The Golden Lady - José Ramón Larraz (1979)

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Salvatore Baccaro
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The Golden Lady - José Ramón Larraz (1979)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: The Golden Lady

Produktionsland: Großbritannien 1979

Regie: José Ramón Larraz

Darsteller: Ina Skriver, Suzanne Danielle, June Chadwick, Anika Pavel, Stephen Chase

Abt.: Vorglühen für Köln...

Auch einem Huhn, das mit weit aufgerissenen Augen durchs Leben läuft, gerät einmal ein blindes Korn in den Schnabel. Ein Lied davon singt der spanische Regisseur José Ramón Larraz in dem Spionage-Thriller THE GOLDEN LADY, mit dem er 1979, nach mehreren in ihrer Schlichtheit schlicht großartigen Projekten in seinem Heimatland, kurzzeitig nach Großbritannien zurückkehrt. Wenn Larraz in einem Interview verlautbaren lässt, dass er besagten Film von allen, die er gedreht habe, hasse wie keinen zweiten, kann ich ein solches vehementes Urteil nach meiner Sichtung des Streifens vollumfänglich nachvollziehen: Selbst eher generische Slasher-Filme aus Larraz‘ Spätwerk wie DEADLY MANOR oder AL FILO DEL HACHA, die, im besten Fall, substanzlose Unterhaltung darstellen, nehmen sich gegenüber diesem Machwerk wie vergessene Juwelen aus.

Aber der Reihe nach: Mitte der 70er stellt der auf Tropenkrankheiten spezialisierte Mediziner Joshua Sinclair, der, unter anderem, an der Seite Mutter Theresas in Kalkutta gewirkt haben soll, fest, dass ihm sein aufopferungsvoller Humanismus im jenseitigen Leben möglicherweise zu immensem symbolischen Lohn verhelfen wird, im Hier und Jetzt aber nicht unbedingt die Taschen füllt. Was liegt also näher, als sich sowohl als Kleindarsteller in italienischen Filmen von Rossellini bis Castellari zu verdingen, und sich nebenbei gleich noch als Filmproduzent und Drehbuchautor zu versuchen! Nachdem er zunächst Marlene Dietrichs letzten Leinwandauftritt SCHÖNER GIGOLO, ARMER GIGOLO unter der Regie David Hemming’s produziert hat – ein Film, über den wiederum Hauptdarsteller David Bowie sagt, er könne ihn auf den Tod nicht ausstehen –, scheint Sinclair eine Überdosis an Agentenfilmen genossen zu haben – (namentlich sämtliche zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Staffeln CHARLIES ANGELS, sämtliche JAMES-BOND-Filme sowie all deren zweit-, und drittklassiger Derivate) – und auf die grandiose Idee verfallen zu sein, Englands ersten weiblichen Superagenten etablieren zu wollen. Bald klebt an seinen Händen das Blut eines Drehbuchs, dessen Miserabilität Larraz so umschreibt: Sinclair könne nicht mal einen Brief an die eigene Mutter verfassen. In der Hauptrolle verpflichtet wird eine mir völlig unbekannte Mimin namens Ina Skriver – (die für THE GOLDEN LADY allerdings unter dem wunderbaren Pseudonym Christina World agiert) -, die Tonspur wird vollgepumpt mit zeitgenössischen Disco-Nummern, die Laufzeit unnötig mit ebensolchen Gesangs- und Tanznummern sowie handlungsfremden Sexszenen gestreckt, und für den Regiestuhl eben niemand anderes als Larraz verpflichtet – wobei mich wirklich interessiert würde, welche Kriterien Sinclair bei dieser Auslese angelegt haben mag. Er war verfügbar, und verlangte nicht allzu viele Tantiemen?

Dass ich der konfus erzählten, verworrenen, chaotisch dahingeworfenen Geschichte irgendwann nicht mehr folgen konnte, liegt vielleicht nicht so sehr an meinen mangelnden kognitiven Fähigkeiten, sondern weil sie mich nach einer Viertelstunde einfach nur noch angegähnt hat wie ein Wolfsrachen: Julia Hemingway – (genannt „The Golden Lady“ wohl wegen ihres Blondschopfs) – ist so etwas wie eine Geheimagentensöldnerin, sprich: Sie stellt ihr Talent, Leute auszuspionieren, in die Dienste von jedem, der ihr nur genügend Geld dafür auf den Tisch blättert. Diesmal ist es einer dieser stark adipösen, permanent Whiskey runterstürzenden und Zigarren paffenden Industriellen, der es auf das Vermächtnis eines kürzlich verblichenen Ölscheichs abgesehen hat. Dessen Erben nämlich wollen dieses unter den Hammer bringen, und Hemingways Auftraggeber mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit der Best-, weil Alleinbietende sein, weswegen unsere Heldin einfach mal die Konkurrenz aus den Weg räumen soll - natürlich (zunächst) ohne Gewalt, sondern mittels Erpressung, Intrigen etc. Dazu heuert sie mithilfe der Datenbank eines prähistorischen Apple-Mac-Vorläufers drei weitere Damen an – (von denen der Rechner unter anderem ausspuckt, sie würden über Schwächen wie „Vanity“ oder „Nymphomania“ verfügen) –, und zieht mit denen… nun, in einen Kampf voller Verfolgungsjagden, Detonationen, spektakulärer Stunts, oder, wenigstens, sich aus? Nichts von alldem: Unsere vier Heroinen schauen nicht nur aus wie Kirchenmäuschen – (gerade die goldene Dame selbst kann ich mir problemlos bei einem Sonntagswohltätigkeitsbasar der örtlichen Freikirche vorstellen) –, das Drehbuch gesteht ihnen zudem einzig atemberaubende Aktionen zu, wie beispielweise an einer Tür zu lauschen, hinter der gerade brisante Dinge der internationalen Wirtschaft verhandelt werden, vor sie verfolgenden Gangstern etwa einen Hausblock weit in einem Gebrauchtwagen zu fliehen, oder vor allem in ihrem Hauptquartier teilweise minutenlang zu erörtern, wie denn nun der nächste Schritt aussehen soll, der sie einem Ziel näherbringt, das ich, wie gesagt, zu dem Zeitpunkt schon vollkommen aus den Augen verloren habe. Zu tun hat das natürlich auch damit, dass THE GOLDEN LADY visuell und inszenatorisch so überhaupt nichts zu offerieren hat, an dem man sich stoßen oder reiben könnte. Sicher, das Budget ist naturgemäß niedrig, und hätte bei einer JAMES-BOND-Produktion wohl gerade mal für die Garderobe des Skript-Girls gereicht, doch dass Sinclairs Drehbuch und die sichtlich lustlose Umsetzung desselben durch Larraz so überhaupt keinen Willen zeigen, ihr Publikum wenigstens ein bisschen zu affizieren, das kann man beim besten Willen nicht auf eine etwaige ökonomische Schieflage schieben.

Großartiges Beispiel dafür, was in diesem Film generell schiefläuft, ist eine Szene etwa in seiner Mitte, als Hemingway, die bereits den Verdacht schöpft, dass ihr Auftraggeber ein falsches Spiel mit ihr treibt, sich mit einem der Interessenten für den Kauf des Ölimperiums trifft, um mit ihm irgendwelche Geheimdienstangelegenheiten zu erörtern. Wo führt man solche vertraulichen Gespräche? Erraten: In einem Nachtclub, wo gerade das aus zwei Fashion-Models bestehende Duo „Blonde on Blonde“ – (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen südwalisischen Psychedelic-Rock-Combo, und schon gar nicht mit dem gleichnamigen Dylan-Album) – einen seiner Songs in voller Länge intoniert, und kostüm- und tanztechnisch dabei – (eine Reminiszenz an den GIGOLO-Film?) – eine Art Marlene-Dietrich-Hommage (oder -Parodie?) zum Besten geben. Nachdem das Nümmerchen geschoben ist, und ich darauf warte, dass unsere Protagonisten nun endlich zum Kern des heißen Breis vorstoßen, um den sie die ganze Zeit verbal kreisen, folgt noch im gleichen Atemzug, ebenfalls zu penetrantester Disco-Mucke, eine die Grenzen des Sagbaren spielerisch überschreitende Tanzeinlage aus der Fetisch-Ecke, inklusive einer Lack-und-Leder-Mistress und halbnackten dunkelhäutigen Männern, die von dieser an Ketten über die Bühne geführt werden. In Parallelmontage erleben wir zeitgleich, wie einer von Hemingways Engeln Sex mit irgendeinem Typ an irgendeinem Ort hat. Nicht explizit muss ich wohl erwähnen, dass diese Szene, die sich bei einer Laufzeit von etwa zehn Minuten einpendelt, mit der eigentlichen Spionage-Story nicht die geringsten Berührungspunkte hat. Erwähnen muss ich, der solchen Stagnationen narrativer Dynamik eigentlich sonst immer ziemlich wohlwollend gegenüberstehe, allerdings, dass solche Späßchen auf dem Papier himmelschreiender klingen als sie in Wirklichkeit sind - zumal es sich um die einzige Szene des gesamten Films handelt, in der auch nur ein Kinderatem von Transgression und Subversion weht.

Ich hatte kürzlich das Vergnügen, Jim Wynorskis THE LOST EMPIRE zu sehen. Stellt dieser eine überdeterminierte, selbstreflexive Genre-Persiflage dar, die gerade aufgrund ihrer exorbitanten Kasperle-Attitüde ungehörigen Spaß macht, siedelt THE GOLDEN LADY am diametral entgegengesetzten Ende des Spektrums: Larraz‘ Realismus, der zu solch schönen Melodramen wie LUTO RIGUROSO oder EL MIRÓN geführt hat, in allen Ehren – aber in einem Film wie vorliegendem möchte ich Frauen in zeigefreudigen, phantasievollen Kostümen sehen, die mittels überzeichneter Waffen und arkaner Kampfkünste ganze Flugzeughangars in die Luft sprengen. Stattdessen serviert THE GOLDEN LADY einem: Dialoge, ein paar Disco-Nummern, kontextlosen Soft-Sex, Dialoge, eine Handvoll „Actionszenen“, Dialoge, ein Finale, dessen Hauptattraktion ein Hubschrauber ist, der kurz ganz dicht über den Dächern fahrender Autos hinwegschrauben darf, Dialoge, eine halbseidene Liebesgeschichte, stock-footage von Panzern und anderem Kriegsgerät aus irgendwelchen Armeefilmen, Dialoge – na gut, und ein Cameo von Desmond „Q“ Llewelyn, das allerdings derart lieblos abgefrühstückt wird, dass ich nicht mal dem härtesten Bond-Fan empfehle, wegen dieser halben Minute zu vorliegender Schlaftablette zu greifen. Im Netz findet man übrigens immer wieder die Angabe, bei THE GOLDEN LADY handle es sich um eine Co-Produktion mit Hongkong. Zumindest die mir vorliegende Fassung weist darauf kein bisschen hin: Weder sind Drehorte in Hongkong auszumachen noch Schauspieler der dortigen Filmindustrie, und in Vor- und Abspann wird ebenfalls mit keiner Silbe irgendeine Verbindung gen asiatischer Produktionsfirma erwähnt. Was im Endeffekt aber auch vollkommen egal ist, denn: Nein, dieser Film war jetzt nicht unbedingt so meins...
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