Spuk im Reich der Schatten - Günter Meyer (2000)

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Salvatore Baccaro
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Spuk im Reich der Schatten - Günter Meyer (2000)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Spuk im Reich der Schatten

Produktionsland: Deutschland 2000

Regie: Günter Meyer

Darsteller: Saskia Grasemann, Matthias Schweighöfer, Ilja Richter, Benjamin Sadler, Christian Kuchenbuch, Nina Hoger, Walter Plathe


Eine unbestimmte Zeit ist seit den Ereignissen von SPUK AUS DER GRUFT vergangen, (und inzwischen scheint sich Drehbuchautor C. U. Wiesner aus dem Projekt verabschiedet zu haben, zumindest wird er in den Credits nicht mehr aufgeführt): Maja, die sich am Ende der Vorgänger-Miniserie bzw. des Vorgängerfilms von ihrem geliebten Friedrich Freiherr von Kuhlbanz lossagen musste, da dieser als nunmehr erlöstes Gespenst in die Ewigen Jagdgründe eingehen durfte, trauert dem Verflossenen ungebrochen hinterher und zelebriert einen Liebeskummer, wie ihn wohl nur pubertierende Teenager durchleiden können. Tagtäglich legt sie in der Gruft derer von Kuhlbanz frische Blumen ab, (was mich deshalb irritiert, da ja im Finale des Vorgängers die vertrockneten Mumien Friedrichs und seines bösherzigen Bruders Balthasars, der ihn einst aus Eifersucht und Missgunst fälschlicherweise des Mordes an seinem Schwiegervater in spe beschuldigte, miteinander vertauscht wurden, sodass Maja strenggenommen dem Erzfeind ihres Friedrichs die Blümchenbouquets auf den Glassarg bettet); ihre Mutter und ihr Stiefvater sind besorgt, da sie kaum noch Lebensfreude zeigt und sich bloß noch wie ein Spatz ernährt; und Stiefbruder Torsten, der mehr oder weniger heimlich in Maja verschossen ist und von ihrem Techtelmechtel mit der Geisterwelt, wie der Rest der Familie, freilich nichts weiß, quält sich schon mit dem Gedanken, dass sie unglücklich in einen andern Knaben verliebt sein könnte, weswegen er ihr in einem einzeiligen Brief endlich seine Gefühle zu gestehen traut…

Aber dann ist da natürlich noch Balthasar, der mit Maja ein Hühnchen zu rupfen hat: Es gefällt Friedrichs Bruderherz nämlich gar nicht, nunmehr als „Mumie von Roggelin“ scharenweise die Touristen in das verschlafene Brandenburg-Nest locken zu müssen; viel lieber möchte er in die Unterwelt zurück, weswegen er Maja zunächst eines Nachts in die Gruft lockt, wo dem Mädchen, das eigentlich meint, es sei endlich ihr Friedrich, der sie zu sich rufe, beinahe das Herz stehenbleibt, als plötzlich der skelettierte Balthasar vor ihr steht und ihr bittere Rache schwört. Zum Glück greift Friedrich dann doch ins Geschehen ein, duelliert sich mit dem Schurken per Degen und fordert von Maja, nachdem Balthasar sich kleinlaut in seinen Glassarg zurückgezogen hat, dass sie ihn vergessen solle, die Liebe zwischen ihm und ihr habe keine Zukunft, er sei ans Jenseits gebunden und sie habe ihr ganzes Leben noch vor sich. Das möchte Maja aber natürlich überhaupt nicht hören – was Balthasar wiederum weitere Angelegenheit liefert, seinen Plan voranzubringen, mit Majas unbewusster Hilfe doch zurück in die Schattenwelt zu gelangen. Schlüssel hierfür ist Torsten, der bei einem Besuch in der Gruft von Balthasar überwältigt und wortwörtlich in Besitz genommen wird: Der Untote dringt physisch in den Jungen ein, macht ihn zu seinem willenlosen Werkzeug. Ziel ist es, in der Bibliothek des Pfarrers an einen Band zu kommen, der einst Balthasar gehört hat, und in dem exakte Instruktionen dafür stehen, wie man das Tor zum Jenseits aufzustoßen vermag. Das Opfer, das dafür notwendig ist, soll wiederum natürlich Maja stellen, die nicht ahnt, dass sie nunmehr mit ihrem Erzfeind unter einem Dach wohnt.

Zur gleichen Zeit hat es aber auch den verkrachten Regisseur und Schauspieler Müller-Wadenstedt nach Roggelin verschlagen, wo dieser in der Walpurgisnacht die Geschichte um Friedrich und Balthasar als Theaterstück auf die Bühne bringen möchte. Torstens Vater verspricht sich davon weitere Publicty für das Örtchen, - und das, obwohl die Theaterproben ein einziges Chaos sind. Da Torsten im Stück Balthasar verkörpern soll und Maja wiederum Marie, Friedrichs frühere Liebste von vor 300 Jahren, stehen einem größtenteils ziemlich kurzweiligen Verwechslungsspiel Tür und Tor offen: Torsten hadert mit Balthasar, der sich in ihm eingenistet hat; als Balthasar streift er in seinem Bühnenkostüm durch Roggelin, um einen Weg zu finden, an den okkultistischen Folianten in der Pfarreibibliothek zu gelangen; Maja wiederum hadert nach wie vor mit ihrem Gefühlen für Friedrich – und zwischen alldem liefert Ilja Richter als Müller-Wadenstedt eine chargierende Performance ab, dass ich mich sehr stark an jene turbulenten Komödien der späten 60er, frühen 70er erinnert fühle, mit denen der Mime einst in jungen Jahren berühmt geworden ist.

Aber auch sonst besitzt SPUK IM REICH DER SCHATTEN mehr Tempo, mehr Turbulenzen, mehr Wahnwitz als sein Vorgänger SPUK AUS DER GRUFT. Während Teil Eins durch eine wohltuende biedere Naivität geglänzt und im Grunde ein schauerromantisches Märchen erzählt hat, schmeißt sich der zweite Teil mit sichtbarer Freude mitten hinein in ein jugendgerechtes Potpourri aus Genre-Topoi, metareflexivem Klamauk und, erneut, eine melodramatische Love Story, die uns im Finale geradewegs in den Hades führt. SPUK IM REICH DER SCHATTEN ist dabei wahlweise überzogen grotesk, (die Theaterprobenszenen und die letztendliche Aufführung des katastrophalen Stücks, bei denen Ilja Richter schauspielerisch sein letztes Hemd gibt), wirklich amüsant, (der Konflikt zwischen Matthias Schweighöfer als Torsten und dem in ihm hausenden Balthasar, der sich in bester Dr. Jekyll & Mr. Hyde-Manier vorzugsweise vor einem Spiegel vollzieht, wo die beiden um die Herrschaft des jugendlichen Körpers ringen), visuell ansprechend, (einmal mehr all die wunderhübschen Aufnahmen von nebelverhangenen Friedhöfen, morastigen Gräbern, zwielichtigen Krypten), hauchzart metaphysisch, (wenn Maja mit dem Pfarrer theologische Dispute führt oder uns am Ende eine danteseque Unterwelt präsentiert wird, in der die Toten in lange Mäntel gehüllt schweigsam vor der Kulisse einer endlos öden Landschaft umhertapsen), und auf eine Weise unterhaltsam, die mich durchweg zufriedengestellt hat.

Einige der CGI-Effekte sind für heutige Augen natürlich heillos veraltet und zwischenzeitlich strengten mich die selbstreferentiellen Szenen, in denen der völlig von sich selbst überzeugte Müller-Waldstedt die größten Chaoten des Dorfes zu schauspielerischen Höchstleistungen anzuspornen versucht, dann doch einen Tick zu sehr an mit ihren ostentativ nach außen getragenen Blödeleien. Aber alles in allem bin ich doch sehr stark befriedigt von dieser Geisterbahnfahrt für Minderjährige, bei der ich tatsächlich mehr als einmal ein Schmunzeln nicht unterdrücken konnte. Falls jemand seinen Nachwuchs vorsichtig ans Horror-Genre heranführen möchte, gibt's hier optimale Gelegenheit dazu...
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