestimmende Vehemenz aus, jeder Ton, jede Geste und jede Kleinigkeit sitzt, ihrem Schauspiel sieht man deutlich an, dass sie auf der Bühne zu Hause gewesen ist. Nur als sich ihre königliche Hoheit zu einem Inspektions-Besuch ankündigt, sieht man die Oberin unterwürfig und gespielt freundlich, sie übt sogar heimlich ihren Hofknicks in ihrem Zimmer. Durch und durch eine außerordentliche Interpretation der markanten Darstellerin! Ihre rechte Hand, Fräulein von Racket wird von Blandine Ebinger ebenfalls überzeugend dargestellt. Sie unterstützt jede noch so zweifelhafte Entscheidung und biedert sich ihrer Vorgesetzten regelrecht an. Im Umgang mit den Mädchen fährt sie den selben harten Kurs wie Frau Oberin, bezüglich des Untergrabens von ihrer Kollegin Fräulein von Bernburg leistet sie gerne Schützenhilfe. Zu erwähnen ist noch die leichtfüßig spielende und majestätisch wirkende Adelheid Seeck als Königliche Hoheit, die stets eine Bereicherung darstellt. Mit beispielsweise Sabine Sinjen, Christine Kaufmann oder Danik Patisson hatte man unverbrauchte Gesichter für die Besetzungen der Schülerinnen gefunden. Ein gelungener Schauspieler-Film.

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Und es sind insgesamt die darstellerischen Leistungen, die "Mädchen in Uniform" prägen. Wo die Thematik hin und wieder zu behäbig abgehandelt wurde, kompensieren die Schauspieler wenige Unzulänglichkeiten zielsicher. Bei den großen Auftritten der Hauptdarstellerinnen wird eine hohe Glaubwürdigkeit vermittelt, es kommt zu einer ausgewogenen Dosierung von Spannung und Tragik, die sogar hin und wieder mit einigen Kostproben aus dem Spektrum des angebrachten Humors aufgelockert wird. Die Dialogarbeit ist in jeder Minute erstaunlich, die Musik von Peter Sandloff wirkt abgestimmt, wenn auch wenig außergewöhnlich, Ausstattung und Kulissen erscheinen ziemlich typisch nach CCC-Verhältnissen auszusehen, aber spartanisch soll es im Internat ja schließlich auch zugehen. Das Finale mit seinem offenen Ende ist für meinen Geschmack etwas zu rührselig ausgefallen, man hätte bestimmte Charaktere dafür nicht aufweichen sollen. Die Ciné-Revue urteilte im November 1958: »Der Film, für den Geza Radvanyi verantwortlich zeichnet, hat solide Qualitäten. Man folgt der Handlung mit großer Aufmerksamkeit, denn die Dramatik des Themas wird geschickt herausgearbeitet. Lilli Palmers und Romy Schneiders eindrucksvolle Leistung verleihen dem Film seine wahre Bedeutung.« "Mädchen in Uniform" ist ein wirklich sehenswerter und in Ansätzen durchaus kritischer Beitrag, der durch die geradlinige Regie, die klar aufgebaute Handlung und die hohe Flexibilität seiner Schauspielerinnen insgesamt durchgehend überzeugen kann. Das Konzept der Produktion ist jedenfalls aufgegangen und stellt in der frühen Filmografie von Romy Schneider einen beachtenswerten Beitrag dar.
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