
Der letzte Zug nach Durango
„Wir haben Revolution!“Die glücklosen Goldsucher Gringo (Anthony Steffen) und Luca (Enrico Maria Salerno) sitzen gerade im Zug nach Durango, als dieser von einer Bande mexikanischer Banditen überfallen wird. Die Beute: Ein Tresor voller Bargeld. Bestrebt danach endlich Reich zu werden, nehmen die Beiden die Verfolgung der Räuber auf...
Der italienische Regisseur Mario Caiano („Nazi Love Camp 27“) drehte im Jahre 1967 die Italo-Western-Komödie „Der letzte Zug nach Durango“, zu dem er auch zusammen mit José Gutiérrez Maesso und Duccio Tessari das Drehbuch verfasst hat. Der vor dem Hintergrund der mexikanischen Revolution spielende Film präsentiert Genrestar Anthony Steffen („Django und die Bande der Bluthunde“) in einer ungewohnt komischen Rolle.
Die nicht sonderlich von Erfolg gekrönten Goldsucher und Tunichtgute Gringo (Anthony Steffen) und Lucas (Enrico Maria Salerno, „Das Syndikat“) kehren per Zug nach Durango zurück, wofür auch noch ihre letzten Penunsen draufgingen. Doch während der Fahrt wird die Bahn von mexikanischen Banditen überfallen, die einen Tresor voller Bargeld stehlen und auch gleich noch die nette und attraktive Helen (Dominique Boschero, „The Child – Die Stadt wird zum Alptraum“) mitnehmen, mit der Gringo just angebändelt und sich Hoffnungen gemacht hatte. In der Verwüstung finden die beiden überlebenden Tagediebe jedoch den Schlüssel zum Tresor und reisen fortan den sich als Revolutionäre ausgebenden Banditen hinterher, da sie endlich das große Geld wittern, ferner will Gringo unbedingt Helen wiedersehen. Ihre gefährlichen Wege kreuzen sich auf eigenartige Weise immer wieder mit denen des motorisierten und kultivierten feinen Pinkels Brown (Mark Damon, „Der Untergang des Hauses Usher“), der das Duo aus manch brenzliger Situation heraushilft...
„Ihr beiden quatscht mir zuviel! Ich brauche schweigsame Männer in meiner Bande!“
Verglichen mit den Abenteuern von Terence Hill und Bud Spencer ist „Der letzte Zug nach Durango“ ein eher unbekannter Vertreter der italienischen Westernkomödie – und ein ungewöhnlicher dazu, denn ausgerechnet Anthony Steffen mit seinem traurigen Blick und seiner versteinerten Mimik für die Hauptrolle besetzen zu haben, dürfte manch Filmfreund skeptisch machen. Das macht jedoch einen besonderen, subtilen Reiz dieses Films aus: Man wird neugierig, wie sich Steffen wohl schlagen würde, ob er komisches Talent besitzt, man wartet auf Gefühlsregungen und fragt sich, ob er zum grimassenschneidenden Clown mutieren würde. Tut er natürlich nicht, aber er wirkt tatsächlich etwas lockerer in der Hüfte und seine müde, geschaffte Mimik passt einmal mehr ideal zum Typus Mensch, den er hier verkörpert: Einem auf der Suche nach dem Glück von Ort zu Ort Getriebenem. Ein herzhafter Biss in eine Peperoni zwingt ihn gar zu ungeahntem Mienenspiel. Fürs Temperament ist jedoch Salerno zuständig, der seinen mexikanischen Kumpel mimt. „Der letzte Zug nach Durango“ ist keine überkandidelte, absurde Slapstick-Revue und erst recht keine Kalauerkanonade, sondern eine charmante Wohlfühlkomödie mit viel herzerwärmendem, augenzwinkerndem Humor, der einen liebevoll karikierenden Umgang mit dem Italo-Western-Genre erkennen lässt. Caianos Film hat viel von einem sog. Buddy-Movie; zwei Verlierer schlagen sich mehr schlecht als recht durchs Leben und haben nicht viel als ihre Klamotten am Leib und ihre Freundschaft. Lauter und krawalliger wird es immer dann, wenn die Mexikaner gehäuft auftauchen. Mexikaner in Italo-Western sind nicht nur das Salz in der Suppe, sondern das Chili in der Bolognese. Auch hier sorgt das sympathische Völkchen für reichlich Feuer, doch leider missbrauchte man die grundsätzlich äußerst angenehme Thematik der mexikanischen Revolution, um die Revolutionäre wenig differenziert allesamt als primitive, geldgierige, auf ihren eigenen Vorteil bedachte Halunken darzustellen, was in dieser nichts sonderlich ernstnehmenden Komödie zwar verzeihbar ist, dem Thema jedoch in keiner Weise gerecht wird. Dieser Umstand führt auch zur Abwertung.
Gut gelungen ist hingegen der allgemeine zynische Blick auf die kollidierenden Interessen unterschiedlicher Parteien, die natürlich alle hinter dem Geld her sind – was in zahlreichen Toten mündet. Diesbezüglich macht auch „Der letzte Zug nach Durango“ trotz seiner komödiantischen Herangehensweise keinerlei Zugeständnisse, verzichtet aber weitestgehend auf den Einsatz von Kunstblut. Und nicht alles endet gleich in Mord und Totschlag, süffisant hält in manch Szene auch die „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“-Mentalität Einzug. Zwar ahnt man, dass sicherlich nicht gleich beide unserer Möchtegern-Helden, die so einiges ertragen müssen und sich in die unmöglichsten Gefahren begeben bzw. in sie hineinstolpern, ihr Leben werden lassen müssen – man kann sich allerdings nie ganz sicher sein, ob nicht doch zumindest einer über die Klinge springen wird. Ihre Spannung gewinnt die Dramaturgie jedoch in erster Linie aus dem mehrmaligen unvermittelten Auftauchen Browns, von dem man nie genau weiß, was er wirklich bezweckt. All das führt zu einer überraschenden Pointe eines Finales, das auf amüsante Weise ein klassisches Western-Duell, jedoch ohne Kugeln in den Revolvern (!), zelebriert. Am Schluss steht einmal mehr ein – Achtung, Spoiler! – anscheinend typisches Steffen-Ende, indem er (fast) alles verliert, was er zu besitzen glaubte.
Eine ebenso starke wie attraktive weibliche Rolle bekleidet Dominique Boschero, die sich in der testosterondominierten Welt durchaus zu behaupten versteht. Zu beobachten, wie sich der arme Gringo um sie bemüht, ist köstlich und mitleiderregend zugleich. Schön auch, dass man es manch erfolgreichem Italo-Western gleichtat und einen verdienten US-Schauspieler für eine der tragenden Rollen verpflichtete, in diesem Falle Mark Damon, der seinen schießgewaltigen Gentleman einwandfrei abliefert. Auch die Nebenrollen wurden namhaft besetzt, daran gibt es nichts zu mäkeln. Carlo Rustichellis Soundtrack weist eine stimmungsvolle Titelmelodie auf, bleibt ansonsten aber gemessen an anderen Genreproduktionen eher unauffällig. Für die die staubige, schwüle Stimmung inmitten karger Landstriche perfekt einfangende Kamera verantwortlich zeichnete übrigens niemand Geringerer als Enzo Barboni, der nur wenige Jahre später mit „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ seine erste eigene Western-Komödie – eine der eingangs erwähnten – als Regisseur drehte und in der Folge viele weitere Spencer/Hill-Filme inszenierte, darunter auch das Meisterwerk „Vier Fäuste für ein Halleluja“.
Fazit: Eine leichtfüßige, dennoch angenehm atmosphärische Italo-Western-Komödie für Freunde des Genres, das erfolgreich viele liebgewonnene Genre-Charakteristika vereint, weitestgehend sorgfältig inszeniert und besetzt wurde und Anthony Steffen einmal von einer etwas anderen Seite zeigt – die aber leider etwas am wenig mexikanerfreundlichen Drehbuch krankt. Die eigentliche Revolution des Films ist Steffens Peperoni-Biss mit entsprechendem Resultat, nicht das Bemühen der Compañeros.