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Originaltitel: Mädchen in Uniform
Herstellungsland: Deutschland / 1931
Regie: Leontine Sagan
Darstellerinnen: Emilia Unda, Dorothea Wieck, Hedwig Schlichter, Hertha Thiele, Ellen Schwanneke, Lene Berdolt, Erika Biebrach, Margory Bodker, Gertrud de Lalsky, Else Ehser, Marte Hein, Miriam Lehmann-Haupt u. A.
Nach dem Tod ihrer Mutter kommt die vierzehnjährige Manuela von Meinhardis in einen Stift, in dem Offizierstöchter untergebracht sind. Die harten Erziehungsmethoden dort entsprechen so gar nicht ihrem Anlehnungsbedürfnis. Immerhin halten die Mädchen zusammen - und sie begeistert sie sich noch mehr als ihre Kameradinnen für die junge Lehrerin Fräulein von Bernburg, die als einzige oft kameradschaftlich mit ihren Schützlingen umgeht. Doch die strenge Oberin, vor der der ganze Stab kuscht, hält nicht viel von deren Umgangsweise.
Das Drama „Mädchen in Uniform“ aus dem Jahre 1931 basiert auf dem ein Jahr zuvor uraufgeführten Bühnenstück „Ritter Nérestan“ alias „Gestern und heute“ der deutsch-ungarischen Autorin Christa Winsloe, das autobiografische Züge aufweisen soll. Produzent Carl Froelich verpflichtete die ungarisch-österreichischen Nachwuchsregisseurin Leontine Sagan, die bereits die Bühnenfassung inszeniert hatte und hiermit ihre erste von drei Regiearbeiten fürs Kino ablieferte. Gegenüber der Bühnenfassung schwächte Froelich das Ende ab und setzte den Fokus stärker auf das autoritäre Erziehungssystem denn auf die Komponente der gleichgeschlechtlichen Liebe unter Frauen. Den Nazis, die zwei Jahre später die Macht ergreifen sollten, war der Film ein Dorn im Auge: Goebbels übte Zensur und ließ den Film kürzen, sodass Überlieferungen zufolge ungefähr eine Viertelstunde fehlt und als unwiederbringlich verloren gilt.
„Wir Preußen haben uns großgehungert!“
Postdam zu Beginn der 1920er-Jahre: Offizierstochter Manuela von Meinhardis (Hertha Thiele, „Die Legende von Paul und Paula“) wird nach dem Tod ihrer Mutter in ein Internat für adlige Mädchen gesteckt, in dem die Oberin (Emilia Unda, „Das Ekel“) mit harter Hand den Mädchen preußische Disziplin beizubringen versucht. Für menschliche Wärme ist hier wenig Platz. Die einzige Ausnahme stellt die junge Lehrerin Fräulein von Bernburg (Dorothes Wieck, „Der Fremdenlegionär“) dar, die bei allen Mädchen beliebt ist – insbesondere bei Manuela, die sich in sie verliebt. Als Manuela nach einer erfolgreichen Schulaufführung eines Theaterstücks glückselig und unter dem Einfluss heimlich mit Alkohol versetzter Bowle stehend ihre Gefühle für von Bernburg öffentlich macht, sperrt sie die entsetzte Oberin in ein Isolierzimmer und untersagt von Bernburg jeglichen Kontakt zu ihr. Als sich von Bernburg über dieses Verbot hinwegsetzt, wird sie entlassen, was Manuela in noch tiefere Verzweiflung stürzt…
„Was uns nottut ist Zucht und Ordnung!“
Eine Schwarzweißfotografie, die die ausgesprochen hübschen Gesichter ihrer jungen Figuren gern in Großaufnahme einfängt und den Kontrast zwischen unverdorbener Jugend, die der Obrigkeit nicht geheuer ist, und eben jener Obrigkeit, die alles Juvenile und Individuelle auszutreiben versucht, eindrucksvoll abbildet. Die Worte der strengen Mutter Oberin und ihrer Verbündeten sind markig und dulden keine Widerrede, geistige und körperliche Disziplinierung im Sinne des preußisch-militärischen Systems genießen höchste Priorität. Chorauftritte und Theateraufführungen der Mädchen erfordern ebenfalls Einsatz und Disziplin, wirken jedoch beinahe wie kleine Freiräume innerhalb des gefängnisartigen Ambientes und bieten dem Film sogar Anlass für komödiantische Momente.
„Durch Zucht und Hunger, durch Hunger und Zucht werden wir wieder groß werden!“
In Fräulein von Bernburg ist jedes Mädchen ein bisschen verliebt, doch besonders ausgeprägt scheint diese Art Gefühl bei Manuela zu sein. Diese wirkt bisweilen noch sehr naiv und scheint eher eine Art Mutterersatz zu suchen. Schließlich ist sie auch eine Schutzbefohlene ihrer Lehrerin, eine Beziehung auf Augenhöhe wäre unmöglich. Hierin liegt meines Erachtens auch der Knackpunkt dieses Film in Bezug auf seine Bedeutung für die lesbische Gemeinschaft: Durch die Verbindung dieser Thematik mit einem abgeschotteten, männer- und familienfreien Mikrokosmos können Manuelas Anwandlungen nur allzu leicht als gleichgeschlechtliche Begehrlichkeiten in Ermangelung von Alternativen oder eben als pubertäre Gefühlskonfusion in Verbindung mit einer fehlenden liebevollen Mutterfigur, lesbische Liebe also letztlich lediglich als ein Symptom einer Situation wie der, der sich Manuela ausgesetzt sieht, gedeutet werden.
„Nicht denken – gehorchen!“
Dennoch war er skandalträchtig, der, so sagt man, erste lesbische Kuss der Filmgeschichte. Dieser kommt jedoch sehr unvermittelt und ist lediglich ein kurzer Schmatzer auf den Mund. Einem heutigen Publikum müsste man vermutlich erklären, dass diese Szene einmal als skandalös erachtet wurde und einen der Schlüsselmomente des Films darstellt. Unklar bleibt, weshalb Manuela eigentlich die Einzige ist, die psychologisch auffällig wird. Der melodramatische, tragische Ausgang der Vorlage, in der Manuela sich umbringt, wurde in ein eher offenes Ende abgeändert. Einen Kurzauftritt hat die „Pfeffermühle“-Kabarettistin und Antifaschistin Erika Mann, deren humanistische Ausrichtung zur Kritik am militaristischen System passt, die „Mädchen in Uniform“ übt. Dieses System wirkte schon zu Zeiten der Weimarer Republik wie aus der Zeit ausgefallen, sollte durch die Machtergreifung der verdammten Nazis aber eine Renaissance erhalten – eine reaktionäre Rolle rückwärts, die die kulturelle Entwicklung Deutschlands bezeichnenderweise weit zurückwarf und von der sie sich, so könnte man oftmals meinen, nie wieder ganz erholt hat.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)