Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Moderator: jogiwan
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Der Kreuzworträtselfall
„Manchmal vergessen die Kinder beim Spielen einfach die Zeit.“
Die auf einem authentischen Kriminalfall basierende 123. Episode der DDR-Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“ wurde im Winter 1987/1988 gedreht und am 6. November 1988 erstausgestrahlt. Der routinierte TV-Regisseur Thomas Jacob verfasste zusammen mit Gabriele Gabriel das Drehbuch zu Leutnant Thomas Grawes (Andreas Schmidt-Schaller) 15. Fall, in dem Hauptmann Günter Beck (Günter Naumann, „Fünf Patronenhülsen“) und Major Jäger (Werner Godemann, „Fallada – Letztes Kapitel“) debütieren.
„Vielleicht ist er bloß ausgerissen...“
Der siebenjährige Schüler Marko Herzog (Rene Mittag) aus Berliner-Marzahn darf allein ins Kino gehen, um sich Ronja Räubertochter anzusehen. Da er etwas zu früh dran ist, vertreibt er sich die Zeit in einem Park. Dort trifft er auf den 19-jährigen Stefan Winkelmeyer (Torsten Ranft, „Sonnenallee“), der gerade eine Lehre in Birkenthal geschmissen hat. Marko geht mit Stefan mit. Als Marko nicht nach Hause kommt, sucht seine Familie ihn und schaltet schließlich die Polizei ein. Tage später findet ein Streckenläufer (Ernst-Georg Schwill, „Die Reise nach Sundevit“) der Reichsbahn Markos Leichnam in einem Koffer, vereist, freigelegt vom weggetauten Schnee und eingewickelt in Zeitungspapier. Deren ausgefüllte Kreuzworträtsel erweisen sich als einzige Spur der Kriminalpolizei: Mittels graphologischer Methoden versucht sie, dem Täter auf die Schliche zu kommen. Es gilt, zigtausend Schriftproben zu beschaffen und auszuwerten sowie das Altpapier zu durchkämmen. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und eine Mammutaufgabe mit unklaren Erfolgsaussichten…
„Der Junge ist wie vom Erdbeben verschwunden!“
Der Prolog ist ein vorgezogener Teil des Epilogs und widmet den Fall per Texttafel der Hallenser Polizei, die den realen Fall gelöst hatte. Zudem wird darüber informiert, dass für diese TV-Adaption Namen und Orte geändert wurden. Mit Beginn der Handlung werden minutiös Datums-/Uhrzeit- und Ortsnamenseinblendungen mittels auch akustisch untermauertem Schreibmaschinen-Tippeffekt vorgenommen, die den gesamten Fall begleiten werden und dessen semidokumentarischen Anspruch unterstreichen, aber auch Hektik suggerieren und enervierend wirken können. In Form von Parallelmontagen werden sowohl Marko als auch Stefan in die Handlung eingeführt, bis das Schicksal sie zusammenbringt. Auch wenn die eigentliche Tat nicht gezeigt wird: Dass etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht, macht Komponist Arnold Fritzsch mit befremdlich-bedrohlicher Musik und verunsichernder Geräuschkulisse deutlich. Dass ein Ermittler bei seiner Suche nach dem Jungen in eine Karnevalsfeier gerät, ist der einzige Anflug von Fröhlichkeit in diesem düsteren, sich in tiefste menschliche Abgründe begebenden Fall.
„...und sangen fröhliche Lieder.“
Wahrscheinlich nie zuvor wurde die Polizeiarbeit derart akribisch in einem „Polizeiruf 110“ dokumentiert: So lange noch nicht klar ist, dass Marko nicht mehr lebt, wird die Umgebung abgesucht, im Krankenhaus gefragt, werden Spürhunde losgelassen. Beck warnt vor Routine, während Polizisten mit Fotos Markos von Tür zu Tür gehen. Diverse vorbestrafte Täter werden verhört und ein See durchkämmt. Zudem erhält man Einblicke ins Privatleben der Ermittler: Grawe macht sich sorgen um die eigene Tochter, der Fall hat Auswirkungen aufs Familienleben und lässt ihn nicht los. Er kann nicht abschalten. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist Stefan der bisher einzige Verdächtige und noch besteht die Chance, dass einen die Dramaturgie bewusst in die Irre zu führen versucht. Just nach dem Kofferfund gewährt der „Polizeiruf“ jedoch wieder Einblicke in Stefans Leben, zeigt, wie herrisch er sich gegenüber seiner naiven Freundin Katrin (Annette Gleichmann, „Jeder träumt von einem Pferd“) verhält. Der Verdacht wird schreckliche Gewissheit, als Katrin ihm von einem kleinen Jungen erzählen muss, damit er fähig wird, mit ihr zu schlafen. Kein Zweifel: Stefan ist der ultrabrutale Triebtäter, von dem der Gerichtsmediziner sprach.
Nachdem die Schriftproben aller Vorbestraften erfolglos waren, entwickeln die Ermittler die größenwahnsinnig anmutende Idee: Schriftproben aller Berliner! Zunächst lanciert man aber ein Kreuzworträtsel-Preisausschreiben in der Zeitung. Erst jetzt beginnt die eigentliche Sisyphos-Arbeit, nicht nur für den Graphologen Eberhard Aust (Harry Merkel, „Spuk im Hochhaus“). Fürs Publikum bedeutet das aber glücklicherweise nicht, nun Beamten beim Anstarren von Buchstaben zuzuschauen, im Gegenteil: Was sich womöglich eher trocken liest, ist spannend und dramaturgisch hochwertig inszeniert, vom Bezug zu Marko und seiner Familie aufbauenden Beginn über die langsame Charakterisierung Stefans und die an ihre Belastungsgrenzen geratenden Ermittler bis hin zur Parallelmontage im aufregenden Finale (mit leicht an eine DDR-„Airwolf“-Variante erinnernden Hubschauerszenen). In dessen Anschluss darf u.a. „Polizeiruf“-Urgestein Hauptmann Fuchs (Peter Borgelt) gratulieren. Nur die etwas überholt wirkende Küchenpsychologie im Epilog hätte man sich besser gespart.
Diese aus der Masse deutlich herausragende Episode spielt neben Berlin im Ostseebad Kühlungsborn sowie in Thüringen, wobei zum Teil fiktionale Ortsnamen verwendet werden. Neben dem Entsetzen über die abscheuliche Tat und der Freude über den kräftezehrenden, letztlich erfolgreichen An- und Einsatz der Kriminalpolizei machten sich bei mir zwei etwas dezentere Gefühlsregungen bemerkbar: Zum einen der Respekt vor der pietätvollen Verarbeitung dieses realen Falls, zum anderen Nachdenklichkeit. Wie eigentlich immer, wenn ich mit derartigen Fällen konfrontiert werde, muss ich daran denken, in der eigenen Kindheit ähnliche Freiheit wie Marko genossen zu haben – und wie unvorstellbar so etwas vielerorts heutzutage wirkt. Je mehr solche Fälle in Ost wie West ins Bewusstsein der Gesellschaft drangen, desto beaufsichtigter wurden die Kinder…
„Manchmal vergessen die Kinder beim Spielen einfach die Zeit.“
Die auf einem authentischen Kriminalfall basierende 123. Episode der DDR-Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“ wurde im Winter 1987/1988 gedreht und am 6. November 1988 erstausgestrahlt. Der routinierte TV-Regisseur Thomas Jacob verfasste zusammen mit Gabriele Gabriel das Drehbuch zu Leutnant Thomas Grawes (Andreas Schmidt-Schaller) 15. Fall, in dem Hauptmann Günter Beck (Günter Naumann, „Fünf Patronenhülsen“) und Major Jäger (Werner Godemann, „Fallada – Letztes Kapitel“) debütieren.
„Vielleicht ist er bloß ausgerissen...“
Der siebenjährige Schüler Marko Herzog (Rene Mittag) aus Berliner-Marzahn darf allein ins Kino gehen, um sich Ronja Räubertochter anzusehen. Da er etwas zu früh dran ist, vertreibt er sich die Zeit in einem Park. Dort trifft er auf den 19-jährigen Stefan Winkelmeyer (Torsten Ranft, „Sonnenallee“), der gerade eine Lehre in Birkenthal geschmissen hat. Marko geht mit Stefan mit. Als Marko nicht nach Hause kommt, sucht seine Familie ihn und schaltet schließlich die Polizei ein. Tage später findet ein Streckenläufer (Ernst-Georg Schwill, „Die Reise nach Sundevit“) der Reichsbahn Markos Leichnam in einem Koffer, vereist, freigelegt vom weggetauten Schnee und eingewickelt in Zeitungspapier. Deren ausgefüllte Kreuzworträtsel erweisen sich als einzige Spur der Kriminalpolizei: Mittels graphologischer Methoden versucht sie, dem Täter auf die Schliche zu kommen. Es gilt, zigtausend Schriftproben zu beschaffen und auszuwerten sowie das Altpapier zu durchkämmen. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und eine Mammutaufgabe mit unklaren Erfolgsaussichten…
„Der Junge ist wie vom Erdbeben verschwunden!“
Der Prolog ist ein vorgezogener Teil des Epilogs und widmet den Fall per Texttafel der Hallenser Polizei, die den realen Fall gelöst hatte. Zudem wird darüber informiert, dass für diese TV-Adaption Namen und Orte geändert wurden. Mit Beginn der Handlung werden minutiös Datums-/Uhrzeit- und Ortsnamenseinblendungen mittels auch akustisch untermauertem Schreibmaschinen-Tippeffekt vorgenommen, die den gesamten Fall begleiten werden und dessen semidokumentarischen Anspruch unterstreichen, aber auch Hektik suggerieren und enervierend wirken können. In Form von Parallelmontagen werden sowohl Marko als auch Stefan in die Handlung eingeführt, bis das Schicksal sie zusammenbringt. Auch wenn die eigentliche Tat nicht gezeigt wird: Dass etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht, macht Komponist Arnold Fritzsch mit befremdlich-bedrohlicher Musik und verunsichernder Geräuschkulisse deutlich. Dass ein Ermittler bei seiner Suche nach dem Jungen in eine Karnevalsfeier gerät, ist der einzige Anflug von Fröhlichkeit in diesem düsteren, sich in tiefste menschliche Abgründe begebenden Fall.
„...und sangen fröhliche Lieder.“
Wahrscheinlich nie zuvor wurde die Polizeiarbeit derart akribisch in einem „Polizeiruf 110“ dokumentiert: So lange noch nicht klar ist, dass Marko nicht mehr lebt, wird die Umgebung abgesucht, im Krankenhaus gefragt, werden Spürhunde losgelassen. Beck warnt vor Routine, während Polizisten mit Fotos Markos von Tür zu Tür gehen. Diverse vorbestrafte Täter werden verhört und ein See durchkämmt. Zudem erhält man Einblicke ins Privatleben der Ermittler: Grawe macht sich sorgen um die eigene Tochter, der Fall hat Auswirkungen aufs Familienleben und lässt ihn nicht los. Er kann nicht abschalten. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist Stefan der bisher einzige Verdächtige und noch besteht die Chance, dass einen die Dramaturgie bewusst in die Irre zu führen versucht. Just nach dem Kofferfund gewährt der „Polizeiruf“ jedoch wieder Einblicke in Stefans Leben, zeigt, wie herrisch er sich gegenüber seiner naiven Freundin Katrin (Annette Gleichmann, „Jeder träumt von einem Pferd“) verhält. Der Verdacht wird schreckliche Gewissheit, als Katrin ihm von einem kleinen Jungen erzählen muss, damit er fähig wird, mit ihr zu schlafen. Kein Zweifel: Stefan ist der ultrabrutale Triebtäter, von dem der Gerichtsmediziner sprach.
Nachdem die Schriftproben aller Vorbestraften erfolglos waren, entwickeln die Ermittler die größenwahnsinnig anmutende Idee: Schriftproben aller Berliner! Zunächst lanciert man aber ein Kreuzworträtsel-Preisausschreiben in der Zeitung. Erst jetzt beginnt die eigentliche Sisyphos-Arbeit, nicht nur für den Graphologen Eberhard Aust (Harry Merkel, „Spuk im Hochhaus“). Fürs Publikum bedeutet das aber glücklicherweise nicht, nun Beamten beim Anstarren von Buchstaben zuzuschauen, im Gegenteil: Was sich womöglich eher trocken liest, ist spannend und dramaturgisch hochwertig inszeniert, vom Bezug zu Marko und seiner Familie aufbauenden Beginn über die langsame Charakterisierung Stefans und die an ihre Belastungsgrenzen geratenden Ermittler bis hin zur Parallelmontage im aufregenden Finale (mit leicht an eine DDR-„Airwolf“-Variante erinnernden Hubschauerszenen). In dessen Anschluss darf u.a. „Polizeiruf“-Urgestein Hauptmann Fuchs (Peter Borgelt) gratulieren. Nur die etwas überholt wirkende Küchenpsychologie im Epilog hätte man sich besser gespart.
Diese aus der Masse deutlich herausragende Episode spielt neben Berlin im Ostseebad Kühlungsborn sowie in Thüringen, wobei zum Teil fiktionale Ortsnamen verwendet werden. Neben dem Entsetzen über die abscheuliche Tat und der Freude über den kräftezehrenden, letztlich erfolgreichen An- und Einsatz der Kriminalpolizei machten sich bei mir zwei etwas dezentere Gefühlsregungen bemerkbar: Zum einen der Respekt vor der pietätvollen Verarbeitung dieses realen Falls, zum anderen Nachdenklichkeit. Wie eigentlich immer, wenn ich mit derartigen Fällen konfrontiert werde, muss ich daran denken, in der eigenen Kindheit ähnliche Freiheit wie Marko genossen zu haben – und wie unvorstellbar so etwas vielerorts heutzutage wirkt. Je mehr solche Fälle in Ost wie West ins Bewusstsein der Gesellschaft drangen, desto beaufsichtigter wurden die Kinder…
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Polizeiruf 110: Der Tod des Pelikan
Der DDR-Giallo
„Ich werde es nie zulassen, dass du das Kind bekommst! Lieber reiß‘ ich mir wie ein Pelikan die Federn aus!“
Thomas Grawes (Andreas Schmidt-Schaller) 23. „Polizeiruf 110“-Einsatz ist ein Besonderer: Zum einen wurde er im Frühjahr 1989, also noch in der Vorwendezeit gedreht, aber erst an Neujahr 1990, also nach Mauer- und Grenzöffnung, erstausgestrahlt. Zum anderen handelt es sich um einen Film Rainer Bärs, der das Drehbuch schrieb und die Regie führte – und dessen Filmen Peter Hoff in seinem Standardwerk „Das große Buch zum Polizeiruf 110“ attestierte, sie hätten „in den siebziger und achtziger Jahren“ bereits „Aufsehen erregt, hoben sie sich doch durch ihre ästhetische Ambitioniertheit aus den nüchtern realistischen Alltagsgeschichten der Fernsehdramatik heraus“. Hoff nennt Hitchcock als Vorbild dieser Episode, vor allem dessen Suspense-Anwendung – angesichts der ästhetisch-formalen Gestaltung hege ich aber einen anderen Verdacht.
„Deine Überheblichkeit wird dich noch teuer zu stehen kommen!“
Herbert (Klaus-Peter Thiele, „Die Abenteuer des Werner Holt“), Kapitän bei der Interflug, und Gerda Bachmann (die Ungarin Zsuzsa Nyertes), Opernsängerin, leben in Scheidung. Herbert will unbedingt das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Robert (Björn Müller), das jedoch Gerda für sich beansprucht. Darüber entbrennt ein erbitterter Streit in Gerdas Wohnung, als Herbert ihr im angetrunkenen Zustand zu verstehen gibt, keinesfalls auf das Sorgerecht verzichten zu wollen. Als er davonfährt, verursacht er einen Unfall und begeht Fahrerflucht. Völlig aufgelöst kehrt er zu Gerda zurück, weiht sie ein und bittet sie um ein Alibi. Im Gegenzug werde er aufs Sorgerecht verzichten. Gerda sagt ihm ihre Unterstützung zu, doch nach kurzer Zeit erhalten beide anonyme Briefe, u.a. mit einem Foto des verstorbenen Unfallopfers – offenbar gibt es einen Mitwisser. Doch wer sollte das sein und was genau will er von den Bachmanns? Gerda fühlt sich zunehmend verfolgt – von einem Mann, der wie derjenige auf dem Foto aussieht…
„Du kotzt mich an!“
Bereits die Buchstabenanordnung der Titeleinblendung ist ungewohnt stilisiert. Die ersten Spielszenen sind Auszüge aus der „Madame Butterfly“-Oper mit verschiedenen Farbwelten, gesungen von der zur Geisha geschminkten Gerda. Im Anschluss an diesen farbprächtigen Prolog wird die Gemengelage vermittelt: Herbert befindet sich mit Söhnchen Robert erst am Flughafen, dann am Meer, wo er sich von seinem Anwalt Richard in Sachen Scheidung und Sorgerecht beraten lässt. Herbert Eltern lernt man auch kennen – sie fürchten, durch die Scheidung ihren Enkel nie mehr zu Gesicht zu bekommen. Kurzzeitig herrscht eine melancholische Atmosphäre vor, bevor der „Der Tod des Pelikan“ den Thrill ansteuert. Ausgangspunkt ist der böse Streit zwischen den Noch-Eheleuten, dessen Conclusio seitens Herbert einer Kriegserklärung gleicht. Weshalb genau das Tuch zwischen ihnen derart zerrissen ist, erfährt man dabei nicht.
„Wo bleibt denn hier die Gleichberechtigung?!“
Nach dem schicksalhaften Unfall wird ein Duschmord à la „Psycho“ angedeutet, es bleibt jedoch bei der Andeutung als kleine augenzwinkernde Hitchcock-Hommage. Das Ehepaar scheint durch das gemeinsame Geheimnis wieder zusammengeschweißt, Herbert könne sich sogar einen Neuanfang vorstellen. Dass Gerda seine Straftat für sich ausnutzt, um ihn in der Hand zu haben und das Sorgerecht für sich allein beanspruchen zu können, ist zunächst eine mögliche Lesart, die sich aber bald zerschlägt. Denn nach und nach wird sie systematisch in den Wahnsinn getrieben.
Es fehlt das Blut, ansonsten ist aber alles da: Eine unheimlich attraktive Hauptdarstellerin, eine Tiergattung im Titel (wir erinnern uns an Dario Argentos Tier-Trilogie), eine Handlung, die mehr (Psycho-)Thriller denn Krimi ist, eine nur ganz am Rande vorkommende Polizei (Grawe wohnt im selben Wohnblock wie Gerda – ein eigenartiger Zufall, der anscheinend sein musste, um aus diesem Film überhaupt einen „Polizeiruf“-Beitrag machen zu können), eine Verortung in der High Society (für DDR-Verhältnisse machen die Berufe der Eheleute sie am ehesten zu „etwas Besserem“, wenngleich auch dies eine Art konstruierter Kompromiss ist), eine Kameraarbeit auf höchstem Niveau inklusive Fahrten durch hochgradig ästhetisiertes und artifiziell ausgeleuchtetes Ambiente (das so gar nicht nach DDR aussieht) … und steht da bei Gerda nicht sogar eine grüne Flasche mit gelbem Etikett auf dem Tisch?
„Der Tod des Pelikan“ ist sichtlich von Bava und Argento beeinflusst, macht neben dem Verzicht auf grafische Gewaltexzesse aber das eine oder andere Zugeständnis ans Fernsehpublikum. So ist die Handlung weitestgehend sehr gut nachvollziehbar, wodurch Täter und Motiv ab einem gewissen Punkt jedoch recht vorhersehbar sind. Zudem fußt die Handlung auf einem ganz realen, handfesten gesellschaftlichen Problem der DDR: Dass der Mann gegen den Willen der Frau nur in Ausnahmefällen eine Chance hatte, das Sorgerecht fürs Kind zu erhalten. Ein nettes Detail: Gerda macht Filius Robert zum Abendbrot den Fernseher an – und es läuft ein „Polizeiruf 110“. Auch das titelgebende Federvieh äußert sich im einen oder anderen Detail, das sich im starken, den Kreis zum Prolog schließenden Ende zur überdeutlichen Allegorie auswächst. Wenn Freundinnen und Freunde des europäischen Genrekinos nur einen „Polizeiruf 110“ gucken wollen, dann doch bitte diesen hier.
Der DDR-Giallo
„Ich werde es nie zulassen, dass du das Kind bekommst! Lieber reiß‘ ich mir wie ein Pelikan die Federn aus!“
Thomas Grawes (Andreas Schmidt-Schaller) 23. „Polizeiruf 110“-Einsatz ist ein Besonderer: Zum einen wurde er im Frühjahr 1989, also noch in der Vorwendezeit gedreht, aber erst an Neujahr 1990, also nach Mauer- und Grenzöffnung, erstausgestrahlt. Zum anderen handelt es sich um einen Film Rainer Bärs, der das Drehbuch schrieb und die Regie führte – und dessen Filmen Peter Hoff in seinem Standardwerk „Das große Buch zum Polizeiruf 110“ attestierte, sie hätten „in den siebziger und achtziger Jahren“ bereits „Aufsehen erregt, hoben sie sich doch durch ihre ästhetische Ambitioniertheit aus den nüchtern realistischen Alltagsgeschichten der Fernsehdramatik heraus“. Hoff nennt Hitchcock als Vorbild dieser Episode, vor allem dessen Suspense-Anwendung – angesichts der ästhetisch-formalen Gestaltung hege ich aber einen anderen Verdacht.
„Deine Überheblichkeit wird dich noch teuer zu stehen kommen!“
Herbert (Klaus-Peter Thiele, „Die Abenteuer des Werner Holt“), Kapitän bei der Interflug, und Gerda Bachmann (die Ungarin Zsuzsa Nyertes), Opernsängerin, leben in Scheidung. Herbert will unbedingt das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Robert (Björn Müller), das jedoch Gerda für sich beansprucht. Darüber entbrennt ein erbitterter Streit in Gerdas Wohnung, als Herbert ihr im angetrunkenen Zustand zu verstehen gibt, keinesfalls auf das Sorgerecht verzichten zu wollen. Als er davonfährt, verursacht er einen Unfall und begeht Fahrerflucht. Völlig aufgelöst kehrt er zu Gerda zurück, weiht sie ein und bittet sie um ein Alibi. Im Gegenzug werde er aufs Sorgerecht verzichten. Gerda sagt ihm ihre Unterstützung zu, doch nach kurzer Zeit erhalten beide anonyme Briefe, u.a. mit einem Foto des verstorbenen Unfallopfers – offenbar gibt es einen Mitwisser. Doch wer sollte das sein und was genau will er von den Bachmanns? Gerda fühlt sich zunehmend verfolgt – von einem Mann, der wie derjenige auf dem Foto aussieht…
„Du kotzt mich an!“
Bereits die Buchstabenanordnung der Titeleinblendung ist ungewohnt stilisiert. Die ersten Spielszenen sind Auszüge aus der „Madame Butterfly“-Oper mit verschiedenen Farbwelten, gesungen von der zur Geisha geschminkten Gerda. Im Anschluss an diesen farbprächtigen Prolog wird die Gemengelage vermittelt: Herbert befindet sich mit Söhnchen Robert erst am Flughafen, dann am Meer, wo er sich von seinem Anwalt Richard in Sachen Scheidung und Sorgerecht beraten lässt. Herbert Eltern lernt man auch kennen – sie fürchten, durch die Scheidung ihren Enkel nie mehr zu Gesicht zu bekommen. Kurzzeitig herrscht eine melancholische Atmosphäre vor, bevor der „Der Tod des Pelikan“ den Thrill ansteuert. Ausgangspunkt ist der böse Streit zwischen den Noch-Eheleuten, dessen Conclusio seitens Herbert einer Kriegserklärung gleicht. Weshalb genau das Tuch zwischen ihnen derart zerrissen ist, erfährt man dabei nicht.
„Wo bleibt denn hier die Gleichberechtigung?!“
Nach dem schicksalhaften Unfall wird ein Duschmord à la „Psycho“ angedeutet, es bleibt jedoch bei der Andeutung als kleine augenzwinkernde Hitchcock-Hommage. Das Ehepaar scheint durch das gemeinsame Geheimnis wieder zusammengeschweißt, Herbert könne sich sogar einen Neuanfang vorstellen. Dass Gerda seine Straftat für sich ausnutzt, um ihn in der Hand zu haben und das Sorgerecht für sich allein beanspruchen zu können, ist zunächst eine mögliche Lesart, die sich aber bald zerschlägt. Denn nach und nach wird sie systematisch in den Wahnsinn getrieben.
Es fehlt das Blut, ansonsten ist aber alles da: Eine unheimlich attraktive Hauptdarstellerin, eine Tiergattung im Titel (wir erinnern uns an Dario Argentos Tier-Trilogie), eine Handlung, die mehr (Psycho-)Thriller denn Krimi ist, eine nur ganz am Rande vorkommende Polizei (Grawe wohnt im selben Wohnblock wie Gerda – ein eigenartiger Zufall, der anscheinend sein musste, um aus diesem Film überhaupt einen „Polizeiruf“-Beitrag machen zu können), eine Verortung in der High Society (für DDR-Verhältnisse machen die Berufe der Eheleute sie am ehesten zu „etwas Besserem“, wenngleich auch dies eine Art konstruierter Kompromiss ist), eine Kameraarbeit auf höchstem Niveau inklusive Fahrten durch hochgradig ästhetisiertes und artifiziell ausgeleuchtetes Ambiente (das so gar nicht nach DDR aussieht) … und steht da bei Gerda nicht sogar eine grüne Flasche mit gelbem Etikett auf dem Tisch?
„Der Tod des Pelikan“ ist sichtlich von Bava und Argento beeinflusst, macht neben dem Verzicht auf grafische Gewaltexzesse aber das eine oder andere Zugeständnis ans Fernsehpublikum. So ist die Handlung weitestgehend sehr gut nachvollziehbar, wodurch Täter und Motiv ab einem gewissen Punkt jedoch recht vorhersehbar sind. Zudem fußt die Handlung auf einem ganz realen, handfesten gesellschaftlichen Problem der DDR: Dass der Mann gegen den Willen der Frau nur in Ausnahmefällen eine Chance hatte, das Sorgerecht fürs Kind zu erhalten. Ein nettes Detail: Gerda macht Filius Robert zum Abendbrot den Fernseher an – und es läuft ein „Polizeiruf 110“. Auch das titelgebende Federvieh äußert sich im einen oder anderen Detail, das sich im starken, den Kreis zum Prolog schließenden Ende zur überdeutlichen Allegorie auswächst. Wenn Freundinnen und Freunde des europäischen Genrekinos nur einen „Polizeiruf 110“ gucken wollen, dann doch bitte diesen hier.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Nächster „Tatort“-Abschied: Mechthild Großmann steigt aus
Thiel und Boerne müssen ohne Staatsanwältin Klemm auskommen
Vor kaum jemandem haben Hauptkommissar Thiel und Professor Boerne mehr Respekt als vor Staatsanwältin Wilhelmine Klemm. Seit mehr als 22 Jahren verkörpert Mechthild Großmann ihre Paraderolle im Münsteraner „Tatort“. Nun hat die Schauspielerin aber bestätigt, dass sie nur noch in drei weiteren Folgen zu sehen sein wird. Danach wird sie die Krimi-Reihe Ende 2025 verlassen.
Quelle und weitere Infos:
https://www.fernsehserien.de/news/naech ... steigt-aus
Thiel und Boerne müssen ohne Staatsanwältin Klemm auskommen
Vor kaum jemandem haben Hauptkommissar Thiel und Professor Boerne mehr Respekt als vor Staatsanwältin Wilhelmine Klemm. Seit mehr als 22 Jahren verkörpert Mechthild Großmann ihre Paraderolle im Münsteraner „Tatort“. Nun hat die Schauspielerin aber bestätigt, dass sie nur noch in drei weiteren Folgen zu sehen sein wird. Danach wird sie die Krimi-Reihe Ende 2025 verlassen.
Quelle und weitere Infos:
https://www.fernsehserien.de/news/naech ... steigt-aus
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Alle 16 "Tatort"-Episoden um den Wiener Oberinspektor Marek sind mutmaßlich am 22.08.2024 bei Fernsehjuwelen als 8-DVD-Box erschienen:
Extras:
Digitales Booklet mit Episodenführer und Hintergrundinformationen (online abrufbar)
Trailer
weitere Highlights
Schuber
Wendecover
Episoden:
01. Mordverdacht (07.11.1971)
02. Die Samtfalle (12.11.1972)
03. Frauenmord (09.12.1973)
04. Mord im Ministerium (13.10.1974)
05. Urlaubsmord (28.09.1975)
06. Annoncenmord (12.09.1976)
07. Der vergessene Mord (11.09.1977)
08. Mord im Krankenhaus (08.10.1978)
09. Mord im Grandhotel (21.10.1979)
10. Mord auf Raten (19.10.1980)
11. Mord in der Oper (18.10.1981)
12. Mordkommando (17.10.1982)
13. Mord in der U-Bahn (18.09.1983)
14. Wunschlos tot (30.08.1987)
15. Der letzte Mord (29.11.1987)
16. Der Mord im Wald (29.11.1992)
Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/48974, ... dverdacht/
Extras:
Digitales Booklet mit Episodenführer und Hintergrundinformationen (online abrufbar)
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Wendecover
Episoden:
01. Mordverdacht (07.11.1971)
02. Die Samtfalle (12.11.1972)
03. Frauenmord (09.12.1973)
04. Mord im Ministerium (13.10.1974)
05. Urlaubsmord (28.09.1975)
06. Annoncenmord (12.09.1976)
07. Der vergessene Mord (11.09.1977)
08. Mord im Krankenhaus (08.10.1978)
09. Mord im Grandhotel (21.10.1979)
10. Mord auf Raten (19.10.1980)
11. Mord in der Oper (18.10.1981)
12. Mordkommando (17.10.1982)
13. Mord in der U-Bahn (18.09.1983)
14. Wunschlos tot (30.08.1987)
15. Der letzte Mord (29.11.1987)
16. Der Mord im Wald (29.11.1992)
Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/48974, ... dverdacht/
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Alle 21 "Tatort"-Episoden um die Dresdner Ermittler Ehrlicher und Kain erscheinen voraussichtlich am 05.09.2024 bei Fernsehjuwelen als 21-DVD-Box:
Extras:
Digitales 32-stg. Booklet von Oliver Bayan inklusive Episodenführer und Hintergrundinformationen; Schuber; Wendecover
Episoden:
01. Ein Fall für Ehrlicher (19. Jan 92),
02. Tod aus der Vergangenheit (08. Jun 92),
03. Verbranntes Spiel (28. Feb 93),
04. Bauernopfer (21. Nov 93),
05. Laura mein Engel (01. Mai 94),
06. Jetzt und Alles (31. Jul 94),
07. Ein ehrenwertes Haus (08. Jan 95),
08. Falsches Alibi (18. Jun 95),
09. Bomben für Ehrlicher (01. Okt 95),
10. Wer nicht schweigt, muss sterben (10. Mrz 96),
11. Bei Auftritt Mord (31. Mrz 96),
12. Die Reise in den Tod (29. Dez 96),
13. Bierkrieg (13. Apr 97),
14. Tödlicher Galopp (29. Jun 97),
15. Der Tod spielt mit (27. Jul 97),
16. Fürstenschüler (17. Mai 98),
17. Tanz auf dem Hochseil (26. Jul 98),
18. Money! Money! (09. Aug 98),
19. Todesangst (23. Mai 99),
20. Auf dem Kriegspfad (01. Aug 99),
21. Fluch des Bernsteinzimmers (31. Okt 99)
Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/54490, ... Ehrlicher/
Extras:
Digitales 32-stg. Booklet von Oliver Bayan inklusive Episodenführer und Hintergrundinformationen; Schuber; Wendecover
Episoden:
01. Ein Fall für Ehrlicher (19. Jan 92),
02. Tod aus der Vergangenheit (08. Jun 92),
03. Verbranntes Spiel (28. Feb 93),
04. Bauernopfer (21. Nov 93),
05. Laura mein Engel (01. Mai 94),
06. Jetzt und Alles (31. Jul 94),
07. Ein ehrenwertes Haus (08. Jan 95),
08. Falsches Alibi (18. Jun 95),
09. Bomben für Ehrlicher (01. Okt 95),
10. Wer nicht schweigt, muss sterben (10. Mrz 96),
11. Bei Auftritt Mord (31. Mrz 96),
12. Die Reise in den Tod (29. Dez 96),
13. Bierkrieg (13. Apr 97),
14. Tödlicher Galopp (29. Jun 97),
15. Der Tod spielt mit (27. Jul 97),
16. Fürstenschüler (17. Mai 98),
17. Tanz auf dem Hochseil (26. Jul 98),
18. Money! Money! (09. Aug 98),
19. Todesangst (23. Mai 99),
20. Auf dem Kriegspfad (01. Aug 99),
21. Fluch des Bernsteinzimmers (31. Okt 99)
Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/54490, ... Ehrlicher/
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- sid.vicious
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Im Polizeiruf 110-Fundus bin ich über viel Murks gestolpert. "Der Kreuzworträtselfall" ist allerdings eine Sternstunde.
Hier passt alles. Die Kälte des Täters als auch die depressive Stimmung dieses Beitrags möchte ich besonders hervorheben.
- buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort: Zeitzünder
„Jetzt brauch‘ ich wirklich ‘n Schnaps!“
Der am 4. August 1990 erstausgestrahlte, jedoch bereits 1989 gedrehte 13. Fall des Hamburger „Tatort“-Ermittlers Paul Stoever (Manfred Krug) – für seinen Kollegen Peter Brockmöller (Charles Brauer) ist’s der zehnte – entstand nach einem Drehbuch Detlef Müllers unter der Regie Pete Ariels, der mit „Zeitzünder“ seinen sechsten von insgesamt neun Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe ablieferte.
„Ich mag Menschen, die so schnell begreifen.“
Der vorbestrafte Karl Wollek (Diether Krebs, „Kir Royal“) sucht nach einem neuen Job, hat jedoch Schwierigkeiten, einen zu finden. Er könnte sich auch vorstellen, sich als Kneipier selbständig zu machen, doch sein Bewährungshelfer Heinz Maurer (Franz Boehm, „Tatort: Einzelhaft“) rät ab. Daraufhin nimmt er den nicht ganz legalen Auftrag an, zusammen mit seinem Kumpel Horst Kehrmann (Ronald Nitschke, „Otto – Der neue Film“) eine Lkw-Ladung im Hamburger Freihafen abzuliefern. Dabei werden sie von Verbrechern abgefangen, die das Feuer auf die Männer eröffnen. Kehrmann überlebt den Angriff nicht, Wollek entkommt verletzt und taucht unter. Der einzige Mensch, bei dem er sich meldet, ist Maurer. So finden sich beide ungeahnt und ungewollt inmitten eines großangelegten Verbrechens wieder, bei dem es um den Schmuggel elektronischer Impulsgeber geht, von dem durch diesen Hinterhalt abgelenkt werden sollte. Aufgrund der Brisanz – mittels dieser Elektronik ließen sich Atombomben zünden, woran ein islamistischer Kalif Interesse haben soll – ist das BKA involviert, mit dem die Kripo-Beamten Stoever und Brockmöller nun zusammenarbeiten…
„Scheiß Bullen! Hier wird nicht geschnüffelt, hier wird gebumst!“
Eine ganz große Nummer in diesem „Tatort“ also, der mit dem hörenswerten ‘80er-Pop-Rock-Song „Could It Be Me“ Cees Mermans beginnt und seine noch unbekannten Figuren zunächst wortlos eine Hausdurchsuchung durchführen lässt. Der Lkw-Transport in den Hafen mündet in überraschend wildem Schusswaffeneinsatz und eröffnet somit diesen Kriminalfall. Wollek lässt sich von Lisbeth, der Tochter (debütierend: Kerstin Gähte, „Die Anrheiner“) seines Bewährungshelfers, verarzten und wird anschließend von einem Herrn Liebscher (Hans Putz, „Die Halbstarken“), dem er angeblich Geld schuldet, ebenso gesucht wie von der Polizei. Mit dem Einschalten des BKAs schließt sich der Kreis zur Hausdurchsuchung im Prolog und den Zuschauerinnen und Zuschauern wird klar, dass beide Fälle zusammenhängen. Der fiese Liebscher hängt sich an Maurers Fersen, verwickelt ihn in einen Autounfall und beginnt, seine Familie zu terrorisieren – womit nun ein eigentlich völlig Unbeteiligter ins Visier der Verbrecher geraten ist.
Dieser Drehbuch-Kniff appelliert besonders stark ans Gerechtigkeitsempfinden des Krimipublikums, zumal Maurer als Spitzentyp, der für seinen Schützling Wollek alles Menschenmögliche tut, charakterisiert wird. „Zeitzünder“ arbeitet zudem mit der einen oder anderen Spannungsszene sowie Überraschungsmomenten wie einer unerwartet problemlosen Festnahme Liebschers und einem kurzen, eher unmotivierten Abstecher in Bordelle in Hamburgs Bahnhofsviertel. Schauspielerisch sticht besonders Diether Krebs als gebeutelter, bemitleidenswerter Ex-Knacki heraus. Der blonde der beiden Killer hingegen sieht – offenbar unfreiwillig – wie ein Idiot aus. Für Auflockerung sorgt wieder „Meyer 2“ (Lutz Reichert) als komödiantisch angelegte Polizistenfigur, die den Maurers in den Garten pinkelt. Brockmöller gibt hier etwas unglaubwürdig den Schwerenöter, der sich die sexy Tankwartin Petra (Gabriele Fischer, „Die Pawlaks – Eine Geschichte aus dem Ruhrgebiet“) aus Bielefeld zum Vögeln mitnimmt.
Der Epilog ergänzt den abgeschlossen geglaubten Fall um eine gelungene Sequenz, in der es wieder um Leben und Tod geht. Wenn in diesem Zuge aber suggeriert wird, Maurer hätte von vornherein bereitwillig mit der Hamburger Polizei zusammenarbeiten sollen, schließlich hätten weder Wollek noch er etwas zu befürchten gehabt, erhält dieser „Tatort“ eine Fantasy-Note – und die Figur Paul Stoever, triumphierend, lehrmeisternd und drohend, etwas reichlich Unangenehmes. Zum Abspann ertönt Mermans Lied erneut, dessen „Could It Be Me“-Refrain sich nun direkt an Maurer zu wenden scheint…
Leider erlebte Franz Boehm die Ausstrahlung dieses „Tatorts“ nicht mehr, er verstarb bereits 20. Juli 1989. R.I.P.
„Jetzt brauch‘ ich wirklich ‘n Schnaps!“
Der am 4. August 1990 erstausgestrahlte, jedoch bereits 1989 gedrehte 13. Fall des Hamburger „Tatort“-Ermittlers Paul Stoever (Manfred Krug) – für seinen Kollegen Peter Brockmöller (Charles Brauer) ist’s der zehnte – entstand nach einem Drehbuch Detlef Müllers unter der Regie Pete Ariels, der mit „Zeitzünder“ seinen sechsten von insgesamt neun Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe ablieferte.
„Ich mag Menschen, die so schnell begreifen.“
Der vorbestrafte Karl Wollek (Diether Krebs, „Kir Royal“) sucht nach einem neuen Job, hat jedoch Schwierigkeiten, einen zu finden. Er könnte sich auch vorstellen, sich als Kneipier selbständig zu machen, doch sein Bewährungshelfer Heinz Maurer (Franz Boehm, „Tatort: Einzelhaft“) rät ab. Daraufhin nimmt er den nicht ganz legalen Auftrag an, zusammen mit seinem Kumpel Horst Kehrmann (Ronald Nitschke, „Otto – Der neue Film“) eine Lkw-Ladung im Hamburger Freihafen abzuliefern. Dabei werden sie von Verbrechern abgefangen, die das Feuer auf die Männer eröffnen. Kehrmann überlebt den Angriff nicht, Wollek entkommt verletzt und taucht unter. Der einzige Mensch, bei dem er sich meldet, ist Maurer. So finden sich beide ungeahnt und ungewollt inmitten eines großangelegten Verbrechens wieder, bei dem es um den Schmuggel elektronischer Impulsgeber geht, von dem durch diesen Hinterhalt abgelenkt werden sollte. Aufgrund der Brisanz – mittels dieser Elektronik ließen sich Atombomben zünden, woran ein islamistischer Kalif Interesse haben soll – ist das BKA involviert, mit dem die Kripo-Beamten Stoever und Brockmöller nun zusammenarbeiten…
„Scheiß Bullen! Hier wird nicht geschnüffelt, hier wird gebumst!“
Eine ganz große Nummer in diesem „Tatort“ also, der mit dem hörenswerten ‘80er-Pop-Rock-Song „Could It Be Me“ Cees Mermans beginnt und seine noch unbekannten Figuren zunächst wortlos eine Hausdurchsuchung durchführen lässt. Der Lkw-Transport in den Hafen mündet in überraschend wildem Schusswaffeneinsatz und eröffnet somit diesen Kriminalfall. Wollek lässt sich von Lisbeth, der Tochter (debütierend: Kerstin Gähte, „Die Anrheiner“) seines Bewährungshelfers, verarzten und wird anschließend von einem Herrn Liebscher (Hans Putz, „Die Halbstarken“), dem er angeblich Geld schuldet, ebenso gesucht wie von der Polizei. Mit dem Einschalten des BKAs schließt sich der Kreis zur Hausdurchsuchung im Prolog und den Zuschauerinnen und Zuschauern wird klar, dass beide Fälle zusammenhängen. Der fiese Liebscher hängt sich an Maurers Fersen, verwickelt ihn in einen Autounfall und beginnt, seine Familie zu terrorisieren – womit nun ein eigentlich völlig Unbeteiligter ins Visier der Verbrecher geraten ist.
Dieser Drehbuch-Kniff appelliert besonders stark ans Gerechtigkeitsempfinden des Krimipublikums, zumal Maurer als Spitzentyp, der für seinen Schützling Wollek alles Menschenmögliche tut, charakterisiert wird. „Zeitzünder“ arbeitet zudem mit der einen oder anderen Spannungsszene sowie Überraschungsmomenten wie einer unerwartet problemlosen Festnahme Liebschers und einem kurzen, eher unmotivierten Abstecher in Bordelle in Hamburgs Bahnhofsviertel. Schauspielerisch sticht besonders Diether Krebs als gebeutelter, bemitleidenswerter Ex-Knacki heraus. Der blonde der beiden Killer hingegen sieht – offenbar unfreiwillig – wie ein Idiot aus. Für Auflockerung sorgt wieder „Meyer 2“ (Lutz Reichert) als komödiantisch angelegte Polizistenfigur, die den Maurers in den Garten pinkelt. Brockmöller gibt hier etwas unglaubwürdig den Schwerenöter, der sich die sexy Tankwartin Petra (Gabriele Fischer, „Die Pawlaks – Eine Geschichte aus dem Ruhrgebiet“) aus Bielefeld zum Vögeln mitnimmt.
Der Epilog ergänzt den abgeschlossen geglaubten Fall um eine gelungene Sequenz, in der es wieder um Leben und Tod geht. Wenn in diesem Zuge aber suggeriert wird, Maurer hätte von vornherein bereitwillig mit der Hamburger Polizei zusammenarbeiten sollen, schließlich hätten weder Wollek noch er etwas zu befürchten gehabt, erhält dieser „Tatort“ eine Fantasy-Note – und die Figur Paul Stoever, triumphierend, lehrmeisternd und drohend, etwas reichlich Unangenehmes. Zum Abspann ertönt Mermans Lied erneut, dessen „Could It Be Me“-Refrain sich nun direkt an Maurer zu wenden scheint…
Leider erlebte Franz Boehm die Ausstrahlung dieses „Tatorts“ nicht mehr, er verstarb bereits 20. Juli 1989. R.I.P.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
„Tatort – Münster“: Axel Prahl und Jan Josef Liefers drehen wieder
Neuer Fall handelt von Wohnungsnot unter Studierenden
Seit 2002 bilden Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) im Münsteraner „Tatort“ ein erfolgreiches Team. Im neuen Film, der den Arbeitstitel „Ich gestehe“ trägt und seit dem 10. September gedreht wird, gesellt sich zum bekannten Schmunzelhumor ein ernstes Thema: Wohnungsnot im Studierendenmilieu. Wie der Pressemeldung zu entnehmen ist, werden die beruflichen und privaten Beziehungen von Thiel und Boerne dieses Mal einer Belastungsprobe unterzogen.
Quelle und weitere Infos:
https://www.fernsehserien.de/news/tator ... hen-wieder
Neuer Fall handelt von Wohnungsnot unter Studierenden
Seit 2002 bilden Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) im Münsteraner „Tatort“ ein erfolgreiches Team. Im neuen Film, der den Arbeitstitel „Ich gestehe“ trägt und seit dem 10. September gedreht wird, gesellt sich zum bekannten Schmunzelhumor ein ernstes Thema: Wohnungsnot im Studierendenmilieu. Wie der Pressemeldung zu entnehmen ist, werden die beruflichen und privaten Beziehungen von Thiel und Boerne dieses Mal einer Belastungsprobe unterzogen.
Quelle und weitere Infos:
https://www.fernsehserien.de/news/tator ... hen-wieder
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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- karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Tatort Freiburg: Ad Acta
Ein junger Anwalt wird von einem Motorradfahrer erschossen.
Das Opfer arbeitet bei seinem Schwiegervater in der Anwaltskanzlei, der sich vor allem Figuren aus dem organisierten Verbrechen vertritt. Während Berg sich sofort in diese Szene wie der berühmte Elefant, begibt sich Tobler in das Umfeld des Opfers.
Eigentlich ein ganz spannender Krimi, nur hat das Buch meines Erachtens nach zwei Schwächen und auch erahnte ich den Täter ein wenig früh. Dafür gibt es aber zum Glück noch einen zweiten Strang, um das eigentliche Anliegen der Kommissare.
Löbau und Wagner sind ein gutes Team, der Film entwickelt trotz genannter Schwächen eine gute Atmosphäre voller menschlicher Abgründe. Tolle Musik außerdem. Und auf der waagerechten Story wird einiges von Toblers Vater erzählt, der seine Tochter zum Aufstieg drängt, und anscheinend eine düstere Geschichte mit Berg hat. Stark gespielt von Michael Hanemann.
Hat mich unterhalten.
Ein junger Anwalt wird von einem Motorradfahrer erschossen.
Das Opfer arbeitet bei seinem Schwiegervater in der Anwaltskanzlei, der sich vor allem Figuren aus dem organisierten Verbrechen vertritt. Während Berg sich sofort in diese Szene wie der berühmte Elefant, begibt sich Tobler in das Umfeld des Opfers.
Eigentlich ein ganz spannender Krimi, nur hat das Buch meines Erachtens nach zwei Schwächen und auch erahnte ich den Täter ein wenig früh. Dafür gibt es aber zum Glück noch einen zweiten Strang, um das eigentliche Anliegen der Kommissare.
Löbau und Wagner sind ein gutes Team, der Film entwickelt trotz genannter Schwächen eine gute Atmosphäre voller menschlicher Abgründe. Tolle Musik außerdem. Und auf der waagerechten Story wird einiges von Toblers Vater erzählt, der seine Tochter zum Aufstieg drängt, und anscheinend eine düstere Geschichte mit Berg hat. Stark gespielt von Michael Hanemann.
Hat mich unterhalten.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
- buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Wie meinen...?karlAbundzu hat geschrieben: ↑Mo 23. Sep 2024, 15:24 Während Berg sich sofort in diese Szene wie der berühmte Elefant, (...)
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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