bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Polizeiruf 110: Der Kreuzworträtselfall

„Manchmal vergessen die Kinder beim Spielen einfach die Zeit.“

Die auf einem authentischen Kriminalfall basierende 123. Episode der DDR-Fernsehkrimireihe „Polizeiruf 110“ wurde im Winter 1987/1988 gedreht und am 6. November 1988 erstausgestrahlt. Der routinierte TV-Regisseur Thomas Jacob verfasste zusammen mit Gabriele Gabriel das Drehbuch zu Leutnant Thomas Grawes (Andreas Schmidt-Schaller) 15. Fall, in dem Hauptmann Günter Beck (Günter Naumann, „Fünf Patronenhülsen“) und Major Jäger (Werner Godemann, „Fallada – Letztes Kapitel“) debütieren.

„Vielleicht ist er bloß ausgerissen...“

Der siebenjährige Schüler Marko Herzog (Rene Mittag) aus Berliner-Marzahn darf allein ins Kino gehen, um sich Ronja Räubertochter anzusehen. Da er etwas zu früh dran ist, vertreibt er sich die Zeit in einem Park. Dort trifft er auf den 19-jährigen Stefan Winkelmeyer (Torsten Ranft, „Sonnenallee“), der gerade eine Lehre in Birkenthal geschmissen hat. Marko geht mit Stefan mit. Als Marko nicht nach Hause kommt, sucht seine Familie ihn und schaltet schließlich die Polizei ein. Tage später findet ein Streckenläufer (Ernst-Georg Schwill, „Die Reise nach Sundevit“) der Reichsbahn Markos Leichnam in einem Koffer, vereist, freigelegt vom weggetauten Schnee und eingewickelt in Zeitungspapier. Deren ausgefüllte Kreuzworträtsel erweisen sich als einzige Spur der Kriminalpolizei: Mittels graphologischer Methoden versucht sie, dem Täter auf die Schliche zu kommen. Es gilt, zigtausend Schriftproben zu beschaffen und auszuwerten sowie das Altpapier zu durchkämmen. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und eine Mammutaufgabe mit unklaren Erfolgsaussichten…

„Der Junge ist wie vom Erdbeben verschwunden!“

Der Prolog ist ein vorgezogener Teil des Epilogs und widmet den Fall per Texttafel der Hallenser Polizei, die den realen Fall gelöst hatte. Zudem wird darüber informiert, dass für diese TV-Adaption Namen und Orte geändert wurden. Mit Beginn der Handlung werden minutiös Datums-/Uhrzeit- und Ortsnamenseinblendungen mittels auch akustisch untermauertem Schreibmaschinen-Tippeffekt vorgenommen, die den gesamten Fall begleiten werden und dessen semidokumentarischen Anspruch unterstreichen, aber auch Hektik suggerieren und enervierend wirken können. In Form von Parallelmontagen werden sowohl Marko als auch Stefan in die Handlung eingeführt, bis das Schicksal sie zusammenbringt. Auch wenn die eigentliche Tat nicht gezeigt wird: Dass etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht, macht Komponist Arnold Fritzsch mit befremdlich-bedrohlicher Musik und verunsichernder Geräuschkulisse deutlich. Dass ein Ermittler bei seiner Suche nach dem Jungen in eine Karnevalsfeier gerät, ist der einzige Anflug von Fröhlichkeit in diesem düsteren, sich in tiefste menschliche Abgründe begebenden Fall.

„...und sangen fröhliche Lieder.“

Wahrscheinlich nie zuvor wurde die Polizeiarbeit derart akribisch in einem „Polizeiruf 110“ dokumentiert: So lange noch nicht klar ist, dass Marko nicht mehr lebt, wird die Umgebung abgesucht, im Krankenhaus gefragt, werden Spürhunde losgelassen. Beck warnt vor Routine, während Polizisten mit Fotos Markos von Tür zu Tür gehen. Diverse vorbestrafte Täter werden verhört und ein See durchkämmt. Zudem erhält man Einblicke ins Privatleben der Ermittler: Grawe macht sich sorgen um die eigene Tochter, der Fall hat Auswirkungen aufs Familienleben und lässt ihn nicht los. Er kann nicht abschalten. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist Stefan der bisher einzige Verdächtige und noch besteht die Chance, dass einen die Dramaturgie bewusst in die Irre zu führen versucht. Just nach dem Kofferfund gewährt der „Polizeiruf“ jedoch wieder Einblicke in Stefans Leben, zeigt, wie herrisch er sich gegenüber seiner naiven Freundin Katrin (Annette Gleichmann, „Jeder träumt von einem Pferd“) verhält. Der Verdacht wird schreckliche Gewissheit, als Katrin ihm von einem kleinen Jungen erzählen muss, damit er fähig wird, mit ihr zu schlafen. Kein Zweifel: Stefan ist der ultrabrutale Triebtäter, von dem der Gerichtsmediziner sprach.

Nachdem die Schriftproben aller Vorbestraften erfolglos waren, entwickeln die Ermittler die größenwahnsinnig anmutende Idee: Schriftproben aller Berliner! Zunächst lanciert man aber ein Kreuzworträtsel-Preisausschreiben in der Zeitung. Erst jetzt beginnt die eigentliche Sisyphos-Arbeit, nicht nur für den Graphologen Eberhard Aust (Harry Merkel, „Spuk im Hochhaus“). Fürs Publikum bedeutet das aber glücklicherweise nicht, nun Beamten beim Anstarren von Buchstaben zuzuschauen, im Gegenteil: Was sich womöglich eher trocken liest, ist spannend und dramaturgisch hochwertig inszeniert, vom Bezug zu Marko und seiner Familie aufbauenden Beginn über die langsame Charakterisierung Stefans und die an ihre Belastungsgrenzen geratenden Ermittler bis hin zur Parallelmontage im aufregenden Finale (mit leicht an eine DDR-„Airwolf“-Variante erinnernden Hubschauerszenen). In dessen Anschluss darf u.a. „Polizeiruf“-Urgestein Hauptmann Fuchs (Peter Borgelt) gratulieren. Nur die etwas überholt wirkende Küchenpsychologie im Epilog hätte man sich besser gespart.

Diese aus der Masse deutlich herausragende Episode spielt neben Berlin im Ostseebad Kühlungsborn sowie in Thüringen, wobei zum Teil fiktionale Ortsnamen verwendet werden. Neben dem Entsetzen über die abscheuliche Tat und der Freude über den kräftezehrenden, letztlich erfolgreichen An- und Einsatz der Kriminalpolizei machten sich bei mir zwei etwas dezentere Gefühlsregungen bemerkbar: Zum einen der Respekt vor der pietätvollen Verarbeitung dieses realen Falls, zum anderen Nachdenklichkeit. Wie eigentlich immer, wenn ich mit derartigen Fällen konfrontiert werde, muss ich daran denken, in der eigenen Kindheit ähnliche Freiheit wie Marko genossen zu haben – und wie unvorstellbar so etwas vielerorts heutzutage wirkt. Je mehr solche Fälle in Ost wie West ins Bewusstsein der Gesellschaft drangen, desto beaufsichtigter wurden die Kinder…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Die Glücksritter

„Ich hab‘ so das Gefühl, als ob irgendwas Aufregendes auf dem Schweinebauchmarkt passiert heute...“

Nach „Blues Brothers“ und „American Werewolf” drehte US-Komödienspezialist John Landis die lose auf dem Roman „Der Prinz und der Bettelknabe“ basierende und von Mark Twains Kurzgeschichte „The Million Pound Bank Note“ (die Ronald Neames „Sein größter Bluff“ zugrunde lag) inspirierte Komödie „Die Glücksritter“, die im Jahre 1983 ein großer Kinoerfolg wurde.

„Mutter hat immer gesagt, du bist zu gierig!“ – „Das hat sie als Kompliment gemeint!“

Der Geschäftsführer Louis Winthorpe III (Dan Aykroyd, „Blues Brothers“) des Multimillionen-Dollar-Unternehmens „Duke & Duke Commodities Brokers“, das den zynischen Brüdern Randolph und Mortimer Duke (Ralph Bellamy, „Rosemaries Baby“ und Don Ameche, „Ein himmlischer Sünder“) gehört, ist ein gemachter, vermögender Mann – bis die geizigen alten Brüder eines Tages uneins darüber sind, ob der Erfolg eines Menschen vorbestimmt oder aber er das Produkt seines sozialen Umfelds sei. Aus diesen Überlegungen entsteht eine Wette auf der Grundlage eines sozialen Experiments: Sie feuern den ahnungslosen Winthorpe, lassen seine Konten sperren und jubeln ihm Drogen unter. Dem Obdachlosen Billy Ray Valentine (Eddie Murphy, „Nur 48 Stunden“) hingegen überantworten sie Winthorpes ehemalige Anstellung. Während der bei der Prostituierten Ophelia (Jamie Lee Curtis, „Halloween – Die Nacht des Grauens“) untergekommene Winthorpe alles daransetzt, sein alte Leben zurückzubekommen, richtet Valentine es sich in seiner neuen Position ein…

„Er ist ein Neger!“

Landis‘ mit feierlicher klassischer Musik eröffnende Sozialparabel im Gewand einer Komödie half, Eddie Murphy nach „Nur 48 Stunden“ und noch vor „Beverly Hills Cop“ nachhaltig als Hollywood-Kinoschauspieler zu etablieren. „Die Glücksritter“ wurde zum Klassiker der ‘80er-Jahre-US-Komödie und ist ein urbaner Weihnachtsfilm ebenso wie eine politisch heillos unkorrekte, situationskomische Aneinanderreihung bissiger Dialoge mit Culture-Clash- und Buddy-Movie-Anleihen sowie eine Fleischbeschau entblößter weiblicher Oberweiten (inklusive Jamie Lee Curtis‘). Doch das Schönste: All dies, diese grell überzeichnete Karikatur, übertüncht nicht die ernstzunehmende Kritik an Kapitalismus und Klassengesellschaft, die der Film nicht nur dann in ätzender Form formuliert, wenn mit Winthorpe plötzlich niemand mehr etwas zu tun haben will.

Timing und Dramaturgie sind auf den Punkt, das Schauspielensemble ist in Topform, die sich vom Horror-Genre emanzipierende Jamie Lee Curtis verkleidet als Schwedin ziemlich sexy. Und die zu sozialem Protest aufrufende Aussage ist nur schwer zu überhören: Statt sich gegenseitig als Konkurrenz zu betrachten, gilt es, gegen die Oberschicht zusammenzuhalten, will man sich aus der Rolle des Spielballs der Reichen befreien. Oder, Filmzitat: „Die beste Art, reiche Leute zu treffen, ist, sie zu armen zu machen.“

Zurückblickend ist es erstaunlich, aber auch eine schöne Genugtuung, wie subversiv das Mainstream-US-Unterhaltungskino sein konnte. Bring back the 80s!
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Um wieder etwas Chronologie reinzubringen:

Anschließend gab's anlässlich des bevorstehenden Halloween-Fests ihn hier:

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Hier meine Urururalt-Kritik (dürfte eine der ersten gewesen sein, die ich je geschrieben habe):

"An Halloween scheinen sich alle Irren rauszutrauen..."

Oha, die Meinungen zu diesem Teil der Halloween-Saga gehen ja sehr auseinander, größtenteils wird der Film sogar sehr hart in die Kritik genommen. Ich glaube, ich muss da mal eine Lanze brechen...

"In diesem Haus hier leben zu müssen, macht einen verrückt!"

Auch dieser Teil knüpft an seine vorangegangenen an, bedient sich der bekannten Charaktere, versucht aber, die Geschichte um Michael Myers zu erweitern und zu bereichern. So brachte man eine Sekte ins Spiel, die Myers aufnahm und nun versucht, ihn zu kontrollieren. Als ihr Erkennungsmerkmal wählte sie die alte "Thorn"-Rune, die auf ein sich zur Halloween-Zeit zeigendes Sternenbild zurück zu führen ist. Bei den bekannten Charakteren handelt es sich um Dr. Loomis, Tommy aus dem ersten Teil und Jamie (mittlerweile eine junge Frau). Eine neue Familie zog ins alte Myers-Haus, ohne zu wissen, dass es sich um eben jenes handelt. Kaum nähert sich das Halloween-Fest, hört der jüngste Sohn Stimmen wie damals der sechsjährige Michael...

Meiner Meinung nach eine hervorragende und innovative Ausgangssituation für eine Fortsetzung. Leider macht das Endresultat kaum etwas aus seinen Möglichkeiten und hinterlässt einen etwas unbefriedigten Zuschauer - aber ohne, auf ganzer Linie zu enttäuschen, im Gegenteil.

"Mami, der Regen ist rot!"

Der Film startet sehr flott und bietet gleich in den ersten Minuten ungewohnt heftig inszenierte Morde, die sich anschließend auch durch die gesamte Handlung ziehen, so dass der Splatter-Freund positiv überrascht wird. Natürlich geht das etwas zu Ungusten des Spannungsbogens, stimmt mich aber dennoch zufrieden - das hohe Tempo in Verbindung mit kompromissloser Gewaltdarstellung weiß zu gefallen. Atmosphärisch setzt man wieder auf einen ausdruckslosen Myers mit Maske, der sich ab und zu mal kurz sehen lässt, beim nächsten Hinschauen aber wieder irgendwohin verschwunden ist, sowie auf ein Haddonfielder Kleinstadtumfeld mit schrägen, wenn auch ziemlich stereotypen Charakteren. Leider versteht man es nicht, diese Atmosphäre vernünftig auszubauen und setzt stattdessen ärgerlicherweise auf das Gewitter-Horror-Klischee, so dass, wann immer Myers irgendwen abmurkst oder es sonstwie gerade besonders spannend sein soll, es blitzt und donnert, in der nächsten Einstellung aber keine Regenwolke mehr am Himmel ist. Billig und überflüssig und einer meiner Hauptkritikpunkte.

Der zweite große Kritikpunkt besteht darin, dass man die Hintergründe um die Sekte kaum beleuchtete. Dadurch verpasste man nicht nur die Chance, dem Tempo und den guten Splattereffekten inhaltlichen Tiefgang zur Seite zu stellen, sondern ließ auch die Möglichkeit aus, Ungereimtheiten und Logikfehler der Vorgänger auszumerzen bzw. zu relativieren. Dieser neue Aspekt der Halloween-Saga hätte das Zeug dazu gehabt, ihr ein völlig neues, interessantes Story-Fundament zu verpassen und den Kreis, der mit Halloween I begann, zu schließen. Stattdessen wird alles irgendwie nur angerissen und bereits nach 81 Minuten (ohne Abspann) endet der Film mit einem unspektakulären Ende und der Zuschauer fragt sich, ob es das jetzt wirklich schon gewesen sein kann... aber: Es gibt einen sog. "Producer's Cut", erhältlich als ausländische Bootlegs. Möglicherweise war dieser Film also ursprünglich anders gedacht, musste letztlich aber als arg zusammengeschnittene, leichter konsumierbare Version das Licht der Kinowelt erblicken, weil irgendwer an verantwortlicher Position der Meinung war, dem Halloween-Publikum würde eine gorige, aber unausgeGOREne Fassung besser gefallen und man den Horror-Fan mal wieder auf einen gewaltgeilen Idioten reduzierte...

Unterm Strich bleibt aber ein meiner Meinung nach guter und spannender Horrorfilm, der für mich ein würdiger Abschluss der Halloween-Reihe ist. Die Filme, die danach noch heruntergekurbelt wurden und ohne einen Donald Pleasence auskommen müssen, interessieren mich nun wirklich nicht mehr. Jener macht seine Sache übrigens auch hier gut und trägt zum "Halloween-Feeling" maßgeblich bei, wenn er auch weniger im Vordergrund der Geschichte steht als in anderen Teilen. Ruhe in Frieden! Überhaupt konnte ich hier keine wirklich SCHLECHTE schauspielerische Leistung ausmachen. Mir scheint dies ohnehin oftmals ein Standardargument zum Aufzählen zu sein, wenn man einen Film niedermachen will.

Solide 7/10 Punkten.

P.S.:
Ich bekam heute das Vergnügen, den zwölf Minuten längeren Producer's Cut sehen zu können und meine Annahme hat sich bestätigt: Zwar fallen einzelne Mordszenen harmloser aus als in der normalen Fassung, dafür sind die Storyparts länger und das letzte Drittel des Films komplett anders. Dadurch wirkt der Film tatsächlich viel stimmiger und ergibt mehr Sinn.
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Polizeiruf 110: Der Tod des Pelikan

Der DDR-Giallo

„Ich werde es nie zulassen, dass du das Kind bekommst! Lieber reiß‘ ich mir wie ein Pelikan die Federn aus!“

Thomas Grawes (Andreas Schmidt-Schaller) 23. „Polizeiruf 110“-Einsatz ist ein Besonderer: Zum einen wurde er im Frühjahr 1989, also noch in der Vorwendezeit gedreht, aber erst an Neujahr 1990, also nach Mauer- und Grenzöffnung, erstausgestrahlt. Zum anderen handelt es sich um einen Film Rainer Bärs, der das Drehbuch schrieb und die Regie führte – und dessen Filmen Peter Hoff in seinem Standardwerk „Das große Buch zum Polizeiruf 110“ attestierte, sie hätten „in den siebziger und achtziger Jahren“ bereits „Aufsehen erregt, hoben sie sich doch durch ihre ästhetische Ambitioniertheit aus den nüchtern realistischen Alltagsgeschichten der Fernsehdramatik heraus“. Hoff nennt Hitchcock als Vorbild dieser Episode, vor allem dessen Suspense-Anwendung – angesichts der ästhetisch-formalen Gestaltung hege ich aber einen anderen Verdacht.

„Deine Überheblichkeit wird dich noch teuer zu stehen kommen!“

Herbert (Klaus-Peter Thiele, „Die Abenteuer des Werner Holt“), Kapitän bei der Interflug, und Gerda Bachmann (die Ungarin Zsuzsa Nyertes), Opernsängerin, leben in Scheidung. Herbert will unbedingt das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Robert (Björn Müller), das jedoch Gerda für sich beansprucht. Darüber entbrennt ein erbitterter Streit in Gerdas Wohnung, als Herbert ihr im angetrunkenen Zustand zu verstehen gibt, keinesfalls auf das Sorgerecht verzichten zu wollen. Als er davonfährt, verursacht er einen Unfall und begeht Fahrerflucht. Völlig aufgelöst kehrt er zu Gerda zurück, weiht sie ein und bittet sie um ein Alibi. Im Gegenzug werde er aufs Sorgerecht verzichten. Gerda sagt ihm ihre Unterstützung zu, doch nach kurzer Zeit erhalten beide anonyme Briefe, u.a. mit einem Foto des verstorbenen Unfallopfers – offenbar gibt es einen Mitwisser. Doch wer sollte das sein und was genau will er von den Bachmanns? Gerda fühlt sich zunehmend verfolgt – von einem Mann, der wie derjenige auf dem Foto aussieht…

„Du kotzt mich an!“

Bereits die Buchstabenanordnung der Titeleinblendung ist ungewohnt stilisiert. Die ersten Spielszenen sind Auszüge aus der „Madame Butterfly“-Oper mit verschiedenen Farbwelten, gesungen von der zur Geisha geschminkten Gerda. Im Anschluss an diesen farbprächtigen Prolog wird die Gemengelage vermittelt: Herbert befindet sich mit Söhnchen Robert erst am Flughafen, dann am Meer, wo er sich von seinem Anwalt Richard in Sachen Scheidung und Sorgerecht beraten lässt. Herbert Eltern lernt man auch kennen – sie fürchten, durch die Scheidung ihren Enkel nie mehr zu Gesicht zu bekommen. Kurzzeitig herrscht eine melancholische Atmosphäre vor, bevor der „Der Tod des Pelikan“ den Thrill ansteuert. Ausgangspunkt ist der böse Streit zwischen den Noch-Eheleuten, dessen Conclusio seitens Herbert einer Kriegserklärung gleicht. Weshalb genau das Tuch zwischen ihnen derart zerrissen ist, erfährt man dabei nicht.

„Wo bleibt denn hier die Gleichberechtigung?!“

Nach dem schicksalhaften Unfall wird ein Duschmord à la „Psycho“ angedeutet, es bleibt jedoch bei der Andeutung als kleine augenzwinkernde Hitchcock-Hommage. Das Ehepaar scheint durch das gemeinsame Geheimnis wieder zusammengeschweißt, Herbert könne sich sogar einen Neuanfang vorstellen. Dass Gerda seine Straftat für sich ausnutzt, um ihn in der Hand zu haben und das Sorgerecht für sich allein beanspruchen zu können, ist zunächst eine mögliche Lesart, die sich aber bald zerschlägt. Denn nach und nach wird sie systematisch in den Wahnsinn getrieben.

Es fehlt das Blut, ansonsten ist aber alles da: Eine unheimlich attraktive Hauptdarstellerin, eine Tiergattung im Titel (wir erinnern uns an Dario Argentos Tier-Trilogie), eine Handlung, die mehr (Psycho-)Thriller denn Krimi ist, eine nur ganz am Rande vorkommende Polizei (Grawe wohnt im selben Wohnblock wie Gerda – ein eigenartiger Zufall, der anscheinend sein musste, um aus diesem Film überhaupt einen „Polizeiruf“-Beitrag machen zu können), eine Verortung in der High Society (für DDR-Verhältnisse machen die Berufe der Eheleute sie am ehesten zu „etwas Besserem“, wenngleich auch dies eine Art konstruierter Kompromiss ist), eine Kameraarbeit auf höchstem Niveau inklusive Fahrten durch hochgradig ästhetisiertes und artifiziell ausgeleuchtetes Ambiente (das so gar nicht nach DDR aussieht) … und steht da bei Gerda nicht sogar eine grüne Flasche mit gelbem Etikett auf dem Tisch?

„Der Tod des Pelikan“ ist sichtlich von Bava und Argento beeinflusst, macht neben dem Verzicht auf grafische Gewaltexzesse aber das eine oder andere Zugeständnis ans Fernsehpublikum. So ist die Handlung weitestgehend sehr gut nachvollziehbar, wodurch Täter und Motiv ab einem gewissen Punkt jedoch recht vorhersehbar sind. Zudem fußt die Handlung auf einem ganz realen, handfesten gesellschaftlichen Problem der DDR: Dass der Mann gegen den Willen der Frau nur in Ausnahmefällen eine Chance hatte, das Sorgerecht fürs Kind zu erhalten. Ein nettes Detail: Gerda macht Filius Robert zum Abendbrot den Fernseher an – und es läuft ein „Polizeiruf 110“. Auch das titelgebende Federvieh äußert sich im einen oder anderen Detail, das sich im starken, den Kreis zum Prolog schließenden Ende zur überdeutlichen Allegorie auswächst. Wenn Freundinnen und Freunde des europäischen Genrekinos nur einen „Polizeiruf 110“ gucken wollen, dann doch bitte diesen hier.
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Teuflische Signale

„Wer ist er?“

Die kleine britische Horrorproduktion „Teuflische Signale“ aus dem Jahre 1982 ist das Langfilmdebüt des Regisseurs Roger Christian („The Final Cut – Tödliches Risiko“). Der Film um Psychokinese, Telepathie und Traummanipulation entstand nach Brian De Palmas „Carrie“ und „Teufelskreis Alpha“, nach Cronenbergs „Scanners“ und nach „Patrick“ und „Patrick lebt!“, die allesamt mit ähnlichen Motiven arbeiteten, aber noch vor beispielsweise „A Nightmare on Elm Street“.

„Mein Gott, dieses verrückte Weibsbild!“

Ein junger Mann (Zeljko Ivanek, „Der Außenseiter“) versucht, sich mit einem großen Stein unter der Jacke im Gewässer eines Feriencamps zu ertränken. Der Versuch misslingt und der fortan unter Amnesie leidende Mann landet in einer Nervenheilanstalt, wo ihn Psychiaterin Dr. Gail Farmer (Kathryn Harrold, „Schwingen der Angst“) behandelt. Doch vom Patienten scheint eine unheimliche Kraft auszugehen, die für Konfusionen in der Anstalt sorgt und Dr. Farmer schreckenerregende Visionen beschert…

Der überaus idyllische Auftakt mit pittoresken Naturaufnahmen und schwelgerischer Streichermusik kontrastiert die Ereignisse, die der Mann mit seinem Suizidversuch auslöst. „Teuflische Signale“ spielt mit den Realitäts- und Visionsebenen, sodass das Publikum selbst nicht immer weiß, was gerade filmische Realität ist und was nicht. In Sachen Ausleuchtungen, Kameraarbeit, Tonspur und Schauspiel macht der Film alles richtig und begibt sich erzählerisch mehr in den Mystery-Bereich, statt knallharten Horror aufzutischen. „Teuflische Signale“ betont häufig seine Drama-Anteile und verfügt über eine ausgeprägte tragische Note, stellt einen Bibelbezug her und konzentriert sich stark auf das eigentümliche Verhältnis des Manns zu Dr. Farmer (die zudem klassisches Mansplaining ihres Chefs (Paul Freeman, „Jäger des verlorenen Schatzes“) über sich ergehen lassen muss).

Bei einem Experiment mit dem namenlosen Mann geht’s ordentlich rund, die Postproduktion nutzte Zeitlupen zur Visualisierung. Auch eine Ratten-Massenszene bietet etwas fürs Auge. Leider ist „Teuflische Signale“ seinen Qualitäten zum Trotz etwas arg behäbig erzählt und inszeniert, ergo ein Film für die Bock-auf-Horror,-aber-nicht-auf-Krawall-Momente im Leben der Liebhaberinnen und Liebhaber unspektakulärerer europäischer Genre-Perlen der 1970er und ‘80er.
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Ich – Einfach unverbesserlich 4

Mit zum Schönsten der Kino- und popkulturellen Landschaft der Neuzeit zählt für mich die humoristische Animations-Familienfilmreihe um den (Ex-)Superschurken Gru und seine Minions. Nach drei „Ich – Einfach unverbesserlich“-Filmen und zwei „Minions“-Ablegern kam im Sommer des Jahres 2024 „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ in die Kinos – und strafte alle Lügen, die glaubten, der Drops sei langsam, aber sicher mal gelutscht. Für die Regie zeichnet wieder das US-Erfolgsduo Chris Renaud und Patrick Delage verantwortlich, der bei Teil 3 pausiert habende Renaud ist also wieder an Bord.

Nachdem Gru im Auftrag der Anti-Verbrecher-Liga AVL einen seiner Erzfeinde, nämlich niemand Geringeren als Maxime Le Mal, unschädlich machen und seiner gerechten Strafe zuführen konnte, währt der Frieden leider nicht lang. Le Mal entkommt aus dem Gefängnis, weshalb die AVL kurzerhand beschließt, Gru und seine mittlerweile um Baby Junior angewachsene Patchwork-Familie in eine Art Zeugenschutzprogramm aufzunehmen und unter neuen Identitäten in die idyllische Vorstadt Mayflower umzusiedeln. Während Grus Frau Lucy und die drei Adoptivtöchter Margo, Edith und Agnes mehr schlecht als recht Fuß zu fassen versuchen, wird Gru von Nachbarstochter Poppy erkannt und erpresst: Er soll ihr dabei helfen, selbst eine gefürchtete Schurkin zu werden, indem er mit ihr in sein altes Internat einbricht und dessen Maskottchen, einen bissigen Honigdachs, stiehlt. AVL-Chef Ramspopo lässt fünf ausgewählte Minions derweil mittels eines Serums zu Mega-Minions mutieren, die ihre neuen Kräfte jedoch nicht ganz wie gewünscht einzusetzen verstehen. Und zu allem Überfluss hat Le Mal nicht nur Rache geschworen und ist der Familie auf den Fersen, sondern ist auch eine Mutation mit einer Kakerlake eingegangen…

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Wie in diesem (gegenüber Teil 3 wieder wesentlich stärkeren) Teil 4 lobe ich mir die Reihe. Das Tempo ist hoch und die Gags sitzen, sind chaotisch, frech und dennoch familiengerecht, versehen mit einer „Insider-Gag“-Ebene, die das erwachsene Publikum mit kinogeschichtlichen und popkulturellen Referenzen anspricht (u.a. einer Laufszene aus „Terminator II“). Die Zeichnungen und Animationen sind herzallerliebst, mit Baby Junior ist ein weiterer Knuffel mit von der Partie. Mimik und Gestik der menschlichen Figuren sind grandios und nicht selten punktgenaue Karikaturen unterschiedlichen menschlichen Sozialverhaltens und Gebarens. Mein persönlicher Höhepunkt: Die mit Gru & Co. Socialising betreibende Frau des arroganten Nachbarschnösels. Die Minions dürfen wieder jede Menge Unfug anstellen, wobei die Mega-Minions eine köstliche Superhelden-Persiflage auf „Die fantastischen Vier“ und Konsorten bieten. Am auffälligsten ist das „The Thing“-Äquivalent, allein schon aufgrund seiner Statur. Der Coup, den Poppy zusammen mit Gru durchführt, ist ein reinrassiger Heist, der insbesondere für das jüngere Publikum eine ähnliche Spannung entwickeln dürfte wie manch seriöses Pendant für das ältere.

Le Mals zusammen mit seiner Freundin Valentina gestarteter Rachefeldzug gegen Gru tritt da zeitweise sehr in den Hintergrund, sorgt aber selbstverständlich für ein furioses, actionreiches Finale. Aus dem Kakerlaken-Gimmick hätte man indes gern ein bisschen mehr machen dürfen (auch ohne in Cronenberg’sche „Die Fliege“-Gefilde vorzudringen), das wirkt fast ein wenig verschenkt. Neben deutschen Inserts für viele (aber nicht alle) innerhalb der Handlung auftauchende Texte überzeugt in der deutschen Bearbeitung auch Jens „Knossi“ Knossalla als Le Mals Synchronsprecher, womit dieser möglicherweise erstmals etwas wirklich Sinnvolles in einem audiovisuellen Medium abliefert. Tolle ‘80er-Musik-Evergreens (teils ebenfalls ins Deutsche übersetzt) und die obligatorischen Bonus-Gags im Abspann runden dieses Kinovergnügen für Jung und Alt ab. Und – man mag es kaum sagen – ich habe es endlich geschafft, einen Film dieser Reihe tatsächlich im Kino zu sehen. Ein großer Spaß!
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Tatort: Zeitzünder

„Jetzt brauch‘ ich wirklich ‘n Schnaps!“

Der am 4. August 1990 erstausgestrahlte, jedoch bereits 1989 gedrehte 13. Fall des Hamburger „Tatort“-Ermittlers Paul Stoever (Manfred Krug) – für seinen Kollegen Peter Brockmöller (Charles Brauer) ist’s der zehnte – entstand nach einem Drehbuch Detlef Müllers unter der Regie Pete Ariels, der mit „Zeitzünder“ seinen sechsten von insgesamt neun Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe ablieferte.

„Ich mag Menschen, die so schnell begreifen.“

Der vorbestrafte Karl Wollek (Diether Krebs, „Kir Royal“) sucht nach einem neuen Job, hat jedoch Schwierigkeiten, einen zu finden. Er könnte sich auch vorstellen, sich als Kneipier selbständig zu machen, doch sein Bewährungshelfer Heinz Maurer (Franz Boehm, „Tatort: Einzelhaft“) rät ab. Daraufhin nimmt er den nicht ganz legalen Auftrag an, zusammen mit seinem Kumpel Horst Kehrmann (Ronald Nitschke, „Otto – Der neue Film“) eine Lkw-Ladung im Hamburger Freihafen abzuliefern. Dabei werden sie von Verbrechern abgefangen, die das Feuer auf die Männer eröffnen. Kehrmann überlebt den Angriff nicht, Wollek entkommt verletzt und taucht unter. Der einzige Mensch, bei dem er sich meldet, ist Maurer. So finden sich beide ungeahnt und ungewollt inmitten eines großangelegten Verbrechens wieder, bei dem es um den Schmuggel elektronischer Impulsgeber geht, von dem durch diesen Hinterhalt abgelenkt werden sollte. Aufgrund der Brisanz – mittels dieser Elektronik ließen sich Atombomben zünden, woran ein islamistischer Kalif Interesse haben soll – ist das BKA involviert, mit dem die Kripo-Beamten Stoever und Brockmöller nun zusammenarbeiten…

„Scheiß Bullen! Hier wird nicht geschnüffelt, hier wird gebumst!“

Eine ganz große Nummer in diesem „Tatort“ also, der mit dem hörenswerten ‘80er-Pop-Rock-Song „Could It Be Me“ Cees Mermans beginnt und seine noch unbekannten Figuren zunächst wortlos eine Hausdurchsuchung durchführen lässt. Der Lkw-Transport in den Hafen mündet in überraschend wildem Schusswaffeneinsatz und eröffnet somit diesen Kriminalfall. Wollek lässt sich von Lisbeth, der Tochter (debütierend: Kerstin Gähte, „Die Anrheiner“) seines Bewährungshelfers, verarzten und wird anschließend von einem Herrn Liebscher (Hans Putz, „Die Halbstarken“), dem er angeblich Geld schuldet, ebenso gesucht wie von der Polizei. Mit dem Einschalten des BKAs schließt sich der Kreis zur Hausdurchsuchung im Prolog und den Zuschauerinnen und Zuschauern wird klar, dass beide Fälle zusammenhängen. Der fiese Liebscher hängt sich an Maurers Fersen, verwickelt ihn in einen Autounfall und beginnt, seine Familie zu terrorisieren – womit nun ein eigentlich völlig Unbeteiligter ins Visier der Verbrecher geraten ist.

Dieser Drehbuch-Kniff appelliert besonders stark ans Gerechtigkeitsempfinden des Krimipublikums, zumal Maurer als Spitzentyp, der für seinen Schützling Wollek alles Menschenmögliche tut, charakterisiert wird. „Zeitzünder“ arbeitet zudem mit der einen oder anderen Spannungsszene sowie Überraschungsmomenten wie einer unerwartet problemlosen Festnahme Liebschers und einem kurzen, eher unmotivierten Abstecher in Bordelle in Hamburgs Bahnhofsviertel. Schauspielerisch sticht besonders Diether Krebs als gebeutelter, bemitleidenswerter Ex-Knacki heraus. Der blonde der beiden Killer hingegen sieht – offenbar unfreiwillig – wie ein Idiot aus. Für Auflockerung sorgt wieder „Meyer 2“ (Lutz Reichert) als komödiantisch angelegte Polizistenfigur, die den Maurers in den Garten pinkelt. Brockmöller gibt hier etwas unglaubwürdig den Schwerenöter, der sich die sexy Tankwartin Petra (Gabriele Fischer, „Die Pawlaks – Eine Geschichte aus dem Ruhrgebiet“) aus Bielefeld zum Vögeln mitnimmt.

Der Epilog ergänzt den abgeschlossen geglaubten Fall um eine gelungene Sequenz, in der es wieder um Leben und Tod geht. Wenn in diesem Zuge aber suggeriert wird, Maurer hätte von vornherein bereitwillig mit der Hamburger Polizei zusammenarbeiten sollen, schließlich hätten weder Wollek noch er etwas zu befürchten gehabt, erhält dieser „Tatort“ eine Fantasy-Note – und die Figur Paul Stoever, triumphierend, lehrmeisternd und drohend, etwas reichlich Unangenehmes. Zum Abspann ertönt Mermans Lied erneut, dessen „Could It Be Me“-Refrain sich nun direkt an Maurer zu wenden scheint…

Leider erlebte Franz Boehm die Ausstrahlung dieses „Tatorts“ nicht mehr, er verstarb bereits 20. Juli 1989. R.I.P.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Komm, liebe Maid und mache

„Gnädiger Herr, für mich sind Bücher nur was zum Abstauben!“

Inspiriert von den „Wirtin von der Lahn“-Filmen des Österreichers Franz Antel produzierte der deutsche Produzent Karl Spiehs diese Erotikkomödie aus der Frühphase des deutschen Nackedeifilms (nämlich aus dem Jahre 1969). Mit der Inszenierung der frei auf den „Tolldreiste[n] Geschichten“ Honoré de Balzacs basierenden Handlung betraute er Josef Zachar, dessen einzige Regiearbeit dieser Film bleiben sollte. Ein Alternativtitel, unter dem er auch zu finden ist, lautet „Die tolldreisten Geschichten – nach Honoré de Balzac“

„Mir ist die Lust auf jegliche Art von Reiten vergangen.“

Komtess Annette (Michael May, „Heidi“), die Nichte Fabian von Weydens (Joachim Hansen, „Hunde, wollt ihr ewig leben?“), liest sich selbst laut aus Balzac vor – sehr zum Unmute ihres prüden Onkels. Doch auch dessen Geliebte Eugènie (Francy Fair, „Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald“) findet Gefallen ans Balzacs Geschichten. Zu Besuch auf dem Landsitz ist Arabella Leuwenstam (Caterina Altieri), ferner kommen Manuel da Silva (Ivan Nesbitt, „Alle Kätzchen naschen gern“) und Felicitas (Edwige Fenech, „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“) zu Pferde angeritten und komplettieren den schlüpfrigen Buchclub, der von Zofe Sophie (Angelica Ott, „Sartana“) angehalten wird, das Gelesene in die Realität zu übertragen und sich sexuellen Freizügigkeiten hinzugeben – so sehr Onkel Fabian auch anfänglich dagegen ist, verbietet er Annette doch sogar das Lesen in der Bibel, nachdem sie ihn darauf hinwies, dass auch dort Sex vorkomme…

„Herren haben selten etwas dagegen, wenn Damen zu Bett gehen!“

Auf dem Landsitz, der mehr wie ein Reiterhof wirkt (wodurch der Film zeitweise wie „Wendy“ für Erwachsene anmutet), tollen zunächst die Mädels herum, dann wird ausgeritten und nach ungefähr einer halben Stunde zeigt sich die bezaubernde Edwige Fenech in ihrem ersten deutschen Film oben ohne. Arabellas Ehemann Phileas (Walter Buschhoff, „Der Schinderhannes“) stößt hinzu und sucht seine Frau. In einer bizarren Szene wird ihm eine der Damen nackt, aber mit verdecktem Kopf präsentiert, damit er während des Beischlafs mit ihr nicht erkennt, dass sie nicht Arabella ist. Arabella wiederum ist genervt, verzweifelt und nackt und schlägt auf ihr Kissen ein. Da tröstet sie Eugènie mit Zärtlichkeiten. Felicitas regt an, dass Phileas die Damen beim Sonnenbaden vergleicht. Diese sitzen und liegen nackt im Gras, lesen und quatschen – eine ob ihrer Natürlichkeit innerhalb dieses dekadenten adligen Umfelds wohltuend erotische Szene. Als die Pferde plötzlich weglaufen, reiten die Damen nackt hinterher und werden beobachtet.

„Jedes Weibsbild will‘s haben!“

Bald wird das Weinlesefest nach uralter, „wahrscheinlich noch heidnischer Sitte“ mit einem nacktem Traubenstampfmädchen gefeiert. Felicitas räkelt sich nackt im Kornspeicher, während ein maskiertes Mädchen mit seltsamem Kopfschmuck in den Trauben tanzt – oder so ähnlich. Felicitas vernascht dort Phileas; generell brechen nun alle Dämme und alle fallen in unterschiedlichen Konstellationen lüstern übereinander her.

Dabei bleibt es jedoch verglichen mit späteren Produktionen fürs Publikum relativ züchtig und andeutungsweise, guten Gewissens als solche zu bezeichnenden Softsex-Szenen gibt es hier nicht wirklich. Vor literarischem Hintergrund geht es in diesem (Anti-)Kostüm-Lustspiel-Schwank darum, Partnertauschfantasien zu bedienen, bei denen die Literatur alsbald leider keine Rolle mehr spielt. Überhaupt wird die Handlung mit der Zeit immer beliebiger, sodass sich keine echte Dramaturgie oder ähnliches entwickelt.

Die vielen Zweideutigkeiten in den Dialogen sind zwar etwas abgeschmackt, aber auch recht amüsant. Michaela May als Annette ist echt süß, eine Vergewaltigungsverhandlung mit einer der Figuren echt beknackt und der Film unterm Strich eine ziemlich durchschnittliche Pionierarbeit.
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New Kids Turbo

„Junge!“

Mit „New Kids Turbo“ brachten die Niederländer Steffen Haars und Flip van der Kuil ihre aus rund dreiminütigen Episödchen bestehende, von 2007 bis 2012 produzierte Asi-White-Trash-Proll-Comedy-Serie „New Kids“ erstmals auf Spielfilmlänge. Wie in der Serie übernehmen sie zwei der Hauptrollen persönlich, deren Darsteller sich für die deutsche Fassung übrigens allesamt selbst deutsch synchronisierten. „New Kids Turbo“ aus dem Jahre 2010 ist eine Mischung aus Milieu- und Gesellschaftssatire sowie zotiger Prekariatskomödie.

„Du bist genau so'n kleiner Homo wie dein Vater!“

Im niederländischen Kaff Maaskantje treibt die nichtsnutzige Clique aus Richard Batsbak (Huub Smit), Gerrie van Boven (Tim Haars), Rikkert Biemans (Wesley van Gaalen), Robbie Schuurmans (Steffen Haars) und Barrie Butsers (Flip van der Kuil) ihr Unwesen: Saufen, herumprollen und ihren Mitmenschen auf die Nerven gehen. Als sie durch eine Wirtschaftskrise ihre Jobs verlieren und gezwungenermaßen zu einer Wohngemeinschaft werden, beschließen sie, zukünftig einfach nichts mehr zu bezahlen. Durch ihre Renitenz dem System gegenüber avancieren sie zu einem Medienphänomen, bis die Staatsmacht immer schwerere Geschütze gegen sie auffährt…

„Gib uns mehr Geld, Fotze!“

Die „New Kids“ sind so etwas wie die Flodders der Neuzeit: Mit ihren Trainingsanzügen, Vokuhila-Frisuren, Oberlippenbärten, ihrem grünen Opel Manta und ihrer Vorliebe für Stumpf-Dance und -Techno scheinen sie Anfang der Neunziger hängengeblieben zu sein. „Junge“, „Homo“ und „Fotze“ sind die Lieblingswörter aus ihrem beschränkten, dafür umso vulgäreren Wortschatz. Sie sind permanent am Saufen, einer von ihnen zündet ständig Böller und sie werden schnell gewalttätig, beispielsweise beim Arbeitsamt. Alles, was man ihnen gibt, machen sie kaputt, und ihr Gelaber mit breitem holländischen Akzent ist manchmal kaum zu verstehen. Sie sind strunzdoofe, primitive, dilettantische, vertrottelte und sexistische Kernasis, über die der Film sich gebührend lustig macht, indem er sie zum Mittelpunkt heillos überzeichneten, derben, dreckigen bis schwarzen Humors macht. Es wird gern sinnlos randaliert und als Running Gag ständig jemand überfahren. Dadurch, dass alle Figuren außer dieser Clique normal hochdeutsch synchronisiert sind, wirken sie in der deutschen Fassung womöglich noch zurückgebliebener als im holländischen Original.

„Ich bezahl‘ nicht mehr ab heute!“

Im Gegensatz zur Serie entwickelt der Film aber eine weitere Ebene: Dass die Clique ausgerechnet durch die mediale Berichterstattung zu Vorbildern für alle andere im ganzen Land wird, erweitert „New Kids Turbo“ um gar nicht so dumme medien- und gesellschaftssatirische Elemente. Die mit ganzen Einheiten anrückenden Bullen sind genauso dämlich wie die New Kids und erschießen sich auch schon mal gegenseitig. Zuschauer der Ausstrahlungen über die Vorgänge in Maaskantje werden in der Kneipe oder auf dem heimischen Sofa sitzend gezeigt, vieles findet nun in TV-Bild-Optik oder in Form von Nachrichtenausschnitten statt.

„Lebensgefährliche Straftäter oder Opfer der Krise? Entscheiden Sie selbst.“

Sogar dem Filmgeschäft wird noch einer mitgegeben: Auf einer plötzlich – inmitten einer wilden Schießerei mit einem SEK – stattfindenden Meta-Ebene wird der „New Kids Turbo“-Dreh wegen Geldmangels abgebrochen. Der Produzent meldet sich und die Schauspieler erzählen die Handlung zu Ende, ihrer Fantasie entsprungen – und dann doch auch bebildert, und zwar geschmacklos bis zum geht nicht mehr und überaus blutig. Schließlich findet der Produzent Geld, sodass der Film doch noch zu Ende gebracht werden kann. Dieser Kniff bleibt also ohne wirkliche Folgen für „New Kids Turbo“, erinnert selbstironisch aber an den fiktionalen Charakter des Films.

„Niemand fickt mit Maaskantje!“

Das Verteidigungsministerium greift schließlich zu drastischen Maßnahmen. Die deftigen Actionszenen im Finale sind zugleich eine Parodie auf gängige Actionfilme. Somit ist „New Kids Turbo“ ein schöner Rundumschlag, der auf dem schmalen Grat zwischen Humor bzw. Satire und selbstzweckhafter, provokanter, plumper Albernheit wandelt, diesen aber respektabel meistert, dabei gleichwohl gewöhnungsbedürftig und sicherlich nichts für jeden bleibt. Techno-DJ Paul Elstak spielt sich übrigens selbst, und der grüne Manta ist zwar irgendwann weg, aber nur ein Jahr später folgte mit „New Kids Nitro“ dennoch eine Fortsetzung…
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Silence

Ein Sumpf namens Japan

„Garupe und ich hatten keinerlei Gepäck nach Japan mitzunehmen, außer unseren Herzen.“

Nach „The Wolf of Wall Street” und seinem zusammen mit David Tedeschi realisierten Dokumentarfilm „The 50 Year Argument“ widmete sich der US-Ausnahmeregisseur Martin Scorsese einem persönlichen Herzensprojekt, das er schon lange geplant, aber immer wieder aufgeschoben hatte: Der Verfilmung des auf wahren Ereignissen vor dem Hintergrund der japanischen Christenverfolgung beruhenden Romans „Chinmoku“ aus der Feder Shūsaku Endōs, der bereits im Jahre 1971 erstverfilmt worden war. „Silence“ ist ein US-amerikanisch-taiwanesisch-mexikanisch koproduziertes Historiendrama, das von religiösen Überzeugungen und brutaler Repression handelt – und Ende 2016 in die Kinos kam.

„Die schwarze Erde Japans ist erfüllt vom Wehklagen so vieler Christen.“

Wir schreien das Jahr 1638. Die jesuitischen Pater Sebastião Rodrigues (Andrew Garfield, „The Social Network“) und Francisco Garpe (Adam Driver, „Star Wars: Das Erwachen der Macht“) reisen von Portugal nach Japan, um den verschollenen christlichen Missionar Christovão Ferreira (Liam Neeson, „The Dark Knight Rises“) ausfindig zu machen. Dieser soll abtrünnig geworden und zum Buddhismus konvertiert sein sowie eine Japanerin geehelicht haben. In Japan möchte man vom Christentum nichts mehr wissen und von Missionaren noch weniger, sodass Christen sich einer brutalen Verfolgung bis hin zu Tötungen ausgesetzt sehen. Immer mehr japanische Christen gehen daher dazu über, ihren Glauben nur noch im rein persönlichen Umfeld auszuüben. Rodrigues und Garpe stellen sich den Gefahren und verlieren nie ihr Ziel aus den Augen, ihren einstigen Mentor zu finden.

„Das rote Blut der Priester ist im Übermaß geflossen.“

Wann immer der von mir hochgeschätzte Scorsese sich religiösen Themen widmet, wird es schwierig. So konnte ich mit „Die letzte Versuchung Christi“ nichts anfangen und auch mit „Silence“ macht er es mir nicht leicht. Der auch als Off-Erzähler auftretende Rodrigues berichtet im Präteritum von seinen Erlebnissen, die das Filmpublikum präsentiert bekommt. Japanisches wird untertitelt, auf musikalische Untermalung konsequent verzichtet. Von den mitunter harschen Grausamkeiten abgesehen, gestaltet sich Rodrigues‘ Missionars- und Sinnsuche arg langatmig und das Riesenbohei, das alle Figuren hier um religiöse Hirngespinste betreiben, ist, wenn sicherlich auch historisch verbrieft, nur schwer nachzuvollziehen. Scorseses Inszenierung sieht edel und, wenn es sein muss, auch dreckig aus, ist aber hochgradig pathetisch, melodramatisch und humorlos. Für nichtreligiöse Menschen mag es da spannender sein, Farbe beim Trocknen zuzusehen.

„Die Wände der Kirchen… sind eingestürzt.“

Der ständige Wechsel zwischen deutscher Synchronisation und Untertitelungen beschert ein Plus an Realismus, strengt aber vor allem an. Über die geschichtlichen und politischen Hintergründe des Konflikts erfährt man dabei so gut wie nichts. „Silence“ ist unheimlich monoton, Tonfall und Stimmung sind stets gleichbleibend, unterbrochen von emotionalisierenden Gewaltspitzen. Trotz aller Insichgekehrtheit der Hauptfiguren wirkt der Film dadurch oberflächlicher, als er sein will (und vielleicht auch ist). Da stellt sich dann tatsächlich schon mal die Frage, weshalb man überhaupt solche Filme schaut. In diesem speziellen Falle kann ich dies nur damit beantworten, dass er von Scorsese ist.

„Überall hier ist das Böse zu finden.“

Interessanter wird Scorseses eigentümliches Herzensprojekt erst im letzten Drittel, wenn der so lange gesuchte Ferreira als erster Mensch des Films vernünftig Klingendes absondert und Rodrigues davon überzeugt, dem Christentum abzuschwören. „Silence“ wird endlich zu einem Plädoyer gegen kirchliche Prüfungsspinnerei, sagt in etwa so viel aus wie „sei von mir aus religiös, aber gehe niemandem damit auf die Nerven“ (was ich ausdrücklich unterschreibe), und schließt mit einem versöhnlichen Epilog. Eingedenk dessen, was die Kirche so alles angerichtet hat, war die Abschottungspolitik (wohlgemerkt nicht die brutale Verfolgung!) der Japaner zudem vielleicht ganz schlau.

Unter Verzicht auf Scorcese-Stammschauspieler und mit rund 160 Minuten Laufzeit die Geduld seines Publikums überstrapazierend, holt „Silence“ verdammt weit aus, um letztlich auf seine relativ einfache Formel zu kommen und sich gegen Missionierungen auszusprechen. So lobenswert die Aussage auch ist: Da bin ich ganz eindeutig nicht die Zielgruppe.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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