Die Hölle von Henri-Georges Clouzot - Serge Bromberg / Ruxandra Medrea (2009) [Doku]

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buxtebrawler
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Re: Die Hölle von Henri-Georges Clouzot - Serge Bromberg / Ruxandra Medrea (2009) [Doku]

Beitrag von buxtebrawler »

„Jetzt war alles schon ein bisschen Hollywood!“

Der französische Ausnahmeregisseur Henri-Georges Clouzot („Die Teuflischen“) konnte sein vielleicht größtes Meisterwerk nie fertigstellen: Für sein visionäres Eifersuchtsdrama „L’enfer“ hatte er im Jahre 1964 ein unbegrenztes Budget zur Verfügung gestellt bekommen, doch war es am Set zu Unstimmigkeiten gekommen. Als er dann auch noch einen Herzinfarkt erlitt, war das ehrgeizige Projekt gestorben. Als der französische Filmhistoriker und Dokumentarfilmer Serge Bromberg („Chaplin Heute – Lichter der Großstadt“) Jahrzehnte später zufällig Clouzots zweite Ehefrau Inès de Gonzalez traf, gelangte er durch sie an zahlreiche Filmrollen des unvollendeten Projekts und entwickelte zusammen mit Ruxandra Medrea aus dem Material sowie aktuellen Interviews mit damals Beteiligten sowohl einen Dokumentarfilm über die damaligen Dreharbeiten als auch den Versuch einer Rekonstruktion des Films. „Die Hölle von Henri-Georges Clouzot“, so der deutsche Titel des Ergebnisses („L’enfer“ = „Die Hölle“), wurde im Jahre 2009 veröffentlicht.

„Man darf nicht vergessen, dass Clouzot schon damals etwas sonderbar war…“

Bromberg führt als Off-Erzählinstanz durch diesen Film, für den er die damals mitwirkende Schauspielerin Catherine Allégret, Regieassistent Costa-Gavras (!), Komponist Gilbert Amy, Toningenieur Jean-Louis Ducarme, Szenenbildassistent Jacques Douy, Kameraassistent William Lubtchansky und weitere Beteiligte als Interviewpartnerin und -partner gewinnen konnte. Clouzot taucht in Form von Archivmaterial auf, das Bromberg um zahlreiche erhaltene Ausschnitte gedrehter Szenen, Probeaufnahmen u.a. mit Hauptdarstellerin Romy Schneider und Hauptdarsteller Serge Reggiani sowie Bewegtbilder von Clouzots experimentellen Farbtests und sogar Storyboards ergänzt.

So erfährt man vom Konzept des Films, der klassische Schwarzweiß-Fotografie mit einer bizarren, surrealistischen Farb- und Bilddramaturgie kombinieren sollte, um die Eifersuchtsparanoia der männlichen Hauptrolle zu visualisieren. Und, verdammt – diese Bilder sehen wirklich vielversprechend aus und wirken auch aus heutiger Sicht keinesfalls altbacken. Während Bromberg und Medrea dazu übergehen, das Material aneinanderzumontieren und die erzählerischen Lücken gemäß Clouzots Drehbuch mit mit Bérénice Bejo und Jacques Gamblin nachgedrehten Szenen zu füllen, plaudern die Interviewten über das damalige Ensemble und die Rollenverteilung, darüber, wie sich Clouzot anscheinend mit mehreren Drehteams verzettelte, mit seinen Überambitionen zunehmend unbeliebt machte und sich mit Reggiani überwarf, mit dem er ohnehin nicht harmoniert habe und der schließlich krankheitsbedingt ausfiel – wie am Ende auch Clouzot selbst.

Die von Clouzot gedrehten Aufnahmen sind atemberaubend, und wie sexy er Romy Schneider und Catherine Allégret in Szene zu setzen verstand, ist faszinierend. Schwer vorstellbar, dass Claude Chabrol mit seiner 1994 vollzogenen Verfilmung des Drehbuchs dazu aufschließen konnte. Dieser Dokumentarfilm ist aber auch desillusionierend in Hinblick auf die Bedeutung eines Produzenten bzw. einer Art Kontrollinstanz, der es offenbar bedurft hätte, um Clouzots Genie in Bahnen zu lenken, die zu einer Fertigstellung des Films führen. Grenzenlose künstlerische Freiheit scheint sich ansonsten eben doch schon mal in Übereifer und kontraproduktivem Perfektionismus zu verlieren.

Bei allem Respekt gegenüber Brombergs restauratorischer Arbeit: Vielleicht hätte aber auch er seine eigenen Ambitionen besser ein wenig gedrosselt und nicht eine Filmrekonstruktion mit einer gleichberechtigten Dokumentation gepaart, sondern beides getrennt voneinander behandelt. In Clouzots intendierte Handlung und Stimmung eintauchen lässt sich auf diese Weise jedenfalls nicht so recht, sie bleiben trotz der mit einfachen Mitteln (und damit arg kontrastierend) nachgedrehten Füllszenen fragmentarisch. Texttafeln informieren am Schluss knapp darüber, wie es mit Clouzot nach dem „L’enfer“-Desaster weiterging. Unabhängig von meiner Kritik ist „Die Hölle von Henri-Georges Clouzot“ ein wertvolles Dokument über einen aller Wahrscheinlichkeit nach verhinderten Klassiker, der nicht hat sein sollen. Und das ist viel, viel besser als gar nichts, daher nicht nur für Clouzot-Fans interessant!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Die Hölle von Henri-Georges Clouzot - Serge Bromberg / Ruxandra Medrea (2009) [Doku]

Beitrag von CamperVan.Helsing »

buxtebrawler hat geschrieben: Mi 6. Mär 2024, 17:43
So erfährt man vom Konzept des Films, der klassische Schwarzweiß-Fotografie mit einer bizarren, surrealistischen Farb- und Bilddramaturgie kombinieren sollte, um die Eifersuchtsparanoia der männlichen Hauptrolle zu visualisieren. Und, verdammt – diese Bilder sehen wirklich vielversprechend aus und wirken auch aus heutiger Sicht keinesfalls altbacken. Während Bromberg und Medrea dazu übergehen, das Material aneinanderzumontieren und die erzählerischen Lücken gemäß Clouzots Drehbuch mit mit Bérénice Bejo und Jacques Gamblin nachgedrehten Szenen zu füllen, plaudern die Interviewten über das damalige Ensemble und die Rollenverteilung, darüber, wie sich Clouzot anscheinend mit mehreren Drehteams verzettelte, mit seinen Überambitionen zunehmend unbeliebt machte und sich mit Reggiani überwarf, mit dem er ohnehin nicht harmoniert habe und der schließlich krankheitsbedingt ausfiel – wie am Ende auch Clouzot selbst.

Die von Clouzot gedrehten Aufnahmen sind atemberaubend, und wie sexy er Romy Schneider und Catherine Allégret in Szene zu setzen verstand, ist faszinierend.
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Unabhängig von meiner Kritik ist „Die Hölle von Henri-Georges Clouzot“ ein wertvolles Dokument über einen aller Wahrscheinlichkeit nach verhinderten Klassiker, der nicht hat sein sollen.


Ich stimme ja durchaus zu, was die Farbgestaltung angeht, die wirklich beeindruckend war. Aber beim Schauen der Doku hatte ich dann doch immer wieder den Eindruck, dass Clouzots Vorstellungen als Film für den Zuschauer wohl weitgehend unzugänglich gewesen wären. Vielleicht wäre da mehr Substance statt Style sinnvoller gewesen. (Wobei ich Chabrols Verfilmung nicht kenne)
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Re: Die Hölle von Henri-Georges Clouzot - Serge Bromberg / Ruxandra Medrea (2009) [Doku]

Beitrag von buxtebrawler »

CamperVan.Helsing hat geschrieben: Mi 6. Mär 2024, 22:14 Ich stimme ja durchaus zu, was die Farbgestaltung angeht, die wirklich beeindruckend war. Aber beim Schauen der Doku hatte ich dann doch immer wieder den Eindruck, dass Clouzots Vorstellungen als Film für den Zuschauer wohl weitgehend unzugänglich gewesen wären. Vielleicht wäre da mehr Substance statt Style sinnvoller gewesen. (Wobei ich Chabrols Verfilmung nicht kenne)
Ist natürlich schwer zu sagen, ohne eine finale, vollständige Schnittfassung zu kennen.
Chabrols Verfilmung habe ich ebenfalls noch nicht gesehen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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