Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
meine Vorfreude hat sich bestätigt: der Graf Polizeiruf 110 "Bis Mitternacht" war mal wieder ein besonderes Fernsehhighlight, wobei (ja, klingt abgedroschen) der Weg das Ziel ist.
Und DER WEG ist dieses mal das grandiose Schauspiel, allen voran natürlich die von mir gelobte Verena Altenberger als Kommissarin "Bessie" Eyckhoff.
Das ist mir letztens schon bei dem PR110 aufgefallen: sie spielt sehr an der Schmerzgrenze, will heißen, die Verzweiflung, an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter zu kommen oder gar schlimmer, abgezogen zu werden, bringt sie wunderbar herüber. Ich konnte/könnte das genau nachvollziehen, die ohnmächtige Wut & Enttäuschung. Aber auch dann wieder das aufrappeln, nach vorne schauen,weiter kämpfen. Ich persönlich finde das richtig großartig. so freue ich mich jetzt schon sehr auf ihren nächsten Einsatz
Und DER WEG ist dieses mal das grandiose Schauspiel, allen voran natürlich die von mir gelobte Verena Altenberger als Kommissarin "Bessie" Eyckhoff.
Das ist mir letztens schon bei dem PR110 aufgefallen: sie spielt sehr an der Schmerzgrenze, will heißen, die Verzweiflung, an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter zu kommen oder gar schlimmer, abgezogen zu werden, bringt sie wunderbar herüber. Ich konnte/könnte das genau nachvollziehen, die ohnmächtige Wut & Enttäuschung. Aber auch dann wieder das aufrappeln, nach vorne schauen,weiter kämpfen. Ich persönlich finde das richtig großartig. so freue ich mich jetzt schon sehr auf ihren nächsten Einsatz
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
...unwissend und zufällig lies ich gestern nach der Tagesschau das TV-Gerät eingeschaltet. Wenige Minuten später war ich schon massiv von der Geschichte und der vor allem am Anfang sehr raffinierten Erzählstruktur gefesselt. Und am Ende war ich begeistert. Gefiel mir ausgesprochen gut!McBrewer hat geschrieben: ↑Mo 6. Sep 2021, 14:57 meine Vorfreude hat sich bestätigt: der Graf Polizeiruf 110 "Bis Mitternacht" war mal wieder ein besonderes Fernsehhighlight, wobei (ja, klingt abgedroschen) der Weg das Ziel ist.
Und DER WEG ist dieses mal das grandiose Schauspiel, allen voran natürlich die von mir gelobte Verena Altenberger als Kommissarin "Bessie" Eyckhoff.
Das ist mir letztens schon bei dem PR110 aufgefallen: sie spielt sehr an der Schmerzgrenze, will heißen, die Verzweiflung, an einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter zu kommen oder gar schlimmer, abgezogen zu werden, bringt sie wunderbar herüber. Ich konnte/könnte das genau nachvollziehen, die ohnmächtige Wut & Enttäuschung. Aber auch dann wieder das aufrappeln, nach vorne schauen,weiter kämpfen. Ich persönlich finde das richtig großartig. so freue ich mich jetzt schon sehr auf ihren nächsten Einsatz
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Bis Mitternacht
„Personen weiblichen Geschlechts… Man könnte auch Frauen sagen, oder?“
In ihrem vierten „Polizeiruf 110“ hat es die Münchner Polizistin Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) zur Oberkommissarin gebracht. Wie bereits ihr zweiter Fall wurde auch dieser von Dominik Graf inszeniert, der es damit nun auf sechs „Polizeiruf 110“-Episoden bringt. Ein Debütant innerhalb der öffentlich-rechtlichen TV-Krimireihe ist Drehbuchautor Tobias Kniebe. Der Anfang 2001 in München und Umgebung gedrehte Fall wurde am 2. Juli 2021 auf dem Filmfest München uraufgeführt und am 5. September 2021 im TV erstausgestrahlt. Er basiert auf einen realen Fall, der unter dem Titel „Wolllust“ vom pensionierten Kriminaloberrat der Münchner Mordkommission Josef Wilfling in seinem Buch „Abgründe: Wenn aus Menschen Mörder werden“ geschildert wurde.
„Sie macht das gut…“
Elisabeth Eyckhoff ist neu bei der Münchner Mordkommission und hat es gleich mit einem besonderen Fall in Verbindung mit einem besonders hartnäckigen Delinquenten zu tun: Man ist sich sicher, dass der Student Jonas Borutta (Thomas Schubert, „Windstill“) für den brutalen Überfall auf eine junge Frau (Emma Jane, „Am Abend aller Tage“) in einem Studentenwohnheim verantwortlich ist, bei dem sie zahlreiche Messerstiche erlitt, aber wie durch ein Wunder überlebte. Borutta ist ein der Polizei alter Bekannter, der bereits vor drei Jahren dringend verdächtig war, eine Frau ermordet zu haben. Dem seinerzeit ermittelnden Josef Murnauer (Michael Roll, „Lena Lorenz“) mangelte es jedoch an Beweisen und Borutta hüllte sich in Schweigen – so auch diesmal. Zwar gelang es Eyckhoff, Borutta zum Sprechen zu bringen, doch verwertbar ist davon nichts. Und die Zeit tickt: Bis Mitternacht sind es noch zwei Stunden – hat Borutta bis dahin kein Geständnis abgelegt, muss er wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Da Eyckhoff auf der Stelle zu treten scheint, wird der beurlaubte Murnauer gebeten, etwas aus Borutta herauszubekommen…
„Der geilt sich doch auf an seinen Schachtelsätzen! Er glaubt, dass er auf alle ‘ne Antwort hat.“
„Bis Mitternacht“ ist eine Art Kammerspiel-Psychoduell in Beinahe-Echtzeit, das sich hauptsächlich auf dem Polizeirevier in zwei verschiedenen Verhörräumen abspielt, die rote Digitaluhranzeige – beginnend bei 22:00 Uhr – ständig im Bild. Graf ergänzt dieses Konzept um Rückblenden, teils kurz und assoziativ mit Aufnahmen eines Vulkanausbruchs kombiniert, teils ausführlicher den Tatvorgang zeigend. Und konfrontiert Eyckhoff Borutta mit ihren Vorstellungen davon, wie die Tat abgelaufen sein könnte, werden auch diese Hypothesen visualisiert. Der sekundäre Schauplatz ist jener Raum des Reviers, durch den Eyckhoffs Kollegen die Szenerie genau beobachten und kommentieren, ohne dass es Borutta mitbekommt. Dort verzweifelt man zunehmend an Boruttas zwar recht eloquentem, aber eben auch nichtssagendem Gequatsche, mit dem er immer mehr Zeit gewinnt.
„Die Uhr tickt – für ihn, nicht für uns!“
Diese spannende Prämisse wird erweitert um die Hinzuziehung Murnauers, was zu mehr als nur Kompetenzgerangel führt: Ein deutlich älterer Mann soll einer jungen Frau ihren Fall wegnehmen, weil man ihr dessen Lösung nicht mehr zutraut. Das ist eine Kampfansage, die Eyckhoff u.a. mit der Staatsanwältin diskutiert. Dass man letztlich nur in Kooperation miteinander erfolgreich ist, ist eine ebenso simple und universelle wie konstruktive Botschaft. Dass sich Eyckhoff in einer Männerdomäne durchsetzt und mit ihrer weiblichen Intuition und ihrem Einfühlungsvermögen allen Belastungen zum Trotz erfolgreicher ist als manch männlicher Kollege mit seinen Macho-Methoden, die sich gar als kontraproduktiv erweisen, ist angenehm beiläufig und zugleich die Handlung entscheidend vorantreibend eingearbeitet worden. Ohne mitunter fragwürdige Manipulationsversuche wie die „Opferung“ eines aufbrausenden Kollegen, die Fälschung eines Beruhigungsmittels und die Konfrontation des Täters mit seinem jüngsten Opfer geht es allerdings auch nicht vonstatten. Und wenn Dominik Graf zur Split-Screen-Methode greift, scheinen deutlich seine Kinovorbilder durch.
„Die Umstände unseres Kennenlernens sind mehr als ungünstig gerade...“
Der „Polizeiruf 110: Bis Mitternacht“ erzählt somit eine mehrschichtige Geschichte, die neben einem (vielleicht etwas einfach geratenen) Psychogramm eines in all seiner Armseligkeit fast schon bemitleidenswerten Frauenmörders einen konstruktiven Beitrag zur Geschlechterdebatte leistet, psychologisch versierte Verhörmethoden anstelle gewaltvoller Machtdemonstrationen empfiehlt und die ihre Rolle facettenreich verkörpernde Verena Altenberger einmal mehr ideal in Szene zu setzen versteht. In einer Nebenrolle findet sich zudem erneut der Regisseur Robert Sigl („Laurin“), der, nachdem er im zweiten Eyckhoff-Fall den Polizeibeamten Blöchl spielte, nun den Kollegen Dorfmeister verkörpert. Dominik Graf wird in der Regel als besonders genre- und kinoaffiner Regisseur charakterisiert. Betrachtet man das Kriminalkammerspiel ebenfalls als ein Subgenre, passt diese Beschreibung auch hier. Vielleicht ist Dominik Graf aber auch einfach ein besonderer Fernsehkrimi-Regisseur, dessen Beiträge immer über das gewisse Etwas verfügen.
„Personen weiblichen Geschlechts… Man könnte auch Frauen sagen, oder?“
In ihrem vierten „Polizeiruf 110“ hat es die Münchner Polizistin Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) zur Oberkommissarin gebracht. Wie bereits ihr zweiter Fall wurde auch dieser von Dominik Graf inszeniert, der es damit nun auf sechs „Polizeiruf 110“-Episoden bringt. Ein Debütant innerhalb der öffentlich-rechtlichen TV-Krimireihe ist Drehbuchautor Tobias Kniebe. Der Anfang 2001 in München und Umgebung gedrehte Fall wurde am 2. Juli 2021 auf dem Filmfest München uraufgeführt und am 5. September 2021 im TV erstausgestrahlt. Er basiert auf einen realen Fall, der unter dem Titel „Wolllust“ vom pensionierten Kriminaloberrat der Münchner Mordkommission Josef Wilfling in seinem Buch „Abgründe: Wenn aus Menschen Mörder werden“ geschildert wurde.
„Sie macht das gut…“
Elisabeth Eyckhoff ist neu bei der Münchner Mordkommission und hat es gleich mit einem besonderen Fall in Verbindung mit einem besonders hartnäckigen Delinquenten zu tun: Man ist sich sicher, dass der Student Jonas Borutta (Thomas Schubert, „Windstill“) für den brutalen Überfall auf eine junge Frau (Emma Jane, „Am Abend aller Tage“) in einem Studentenwohnheim verantwortlich ist, bei dem sie zahlreiche Messerstiche erlitt, aber wie durch ein Wunder überlebte. Borutta ist ein der Polizei alter Bekannter, der bereits vor drei Jahren dringend verdächtig war, eine Frau ermordet zu haben. Dem seinerzeit ermittelnden Josef Murnauer (Michael Roll, „Lena Lorenz“) mangelte es jedoch an Beweisen und Borutta hüllte sich in Schweigen – so auch diesmal. Zwar gelang es Eyckhoff, Borutta zum Sprechen zu bringen, doch verwertbar ist davon nichts. Und die Zeit tickt: Bis Mitternacht sind es noch zwei Stunden – hat Borutta bis dahin kein Geständnis abgelegt, muss er wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Da Eyckhoff auf der Stelle zu treten scheint, wird der beurlaubte Murnauer gebeten, etwas aus Borutta herauszubekommen…
„Der geilt sich doch auf an seinen Schachtelsätzen! Er glaubt, dass er auf alle ‘ne Antwort hat.“
„Bis Mitternacht“ ist eine Art Kammerspiel-Psychoduell in Beinahe-Echtzeit, das sich hauptsächlich auf dem Polizeirevier in zwei verschiedenen Verhörräumen abspielt, die rote Digitaluhranzeige – beginnend bei 22:00 Uhr – ständig im Bild. Graf ergänzt dieses Konzept um Rückblenden, teils kurz und assoziativ mit Aufnahmen eines Vulkanausbruchs kombiniert, teils ausführlicher den Tatvorgang zeigend. Und konfrontiert Eyckhoff Borutta mit ihren Vorstellungen davon, wie die Tat abgelaufen sein könnte, werden auch diese Hypothesen visualisiert. Der sekundäre Schauplatz ist jener Raum des Reviers, durch den Eyckhoffs Kollegen die Szenerie genau beobachten und kommentieren, ohne dass es Borutta mitbekommt. Dort verzweifelt man zunehmend an Boruttas zwar recht eloquentem, aber eben auch nichtssagendem Gequatsche, mit dem er immer mehr Zeit gewinnt.
„Die Uhr tickt – für ihn, nicht für uns!“
Diese spannende Prämisse wird erweitert um die Hinzuziehung Murnauers, was zu mehr als nur Kompetenzgerangel führt: Ein deutlich älterer Mann soll einer jungen Frau ihren Fall wegnehmen, weil man ihr dessen Lösung nicht mehr zutraut. Das ist eine Kampfansage, die Eyckhoff u.a. mit der Staatsanwältin diskutiert. Dass man letztlich nur in Kooperation miteinander erfolgreich ist, ist eine ebenso simple und universelle wie konstruktive Botschaft. Dass sich Eyckhoff in einer Männerdomäne durchsetzt und mit ihrer weiblichen Intuition und ihrem Einfühlungsvermögen allen Belastungen zum Trotz erfolgreicher ist als manch männlicher Kollege mit seinen Macho-Methoden, die sich gar als kontraproduktiv erweisen, ist angenehm beiläufig und zugleich die Handlung entscheidend vorantreibend eingearbeitet worden. Ohne mitunter fragwürdige Manipulationsversuche wie die „Opferung“ eines aufbrausenden Kollegen, die Fälschung eines Beruhigungsmittels und die Konfrontation des Täters mit seinem jüngsten Opfer geht es allerdings auch nicht vonstatten. Und wenn Dominik Graf zur Split-Screen-Methode greift, scheinen deutlich seine Kinovorbilder durch.
„Die Umstände unseres Kennenlernens sind mehr als ungünstig gerade...“
Der „Polizeiruf 110: Bis Mitternacht“ erzählt somit eine mehrschichtige Geschichte, die neben einem (vielleicht etwas einfach geratenen) Psychogramm eines in all seiner Armseligkeit fast schon bemitleidenswerten Frauenmörders einen konstruktiven Beitrag zur Geschlechterdebatte leistet, psychologisch versierte Verhörmethoden anstelle gewaltvoller Machtdemonstrationen empfiehlt und die ihre Rolle facettenreich verkörpernde Verena Altenberger einmal mehr ideal in Szene zu setzen versteht. In einer Nebenrolle findet sich zudem erneut der Regisseur Robert Sigl („Laurin“), der, nachdem er im zweiten Eyckhoff-Fall den Polizeibeamten Blöchl spielte, nun den Kollegen Dorfmeister verkörpert. Dominik Graf wird in der Regel als besonders genre- und kinoaffiner Regisseur charakterisiert. Betrachtet man das Kriminalkammerspiel ebenfalls als ein Subgenre, passt diese Beschreibung auch hier. Vielleicht ist Dominik Graf aber auch einfach ein besonderer Fernsehkrimi-Regisseur, dessen Beiträge immer über das gewisse Etwas verfügen.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
„Polizeiruf 110“: Nachfolgerin für Charly Hübner gefunden
Neues Ermittlerinnen-Duo im Rostocker Revier
„Polizeiruf 110“: Das Ermittlerinnen-Duo Böwe (Lina Beckmann) und König (Anneke Kim Sarnau)
Nachdem Charly Hübner nach fast zwölf Jahren seinen Abschied aus dem Rostocker „Polizeiruf 110“-Team verkündet hat, ist nun seine Nachfolgerin gefunden: Lina Beckmann, vielfach ausgezeichnete Darstellerin und Ehefrau Hübners, wird in den neuen Folgen an der Seite von Anneke Kim Sarnau ermitteln. Die Dreharbeiten mit dem neuen Ermittlerinnen-Duo laufen noch bis Ende September; ein konkretes Ausstrahlungsdatum steht bisher nicht fest.
Quelle und weitere Infos:
https://www.fernsehserien.de/news/poliz ... r-gefunden
Neues Ermittlerinnen-Duo im Rostocker Revier
„Polizeiruf 110“: Das Ermittlerinnen-Duo Böwe (Lina Beckmann) und König (Anneke Kim Sarnau)
Nachdem Charly Hübner nach fast zwölf Jahren seinen Abschied aus dem Rostocker „Polizeiruf 110“-Team verkündet hat, ist nun seine Nachfolgerin gefunden: Lina Beckmann, vielfach ausgezeichnete Darstellerin und Ehefrau Hübners, wird in den neuen Folgen an der Seite von Anneke Kim Sarnau ermitteln. Die Dreharbeiten mit dem neuen Ermittlerinnen-Duo laufen noch bis Ende September; ein konkretes Ausstrahlungsdatum steht bisher nicht fest.
Quelle und weitere Infos:
https://www.fernsehserien.de/news/poliz ... r-gefunden
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Platzverweis für Trimmel
Porsche, Trimmel, hallo HSV
„Was war er von Beruf?“ – „Eigentlich Penner!“
Der am 19. August 1973 erstausgestrahlte sechste Fall des ersten Hamburger „Tatort“-Ermittlers Paul Trimmel (Walter Richter) entstand unter der Regie des Stammregisseurs dieses „Tatort“-Zweigs, Peter Schulte-Rohr, der auch zusammen mit Friedhelm Werremeier das Drehbuch verfasste und es auf insgesamt 15 Beiträge zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe brachte. „Platzverweis für Trimmel“ ist im Milieu der deutschen Fußball-Ligen angesiedelt und greift den Bundesliga-Skandal der Saison 1970/’71 auf: Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld hatten sich mittels manipulierter Spiele den Klassenerhalt gesichert.
„In dem Gewerbe könnt‘ ich mir ‘nen ehrlichen Menschen nur äußerst schwer vorstellen…“
Eine Leiche wird nachts im Tor eines Bolzplatzes abgelegt, ein Zeuge beobachtet die unheimliche Szenerie. Ein Dauerläufer findet den Toten am nächsten Morgen und alarmiert die Polizei, die mit Kriminalhauptkommissar Trimmel anrückt und den Leichnam als Louis Spindel identifiziert. Dieser war finanziell gut betucht, Geldbriefträger Jonny Feldmann (Klaus Stieringer, „Cliff Dexter“) brachte regelmäßig höhere Summen Bares vorbei. Außerdem sei eine Frau namens Olga (Christa Berndl, „Die wilden Fünfziger“) regelmäßig zu Besuch gewesen, so Spindels Vermieterin. Spindel unterhielt offenbar geschäftliche Beziehungen zum nordrhein-westfälischen Regionalligisten VfL Bonsdorf. Trimmel kombiniert einen Zusammenhang mit dem Bundesliga-Skandal vor wenigen Jahren. Er heftet sich an Feldmanns Fersen und reist nach Köln sowie nach Bonsdorf, um sich einen Überblick über die Geldschiebereien im Fußballgeschäft zu verschaffen. Bis ein weiterer Mord geschieht…
„Ich war dreimal unglücklich verliebt, und die Männer sind alle tot.“
Der Fall und der VfL Bonsdorf sind fiktional, der Bundesliga-Skandal war es nicht und auch die HSV-Spieler, die mit Trimmel im Zug nach Köln reisen, sind ebenso real wie deren (toll gefilmte!) Spielszenen aus der Partie gegen den 1. FC Köln im Februar 1973, das für die Hanseaten verlorenging. Dort trifft Trimmel auf seinen Kollegen Böck (Hans Häckermann) aus Bremen, womit auch der damals obligatorische Gastauftritt eines anderen „Tatort“-Ermittlers abgehakt wäre. Die Verquickung von mutmaßlicher Spielmanipulation und dem Mord ist zunächst einmal spannend, legt aber zahlreiche falsche Fährten und ist mit seiner Vielzahl an nebulösen Nebenfiguren und zudem etwas arg langatmigen Erzählweise dramaturgisch nicht immer ein Volltreffer – bisweilen eher Standfußball denn Offensivzauber.
„Jetzt muss ich dich ‘n bischn verhaften!“
Dafür punktet diese Episode mit einer zeitweise recht düsteren Stimmung und der überraschenden charakterlichen Entwicklung Feldmanns hin zur gruseligen Type, deren Verhalten sich nur noch schwer nachvollziehen lässt. Auch seine Freundin Tilly (Eos Schopohl, „Einer muss der Dumme sein“) steigert besonders im betrunkenen Zustand den Unterhaltungswert, die Musik erinnert mitunter ein bisschen an Maestro Morricone und die Gesichtszooms ans gute alte Euro-Genrekino. Auch die Auflösung der Morde hat in ihrer Verquertheit beinahe etwas Gialloeskes, während das Thema manipulierter Spielverläufe bestechend simpel abgeschlossen wird und sich letztlich ebenfalls als roter Hering entpuppt, jedoch nicht, ohne der Schiedsrichterzunft aufgrund ihrer Subjektivität kräftig einen mitzugeben – und dabei gleichzeitig die Bundesliga zu relegitimieren.
„Der HSV hilft gern, wenn man kann!“ – „Besonders der Polizei!“
Ausgerechnet Jürgen Scheller von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft einen Kölner spielen zu lassen, ist mutig, das weitaus authentischere, geballte Zeit- und Lokalkolorit Hamburgs und Kölns aber helfen aus heutiger Perspektive, über die Schwächen dieses historischen „Tatorts“ hinwegzusehen.
Porsche, Trimmel, hallo HSV
„Was war er von Beruf?“ – „Eigentlich Penner!“
Der am 19. August 1973 erstausgestrahlte sechste Fall des ersten Hamburger „Tatort“-Ermittlers Paul Trimmel (Walter Richter) entstand unter der Regie des Stammregisseurs dieses „Tatort“-Zweigs, Peter Schulte-Rohr, der auch zusammen mit Friedhelm Werremeier das Drehbuch verfasste und es auf insgesamt 15 Beiträge zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe brachte. „Platzverweis für Trimmel“ ist im Milieu der deutschen Fußball-Ligen angesiedelt und greift den Bundesliga-Skandal der Saison 1970/’71 auf: Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld hatten sich mittels manipulierter Spiele den Klassenerhalt gesichert.
„In dem Gewerbe könnt‘ ich mir ‘nen ehrlichen Menschen nur äußerst schwer vorstellen…“
Eine Leiche wird nachts im Tor eines Bolzplatzes abgelegt, ein Zeuge beobachtet die unheimliche Szenerie. Ein Dauerläufer findet den Toten am nächsten Morgen und alarmiert die Polizei, die mit Kriminalhauptkommissar Trimmel anrückt und den Leichnam als Louis Spindel identifiziert. Dieser war finanziell gut betucht, Geldbriefträger Jonny Feldmann (Klaus Stieringer, „Cliff Dexter“) brachte regelmäßig höhere Summen Bares vorbei. Außerdem sei eine Frau namens Olga (Christa Berndl, „Die wilden Fünfziger“) regelmäßig zu Besuch gewesen, so Spindels Vermieterin. Spindel unterhielt offenbar geschäftliche Beziehungen zum nordrhein-westfälischen Regionalligisten VfL Bonsdorf. Trimmel kombiniert einen Zusammenhang mit dem Bundesliga-Skandal vor wenigen Jahren. Er heftet sich an Feldmanns Fersen und reist nach Köln sowie nach Bonsdorf, um sich einen Überblick über die Geldschiebereien im Fußballgeschäft zu verschaffen. Bis ein weiterer Mord geschieht…
„Ich war dreimal unglücklich verliebt, und die Männer sind alle tot.“
Der Fall und der VfL Bonsdorf sind fiktional, der Bundesliga-Skandal war es nicht und auch die HSV-Spieler, die mit Trimmel im Zug nach Köln reisen, sind ebenso real wie deren (toll gefilmte!) Spielszenen aus der Partie gegen den 1. FC Köln im Februar 1973, das für die Hanseaten verlorenging. Dort trifft Trimmel auf seinen Kollegen Böck (Hans Häckermann) aus Bremen, womit auch der damals obligatorische Gastauftritt eines anderen „Tatort“-Ermittlers abgehakt wäre. Die Verquickung von mutmaßlicher Spielmanipulation und dem Mord ist zunächst einmal spannend, legt aber zahlreiche falsche Fährten und ist mit seiner Vielzahl an nebulösen Nebenfiguren und zudem etwas arg langatmigen Erzählweise dramaturgisch nicht immer ein Volltreffer – bisweilen eher Standfußball denn Offensivzauber.
„Jetzt muss ich dich ‘n bischn verhaften!“
Dafür punktet diese Episode mit einer zeitweise recht düsteren Stimmung und der überraschenden charakterlichen Entwicklung Feldmanns hin zur gruseligen Type, deren Verhalten sich nur noch schwer nachvollziehen lässt. Auch seine Freundin Tilly (Eos Schopohl, „Einer muss der Dumme sein“) steigert besonders im betrunkenen Zustand den Unterhaltungswert, die Musik erinnert mitunter ein bisschen an Maestro Morricone und die Gesichtszooms ans gute alte Euro-Genrekino. Auch die Auflösung der Morde hat in ihrer Verquertheit beinahe etwas Gialloeskes, während das Thema manipulierter Spielverläufe bestechend simpel abgeschlossen wird und sich letztlich ebenfalls als roter Hering entpuppt, jedoch nicht, ohne der Schiedsrichterzunft aufgrund ihrer Subjektivität kräftig einen mitzugeben – und dabei gleichzeitig die Bundesliga zu relegitimieren.
„Der HSV hilft gern, wenn man kann!“ – „Besonders der Polizei!“
Ausgerechnet Jürgen Scheller von der Münchner Lach- und Schießgesellschaft einen Kölner spielen zu lassen, ist mutig, das weitaus authentischere, geballte Zeit- und Lokalkolorit Hamburgs und Kölns aber helfen aus heutiger Perspektive, über die Schwächen dieses historischen „Tatorts“ hinwegzusehen.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Kressin und die zwei Damen aus Jade
Mord am Fließband
„Ich spiele mit zwei Damen…“
Mit dem am 8. Juli 1973 erstausgestrahlten siebten Fall des Kölner Zollfahnders Kressin (Sieghardt Rupp) endete dessen Ära innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe „Tatort“. Inszeniert wurde die Episode „Kressin und die zwei Damen aus Jade“ von Rolf von Sydow, der bereits die Regie bei Kressins drittem Fall „Kressin stoppt den Nordexpress“ übernommen hatte. Das Drehbuch stammt von Karl Heinz Willschrei, der damit beim „Tatort“ debütierte und bis 1985 acht weitere Male als Autor dieser Reihe in Erscheinung treten sollte.
„Kressin, treiben Sie’s nicht auf die Spitze!“
Zollfahnder Kressin befindet sich gerade auf dem Rückflug aus Istanbul, als er kurz vor der Landung in Düsseldorf mit seiner Sitznachbarin, der Asiatin Lyn (Francesca Tu, „Ich, Dr. Fu Man Chu“), vorsichtig zu flirten beginnt. An der Gepäckausgabe wird plötzlich anstelle eines Koffers die Leiche Ulf Benders (Hans Hass jr., „Jungfrauen-Report“) auf dem Fließband transportiert, der sich ebenfalls im Flugzeug befand. Noch im Gepäckbereich gerät Kressin mit Kommissar Pertram (Norbert Hansing, „Die rote Kapelle“) aneinander, Kompetenzgerangel ist die Folge. Kressin schleust Lyn kurzerhand am Zoll vorbei und möchte mit ihr in der Flughafenbar einen trinken gehen, doch plötzlich ist sie verschwunden. Ihren Koffer hat sie mitgenommen, ihre Handtasche jedoch zurückgelassen. Dafür lernt er kurz darauf Mona Capell (Krista Keller, „Bedenkzeit“) kennen, Benders ehemalige Geliebte. Er bringt sie nach Hause, wo sie ihn noch zu bleiben bittet, doch da platzt Pertram dazwischen. In Lyns Tasche findet Kressin zwei wertvolle Schachfiguren – zwei Damen aus Jade –, bei denen es sich um begehrte Antiquitäten handelt.
Seine Ermittlungen führen ihn ins Schach-Café Elite, in dem Bender mit seinen Kommiliton(inn)en regelmäßig dem Spiel der Könige frönte. Dort lernt er Axel (Matthias Ponnier, „Der Katzensteg“) und Christina (Ilona Grübel, „Peter und Sabine“) kennen, die jedoch nicht sonderlich auskunftsfreudig sind. Als er Mona wiedertrifft, kommt eine mittels Codewort gesicherte Schmuckkassette ins Spiel, ferner ein verdächtiger Pfandleiher (Gert Haucke), ganz zu schweigen von Schmuggelverdacht, Auslandsgoldhandel und Kressins Erzrivale Sievers (Ivan Desny)…
„Eine Pistole wird erst dann gefährlich, wenn ein Mörder sie in der Hand hält!“
Die zwei Damen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film: Lyn und Mona, die beiden Schachfiguren und… das soll nicht verraten werden, jedenfalls wurden dem Toten letztlich zwei Damen zum Verhängnis. Dass die beiden titelgebenden Schachfiguren also zugleich eine Art Metapher für die Geschehnisse in Kressins Schwanengesang sind, ist ein schöner, beinahe poetischer Kniff. Auch Kressins Gekabbel mit Kommissar Pertram machen Spaß. Eigentlich war Kressin jedoch als beschwingter, frecher Frauenheld im „Tatort“ angetreten, um es mit den Moralvorstellungen des spießigen Teils des Publikums aufzunehmen. Dieses Konzept schien sich in der vierten Episode abzunutzen, in der fünften wurde es bereits weitestgehend aufgegeben und in der sechsten, einem experimentellen „Tatort“-Beitrag, spielte Kressin lediglich eine untergeordnete Rolle. Für seinen letzten Auftritt schien man sich einerseits zurückzubesinnen, andererseits aber nicht zum ursprünglichen Konzept zurückkehren zu wollen (oder zu können?).
Dies äußert sich in einem Kressin, der weiterhin will, aber nicht mehr kann. Er sucht wieder ständig den Flirt mit Frauen, doch bei Mona platzt Pertram dazwischen, bei Lyn deren Lebensgefährte und Christina, die er ebenfalls allein bei ihr zu Hause trifft, zeigt gar nicht erst auch nur das geringste Interesse an ihm – im Gegenteil, ihre Abneigung sagt sie ihm offen ins Gesicht. Das ist ein durchaus reizvolles Spiel mit Kressins Rollenstereotyp, hat jedoch nicht nur einen gegen null tendierenden Sexyness-Faktor zu Folge, sondern auch einen zunehmend nachdenklich, gar müde wirkenden Kressin. Der studentischen Schach-Boheme im so treffend benannten Elite-Café hat er kaum noch etwas entgegenzusetzen und selbst Antagonist Sievers scheint mittlerweile eine legale Nische gefunden zu haben. So tappt er in einem komplexen Fall viel auf der Stelle, den er jedoch auch in aller Gemütlichkeit angeht, was der Dramaturgie nicht unbedingt zugutekommt. Dafür geben sich neben seinem Vorgesetzten, dem namenlosen Zollrat (Hermann Lenschau), mit den Saarbrücker Kommissaren Liersdahl (Dieter Eppler) und Schäfermann (Manfred Heidmann) noch einmal stadtfremde „Tatort“-Kollegen ein Stelldichein, während Kressin jedes Likör- oder Schnäpschen mitnimmt, das er kriegen kann. Wer will es ihm verdenken?
Der eigentliche Fall verquickt auf nicht uninteressante Weise Schachkultur mit etwas Fernost-Exotik und verschiedenen Geschäftsmodellen, die bezeichnenderweise alle halbseiden anmuten und schwer nach Illegalität müffeln, sich letztlich jedoch, so viel sei verraten, als rote Heringe entpuppen. Je nach Interessensgebiet wird das für den einen Teil der Zuschauerschaft aufschlussreicher und spannender als für den anderen sein, ich zumindest habe insbesondere die Ausführungen zum Goldhandel im Spannungsgeld der Systeme als erhellend empfunden. Die Auflösung des Falls schließlich findet leider ausschließlich in Dialogform statt, womit der damals originellste „Tatort“-Ast dann doch reichlich unspektakulär endet. Interessant zu wissen wäre, inwieweit die Modifikationen, die die Kressin-Episoden innerhalb von nur zwei Jahren erfuhren, auf einen sich verändernden Zeitgeist, eine Art Ernüchterung nach der sexuellen Revolution beispielsweise, zurückzuführen waren oder ob andere und wenn ja, welche Faktoren eine Rolle spielten.
Mord am Fließband
„Ich spiele mit zwei Damen…“
Mit dem am 8. Juli 1973 erstausgestrahlten siebten Fall des Kölner Zollfahnders Kressin (Sieghardt Rupp) endete dessen Ära innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe „Tatort“. Inszeniert wurde die Episode „Kressin und die zwei Damen aus Jade“ von Rolf von Sydow, der bereits die Regie bei Kressins drittem Fall „Kressin stoppt den Nordexpress“ übernommen hatte. Das Drehbuch stammt von Karl Heinz Willschrei, der damit beim „Tatort“ debütierte und bis 1985 acht weitere Male als Autor dieser Reihe in Erscheinung treten sollte.
„Kressin, treiben Sie’s nicht auf die Spitze!“
Zollfahnder Kressin befindet sich gerade auf dem Rückflug aus Istanbul, als er kurz vor der Landung in Düsseldorf mit seiner Sitznachbarin, der Asiatin Lyn (Francesca Tu, „Ich, Dr. Fu Man Chu“), vorsichtig zu flirten beginnt. An der Gepäckausgabe wird plötzlich anstelle eines Koffers die Leiche Ulf Benders (Hans Hass jr., „Jungfrauen-Report“) auf dem Fließband transportiert, der sich ebenfalls im Flugzeug befand. Noch im Gepäckbereich gerät Kressin mit Kommissar Pertram (Norbert Hansing, „Die rote Kapelle“) aneinander, Kompetenzgerangel ist die Folge. Kressin schleust Lyn kurzerhand am Zoll vorbei und möchte mit ihr in der Flughafenbar einen trinken gehen, doch plötzlich ist sie verschwunden. Ihren Koffer hat sie mitgenommen, ihre Handtasche jedoch zurückgelassen. Dafür lernt er kurz darauf Mona Capell (Krista Keller, „Bedenkzeit“) kennen, Benders ehemalige Geliebte. Er bringt sie nach Hause, wo sie ihn noch zu bleiben bittet, doch da platzt Pertram dazwischen. In Lyns Tasche findet Kressin zwei wertvolle Schachfiguren – zwei Damen aus Jade –, bei denen es sich um begehrte Antiquitäten handelt.
Seine Ermittlungen führen ihn ins Schach-Café Elite, in dem Bender mit seinen Kommiliton(inn)en regelmäßig dem Spiel der Könige frönte. Dort lernt er Axel (Matthias Ponnier, „Der Katzensteg“) und Christina (Ilona Grübel, „Peter und Sabine“) kennen, die jedoch nicht sonderlich auskunftsfreudig sind. Als er Mona wiedertrifft, kommt eine mittels Codewort gesicherte Schmuckkassette ins Spiel, ferner ein verdächtiger Pfandleiher (Gert Haucke), ganz zu schweigen von Schmuggelverdacht, Auslandsgoldhandel und Kressins Erzrivale Sievers (Ivan Desny)…
„Eine Pistole wird erst dann gefährlich, wenn ein Mörder sie in der Hand hält!“
Die zwei Damen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film: Lyn und Mona, die beiden Schachfiguren und… das soll nicht verraten werden, jedenfalls wurden dem Toten letztlich zwei Damen zum Verhängnis. Dass die beiden titelgebenden Schachfiguren also zugleich eine Art Metapher für die Geschehnisse in Kressins Schwanengesang sind, ist ein schöner, beinahe poetischer Kniff. Auch Kressins Gekabbel mit Kommissar Pertram machen Spaß. Eigentlich war Kressin jedoch als beschwingter, frecher Frauenheld im „Tatort“ angetreten, um es mit den Moralvorstellungen des spießigen Teils des Publikums aufzunehmen. Dieses Konzept schien sich in der vierten Episode abzunutzen, in der fünften wurde es bereits weitestgehend aufgegeben und in der sechsten, einem experimentellen „Tatort“-Beitrag, spielte Kressin lediglich eine untergeordnete Rolle. Für seinen letzten Auftritt schien man sich einerseits zurückzubesinnen, andererseits aber nicht zum ursprünglichen Konzept zurückkehren zu wollen (oder zu können?).
Dies äußert sich in einem Kressin, der weiterhin will, aber nicht mehr kann. Er sucht wieder ständig den Flirt mit Frauen, doch bei Mona platzt Pertram dazwischen, bei Lyn deren Lebensgefährte und Christina, die er ebenfalls allein bei ihr zu Hause trifft, zeigt gar nicht erst auch nur das geringste Interesse an ihm – im Gegenteil, ihre Abneigung sagt sie ihm offen ins Gesicht. Das ist ein durchaus reizvolles Spiel mit Kressins Rollenstereotyp, hat jedoch nicht nur einen gegen null tendierenden Sexyness-Faktor zu Folge, sondern auch einen zunehmend nachdenklich, gar müde wirkenden Kressin. Der studentischen Schach-Boheme im so treffend benannten Elite-Café hat er kaum noch etwas entgegenzusetzen und selbst Antagonist Sievers scheint mittlerweile eine legale Nische gefunden zu haben. So tappt er in einem komplexen Fall viel auf der Stelle, den er jedoch auch in aller Gemütlichkeit angeht, was der Dramaturgie nicht unbedingt zugutekommt. Dafür geben sich neben seinem Vorgesetzten, dem namenlosen Zollrat (Hermann Lenschau), mit den Saarbrücker Kommissaren Liersdahl (Dieter Eppler) und Schäfermann (Manfred Heidmann) noch einmal stadtfremde „Tatort“-Kollegen ein Stelldichein, während Kressin jedes Likör- oder Schnäpschen mitnimmt, das er kriegen kann. Wer will es ihm verdenken?
Der eigentliche Fall verquickt auf nicht uninteressante Weise Schachkultur mit etwas Fernost-Exotik und verschiedenen Geschäftsmodellen, die bezeichnenderweise alle halbseiden anmuten und schwer nach Illegalität müffeln, sich letztlich jedoch, so viel sei verraten, als rote Heringe entpuppen. Je nach Interessensgebiet wird das für den einen Teil der Zuschauerschaft aufschlussreicher und spannender als für den anderen sein, ich zumindest habe insbesondere die Ausführungen zum Goldhandel im Spannungsgeld der Systeme als erhellend empfunden. Die Auflösung des Falls schließlich findet leider ausschließlich in Dialogform statt, womit der damals originellste „Tatort“-Ast dann doch reichlich unspektakulär endet. Interessant zu wissen wäre, inwieweit die Modifikationen, die die Kressin-Episoden innerhalb von nur zwei Jahren erfuhren, auf einen sich verändernden Zeitgeist, eine Art Ernüchterung nach der sexuellen Revolution beispielsweise, zurückzuführen waren oder ob andere und wenn ja, welche Faktoren eine Rolle spielten.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Ich war damals noch recht jung, bilde mir aber ein mich erinnern zu können, dass meine Eltern mir erzählt haben, dass Kressin ein ganz ein Wilder ist, der so ganz anders ist als die andere Fernsehkommissare. Sie haben den damals zwar schon ganz gerne gesehen, aber der Lieblings-Tatort ist Kressin wohl nie geworden. Dafür war er einfach zu ... libertär, so würde ich es heute nennen. Ich glaube auch, dass Kressin für viel Ärger bei den Öffentlich-Rechtlichen gesorgt hatte, gerade durch seine Art. Sex-Welle und Freizügigkeit im Kino war ja ganz schön, aber die ersten Nackten auf dem Stern-Cover waren (glaube ich, wobei: Konkret fing damit bereits 1969 an ...) noch ein paar Jahre hin, und die Stimmung im Land war bei den Älteren, und aus denen hat sich das Tatort-Publikum damals zusammengesetzt, eher bieder.buxtebrawler hat geschrieben: ↑Fr 17. Sep 2021, 16:14 Interessant zu wissen wäre, inwieweit die Modifikationen, die die Kressin-Episoden innerhalb von nur zwei Jahren erfuhren, auf einen sich verändernden Zeitgeist, eine Art Ernüchterung nach der sexuellen Revolution beispielsweise, zurückzuführen waren oder ob andere und wenn ja, welche Faktoren eine Rolle spielten.
In den 70ern wurden auch noch Briefe mit Beschwerden an die Sendeanstalten geschrieben, in denen freizügige Geister wie Kressin auf das Übelste beschimpft wurden. Auch haben die Eltern erzählt, dass im Dreiteiler ALLE JAHRE WIEDER ein nachlässiger Kellner vorkam, und der Gaststättenverband sehr viel Wert auf die Aussage legte, dass solche Kellner in der Wirklichkeit natürlich niemals existieren würden, und dass es eine Unverschämtheit sei, solche Kellner im Fernsehen zu zeigen, die das Ansehen der Kellner blablabla. So war das Klima damals - Ein bayerisch-gemütlicher Kommissar Veigl mit einem gewissen volkstümlichen Humor kam an, ein freisinniger Kressin halt nicht. Progressivität gab es vielleicht in der Musik, aber sicher nicht im Fernsehen. Und der erste Schimanski und sein erstes Wort in der ersten Folge war selbst 1981 noch ein Skandal ...
Edit: Doch noch gefunden: Eines der ersten Oben ohne-Cover vom Stern war 1970 zu sehen. Guckst Du.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
...und natürlich würden sich auch die Krankenschwestern niemals so verhalten wie im Krankenschwestern-Report dargestellt.
Ich denke, der Maulwurf liegt nicht so verkehrt. Ich bin in einem kleinen Kuhdorf auf dem platten Land aufgewachsen (kleine Sprachkunde: "Titten" ist das plattdeutsche Wort für "Zitzen"), da hätte man in den 70ern kaum etwas von Veränderungen im Land mitbekommen - außer den obligatorischen RAF-Fahndungsplakaten...
Mitte der 80er hatte ich dann einen Lehrer aus der 68er-Generation, der gelegentlich mal erzählte, wie Hippies und "Gammler" Ende der 60er von der älteren Generation aufgenommen wurden; da müssen viele ihren Entnazifizierungskurs geschwänzt haben.
Und auch mein Opa hat in der zweiten Hälfte der 70er immer noch von der Wehrmacht gesprochen, wenn es um die Bundeswehr ging...
Ich denke, der Maulwurf liegt nicht so verkehrt. Ich bin in einem kleinen Kuhdorf auf dem platten Land aufgewachsen (kleine Sprachkunde: "Titten" ist das plattdeutsche Wort für "Zitzen"), da hätte man in den 70ern kaum etwas von Veränderungen im Land mitbekommen - außer den obligatorischen RAF-Fahndungsplakaten...
Mitte der 80er hatte ich dann einen Lehrer aus der 68er-Generation, der gelegentlich mal erzählte, wie Hippies und "Gammler" Ende der 60er von der älteren Generation aufgenommen wurden; da müssen viele ihren Entnazifizierungskurs geschwänzt haben.
Und auch mein Opa hat in der zweiten Hälfte der 70er immer noch von der Wehrmacht gesprochen, wenn es um die Bundeswehr ging...
My conscience is clear
(Fred Olen Ray)
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Ugo erzählt da von Dingen, die ich in der mittelgroßen Stadt trotz Kunstakademie und dadurch vorhandenem jungen Flair ganz genauso erlebt habe. Abseits der Kultur und dem propagierten, also von Werbung und/oder Filmen dargestelltem, Zeitgeist, waren die 70er genauso bieder und restaurativ wie die Jahrzehnte davor. Erst im Lauf der 80er wurden die gesellschaftlichen Ansichten lockerer und unverkrampfter, die 70er waren, vor allem wenn man jung war, ein häufiger Spießrutenlauf gegen Vorurteile und ewiggestrige Ansichten. Ein Typ wie Kressin, um den Kreis wieder zu schließen, eckte im bürgerlichen Fernsehumfeld zwangsläufig an. Sowas konnte auch nur vom WDR kommen, der eh den Ruf hatte relativ modern und wagemutig zu sein. Die anderen Rundfunkanstalten hätten so einen Charakter niemals zugelassen.
Der WDR hat ja dann auch den Rockpalast initiiert, und im WDR 2 hat Alan Bangs Musik gebracht, die in Deutschland sonst eher weniger zu hören war. Aber ich schweife ab. Wer wissen will wie die 70er waren, dem empfehle ich die erstklassige TV-Serie DIE STRASSE
Der WDR hat ja dann auch den Rockpalast initiiert, und im WDR 2 hat Alan Bangs Musik gebracht, die in Deutschland sonst eher weniger zu hören war. Aber ich schweife ab. Wer wissen will wie die 70er waren, dem empfehle ich die erstklassige TV-Serie DIE STRASSE
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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- FarfallaInsanguinata
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Dazu mag ich dann doch auch noch einiges sagen.
Ich bin ja in den 70ern und 80ern gleichermaßen aufgewachsen (Geburtsjahr 1965) und daher durch beide Jahrzehnte auch gleichermaßen geprägt. Nach meiner Einschätzung waren +- 1975 bis +- 1985 die freiheitlichste Zeit, zumindest bei den Mainstreammedien, um die es hier ja in erster Linie geht. Kressin kam definitiv zu früh, um einen Erfolg beim (wie bereits erwähnt eher konservativen) Tatort-Publikum zu haben. Wenn ich noch dran denke, welche Wellen die erste weibliche Kommissarin 1978 (!) geschlagen hat.
Trotzdem, ab Mitte/Ende der 80er ging es wieder bergab, plötzlich fingen irgendwelche Leute an, von politischer Korrektheit und ähnlichem Mist zu reden und was draus wurde, wissen wir alle. Meinungszensur total. Wobei man in Rechnung stellen muss, dass die Fernsehsender dem aktuellen Zeitgeist der Straße immer zwei bis drei Jahre hinterherhingen, die öffentlich-rechtlichen Mühlen mahlen langsam.
Der wildeste und progressivste Sender war übrigens nicht der WDR, sondern ohne Frage und Zweifel RADIO BREMEN ---> Erfinder von Rock-Musik im TV (Beat Club), Erfinder der Talkshow im TV (3 nach 9), teilweise extrem kritische Beiträge bei "buten un binnen" (lokale Nachrichtensendung im Vorabendprogramm) etc... Leider ist davon nichts mehr übrig, RB ist mittlerweile genauso obrigkeitshörig wie alle, bildet sich auf seinen "progressiven Status" aber immer noch mächtig was ein. Hört euch mal den angeblich super-rebellischen Sender 'Bremen NEXT' an, die spielen den ganzen Tag Hip Hop und R'n'B, kann man gerne machen, aber soll sich dann bitte nicht rebellisch schimpfen. Das ist Mainstream pur! Da fielen mir auf Anhieb ein halbes Dutzend viel rebellischere Musikstile ein, die gar keine Medienpräzens bekommen.
Ach ja, Arschlöcher gab es übrigens immer, auch durch die gesamten 80er noch. Für uns Punks waren Anfangs die Standardsprüche "Arbeitslager" und "vergasen", fragt mal sid.vicious, der wird das gerne bestätigen. Ab Mitte der 80er hatte sich der Wind langsam gedreht, die Altnazis waren weggestorben, Friedens- und Anti-AKW-Bewegung sickerten ins Bürgertum, da waren dann plötzlich die Skinheads alle Nazischweine.
Hauptsache, man findet einen Sündenbock für alles Übel und kann die Schuld von sich selbst weisen, wie es gerade am besten passt.
Arschlöcher halt.
Ich bin ja in den 70ern und 80ern gleichermaßen aufgewachsen (Geburtsjahr 1965) und daher durch beide Jahrzehnte auch gleichermaßen geprägt. Nach meiner Einschätzung waren +- 1975 bis +- 1985 die freiheitlichste Zeit, zumindest bei den Mainstreammedien, um die es hier ja in erster Linie geht. Kressin kam definitiv zu früh, um einen Erfolg beim (wie bereits erwähnt eher konservativen) Tatort-Publikum zu haben. Wenn ich noch dran denke, welche Wellen die erste weibliche Kommissarin 1978 (!) geschlagen hat.
Trotzdem, ab Mitte/Ende der 80er ging es wieder bergab, plötzlich fingen irgendwelche Leute an, von politischer Korrektheit und ähnlichem Mist zu reden und was draus wurde, wissen wir alle. Meinungszensur total. Wobei man in Rechnung stellen muss, dass die Fernsehsender dem aktuellen Zeitgeist der Straße immer zwei bis drei Jahre hinterherhingen, die öffentlich-rechtlichen Mühlen mahlen langsam.
Der wildeste und progressivste Sender war übrigens nicht der WDR, sondern ohne Frage und Zweifel RADIO BREMEN ---> Erfinder von Rock-Musik im TV (Beat Club), Erfinder der Talkshow im TV (3 nach 9), teilweise extrem kritische Beiträge bei "buten un binnen" (lokale Nachrichtensendung im Vorabendprogramm) etc... Leider ist davon nichts mehr übrig, RB ist mittlerweile genauso obrigkeitshörig wie alle, bildet sich auf seinen "progressiven Status" aber immer noch mächtig was ein. Hört euch mal den angeblich super-rebellischen Sender 'Bremen NEXT' an, die spielen den ganzen Tag Hip Hop und R'n'B, kann man gerne machen, aber soll sich dann bitte nicht rebellisch schimpfen. Das ist Mainstream pur! Da fielen mir auf Anhieb ein halbes Dutzend viel rebellischere Musikstile ein, die gar keine Medienpräzens bekommen.
Ach ja, Arschlöcher gab es übrigens immer, auch durch die gesamten 80er noch. Für uns Punks waren Anfangs die Standardsprüche "Arbeitslager" und "vergasen", fragt mal sid.vicious, der wird das gerne bestätigen. Ab Mitte der 80er hatte sich der Wind langsam gedreht, die Altnazis waren weggestorben, Friedens- und Anti-AKW-Bewegung sickerten ins Bürgertum, da waren dann plötzlich die Skinheads alle Nazischweine.
Hauptsache, man findet einen Sündenbock für alles Übel und kann die Schuld von sich selbst weisen, wie es gerade am besten passt.
Arschlöcher halt.
Diktatur der Toleranz
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.