Tief durchatmen, die Familie kommt - Vivian Naefe (2015)
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Tief durchatmen, die Familie kommt - Vivian Naefe (2015)
Originaltitel: Tief durchatmen, die Familie kommt
Herstellungsland: Deutschland / 2015
Regie: Vivian Naefe
Darsteller(innen): Andrea Sawatzki, Axel Milberg, Christine Schorn, Günther Maria Halmer, Judy Winter, Uwe Ochsenknecht, Eva Löbau, Stephan Grossmann, Amber Bongard, Claudio Schulte, Jeremy Mockridge, Peter Moltzen
Gerald (Axel Milberg) und Gundula (Andrea Sawatzki) möchten wie jedes Jahr das Weihnachtsfest bei sich zu Hause mit ihrer Familie verbringen. Wobei, eigentlich ist das mehr Gundulas Wunsch, der Finanzbeamte und passionierte Schlagervinylsammler Gerald verspürt eigentlich keine rechte Lust auf ein Wiedersehen mit Gundulas hypochondrischem Bruder Hans-Dieter (Stephan Grossmann), Herausgeber erfolgloser und überflüssiger Lebensratgeber, und dessen übertrieben religiöser Frau Rose (Eva Löbau), die der Inbegriff keimfreier christlicher Schwaben sind, im Falle Hans-Dieters zudem Gluten- und Lactose-intolerant. Auch auf Gundulas dementen Vater Edgar (Günther Maria Halmer), ihre besserwisserische Mutter Ilse (Christine Schorn) und seine eigene Mutter Susanne (Judy Winter), eine allzu demonstrativ unverklemmte Sexshop-Betreiberin, könnte er an Weihnachten eigentlich verzichten. Diesmal kommt jedoch alles noch schlimmer als erwartet: Gerald torpediert die Feierlichkeiten und bekommt es nicht einmal hin, den Baum aufzustellen, die Gäste geraten in Streit, Edgar wird flügge und haut unbemerkt ab, der Braten wird vom Hund gefressen und möglicherweise sind sogar die Weihnachtsplätzchen mit Haschisch kontaminiert…
https://www.ofdb.de/film/283486,Tief-du ... ilie-kommt
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Tief durchatmen, die Familie kommt - Vivian Naefe (2015)
Tief durchatmen, die Familie kommt
„...und das Atmen nicht vergessen!“
Andrea Sawatzki ist nicht nur eine renommierte deutsche Schauspielerin, sondern auch Autorin der Romane um Familie Bundschuh, die 2013 mit „Tief durchatmen, die Familie kommt“ debütierte. Mathias Klaschka adaptierte die Geschichte für ein Drehbuch, das Regisseurin Vivian Naefe („Die wilden Hühner“) als 2015 erstausgestrahlten Fernsehfilm mit Sawatzki höchstpersönlich in der Hauptrolle verfilmte. Seither wird die Weihnachtskomödie regelmäßig im öffentlich-rechtlichen TV in der entsprechenden Saison gezeigt.
„Haben sich alle gegenseitig umgebracht?“
Gerald (Axel Milberg, Kieler „Tatort“) und Gundula (Andrea Sawatzki, Frankfurt/Main-„Tatort“) möchten wie jedes Jahr das Weihnachtsfest bei sich zu Hause mit ihrer Familie verbringen. Wobei, eigentlich ist das mehr Gundulas Wunsch, der Finanzbeamte und passionierte Schlagervinylsammler Gerald verspürt eigentlich keine rechte Lust auf ein Wiedersehen mit Gundulas hypochondrischem Bruder Hans-Dieter (Stephan Grossmann, „Er ist wieder da“), Herausgeber erfolgloser und überflüssiger Lebensratgeber, und dessen übertrieben religiöser Frau Rose (Eva Löbau, „Knallhart“), die der Inbegriff keimfreier christlicher Schwaben sind, im Falle Hans-Dieters zudem Gluten- und Lactose-intolerant. Auch auf Gundulas dementen Vater Edgar (Günther Maria Halmer, „Anwalt Abel“), ihre besserwisserische Mutter Ilse (Christine Schorn, „Novemberkind“) und seine eigene Mutter Susanne (Judy Winter, „Das schöne Ende dieser Welt“), eine allzu demonstrativ unverklemmte Sexshop-Betreiberin, könnte er an Weihnachten eigentlich verzichten. Diesmal kommt jedoch alles noch schlimmer als erwartet: Gerald torpediert die Feierlichkeiten und bekommt es nicht einmal hin, den Baum aufzustellen, die Gäste geraten in Streit, Edgar wird flügge und haut unbemerkt ab, der Braten wird vom Hund gefressen und möglicherweise sind sogar die Weihnachtsplätzchen mit Haschisch kontaminiert…
Der Filmtitel impliziert eine Anspielung auf die Atemtherapie, in der sich Gundula, die auch als Erzählerin aus dem Off in Erscheinung tritt, unter den Fittichen ihres Atemlehrers (Uwe Ochsenknecht, „Schtonk!“) befindet. Dieser scheint auch ein bestimmtes Ideal von Harmonie und Glück für sie zu verkörpern, sodass sie sich gern innerhalb von Tagträumen in dessen Obhut träumt. In einer Tagalptraumszene hingegen sieht sie sich tot im Sarg liegend, von ihrer Familie das letzte Geleit empfangend. Vornehmlich aus Perspektive der Familienmutter mittleren Alters wird also eine neurotische Berliner Mittelstandsfamilie aufs Korn genommen, in der die Kinder Ricarda (Amber Bongard, „Ostwind“) und Matz (Claudio Schulte, „Böse Wetter – Das Geheimnis der Vergangenheit“) die einzig (noch) Normalen zu sein scheinen. Ein weiteres satirisch-humoristisches Angriffsziel ist die Bigotterie Besinnlichkeit heuchelnder Familienzusammenkünfte anlässlich eines von Konsumwahn und kleinbürgerlichen Zwängen geprägten Weihnachtsfests. Hierfür werden etwas vorhersehbare Situationskomik, einige sehr spitzzüngige Dialoge, ein bisschen Slapstick und etwas düsterer Humor bemüht und mit viel Drama und Tragik mitunter schwer genießbar vermengt.
Die falsche Darstellung Gundulas dementen Vaters, der für ein paar billige Pointen herhalten muss, verärgert, dafür überraschen Geralds fiese und sarkastische Kommentare. Ja, Sawatzki & Co. wollten hier augenscheinlich einmal kräftig und durchaus provokant austeilen. Im Zuge dessen trifft man nicht immer den richtigen Ton und hantiert mit reichlich Klischees. Dies sind zum einen vorhersehbare Klassiker wie das misslingende Festmahl oder die in einer Eskalation mündenden Meinungsverschiedenheiten und Streitereien vollkommen unterschiedlicher Charaktere, bei denen alsbald alle Masken fallen, zum anderen aber eben diese Figurenzeichnungen. Anhand derer wird deutlich, dass sicher nicht der ausfallende Entenbraten entscheidend ist – diese Motive sind lediglich Beiwerk. Vielmehr fokussiert der Film die peinlichen vor sich hergetragenen Marotten der Neurotiker(innen), die nur unzureichend ihre wahren seelischen Abgründe verbergen können, welche in ihrer Überzeichnung sinnbildlich für eine langsam aber sicher dem Wahnsinn nahe Mittelschicht steht, deren kleinstes Problem es ist, zu einem harmonischen Familienmiteinander unfähig zu sein.
Dem aus sicherer Entfernung vor der Glotze beizuwohnen macht durchaus Spaß, zumal fast alle ihr Fett wegbekommen. Auch Gundulas Sehnsuchts“ort“, der alleinstehende Atemtherapeut, hat selbst kräftig einen an der Waffel, wie Gundula herausfinden muss, als sie ihn bei der Zubereitung eines großangelegten Weihnachtsessens überrascht. Hintergrund ist auch hier ein unverarbeitetes tragisches Trauma. Am Ende des Films ist dann auch alles nur so semigut, und herauszustellen, dass es nun doch nicht so cool ist, wenn der eigene Opa fremdgeht, gelingt dem Film leider nicht mehr. Für eine bissige Satire ist das trotz vieler an eine Modernisierung Loriots berühmter „Weihnachten bei Hoppenstedts“ gemahnender Ansätze zu wenig, für ein komödiantisches Moralstück zu inkonsequent und bisweilen dann auch doch zu tragisch und für ein einen nachhaltigen Eindruck hinterlassendes Weihnachtsdrama im Mantel spöttischen TV-Sarkasmus verharrt man zu sehr an der Oberfläche. Als nicht allzu streng zu bewertende leichte bis leicht holprige vorweihnachtliche Unterhaltung, die für oftmals gestresste Frauen in ihrer doppelt belastenden Rolle als berufstätige Hausfrau und Mutter eine Lanze bricht, können sich die von einem starken Ensemble repräsentierten Bundschuhs aber durchaus sehen lassen, zumal manch gesellschaftskritischer Ansatz richtig ist und der freche Ton auch jüngere Familienmitglieder bei der Stange halten dürfte.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!