
War der erste BLACK EMANUELLE-Film mit Laura Gemser noch in erster Linie der Softerotik verpflichtet, kamen bereits im zweiten Teil zunehmend düstere Untertöne hinzu. Im dritten Teil der Serie, STUNDEN WILDER LUST oder auch EMANUELLE IN AMERIKA, übernahm das Dunkle und Brutale bereits die Oberhand über die Handlung, es gab aber auch jeden Fall noch eine erkleckliche Menge an erotischen Momenten, die sich mit der Gewaltdarstellung so in etwa die Waage hielten, und damit für einen wahrlich verstörenden Film sorgen konnten.
Im vierten Teil nun, ALLE LÜSTE DIESER WELT, wird ausgerechnet bei einem BLACK EMANUELLE-Film die Erotik in den Hintergrund gedrängt. Emanuelle jettet in zunehmend hektischerem Tempo um die Welt, und kommt dabei einem international agierenden Mädchenhändlerring auf die Spur. Von San Francisco geht es nach New York, nach Indien, Rom, Hongkong, Macao und Teheran, bis am Ende die Spur nach Washington führt. Wer EMANUELLE IN AMERIKA bereits kennt, der kennt dann dummerweise auch diese „Überraschung“. Dabei hoppelt Laura Gemser dieses Mal mitnichten durch alle verfügbaren Betten, vielmehr engagiert sie sich mit vollem Einsatz (und das ist nicht ironisch gemeint) bei der Recherche zu den Gangstern, und bringt sich dabei mehr als einmal in echte Lebensgefahr. Ihrer Freundin und Kollegin Cora Newman (Karin Schubert) wird übelst mitgespielt, sie selber muss grausame Misshandlungen junger Mädchen mitansehen, und wird am Ende ebenfalls vergewaltigt und gedemütigt. Nein, mit Erotik hat dieser Film nur noch am Rande zu tun, außer man ist de Sade-Fan. Aber gerade die, in der deutschen Version geschnittenen, Szenen mit den Tieren und den Mädchen sind auch heute noch ganz hartes Kaliber, und lassen den Zuschauer tatsächlich ziemlich konsterniert zurück.
Gleichzeitig wird die Demontage des Leitbildes Mann sehr ernsthaft vorangetrieben: Emanuelle und ein ganz jungscher Typ stecken in einem engen Schrank, beobachten zwei reife Frauen beim Liebesspiel, und Emanuelle nimmt sich von dem Halbwüchsigen das was sie will, nicht so wie er sich das eigentlich vorgestellt hat. Auch ein wundervoller Moment: George Eastman als Liebesguru in Indien: Mehr als zwei Meter braune Haut, massiger und gutaussehender Körper, volle Haare, Kajal an den Augen, (sexuelles) Selbstbewusstsein bis zum Platzen – Und ein vorzeitiger Samenerguss …
Überhaupt sind bis auf zwei alle Männer zumindest Schlappschwänze, auf jeden Fall aber richtig miese Schweine, die ihre Stellung in der Welt nur darauf begründen, dass sie Frauen Schmerzen zufügen. Eine Aussage, die sich durch den gesamten Film zieht, und mit den sehr starken Frauenfiguren Emanuelle und Cora Newman auf das Schärfste kontrastiert. Regisseur Joe D’Amato hat selber eine kleine Rolle als Handlanger der Mädchenhändler, und macht hier als Charakter ebenfalls keine gute Figur (als Schauspieler aber durchaus!). Im Vorgängerfolgefilm war diese Aussage bereits ausformuliert, und auch dort gab es diese bestimmte Ausnahme - In ALLE LÜSTE DIESER WELT sind es der UNO-Sonderbeauftragte Jeff Davis und sein Leibwächter, die als Alibi gerade noch ein gutes Haar an der Männerwelt lassen. Bezeichnenderweise bleiben beide Figuren immer hochgeschlossen, ziehen sich nie aus, und denken vielleicht an Sex, haben ihn aber nie. Was unter Umständen die Frage aufwerfen könnte nach dem feministischen Gedankengut des Onkel Joe. Unter Berücksichtigung seines filmischen Spätwerkes …
Prinzipiell bewegt sich ALLE LÜSTE DIESER WELT eigentlich eher in Richtung eines Thrillers, allerdings mit einer nur relativ rudimentären Kriminalhandlung, dafür aber mit schönen Bildern der Großstädte dieser Welt sowie einigen wenigen sexuell aufgeladenen Szenen. Mein persönlicher Favorit ist der Moment, wo Laura Gemser und Karin Schubert sich erst gegenseitig einseifen, um dann dem Emir von Teheran ihren Dank zu bezeugen. Aber wie gesagt sind diese Momente deutlich in der Minderzahl, was dann zu einem sehr zwiespältigen Eindruck führt: Als Krimi nur bedingt funktionierend und als Erotikfilm gar nicht, stellt sich die Frage, wo der Film denn eigentlich hin möchte? EMANUELLE IN AMERIKA positioniert sich in beiden Punkten viel stärker, und hat auch eine entsprechend stärkere Wirkung. Aber ALLE LÜSTE DIESER WELT ist leider etwas sehr unentschieden und weiß offensichtlich nicht so recht was er will, was dann am Ende zu einem gewissen unbefriedigenden Gefühl führt. Schade, der schwächste Teil dieser Reihe.