Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Grusel & Gothic, Kannibalen, Zombies & Gore

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Maulwurf
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von Maulwurf »

Angenehm ruhiger Horror mit eindringlichen Bildern und einer starken Symbolsprache. Die Schauspieler sind sehr hölzern, aber das kann Fulci mit den tollen Bildern mehr als ausgleichen. AMULETT DES TODES mag sicher nicht Fulcis bester Film sein, und die Eindringlichkeit der Zombie-Vorläufer geht ihm völlig ab, aber er hat reichlich Stimmung und Ausstrahlung, und gerade das Ruhige und Unaufgeregte macht ihn sehenswert.
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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von Maulwurf »

(Und nochmal in etwas ausführlicher ...)

Amulett des Bösen
L’occhio del male
Italien 1982
Regie: Lucio Fulci
Christopher Connelly, Laura Lenzi, Brigitta Boccoli, Giovanni Frezza, Cinzia de Ponti, Cosimo Cinieri, Andrea Bosic, Carlo De Mejo, Enzo Marino Bellanich, Mario Moretti, Lucio Fulci, Tonino Pulci


Amulett des Bösen.jpg
Amulett des Bösen.jpg (69.38 KiB) 1134 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Frank Faltin)

Der Archäologe George Hacker hat seine Familie mitgenommen zu Ausgrabungen in Ägypten. Während er das obskure Grab eines Pharaos untersucht, und dabei durch mysteriöse Vorkommnisse sein Augenlicht verliert, schenkt eine seltsame Frau der Tochter Susie ein Amulett. Zurück in New York zeigt sich, dass Susie mit Hilfe dieses Amuletts offensichtlich Reisen durch Raum und Zeit unternehmen, ja sogar ihren Bruder Tommy dabei mitnehmen kann. Und jeder, der ihr während einer dieser Reisen zu nahe kommt verschwindet spurlos. Derweil Hacker ganz plötzlich wieder sehen kann, erweist sich das Amulett als eine Quelle des Bösen, die Susie fest in ihrer Hand hat. Nur ein seltsamer Antiquar scheint Susie helfen zu können.

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Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, mit was für einfachen Mitteln Lucio Fulci Horror erzeugen konnte. Wie simpel es für ihn zu sein schien, den Zuschauer in ein unbehagliches Zwischenreich zu entführen, in welchem er sich zur gleichen Zeit wunderschönen Bildern hingeben kann und einer kratzigen und unangenehmen Geschichte stellen muss. Vor allem diese Bilder, die selbst sperrige oder dumme Stories in wunderschöne und einzigartige Schätze verwandeln konnten, stellen für mich immer wieder kleine Wunder dar. Wo andere Regisseure auf zunehmend widerwärtige Effekte vertrauen (vor allem in den letzten 20 Jahren), nahm Fulci den Zuschauer bei der Hand und zeigte ihm die Schönheit im Grauen, die Magie des Alptraums. Nicht dass die direkten Vorgänger von AMULETT DES BÖSEN nicht mit widerwärtigen Effekten hantiert haben, aber Fulci konnte eben auch anders.

Natürlich ist AMULETT DES BÖSEN prinzipiell hanebüchener Schwachsinn, und offensichtlich sind die Schauspieler entweder völlig lustlos dabei gewesen, oder sie litten unter einem akuten Anfall von absoluter Arbeitsverweigerung. Was Laura Lenzi als Ehefrau von George Hacker hier abliefert spottet jeder Beschreibung, und auch Christopher Connelly hat man schon mal lebendiger und interessierter gesehen. Aber was macht das schon gegen die Magie, die diesen Bildern entspringt. Die von der eindringlichen Musik unterfüttert wird. Und die spätestens von den beiden großartigen Kinderdarstellern Brigitta Boccoli und Giovanni Frezza umgewandelt wird in einen Schrecken, der nicht von irgendwelchen dummen Erklärungen und mühsam konstruierten Interpretationen vernichtet wird, sondern der nur für sich allein steht. Das Böse existiert, und damit ist alles gesagt. Wer meint, dass logische Antworten auf mystische Vorgänge einem Horrorfilm weiterhelfen, der ist bei AMULETT DES BÖSEN völlig falsch. Der Schrecken ruht in sich selbst und greift über auf die Menschen. Dies und die beeindruckenden Bilder, mehr braucht es nicht um eine Atmosphäre des Unwohlseins und der Angst zu erzeugen.

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AMULETT DES BÖSEN mag sicher nicht Fulcis bester Film sein, aber er hat reichlich Ausstrahlung und Stimmung. Vor allem Stimmung, denn Fulci vertraut hier, anders als in den Vorgängerfilmen und im fast Back-to-Back gedrehten NEW YORK RIPPER, nicht auf die Darstellung von Blut und aufgerissenem und gemartertem Fleisch, sondern tatsächlich auf Atmosphäre. Bei allem magischen Hokuspokus ist viel Ruhe in diesem Film, und mit besseren Darstellern wären die Angriffe aus dem Zwischenreich sicher um einiges gehaltvoller und intensiver geworden. So wie sich AMULETT DES BÖSEN jetzt präsentiert, bleiben vor allem die Szenen in Ägypten in Erinnerung, genauso wie die Momente in denen das Kinderzimmer voll ist mit Sand. Im Gedächtnis festsetzen tut sich auch der Kollege der Ehefrau, der, wie so viele in diesem Film, spurlos verschwindet, und nur der Zuschauer weiß, dass Luke tot im Sand der Wüste Ägyptens liegt, die Augen weit aufgerissen. Er sah Dinge, die nicht für Menschen gedacht sind. Er hatte sich mit seinen dämlichen Masken ja auch immer über die Augen lustig gemacht …

Die Augen. Fulci definiert diesen Film über die Augen. Ganze Dialoge finden über die Augen statt, immer wieder werden die Augen in den Mittelpunkt der Kameraarbeit gestellt, und wenn es mal keine Augen sind, dann sind es Spiegel. Der Film heißt im Original ja auch übersetzt DAS AUGE DES BÖSEN, was durchaus seinen Grund hat. Und natürlich fällt der arabische Helfer von Hacker in der Pyramide genau so in die Falle, dass die Stahlspieße seine Augen durchbohren.

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Witzig auch der Umstand, dass hinter Tommys Bett ein Poster von Winsor McCays Little Nemo in Slumberland hängt. Die Geschichte eines Jungen, der in seinen Träumen Abenteuer erlebt, setzt sich in der Figur des Tommy fort, der über das Amulett ebenfalls reisen kann, genauso wie Little Nemo. Nur halt ein klein wenig weniger märchenhaft. Aber genau solche Momente sind es, die ebenfalls zu dieser erwähnten Magie beitragen.

Auf der anderen Seite ergibt auch nicht alles wirklich Sinn, sind manche Episoden eher schludrig und zusammenhanglos inszeniert. Die Hand auf der Decke, die einen verbrannten Schemen hinterlässt, wirkt im Kontext des Films und seiner Symbole genauso deplatziert wie das Spielzeug das auf der Treppe verteilt wurde. Aber solche Kleinigkeiten müssen wahrscheinlich einfach ignoriert werden zugunsten eines Gesamtbildes, das zeigt was für ein herausragender Regisseur Lucio Fulci mal irgendwann war. Und dass die Filme, an denen er immer und immer wieder gemessen wird, auf keinen Fall für sein Gesamtoeuvre hergenommen werden dürfen, sondern vielleicht sogar nur als kommerziell erfolgreiche Ausrutscher angesehen werden können. AMULETT DES BÖSEN jedenfalls lebt von seinen ruhigen Momenten und der unheilvollen Stimmung, und diese beiden Komponenten kann er richtig gut.

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6/10
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Jack Grimaldi
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buxtebrawler
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 24.02.2023 bei Mediacs noch einmal auf Blu-ray in verschiedenen Mediabooks sowie auf separater Blu-ray und DVD:

Bild
Mediabook Cover A

Bild
Mediabook Cover B

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Mediabook Cover C

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Blu-ray

Bild
DVD
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 08.11.2024 (DVD) bzw. 15.11.2024 (Blu-ray) bei Tonpool Medien noch einmal innerhalb der "Horror Box" Nr. 16 bzw. 10:

Bild Bild

Enthält:
Amulett des Bösen
Das Haus der Verfluchten
Alien - Die Saat des Grauens kehrt zurück

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von Arkadin »

buxtebrawler hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 15:05 Erscheint voraussichtlich am 08.11.2024 (DVD) bzw. 15.11.2024 (Blu-ray) bei Tonpool Medien noch einmal innerhalb der "Horror Box" Nr. 16 bzw. 10:

Enthält:
Amulett des Bösen
Das Haus der Verfluchten
Alien - Die Saat des Grauens kehrt zurück

Quelle: OFDb-Shop
Oh, das wäre in der Tat eine sehr interessante "Box". Hat jemand schon Erfahrungen mit diesen "Horror Boxen" gemacht? Das sieht so aus, als wären da drei Einzel-Blu-rays einfach durch eine Banderole zu einem Bundle zusammengefasst. Ist das so? Und wenn ja, sind das Repacks von irgendwelchen Mediacs-Scheiben oder Neuveröffentlichungen?
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buxtebrawler
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von buxtebrawler »

Arkadin hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 21:29 Oh, das wäre in der Tat eine sehr interessante "Box". Hat jemand schon Erfahrungen mit diesen "Horror Boxen" gemacht? Das sieht so aus, als wären da drei Einzel-Blu-rays einfach durch eine Banderole zu einem Bundle zusammengefasst. Ist das so? Und wenn ja, sind das Repacks von irgendwelchen Mediacs-Scheiben oder Neuveröffentlichungen?
Noch keine in der Hand gehabt, aber ich gehe ganz stark von Mediacs-Repacks für den Ramschsektor aus. Diese Box mag einigermaßen stimmig erscheinen, die "Kinder des Zorns"-Box ja auch, aber zu oft werden mir zwei irrelevante mit einem wahrscheinlich zugkräftigen, interessanten Genrefilm zusammengepackt, ohne dass es irgendwie zusammenpassen würde.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

buxtebrawler hat geschrieben: Di 5. Nov 2024, 09:36
Arkadin hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 21:29 Oh, das wäre in der Tat eine sehr interessante "Box". Hat jemand schon Erfahrungen mit diesen "Horror Boxen" gemacht? Das sieht so aus, als wären da drei Einzel-Blu-rays einfach durch eine Banderole zu einem Bundle zusammengefasst. Ist das so? Und wenn ja, sind das Repacks von irgendwelchen Mediacs-Scheiben oder Neuveröffentlichungen?
Noch keine in der Hand gehabt, aber ich gehe ganz stark von Mediacs-Repacks für den Ramschsektor aus. Diese Box mag einigermaßen stimmig erscheinen, die "Kinder des Zorns"-Box ja auch, aber zu oft werden mir zwei irrelevante mit einem wahrscheinlich zugkräftigen, interessanten Genrefilm zusammengepackt, ohne dass es irgendwie zusammenpassen würde.
Ich habe heute mal zwei dieser Box-Sets in der Hand gehabt, und beide wiesen das Mediacs-Logo auf, also ganz offensichtlich Repacks. Tonpool macht wohl den Vertrieb.
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Blap
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von Blap »

Gestern stand der Streifen -nach einigen Jahren- mal wieder auf dem Speiseplan. An meiner Bewertung (7/10, gut) hat sich nichts geändert.

Zum Einsatz kam die Blu-ray von XT. Diese erfreut mit schöner Bildqualität. Was mich jedoch ein wenig wundert, mein altes Lieblingszitat: "Vögel der Finsternis, verspeist mich!" ist auf der XT-Scheibe nicht in deutscher Sprache vorhanden. Genau an dieser Stelle wechselt die Tonspur ins Englische. Warum auch immer, vermutlich eine der üblichen "XT-Lustlosigkeiten".

Fazit: Nachrangiger, dennoch schöner Film des Meisters.
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sid.vicious
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von sid.vicious »

Originaltitel: Manhattan Baby
Regisseur: Lucio Fulci
Kamera: Guglielmo Mancori
Musik: Fabio Frizzi
Drehbuch: Elisa Briganti, Dardano Sacchetti
14704_Amulett_der Boesen_Manhattan_Baby_Plakat_01.jpg
14704_Amulett_der Boesen_Manhattan_Baby_Plakat_01.jpg (72.31 KiB) 393 mal betrachtet
Der Archäologe, George Hacker, entdeckt während seiner Forschungen in Ägypten das Grab des Pharaos Habnubenor. Entgegen der eindringlichen Warnung seitens der einheimischen Hilfskräfte betreten Hacker und sein Gehilfe Hassan die verfluchte Grabkammer, wo sie postwendend von fiesen Fallen überrascht werden, sodass Hassan sein Leben und Hacker sein Augenlicht verliert. Nahezu zeitgleich erhält Hackers kleine Tochter, die gemeinsam mit ihrer Mutter die Sehenswürdigkeiten im Land der Pharaonen bestaunt, von einer blinden Frau ein Amulett , welches sie bereitwillig im Empfang nimmt, was wiederum dem bösen Zauber vom Nil ermöglicht, die Hackers in ihre New Yorker Heimat zu begleiten…

Der Stoff aus dem „Amulett des Bösen“ geschneidert ist, findet sein Schnittmuster in Friedkins „Der Exorzist“, dessen Sequel „Der Ketzer“ sowie Hoopers „Poltergeist“. Dieses (auch als „Manhattan Baby“ firmierende) Fulci-Werk wurde im selben Jahr wie „Der New York Ripper“ fertig gestellt und erblickte somit im Anschluss an Fulcis Seil-Insel-Stadt-Mauer-Quartett die Welt der italienischen Lichtspiele. Jene Popularität und Beliebtheit mit der sich die fünf genannten Titel rühmen, kann „Amulett des Bösen“ freilich nicht verbuchen, allerdings steht dieses interessante Werk immerzu bereit, um neu entdeckt und gegebenenfalls nachträglich geadelt zu werden.

Von ansprechenden Bildkompositionen begleitet schwingt der Zuschauer gemeinsam mit den Protagonisten zwischen zwei Welten. Dieses mehrfache Überschreiten der imaginären Grenze lässt ihn (den Zuschauer) relativ schnell registrieren, dass Fulcis Film Türen (in ihrer Eigenschaft als Barriere zwischen einem Dies- und Jenseits) sowie das Auge respektive den Blick zu einer (seinen Film) regierenden Einheit formt. Inmitten dieser mächtigen Regentschaft zentralisiert der Regisseur ein Amulett, welches das dritte Auge Habnubenors, dem grausamen Pharao, auf dessen Grab ein Fluch lastet, symbolisiert. Dieses Amulett besitzt die Kraft seine Betrachter in Trance zu versetzen und sie zum Eintritt in die Todeswelt des Pharaos zu verführen. Diese Verführungskraft erinnert an das chinesische Märchen von dem Maler, der von seinem Gemälde derart beeindruckt war, dass er den (von ihm gemalten) im Tal wurzelnden, zwischen Wäldern gelegenen und in die Bergwelt führenden Weg unbedingt beschreiten wollte. Also ging er in das Bild hinein, wanderte ins Unendliche und ward nie wieder gesehen. Diese aufgehobene Distanz zwischen Mensch und Kunstwerk lässt sich sehr wohl mit der Schwellenüberschreitung, welche innert Fulcis´ Film fortwährend praktiziert wird, vergleichen. Das Betreten einer fremden, durchweg abjekten Welt, deren Zugang eigentlich nur über die Phantasie möglich ist, da sie (die andere Welt) doch nur in den Märchen und Schauergeschichten beheimatet ist, geht demzufolge mit dem Aushebeln der alltäglichen Logik einher. Das Amulett kann somit als ein Zugangscode betrachtet werden, der durch die Grabentweihung aktiviert wurde, und (ähnlich dem von Charon geforderten Obolus) die fixierte Person zum Einritt in die andere Welt berechtigt beziehungsweise beordert. Dieses fremde Reich unterliegt dem Pharao, Habnubenor, dessen Auge einen Teil des umrissenen Amuletts darstellt. Der Blick des Pharaos fixiert somit fortwährend die Person, deren Augen das Amulett inspizieren. Die daraus resultierende Kollision bewirkt, dass das Auge des Habnubenor seinem „Gegenüber“ jeglicher Willenskraft beraubt und einhergehend in seinen Bann zieht. Schaut man sich die frühe Szene, in der George Hacker mit einer (kurzzeitigen) Erblindung gestraft wird, etwas genauer an, so lässt die Ursache der Erblindung (der Blick ins Auge des Habnubenor) gar Parallelen zum Haupt der Medusa, deren Anblick derart grauenvoll war, dass es jedes sein Antlitz erblickende Lebewesen zu Stein erstarren ließ, ausmachen. Die Geschichte der Medusa ist zugleich die Geschichte des Perseus, der dem König von Seriphs, Polydektes, versprach, ihm das Haupt der Medusa zu bringen, sodass dieser (Polydektes) es im angeblichen Werben um eine Prinzessin als Geschenk überreichen könne. Hinter dem Wunsch verbarg sich jedoch die List, denn Polydektes war in Perseus Mutter, Danae, verliebt, die ihn jedoch verachtete, sodass Perseus seine Mutter vor dem Stalker beschützen musste. Demnach hoffte Polydektes, dass Persues dem versteinernden Blick der Medusa zum Opfer fallen würde. Doch der gerissene König hatte Athene, die Todfeindin der Medusa, nicht auf der Rechnung, welche Perseus mit einem Bronzeschild ausstattete, in dem er (quasi als Spiegelbild) die Gorgone betrachten konnte und so vor dem versteinernden Blick geschützt war. Mithilfe des Schildes, Flügelsandalen und einer Tarnkappe gelang es Perseus die Schreckgestalt zu enthaupten, aber ohne die Macht der Fratze zu entkräften, sodass das er beispielsweise das Medusenhaupt nutze, um den Riesen Atlas zu bekämpfen und ihn in ein Gebirge zu verwandeln. Später übergab er das Haupt Athene, die es an ihre Aegis, das Ziegenfell, welches ihr als Schild und Schutz gegen ihre Feinde diente, heftete. Und wer jetzt verstanden hat, warum manchmal die Rede von einer Schirmherrschaft respektive von einer Ägide die Rede ist, der/die kann bestimmt auch nachvollziehen, warum ich in der griechischen Mythologie wildere und das Schild der Athene mit dem Amulett des Habnubenor assoziiere.

In Anbetracht der Inspiration, welche „Amulett des Bösen“ aus erwähntem „Der Exorzist“ und meinetwegen auch „Das Omen“ zieht, ist es auffällig, dass in Fulcis Film keine religiösen Symbole genutzt werden, um erfolgreich gegen das Böse anzutreten. Weder geweihtes Wasser noch das christliche Kreuz, die religiösen Utensilien, die den cineastischen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen über die Jahrzehnte und bis in die Gegenwart dominier(t)en, erhalten ihre heilenden wie den Dämon vernichtenden Einsätze und werden von Fulci fortwährend ignoriert. Es wäre interessant zu wissen, wie dieses Verfahren, die Nichtbeachtung kirchlicher Ingredienzien, von den religiösen Filmdienstschergen rezipiert wurde. Ob sie die fehlende, in ihren Augen eigentlich blasphemische Nutzung geheiligter Utensilien, diesmal gar als ein, ich sage mal, divergierendes Ablassventil nutzten? Schließlich entlässt uns der Film mit der Gewissheit, dass das Böse auch über das Filmende hinaus walten wird, sodass in naher Zukunft beide Welten miteinander verschmelzen und zu einem einzigen Hort des Abjekten transformieren werden. Die prophezeite Schlacht von Armageddon, die Schlacht zwischen „Gut“ und „Böse“, würde demnach nicht stattfinden, da das „Gute“ nicht einmal den Versuch startete, das „Böse“ am Endsieg zu hindern.

Fazit: Trotz fehlender Identifikationsangebote seitens der Hauptcharaktere sollte es den rezeptionsfähigen Zuschauern sehr wohl gelingen erfolgreich in die Bildkader einzutreten, sodass diese (die Zuschauer) als aufmerksame Beobachter zwischen die Geschehnisse rücken, um erfolgreich zu einem Film verführt zu werden, der - jetzt kommt die Standardfloskel, aber sie spiegelt nun mal meine Meinung wieder - schwer unterschätzt wird.
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Blap
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Re: Amulett des Bösen - Lucio Fulci (1982)

Beitrag von Blap »

sid.vicious hat geschrieben: Di 19. Nov 2024, 11:32 Fazit: Trotz fehlender Identifikationsangebote seitens der Hauptcharaktere sollte es den rezeptionsfähigen Zuschauern sehr wohl gelingen erfolgreich in die Bildkader einzutreten, sodass diese (die Zuschauer) als aufmerksame Beobachter zwischen die Geschehnisse rücken, um erfolgreich zu einem Film verführt zu werden, der - jetzt kommt die Standardfloskel, aber sie spiegelt nun mal meine Meinung wieder - schwer unterschätzt wird.[/align]
Hiermit unterschrieben und amtlich beglaubigt! :opa:
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