HELGA ANDERS (*11.01.1948 Innsbruck † 04.04.1986 München)
Helga Anders im Film [Auswahl]:
♦ Der Forellenhof (1965-1966) [TV]
♦ Die Unverbesserlichen (1965-1967) [TV]
♦ Der Kongress amüsiert sich (1966)
♦ 00 Sex am Wolfgangsee (1966)
♦ Mädchen, Mädchen (1967)
♦ Das Rasthaus der grausamen Puppen (1967)
♦ Erotik auf der Schulbank (1968)
♦ Zuckerbrot und Peitsche (1968)
♦ Unser Doktor ist der Beste (1969)
♦ Mädchen mit Gewalt (1970)
♦ Mord im Pfarrhaus (1970) [TV]
♦ Die Powenzbande (1973) [TV]
♦ Das blaue Palais (1976) [TV]
♦ Der Trotzkopf (1983) [TV]
Das Lexikon der deutschen Filmstars hat geschrieben:In Ruhpolding und Bielefeld aufgewachsen; Besuch einer Ballettschule; spielt mit acht Jahren eine Rolle in der Operette »Der fidele Bauer«. Nach dem Umzug der Eltern an den Tegernsee wirkt A. mit dreizehn an einer bayrischen Bauernbühne mit. Ihr Filmdebüt feiert sie mit zwölf; als Fünfzehnjährige tritt sie erstmals in der Kleinen Komödie in München auf. Heiratet 1967 Roger Fritz, unter dessen Regie sie in mehreren Filmen die Hauptrollen übernimmt, besonders bekannt wurde sie durch Mädchen Mädchen (1966). Der Jungstar wird von Roger Fritz geschieden, betreibt eine Theaterkneipe in München, ist ab Mitte der sechziger Jahre auch häufig im Fernsehen zu sehen. Sie scheidet durch Suizid aus dem Leben. Laut Pressemitteilung war die Todesursache angeblich Herzversagen. Typ: Die kleine Dunkelhaarige mit den großen Augen galt als die Lolita im deutschen Film der sechziger Jahre. Lasziv und provozierend »unschuldig«, war sie die gefährdete Minderjährige und verkörperte den Typ einer modernen Jugend, die offenen Umgang mit dem anderen Geschlecht pflegte.
Befasst man sich mit dem zweiten Blick, so offenbaren sich zahlreiche Facetten. Die Typisierung spielt unter anderem auf die Kraft der Augen an, die gerade bei Helga Anders bemerkenswerte Momente entstehen lässt. Bei einem derartigen Schicksal lasse ich mich manchmal gerne dazu verleiten, eine gewisse Traurigkeit heraus zu sehen, was sich aber bestimmt nur im Bereich der Anforderungen abspielte. Denke ich an ihre Elizabeth in „Schreie in der Nacht“, so fühlt man sich als Zuschauer durch verführerische und selbstbewusste Blicke verfolgt, gerade ihre Gastrollen bei "Der Kommissar", „Derrick“ und „Der Alte“ zählen für mich zu den großen Leistungen der Helga Anders. In „Kaffee mit Beate“ war sie einfach großartig, die außergewöhnlichste Leistung blieb mir allerdings in „Teufelsbrut“ in Erinnerung. Eher belanglose Rollen wie in „Das Rasthaus der grausamen Puppen“, „Der Mörderclub von Brooklyn“ oder „Bel Ami 2000 – wie verführt man einen Playboy“ fallen in die Kategorie der Publikumswirksamkeit und klassischer Image-Besetzung. Einige Personen die ich zu Helga Anders befragt habe, bestätigten das bekannte Bild der Schauspielerin und es kamen Einschätzungen wie »mädchenhaft-unschuldig« oder »Kindfrau« zu Stande. Allerdings war man sich letztlich stets einig, dass man sie immer sehr gerne gesehen habe.
Oft schießt mir bei Helga Anders der Quervergleich mit Romy Schneider in den Kopf, bei der sich bis heute Gerüchte um einen angeblichen Selbstmord halten. Die Verlautbarungen der französischen Presse, wie beispielsweise »Romy Schneider s’est suicidée« sind bis heute etabliert, wenn auch zweifelhaft. Bei dem Fall Helga Anders, die gerade Mal 38-jährig verstarb, urteilte die Klatschpresse ähnlich deutlich. Es entstehen kleinere oder größere Mythen, die bei Romy Schneider (die bis heute als einer der größten französischen Superstars verehrt wird, und die hierzulande leider immer noch ein kaugummiartiges Image umgibt) vielleicht zu Recht entstanden sind. Helga Anders hatte nicht diese internationale Karriere, dennoch hat sie ihren festen, angesehenen Platz in der deutschen Kino-und-TV-Landschaft. Das Konstruieren von Suizid-Gerüchten ist schon immer ein gefundenes Fressen für die Presse gewesen, ich persönlich glaube zuerst immer an die logische Konsequenz unter bestimmten Voraussetzungen, die kein Organismus auf Dauer aushält. An einen bestimmten Mythos glaube ich jedoch wirklich, und zwar dass viele Schauspieler an geplatzten Träumen und Illusionen gescheitert sind.
Helga Anders einzuschätzen fällt mir trotz aller Begeisterung sehr schwer, denn sie passt so wenig in meine Sammlung der einschlägigen Darstellerinnen, die vor Unnahbarkeit und fesselnder Aura nur so strotzen. Das Faszinierende ist für mich nicht die »Lolita« oder das »Schulmädchen«, dieses Image war mir immer zu konstruiert und fremd. Helga Anders ist eine Darstellerin, die mich trotzdem unmissverständlich anspricht, weil die schauspielerische Kompetenz so unverwechselbar-unbändig erscheint. Sie wirkt widersprüchlich in diesem Spektrum zwischen Schulmädchen und Verführerin. Hinzu kommt, dass sie keine großartige Distanz zum Zuschauer aufbaut, jedoch ihre Charaktere mit einer eigenartigen Kontrolle ausstatten konnte, sie gut strukturieren konnte. Helga Anders zehrt in ihren Rollen im hohen Ausmaß von ihrer Körpersprache, ihrer angenehmen Stimme, von ihrer Ausstrahlung ganz zu schweigen.
Wie es eben so ist, werden Image-Fragen meistens erst hinterher kritisch durchleuchtet. Aus heutiger Sicht sehe ich persönlich einen überaus verschwenderischen und einseitigen Umgang des deutschen Films mit der begabten Schauspielerin Helga Anders, die diversen Rollen ein reizvolleres und nachhaltigeres Gesicht hätte geben können. Ihre TV-Präsenz zähle ich, verglichen mit ihrer Schaffens-Geschichte im Kino, zu den wesentlich hochkarätigeren und denkwürdigeren Leistungen, da sie hier häufiger etwas mehr Luft zum Atmen, beziehungsweise etwas mehr Raum zur Entfaltung bekam. Meines Erachtens würde Helga Anders jedenfalls mit größter Wahrscheinlichkeit auch heute noch zur deutschen TV-Prominenz zählen. Insgesamt bleibt zu sagen, dass eine Beteiligung von Helga Anders, egal ob im Film oder TV, für mich stets genügend Grund, oder sogar ein Muss darstellt, mir ihre Leistungen anzuschauen, oder mir passendes Material zu beschaffen. Für mich persönlich ist und bleibt sie eine unbestrittene Größe, die jede Hommage verdient hat!