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Blutige Hochzeit (1973).jpg (73.13 KiB) 292 mal betrachtet
Originaltitel: Les noces rouges
Herstellungsland: Frankreich / Italien (1973)
Regie: Claude Chabrol
Darsteller(innen): Michel Piccoli, Stéphane Audran, Clotilde Joano, Eliana De Santis, Daniel Lecourtois, Ermanno Casanova, Pippo Merisi, François Robert, Claude Piéplu, Henri Berger, Maurice Fourré, Philippe Fourré, Gilbert Servien u. A.
Eine kleine Stadt in der französischen Provinz: Der Spießbürgertum verbietet jegliche unkonventionellen Risse in ihrer scheinheiligen Fassade. Und deswegen kann der Stadtrat Pierre auch seine Liebe zu einer verheirateten Frau nicht ausleben. Erst Recht nicht wenn der Gatte auch noch der Bürgermeister ist. Doch auch des Bürgermeisters Weib hegt Gefühle für Pierre, und so wird der Ehemann einfach gemeuchelt...
„Es wird alles furchtbar kompliziert werden…“ – „Ja, ganz furchtbar…“
Der französische Drehbuchautor und Regisseur Claude Chabrol („Der Halunke“) griff Anfang der 1970er den realen französischen Kriminalfall der „teuflischen Liebhaber von Bourganeuf“ auf, um daraus sein im Herbst 1972 gedrehtes Drama „Blutige Hochzeit“ zu stricken. Damit erregte der italienisch koproduzierte Film einiges Aufsehen; aufgrund der Thematisierung von Korruption in der Politik musste die Aufführung auf die Zeit nach dem Parlamentswahlen im Jahre 1973 verschoben werden.
„Je näher der Winter kommt, umso länger werden auch die Nächte sein.“
Lucienne Delamare (Stéphane Audran, „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“) sieht sich in einer höchst unbefriedigenden Ehe mit Paul (Claude Piéplu, „Eine Wolke zwischen den Zähnen“), dem Bürgermeister einer französischen Kleinstadt, gefangen. Für ihn scheint es nur noch die Politik zu geben, die Bedürfnisse seiner Frau scheinen ihn nicht zu interessieren. Sie geht eine Affäre mit dem ebenfalls unglücklichen verheirateten Pierre Maury (Michel Piccoli, „Themroc“) ein, dessen Frau Clotilde (Clotilde Joano, „Z“) an Depressionen leidet und jede Lebenslust verloren hat. Lucienne und Pierre treffen sich heimlich, um ihre Leidenschaft auszuleben. Besonders pikant wird es, als Paul nichtsahnend Pierre zum stellvertretenden Bürgermeister ernennt. Eines Tages entledigt sich Pierre seiner Frau, indem er sie vergiftet und es wie einen Suizid aussehen lässt. Als Paul hinter die Affäre kommt, ist auch er seines Lebens nicht mehr sicher…
Eine Texttafel mit Zitaten aus der griechischen Tragödie „Eumeniden“ stimmt auf den Film ein, der mit hübschen Dorf- und Landschaftsaufnahmen eine Idylle erzeugt, die eigentlich keine ist. Früh installiert Chabrol eine ausgedehnte Rückblende zum Kennenlernen Luciennes und Pierres und dem Verlauf ihrer Beziehung. Die eher gedrückte Stimmung wird aufgelockert, als während einer Ratssitzung zur Sprache kommt, dass irgendjemand ins Museumschloss einsteige. Natürlich handelte es sich dabei um Lucienne und Pierre, um sich dort miteinander zu vergnügen. Pierre partizipiert an dieser Ratssitzung und muss ganz überrascht tun. Jeglicher schelmische Witz weicht jedoch aus diesem Stoff, als Pierre seine lebensmüde Frau umbringt. Ihren Tod zeigt Chabrol nicht, man erfährt davon nur über den Dialog.
Luciennes gescheite Tochter (Eliana De Santis, „Der Mönch und die Frauen“) ahnt etwas, zur größeren Gefahr für die beiden wird jedoch Paul, der nun als typisch „konservativer“ korrupter Politiker charakterisiert wird, der ausgerechnet Pierre ein krummes Geschäft anbietet. Als Paul hinter die Affäre kommt, gibt Lucienne provokativ offen alles zu und steht zu Pierre. Nach einer seltsamen, selbstgerechten „Aussprache“, die Paul anberaumt hatte, geht es nach über zwei Dritteln Laufzeit auch ihm an den Kragen. Das kann man ruhig schreiben, ohne dabei zu spoilern, denn „Blutige Hochzeit“ ist kein Krimi oder gar Thriller. Im Vordergrund steht die von vornherein unter keinem guten Stern stehende Affäre, die mörderische Ausmaße annimmt – und dies in eher verhaltenem Erzähltempo sehr geradlinig und vorhersehbar, ohne Wendung oder doppelten Boden.
Dadurch fehlt es Chabrols Film am Thrill, den der Stoff eigentlich hergegeben hätte. Immerhin wird der zweite Mord in allen Einzelheiten gezeigt und stellt damit die Klimax des Films dar. Auf Erotikszenen oder ähnliches verzichtete Chabrol hingegen ganz. Der Unsympath des Films ist eigentlich Paul, vermutlich wollte Chabrol damit der verkommenen rechtskonservativen Politkaste Frankreichs einen mitgeben. Aber war es wirklich beabsichtigt, auch Lucienne und Pierre derart unsympathisch, kaltschnäuzig und egoistisch zu zeichnen? Dadurch mangelt es der Zuschauerschaft an emotionalen Anknüpfmöglichkeiten. Das Ende stellt dann die richtigen Fragen, die aber unbeantwortet bleiben.
„Blutige Hochzeit“ ist beileibe kein schlechter Film. Er ist in sich durchaus stimmig, zweifelsohne stark besetzt und hat seine starken Momente. Er wirkt aber, als habe Chabrol weniger Interesse an seinen Figuren gehabt als vielmehr daran, parabelhaft etwas über das damalige Frankreich zu erzählen – und darüber die eigentliche Geschichte etwas vernachlässigt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
buxtebrawler hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 17:37
„Blutige Hochzeit“ ist beileibe kein schlechter Film. Er ist in sich durchaus stimmig, zweifelsohne stark besetzt und hat seine starken Momente. Er wirkt aber, als habe Chabrol weniger Interesse an seinen Figuren gehabt als vielmehr daran, parabelhaft etwas über das damalige Frankreich zu erzählen – und darüber die eigentliche Geschichte etwas vernachlässigt.
Bei mir kam der ein klein wenig besser weg, aber ich bin auch bekennender Stéphane Audran-Fanatiker. "... ein gut funktionierender Mix aus Drama und Krimi ..." konstatierte ich damals. Es ist halt, wie eigentlich immer bei Chabrol, dieser bohrende Finger in der offenen Wunde genannt Bourgeoisie. Die Geschichte muss gegenüber dem Hohn einfach zurückstehen. Ist mir vor kurzem bei BLUTSVERWANDTE erst wieder aufgefallen, dass Chabrol die beißende Kritik über die Narration ging. Aber wenn man das weiß kann man die Filme auch entsprechend genießen.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Maulwurf hat geschrieben: ↑Di 1. Aug 2023, 21:34
Bei mir kam der ein klein wenig besser weg, aber ich bin auch bekennender Stéphane Audran-Fanatiker. "... ein gut funktionierender Mix aus Drama und Krimi ..." konstatierte ich damals. Es ist halt, wie eigentlich immer bei Chabrol, dieser bohrende Finger in der offenen Wunde genannt Bourgeoisie. Die Geschichte muss gegenüber dem Hohn einfach zurückstehen. Ist mir vor kurzem bei BLUTSVERWANDTE erst wieder aufgefallen, dass Chabrol die beißende Kritik über die Narration ging. Aber wenn man das weiß kann man die Filme auch entsprechend genießen.
Ich kenne bisher kaum etwas von Chabrol, "Nada" aber bspw. fand ich toll. Was sich mir hier nicht ganz erschlossen hat: Sollen Lucienne und Pierre ebenfalls Teil der verachtenswerten Bourgeoisie sein oder nicht? Lucienne wird ja als eine Frau aus einfachen Verhältnissen charakterisiert, die zudem früh schwanger wurde und es nie leicht hatte, bis sie in die Bourgeoisie hineinheiratete. Und Pierre soll anscheinend ein Linker sein. Beide taugen aber überhaupt nicht als Sympathieträger. Beabsichtigt oder nicht?
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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Hui, jetzt machst Du es mir schwer. Immerhin ist die Sichtung von BLUTIGE HOCHZEIT ziemlich genau 4 Jahre her. Aber ich würde jetzt mal behaupten, dass Chabrol auch auf eine politische Haltung oder eine soziale Herkunft keinerlei Rücksicht genommen hat. Wer sich Mühe gibt, um in das Bürgertum hineinzukommen, der wird, wenn er es geschafft hat, genauso korrumpiert und gelangweilt wie diejenigen, die diesen Status per Geburt erlangt haben. Chabrol, der laut Wikipedia bekennender Kommunist war, konnte diese satten und selbstzufriedenen Spießer nicht ausstehen, so ist meine Theorie, und da ist es gleich, ob man Spießer wird per Abstammung oder per Anstrengung.
Oder anders ausgedrückt: Auch ein stellvertretender Bürgermeister kann, wenn er erstmal im Amt angekommen ist, sowieso von allen seinen Idealen sofort Abstand nehmen. Das Amt korrumpiert per Definition, und den an ihn herangetragenen Versuchungen wird er in jedem Fall erliegen, gleich welche politische Ausrichtung er auf seinem Fähnchen vor sich herschwenkt. Leider ist dies ja nun der traurige Alltag, den wir alle jeden Tag immer wieder erleben müssen. Die Bosheit Chabrols trifft da auf keinen Fall die Falschen ...
Das gleiche gilt für Lucienne, um wieder auf den Film zurückzukommen. Wenn sie aus einfacheren Verhältnissen kommt, ist der Eintritt in die Bourgeoisie für sie natürlich erstrebenswert (für wen nicht?). Dort angekommen geht es für sie nur noch darum, den erkämpften Platz an der Sonne auch zu halten. Ein erneuter Abstieg in Richtung Herkunft ist keine Option. Dass das Leben dort oben einfach nur langweilig ist, dass merkt Lucienne dann auch irgendwann, also muss eine Abwechslung her: Pierre. Und auch und gerade dann muss der Status mit Zähnen und Klauen verteidigt werden. Ganz ehrlich: Würden wir das nicht genauso machen? Eben ...
Ältere Besprechungen: Gerne, aber im Moment bin ich mit den neueren noch ganz gut versorgt. Keine Angst, so schnell geht mir der Stoff nicht aus. Und seit heute darf ich in der OFDB auch endlich Inhaltsangaben schreiben ...
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Danke für deine Antwort, Maulwurf, die mir bei der Reflektion hilft. Sollte das tatsächlich Chabrols Ansinnen gewesen sein, hätte er aber meines Erachtens wirklich besser lösen können. Zumindest für meinen Geschmack.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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