Originaltitel: Il castello dalle porte di fuoco
Regisseur: José Luis Merino
Kamera: Emanuele Di Cola
Musik: Luigi Malatesta
Drehbuch: Enrico Colombo, María del Carmen Martínez Román, José Luis Merino
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Ivanna Rakowsky ist auf dem Weg nach Schloss Monte Christo, um dort ihren Dienst als Chemikerin anzutreten. Ein kurzer Zwischenstopp in einem nahe gelegenen Dorf vermittelt der jungen Frau, dass die Einheimischen ihrem (Ivannas) neuem Arbeitgeber, Baron Janos Dalmar, alles andere als wohl gesonnen sind, da sie Janos für eine seit langer Zeit anhaltende Mordserie (Frauen werden in bestialischer Manie(r) getötet) verantwortlich machen. Ihrem Arbeitseifer Tribut zollend, lässt sich Ivanna jedoch nicht von ihrer Reiseroute abbringen. Im Schloss eingetroffen, muss die Chemikerin allerdings eine weitere allegorische Ohrfeige in Empfang nehmen, denn der Schlossherr hatte anstelle ihrer einen männlichen Assistenten erwartet, sodass Ivanna, eine überzeugte Frau der Wissenschaft, inständig auf ihre Fähigkeiten wie ihren Fleiß und Eifer hinweisen muss, um den Baron von seinen antifeministischen Dogmen abzubringen und ihre Dienste zu akzeptieren. Gemeinsam will man nun die Experimente von Janos´ Bruder, Igor, der einem Feuerausbruch (im Forschungslabor) zum Opfer fiel, fortführen. Doch mit zunehmender Anwesenheit wird Ivanna immer tiefer in die unheilschwangere Atmosphäre ihres neuen Zuhauses hineingezogen und schließlich von schauderhaften Alpträumen geplagt, die sie immerzu mit einem Unbekannten, der ihr scheinbar nach dem Leben trachtet, konfrontieren. Sind es tatsächlich Nachtmahre oder treibt der berüchtigte Frauenmörder sein Unwesen auf Schloss Monte Christo?
Mit seinem Roman „Der Graf von Monte Christo“ lieferte Alexandre Dumas das Modell für zahlreiche Verfilmungen, die zwar den Grafen von Monte Christo fokussierten, weitere Figuren und Charaktere allerdings weitestgehend außer Acht ließen und sich minder an der Romanvorlage orientierten. Zuweilen reagierte nicht einmal der verbitterte Graf nach durchlebter Ungerechtigkeit mit (s)einem heimtückischen Rachefeldzug, sondern sein Sohn („Die Stunde der Vergeltung“, USA, 1940) sowie sein Neffe (Flucht von der Teufelsinsel, USA, 1946). Jene Filme waren einer einst attraktiven und boomenden „Son of…“-Formel verpflichtet, welche den Sohn an die Stelle des Vaters treten ließ, was den Sprösslingen von Ivanhoe, Robin Hood, Ali Baba und denen der Musketiere die Bewegungsfreiheit für ein eifriges swashbuckling im Dunstkreis von Monte Christo sowie in unterschiedlichen Zeitepochen offerierte.
Ungeachtet der femininen wie maskulinen, vom Dumas-Stoff abweichenden Filmcharaktere, löste die fesche Wortkombination, Monte Christo, bei den bundesrepublikanischen Kinoverleihern einem Rausch aus, der ihre Firmierungskreativität in obskure Bahnen lenkte und infolgedessen ebenso obskure Filmtitel gedeihen ließ. Zwei dieser Vehikel, die nichts mit dem sagenumwobenen Monte Christo zu schaffen haben, lassen sich unter anderem in den Arealen des stiefelländischen (Gothic-)Horrorkinos ausmachen: „Die Bestie von Schloss Monte Christo“ (I, 1963), den ich sogar vor einigen Jahrzehnten in einem Südtiroler Lichtspieltheater sichten durfte, und „Das Geheimnis von Schloss Monte Christo“, der 1970 die Welt der Lichtspiele erblickte und nebst den Ingredienzien des Gruselkinos (Blitz, Donner, Regen, unheimliche Räumlichkeiten wie Gänge, etc.) die Elemente des Mad Scientist-Films (ominöse Laborversuche und blasphemische Ziele) verwertete.
Als zentralen Handlungsort definiert José Luis Merino ein Schloss, dessen Standort eine großflächige Distanz zum nächstliegenden Dorf aufweist, womit der Eigner, diesmal der dubiose Baron Janos Dalmar, einer Genreüblichen Isolationsstrategie nachkommt. Gemäß dieser Methode wird der Außenwelt eine separate Welt gegenübergestellt. Dieser gesonderte Mikrokosmos ist vom Schleier des Bedrohlichen umhüllt, sodass vor dem Betreten des als abjekt (der Begriff umfasst gemäß der Literaturtheoretikerin, Julia Kristeva, alles, was Ekel und Aversion evozieren kann) verschrienen Horts (seitens der Dorfbewohner) eindringlich gewarnt wird. Somit erfährt eine geläufige Genreformel, man denke an Tod Brownings „Dracula“ sowie an diverse Dracula- und Frankenstein-Vehikel aus der Hammer-Schmiede, nahezu simultan zu unserem Filmeintritt ihre stets fruchtende Anwendung.
Merinos Film fokussiert, wie es der spanische Titel, „Ivanna“, erahnen lässt, die Chemikerin Ivanna Rakowsky, die stellvertretend für uns Zuschauer in den zuvor umrissenen, fremden Mikrokosmos eintritt, um ihren Dienst als Chemikerin anzutreten und später das Geheimnis von Monte Christo zu ergründen. Während ihrer Recherchen gerät die zuweilen zwischen Opferrolle und erotischem Objekt der Begierde chargierende Ermittlerin gar in die Fänge des Unbekannten und muss die Leiden der Folter über sich ergehen lassen. Ebendies spiegelt ein - bevorzugt als misogyn charakterisiertes - Motiv wieder, das fest im Exploitationfilm verwurzelt ist. Die Frau als jenes wehrlose wie unbekleidete Opfer, das dem Peiniger, der sich bevorzugt an Unterleib und Brüsten zu schaffen macht, hilflos ausgeliefert ist, sodass die erotische Verlockung mit der Lust am Leid anderer sowie einhergehender Souveränität beantwortet wird.
Sofern man die exploitativen Momente außer Acht lässt, ist „Das Geheimnis von Schloss Monte Christo“ in erster Linie dem gotischen Gruselkino verpflichtet und bedient sich dementsprechend an dessen Zutaten, was selbsterklärend der Symbolik wie den klassischen Motiven des Gruselkinos einen großzügigen (Interpretations-)Spielraum zugesteht. So erhält die Alarmfarbe Rot ebenso ihre Einsätze wie das Spiegel- sowie das Doppelgängermotiv, das von Merino (im allegorischen Sinne) genutzt wird, um den Zuschauer mithilfe einer Gegenüberstellung (dessen Inspiration sich durchaus mit „Der Student von Prag“ belegen lässt) der Personen Janos und Igor gar aufs brüchige Eis zu locken. Jenes Spiel, das die Kamera in dieser sowie weiteren Situationen mit uns treibt, reflektiert meines Erachtens die Stärke des ansonsten eher mittelprächtigen Films.
Wie die späteren Hammer-Vehikel distanziert sich auch Merinos Inszenierung vom Antinaturalismus und bietet der märchenhaften Farbgewalt, welche viele ähnlich gelagerte Filme von Terence Fisher und Roger Corman sowie Mario Bava und Antonio Margheriti auszeichnet, keinen Spielraum. Das soll nicht bedeuten, dass „Das Geheimnis von Schloss Monte Christo“ gänzlich von einem schaurig-schönen Gruselfaktor befreit ist. Die Bildkompositionen, die sich mit Hammer-Vehikeln späterer Prägung wie beispielsweise „Nur Vampire küssen blutig“ und „Frankensteins Höllenmonster“ assoziieren lassen, besitzen sehr wohl ein unheimliches wie morbides Flair, das beim geeigneten Rezipienten den „Gruselmodus“ aktivieren kann.
Fazit: José Luis Merinos´ Taktik rund um „Das Geheimnis von Schloss Monte Christo“ offeriert ein zwischen (möglicher) Imagination und alltäglicher Logik chargierendes Spiel, das allerdings nicht allein von genrekundigen Zuschauern flugs durchschaut wird. Folglich erteilt der Regisseur der Phantastik eine Absage und rückt gar das eingangs thematisierte Whodunit-Schema phasenweise aus dem Fokus. Somit bleibt unter dem Strich ein nicht fortwährend fesselndes, aber gut fotografiertes sowie liebevoll ausgestattetes, exploitatives Gothic-Horror-Vehikel.
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