Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 31.01.2020 bei Camera Obscura noch einmal als Blu-ray/DVD-Kombination in verschiedenen Mediabooks:

Bild
Cover A, limitiert auf 222 Exemplare

Bild
Cover B, limitiert auf 222 Exemplare

Extras:
- Begrüßung durch Schauspieler Helmut Berger vor dem Discmenü
- Italienischer Trailer
- Englischer Trailer
- Fotogalerie
- Buchteil mit Text von Pelle Felsch

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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fritzcarraldo
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von fritzcarraldo »

"Wir haben das Beste daraus gemacht." (Helmut Berger)
BLUTSPUR IM PARK
(Una Farfalla con le ali insanguinate) (Italien 1971)
Regie: Duccio Tessari.
Mit Carole Andre, Helmut Berger.

Bergamo. Im Park wird eine Frauenleiche gefunden. In Verdacht gerät der berühmte Fernsehmoderator Alessandro Marchi.
Alle Indizien weisen auf Marchi hin und auch sein Privat- bzw. Familienleben wird heftigst seziert. Aber wer ist denn nun der Mörder ?

Schöner eher ruhiger Giallo von Duccio Tessari. Kein Film, der die grobe Giallo-Kelle schwingt, sondern eher das ruhige Krimi-Besteck aus der Kommode räumt. Das dekorative Bergamo, der ansprechende Score von Gianni Ferrio exklusive Tschaikowski runden alles ab.
Die Veröffentlichung von Camera Obscura spielt ganz oben mit und ist natürlich eine dicke Empfehlung.
Und was lernt man aus so einem Film? Richtig:
28 % aller italienischen Autos sind mit Sitzfellbezügen bestückt.
"Das Leben ist noch verrückter als Scheiße!" (Joe Minaldi -Burt Young- Es war einmal in Amerika)

"J&B straight and a Corona!"
(Patrick Bateman, American Psycho)

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Onkel Joe
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von Onkel Joe »

fritzcarraldo hat geschrieben: So 21. Mär 2021, 13:09
Schöner eher ruhiger Giallo von Duccio Tessari. Kein Film, der die grobe Giallo-Kelle schwingt, sondern eher das ruhige Krimi-Besteck aus der Kommode räumt.
Und was lernt man aus so einem Film? Richtig:
28 % aller italienischen Autos sind mit Sitzfellbezügen bestückt.
So sehe ich das auch, der ist schon sehr ruhig und handzahm, alles auf Handbremse. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los das Tessari nicht ganz bei der Sache gewesen ist. Da bleibt zu viel auf der Strecke und mit dem Cast hätte mehr machbar sein müssen.
Die CO Scheibe ist toll, Empfehlung!
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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fritzcarraldo
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von fritzcarraldo »

Onkel Joe hat geschrieben: So 21. Mär 2021, 14:28
fritzcarraldo hat geschrieben: So 21. Mär 2021, 13:09
Schöner eher ruhiger Giallo von Duccio Tessari. Kein Film, der die grobe Giallo-Kelle schwingt, sondern eher das ruhige Krimi-Besteck aus der Kommode räumt.
Und was lernt man aus so einem Film? Richtig:
28 % aller italienischen Autos sind mit Sitzfellbezügen bestückt.
So sehe ich das auch, der ist schon sehr ruhig und handzahm, alles auf Handbremse. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los das Tessari nicht ganz bei der Sache gewesen ist. Da bleibt zu viel auf der Strecke und mit dem Cast hätte mehr machbar sein müssen.
Die CO Scheibe ist toll, Empfehlung!
Wahrscheinlich meinte das der Helmut, als er in seiner Videobotschaft auf der CO Disc sagt, dass der Regisseur zwar ein guter sei, aber hier etwas "neben sich stand". Aber die Schauspieler hätten es dann schon gut hinbekommen.....
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Maulwurf
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von Maulwurf »

Wieso fällt mir in letzter Zeit ausgerechnet zu den italienischen Filmen immer so wenig ein? Wo sind die Worte hin? BLUTSPUR IM PARK zum Beispiel: Ein hochmoderner Thriller, ein spannender Krimi mit erstklassigen Schauspielern und tollen Settings, der mich ab der ersten Minute durch seine Atemlosigkeit und das hohe Tempo mitgerissen hat. OK, zum Ende hin ist er etwas abgefallen, aber der größte Teil des Films war spannend, druckvoll, dramatisch, interessant … Bloß fällt mir nichts ein, was ich dazu schreiben könnte, um das adäquat darzustellen. So könnte ich zum Beispiel beschreiben, dass die erste Stunde in dieser Kombination aus Schnitt, Narration, Musik und Atmosphäre einer der aufregendsten Gialli ist den ich je gesehen habe. Denn weit ab von jedweden vermeintlichen Standardzutaten wie schwarzen Handschuhen und aufgeschlitzten nackten Frauen zieht BLUTSPUR IM PARK sein ganz eigenes Ding durch, kreiert Duccio Tessari eine vollkommen andere Filmsprache als es Regisseure wie Sergio Martino oder Dario Argento zu dieser Zeit vormachten. Genauso wie in DAS GRAUEN KAM AUS DEM NEBEL, ein Jahr vorher entstanden, erschafft der Regisseur einen gewaltigen Gegenentwurf zu DER MÖRDER VON WIEN oder DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE, baut er sich eine Thrillerwelt, die viel näher an der Realität liegt wie die der Kollegen, und schafft dabei auch noch das Kunststück, in Punkto Spannung und Atmosphäre diese locker zu überflügeln. Aber weil das nicht so stylisch war wie die genannten, und weil Tessari immer als Handwerker galt und nie als Stilikone, deswegen ist BLUTSPUR IM PARK heute so unbekannt. Schade, der Film kann bedeutend mehr als die meisten seiner zeitgenössischen Kollegen. Und mir fällt immer noch nichts ein …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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sid.vicious
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von sid.vicious »

Der Film kann tatsächlich einiges und Felsch hat einen wirklich tollen Booklettext verfasst.
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Maulwurf
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Re: Blutspur im Park - Duccio Tessari (1971)

Beitrag von Maulwurf »

 
Blutspur im Park
Una farfalla con le ali insanguinate
Italien 1971
Regie: Duccio Tessari
Carole André, Helmut Berger, Lorella De Luca, Wendy D'Olive, Evelyn Stewart, Dana Ghia, Giancarlo Sbragia, Günther Stoll, Silvano Tranquilli, Duccio Tessari, Wolfgang Preiss, Peter Shepherd


Blutspur im Park.jpg
Blutspur im Park.jpg (42.67 KiB) 275 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Prisma)

Im Park wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Der Sportjournalist Alessandro Marchi gerät in Verdacht, und anhand einer ganzen Latte von Indizien wird seine Schuld schnell „bewiesen“ und Marchi kommt ins Gefängnis. Doch während er sitzt geschehen wieder Morde an jungen Mädchen, wieder mit dem gleichen Messer. Inspektor Berardi muss zugeben, dass mit Marchi wohl der falsche verhaftet wurde. Doch wer ist der richtige Mörder?

So wenig Inhaltsangabe, so wenig scheinbar verzwickte Handlung, und doch so ein vielschichtiger und randvoller Film. Ein Film, der die typische Form der Thriller der 70er-Jahre mit seiner Sprunghaftigkeit und nonlinearen Erzählweise vorwegnimmt. Der in vielen Einstellungen und Spannungsbögen so typisch amerikanisch scheint, und dabei doch grundlegend in der italienischen Gesellschaft eingebettet ist. BLUTSPUR IM PARK ist mehr als nur ein Giallo unter vielen. BLUTSPUR IM PARK bietet, cineastisch gesehen, das ganz große Panorama. Ich weiß schon, warum ich die Filme von Duccio Tessari, den viele als schlichten Handwerker ansehen, so gerne mag. Und ich weiß auch, warum ich seine Filme in den meisten Fällen Filmen von, zum Beispiel, Mario Bava vorziehe. Anders als Bava, der so oft künstlerisch unterwegs war (und dies auch in jeder Hinsicht überragend), setzte Tessari seine Kunst in den Kontext der Geschichte. Tessaris Regieeinfälle waren nie Kunst um der Kunst willen, sondern brachten immer die Geschichte voran, oder erzeugten Stimmungen und wiesen geschickt auf Erzählebenen hin, die dem Zuschauer sonst unter Umständen verborgen geblieben wären.

Bei BLUTSPUR IM PARK geht das schon mit dem Schnitt los, der direkt in die eigentliche Erzählung mündet. Gerade zu Beginn wird der Zuschauer in einen Wirbelwind einzelner Bildern und Steinchen geworfen. Ein Mosaik von Informationen prasselt auf den Zuschauer ein, und nur allmählich lichtet sich das Bild und macht einer zügig erzählten Mordstory Platz – Es gibt einen Mord, der aus verschiedenen Sichten erzählt wird, jeder Zeuge sieht seine eigene Version des Geschehens, und im narrativen Schweinsgalopp setzen sich die einzelnen Bruchstücke zusammen – Und der Zuschauer wird dazu angehalten mitzudenken und aufmerksam zu sein, sonst gehen ihm möglicherweise wesentliche Informationen verloren. Der Inspektor dröselt den Fall auf, und dass zu diesem Zeitpunkt bereits einiges an Zeit vergangen ist, das wird auf dieser Seite des Fernsehschirms kaum bemerkt. Zu schnell springt die Handlung in Sieben-Meilen-Stiefeln voran, zu zügig entfaltet sich das Bild des Films und füllt sich der Spannungsbogen mit Leben und Tod. Erinnerungen an Filme wie den einige Jahre später entstandenen ZEUGE EINER VERSCHWÖRUNG werden wach – Der Zuschauer sieht sich gezwungen, die Leerstellen zwischen den Schnitten mit eigenen Gedanken zu füllen, die Aufgabe des Regisseurs ist es, „nur“ dafür zu sorgen, dass der Zuschauer auch das Richtige denkt. Nicht immer muss alles ausformuliert oder gar gezeigt werden, wenn es auch schlicht angedeutet werden kann. Ein Vorgehen, das im Allgemeinen für sehr starke Bilder im Kopf des Zuschauers sorgt …

Dazu der bewusste Verzicht, die damals gängigen Topoi des Giallo zu kopieren. Vergeblich wartet der Zuschauer auf schwarze Handschuhe, phallisch aufgeschlitzte Frauen und nackte Schönheiten. Stattdessen hat es eine kühl durchkomponierte Bildsprache, die Morde finden mehr oder weniger im Off statt und haben kaum Schauwerte, und Nuditäten sind gleich ganz selten. Genauso wie ein Jahr zuvor in DAS GRAUEN KAM AUS DEM NEBEL setzt Tessari auch hier statt auf die erwarteten Schemata lieber auf die Leistungsfähigkeit seiner Schauspieler und die Aussagefähigkeit seiner Geschichte – Und gewinnt auf ganzer Linie.

BLUTSPUR IM PARK ist ein teilweise geradezu kühler und teuflisch-genialer kleiner Krimi, der mit seiner Raffinesse wieder einmal beweist, dass a) im Giallo nichts unmöglich war und b) Duccio Tessari vielen seiner Kollegen weit voraus war, vor allem in Bezug auf die Kunst der Narration. Wie er seine Figuren anordnet, wie er die verschiedenen Blickwinkel auf den Mord miteinander verzahnt, und damit dem Zuschauer immer neue Informationen zuführt und ihn gleichzeitig aufs Glatteis führt, wie der Betrachter im Unklaren darüber gelassen wird, welche Informationen stimmen und welche falsch sind, ohne dabei aber einen artifiziellen Eindruck zu machen, sondern immer hochgradig spannend und unterhaltend … Gerade wegen des einfach gehaltenen Grundgerüsts der Handlung kann sich der Zuschauer auf das Drama konzentrieren, das ganz ohne technischen Schnickschnack und nur durch die Art der Erzählung wie ein Uhrwerk abläuft, und ihn unnachgiebig in eine böse und schmutzige Geschichte hineinzieht. RASHOMON als moderner Krimi – Ausgesprochen gelungen!

8/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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