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Herstellungsland: Irland / Großbritannien / USA (2012)
Regie: Neil Jordan
Darsteller: Gemma Arterton, Saoirse Ronan, Jonny Lee Miller, Caleb Landry Jones, Sam Riley, Tom Hollander, Daniel Mays, Warren Brown, Uri Gavriel, Thure Lindhardt, Gabriela Marcinkova, Christine Marzano u. A.
Während die schüchterne Eleanor (Saoirse Ronan) ein einsames und zurückgezogenes Leben führt, stürzt sich ihre Begleiterin Clara (Gemma Arterton) völlig ungehemmt in das schillernde Nachtleben. Doch die beiden ungleichen Frauen hüten ein schreckliches Geheimnis, dass ihr Schicksal eng miteinander verbindet. Denn einst haben sie durch ein finsteres Ritual das ewige Leben erlangt und zum Preis ihre Seele hergegeben. Seither sind sie viel umhergezogen, immer auf der Suche nach frischem Blut und einem schnellen Verdienst. Eines Tages trifft Clara bei ihrer Arbeit auf den verzweifelten Hotelbesitzer Noel (Daniel Mays), der den beiden schließlich in seinem Etablissement Unterkunft gewährt. Doch ihr ungebändigter Durst nach Blut hat inzwischen zahlreiche Spuren hinterlassen, die bereits von einem Ermittlerteam untersucht werden.
„Nur die, die bereit sind zu sterben, werden ewiges Leben finden!“
Nach „Interview mit einem Vampir“ aus dem Jahre 1994 widmete sich der irische Filmemacher Neil Jordan 2012 erneut der Vampir-Thematik: „Byzantium“ lautet der Titel des sensiblen Horror-Dramas um zwei Vampirdamen, das in irisch-britisch-US-amerikanischer Koproduktion realisiert wurde.
Eleanor (Saoirse Ronan, „Wer ist Hanna?“) und Clara (Gemma Arterton, „Spurlos - Die Entführung der Alice Creed“) sind Vampire, charakterlich jedoch sehr gegensätzlich: Während Eleanor die Abgeschiedenheit und Ruhe bevorzugt, stürzt sich Clara gern ins Nachtleben. Seit ihrer Vampirwerdung vor mehr als 200 Jahren befinden sie sich auf einer ständigen Reise oder vielmehr Flucht und pflegen dabei ein Mutter-Tochter-Verhältnis, während sie über die Runden zu kommen versuchen – und regelmäßig frisches Blut benötigen. Eleanor zeigt sich zunehmend erschöpft und würde nur zu gern irgendwo unbehelligt sesshaft werden. Als Clara den Hotelbesitzer Noel (Daniel Mays, „Die Schatzinsel“) kennenlernt, bietet sich zumindest die Gelegenheit, ein großes Gebäude an der englischen Küste zu beziehen, aus dem Clara kurzerhand ein Bordell macht. Dass die beiden dauerhaft in Frieden ihr Dasein fristen können, verhindert leider eine mysteriöse Vampir-Bruderschaft, die ihnen unablässig auf der Spur ist...
Jordan beginnt seine Schauermär mit einer brutalen Schockszene, einer Enthauptung durch Clara. Fortan jedoch gibt sich „Byzantium“ poetisch – bisweilen etwas bemüht – und legt viel Wert auf durchkomponierte, eindrucksvolle Bilder, die dem Film ein künstlerisches Erscheinungsbild verschaffen und entscheidend für die häufig verträumte Stimmung, die unwirkliche, doch anziehende Atmosphäre des Films sorgen. Eleanors Stimme erklingt häufig aus dem Off, wenn sie aus ihrem Tagebuch liest und der Handlung so ihren Rahmen gibt. Diverse Rückblenden in ihre Vergangenheit erweitern diesen und erzählen schließlich von der Vampirwerdung: Ein Eremit in einer Felsinselhöhle infizierte einst Soldaten. Sogar zu Rückblenden innerhalb von Rückblenden lässt Jordan sich hinreißen und verleiht der Handlung auf diese Weise tatsächlich Tiefe.
Eleanor ist also über 200 Jahre alt, befindet sich jedoch im Körper einer Jugendlichen. Sie hat das Vampir-Dasein eigentlich satt, sucht sich aus moralischen Gründen bevorzugt todgeweihte Menschen für ihren Blutkonsum und sehnt sich nach einer festen Beziehung mit ihrem Freund, dem sie sich sogar offenbart. Ohne den Film für sich zu vereinnahmen, spielt diese Romanze eine größere Rolle, da sie kitschfrei verdeutlicht, wie sich Eleanor von Clara unterscheidet als Eleanor als Projektionsfläche ihrer Sehnsucht dient. Auch eine angenehm dezente Erotiknote findet sich in Jordans Bildern wieder, ohne sich jedoch auf das Weiblicher-Vampir-Terrain der „Hammer Productions“, eines Jean Rollins oder Jess Francos zu begeben. Erwartungsgemäß steuert die Handlung auf eine Konfrontation mit der Vampir-Bruderschaft zu, das Jordan aufregend zu inszenieren verstand.
Leider sind Eleanors Dialoge oftmals ziemlich gestelzt (möglicherweise der deutschen Synchronisation geschuldet?) und entglitt Jordan ein wenig das Timing, „Byzantium“ wirkt letztlich doch etwas in die Länge gezogen. Dafür bietet er aber neben anmutigen Schauspielerinnen eine fantasievolle, traurige Geschichte, die vor allem von Emanzipation handelt, sowohl der Vampirinnen von der patriarchalischen Bruderschaft und ihren strengen Regeln als auch der Tochter von ihrer Mutter. Und wer im direkten Vergleich der Lebensentwürfe Claras und Eleanors einen Hang Eleanors zu einem neuen, positiv konnotierten Konservatismus, in dem Werte wie feste, liebevolle, monogame Bindungen, Sesshaftigkeit und Verlässlichkeit wieder mehr gelten als in manch Generation seit ’68, liegt möglicherweise auch nicht so verkehrt. Ein „schöner“, leidenschaftlicher Film, der einen interessanten Aspekt des Vampir-Mythos fokussiert und den man am besten spät am Abend eingekuschelt mit einem lieben Menschen im Bett guckt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Wunderschöner Film, eine Vermengung von Carmilla, Rollin, Blut an den Lippen, garniert mit großartigen Hauptdarstellerinnen, sehr stimmungsvoll inszeniert und ausgestattet.
Unbedingt anschauen! Der ideale Film für dunkle Herbstabende!