Ich auch nicht. Tja, auch ein Mario Bava ist eben nicht unfehlbar.Die Kroete hat geschrieben:Ne, tatsächlich weiß ich nichts genaues darüber, welche konkreten Maßstäbe er für seine Ablehnung ansetzte.
Sicher ist, daß er der amerikanichen Machart, Western zu drehen, den Vorzug gab und dem Stil der drei Sergio's, ganz und gar nicht mit Wohlgefallen, gegenüber stand.
...was ich persönlich so überhaupt nicht nachvollziehen kann!
Der Ritt nach Alamo - Mario Bava (1964)
Moderator: jogiwan
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Re: Der Ritt nach Alamo - Mario Bava
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- Salvatore Baccaro
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Re: Der Ritt nach Alamo - Mario Bava
Dass in ganz anderen Genres weltberühmt gewordene Regisseure wie Fritz Lang, Douglas Sirk oder Rainer Werner Fassbinder jeder mindestens einmal in seiner langen Karriere – sei es nun aus ökonomischen, künstlerischen oder sonstwelchen Gründen – einen Western gedreht hat, das ist kein wohlgehütetes Geheimnis, aber doch zumindest dem einen oder anderen Cineasten, wenn er es zum ersten Mal erfährt, ein überraschter Wimpernschlag wert. Gleiches gilt für Mario Bava, dessen Namen man spontan mit blutverschmierten Schwarzhandschuhen, spinnwebenverhangenen Katakomben oder vor Gier zerfressenen Unholden verbindet, jedoch sicherlich nicht mit staubigen Prärien, rauchenden Colts und Whiskeylachen in Saloons. Dennoch hat Bava zwischen 1964 und 1970 insgesamt dreimal dem Western-Genre einen Besuch abgestattet, wobei keins der Ergebnisse bei Fans und Kritikern im Nachgang wirklich gut wegkommt. Aber sind diese drei Filme wirklich derart grausig, dass sie mehr Schmach als Ehre zu Bavas traumhaftem Gestamtoveure zusteuern? Ein unvoreingenommener Blick sollte genügen, um da etwas Licht ins Dunkel zu bringen...
Schon die ersten beiden Einstellungen von LA STRADA PER FORTE ALAMO weisen einige stilistische Merkmale auf, die typisch sind für die Filme Mario Bavas Anfang der 60er. Wir sehen eine von hohen Felsformationen umstellte Ebene, deren einziges Anzeichen für die Anwesenheit von menschlichem Leben eine gewundene Straße ist, die durch sie hindurch und direkt auf die Kamera zu führt. Diese befindet sich in einer erhöhten Position, hat unter sich das Tal und gegenüber die gigantischen Berge, die, man erkennt das schnell, kein ursprünglicher Bestandteil der Landschaft, sondern nachträglich in diese hineinkopiert worden sind. Der gesamte an die Rocky Mountains oder ähnliche Naturkulissen des Amerikanischen Westens erinnernde und den Bildhintergrund abschließende Höhenzug macht die Landschaft erst zu einer, die sofort Assoziationen zum Genre des Westerns wecken, denn ohne sie könnte das Tal mit seinem Allerweltsgeschicht überall sein – und tatsächlich befindet es sich wohl irgendwo im näheren Umkreis von Rom. Eine weitere Komponente, die dem Bild noch fehlt, um es als ein eindeutig genrespezifisches zu markieren, ist der einsame Reiter, der langsam, während der Vorspann mit seinen ziemlich grellen, ziemlich expressiven Lettern abläuft, der Kamera entgegengallopiert. Zeitgleich setzt auch die Musik ein, eine auf Englisch gesungene Ballade namens The Way to Alamo, intoniert von einem Menschen, auf dessen Geburtsurkunde wohl sicherlich nicht Tony Kendall Wendall steht. Nach einem Schnitt sind wir auf einer Ebene mit unserem Helden angekommen. Die Kamera wartet an der rechten Straßenseite darauf, dass er an ihr vorbeireitet. Vor sich hat sie erneut zwei, diesmal echte, Felsen, die das Bild zu beiden Seiten flankieren. Obwohl auch diese Landschaft eine ist, die in keinem andern Western sowohl US-amerikanischer als auch europäischer Machart negativ auffallen dürfte, irritiert die Lichtgestaltung zum einen durch ihre Vorliebe für ein dunkles, sattes Blau, das vor allem den Himmel, aber auch den sandigen Boden bestimmt, und zum andern, als Kontrast dazu, durch das Gelb, mit dem die beiden Felsen glühen, so, als sei etwas von der Farbe des Vorspannschriftzugs auf sie herabgeträufelt. In dieser phantastischen, märchenhaften Kulisse verhält sich eigentlich nur unser reitender Held seiner Rolle gemäß, indem er brav auf seinem Sattel sitzenbleibt und seinem nächsten Abenteuer entgegenstürmt.
Dieses hört sich wie folgt an: Hinter der nächsten Wegbiegung schon findet er einen Haufen zusammengeschossener Männer, von denen nur einer noch am Leben ist und dienstbeflissen seine letzten Atemzüge nicht etwa dazu nutzt, eine Lebensbillanz zu ziehen, Frau und Kind zu grüßen oder irgendeinen tiefsinnigen Satz loszuwerden, den er immer schon hatte sagen wollen, sondern Bud Massadey, so heißt der Held des vorliegenden Films, aufzufordern, die Bank, für die er und seine toten Kollegen gearbeitet haben, darüber zu benachrichtigen, dass deren Geldtransport von Indianern überfallen und ausgeraubt worden sei. Mehr als Bud, der das alles ruhig hinnimmt, den Mann in Frieden sterben und liegenlässt, und sich in die nächste Stadt mit dem schönen Namen Waggon City aufmacht, um die schlimme Botschaft zu überbringen, regt sich der Soundtrack von Piero Umiliani über den Vorfall auf: Schon sehr lange habe ich keine derart überzogene Musik zu einer eigentlich recht ruhigen Szene gehört wie das, was Signore Umiliani plötzlich aus seinem Orchester herauspeitscht. Bud jedenfalls erreicht, als der Score sich einigermaßen beruhigt hat, die Siedlung und macht es sich dort erstmal mit einer Flasche Whiskey im örtlichen Saloon gemütlich. Dort knüpft er schnell freundliche Bande zu Jim Kincaid, einem jungen Mann, der dabei ist, sich von ein paar Halunken beim Kartenspiel über den Tisch ziehen zu lassen. Nachdem die Kleinganoven ordentlich in ihre Schranken verwiesen worden sind und der Sheriff von Waggon City unsere Helden förmlich aus der Stadt gejagt hat, beschließen Jim und Bud, von nun an gemeinsame Sache zu machen, d.h. so schnell wie möglich an Geld zu kommen. Abends, draußen in der Prärie, erzählt Bud dann auch seine tragische Geschichte: Im Bürgerkrieg haben Nordstaatler in seiner Abwesenheit die Farm überfallen, wo er zusammen mit seiner Schwester gelebt hat. Bei seiner Rückkehr habe er nur noch ihre Leiche aus den rauchenden Trümmern bergen können. Nun treibt er sich im Wilden Westen herum, um die finanziellen Mittel zu finden, die nötig sind, seine Farm neu aufzubauen. Jim hat eine Idee: Er kennt eine Gruppe Vogelfreier unter der Leitung eines gewissen Little Kid Carson. Die nehmen sie besitmmt bei sich auf und sind bereit zu allen Schandtaten. Gesagt, getan: Unter der Führung Buds verkleiden sich die Strauchdiebe als konförderierte Soldaten, reiten zurück nach Waggon City und behaupten bei der dortigen Bank, sie seien gekommen, eine große Menge Gold für die nächstgrößere Stadt, Alamo, zu holen. Leider schöpft der Bankbeamte Verdacht, und leider stößt überraschend der Sheriff hinzu, und leider verliert Carson – kongenial verkörpert von Michel Lemoine, an dem ein halber, wenn nicht ganzer Klaus Kinski verlorengegangen ist – schnell die Fassung und schießt eine alte Frau über den Haufen bevor man es dann doch schafft, mit dem Raubgut Reißaus zu nehmen. Carson hat jedoch nicht nur einen nervösen Finger am Abzug, er ist auch ein ausgemachter Schweinehund, wenn es um seinen persönlichen Vorteil geht: So werden Bud und Jim kurzerhand hinterrücks ausgeknockt, während die übrige Bande sich mit dem Gold absetzt.
Das Schicksal bzw. das Drehbuch von Lorenzo Gicca Palli, dem Regisseur der Nazisploitation-Komödie LIEBES LAGER (1976), Livia Contardi, die man als Schauspielerin unter anderem in Bavas GLI INVASORI (1961) bewundern kann, und Meister Mario höchstselbst meint es aber gut mit unseren Männern: Zwar werden ihre bewusstlosen Körper von Osage-Indianern gefunden und der sogenannten Durstfolter ausgesetzt – die darin besteht, dass man jemanden quasi auf dem Boden kreuzigt, und dafür sorgt, dass er so fixiert der brütenden Sonne wehrlos ausgeliefert ist -, vor dem Tod durch Verdursten bewahrt sie indes ein Trupp diesmal echter Nordstaatensoldaten, die sich tatsächlich auf dem Weg nach Alamo befinden, und Bud und Jim wegen ihrer Uniformen für Verbündete halten. Erfindungsreich tischt Bud ihnen folgende Räuberpistole auf: Er sei Lt. John Smith und seine Truppe von Indianern dezimiert worden, sodass nun nur noch er und Sgt. Kincaid am Leben seien. Da der Ritt nach Alamo nicht nur reine Männersache ist, sondern sich auch die eine oder andere Frau an Bord befindet – neben der Gattin des befehlshabenden Kommandanten, ist das vor allem die des Mordes an einem Soldaten angeklagte Janet, der in Alamo der Prozess gemacht werden soll, und auf die Bud bald ein Auge geworfen hat, und vice versa -, und da man bald auch noch den ziellos umherirrenden Carson aufgabelt, der einen Teil des Goldes bei sich trägt, und da man außerdem mitten hinein ins Stammesgebiet der Osage muss, die für die Bleichgesichter ganz offen das Kriegsbeil ausgegraben haben, häufen sich die Verirrungen, Täuschungen, Verwechslungen genauso wie die dramatischen Situationen auf Leben und Tod. Wird Bud es schaffen, mit Janet, Jim und dem Gold durchzubrennen?
Es ist inzwischen schon oft kolportiert worden, dass Mario Bava kein großer Freund der speziell italienischen Spielart des Westerns gewesen ist. Großaufnahmen von Augenpaaren, die unter schweiß- und schmutzbedecken Stirnen ihre Feinde anvisieren, lange, stumme Szenen, in denen man mit gespannten Nerven auf den ersten Schuss wartet, und Helden, die sogar ihre Gegenspieler zuweilen an Gewalttätigkeit und Morallosigkeit übertreffen, das alles sind keine Dinge, mit denen Mario Bava sich in LA STRADA PER FORTE ALAMO auch nur ansatzweise abgibt. Stattdessen steht der im gleichen Jahr wie Sergio Leones PER UN PUGNO DI DOLLARI entstandene Film voll und ganz in der Tradition der US-amerikanischen Edelwestern. Ken Clarks Bud Massadey ist ein Held wie aus dem Werbekatalog, dessen einziger Makel, sein Mitmischen bei dem Banküberfall der Carson-Bande, sofort im Anschluss durch ein schlechtes Gewissen, das ihn sogar das geraubte Gold, als er mit ihm hätte türmen können, brav den rechtmäßigen Autoritäten ausliefern lässt, mehr als kompensiert wird. Er sieht nicht nur immer aus wie aus dem Ei gepellt – und wirkt noch mehr wie ein Saubermann, wenn man ihn direkt neben solche Anti-Helden wie Corbuccis DJANGO stellt -, und bekommt von keiner noch so brenzligen Situation Kratzer oder Schrammen, er setzt sich zugleich für die Armen und Unterdrückten ein – vor allem, wie im Falle von Janet, für Frauen, die er sexuell anziehend findet -, und träumt schon fast kindlich-naiv nur davon, seine geliebte Ranch wieder aufbauen und in Ruhe und Frieden seinen Lebensabend verbringen zu können. Auch sein junger Freund Jim hat, außer ein paar lockeren Sprüchen, nicht wirklich etwas, woran man sich reiben könnte, von der einzigen nennenswerten Frauenfigur Janet ganz zu schweigen, die über weite Strecken letztlich lediglich die Rolle bloßer schmückender Staffage erfüllt, und deren Liebe zu Bud etwas ungemein Keusches, Züchtiges besitzt. Anders als im klassischen Italo-Western sind die Grenzen zwischen Gut und Böse, von Buds kurzfristigem Ausrutscher einmal abgesehen, klar gezogen. Auf der dunklen Seite steht mit Lemoines Carson eine Figur derart verworfen, verkommen und verachtenswert, dass so jemand außerhalb der Leinwand wohl gar nicht existieren kann. Er ist, wie gesagt, ein halber Irrer, der nicht nur aufgrund überreizter Nerven, sondern auch schon mal aus purer Blutgier tötet, der seine Triebe nicht unter Kontrolle hat, alles, was seinen Stengel zum Glühen bringt, wie ein wildes Tier überfällt, und der für ein paar Goldstückchen wohl sogar die Seele seiner Mutter verkaufen würde. Dass LA STRADE PER FORTE ALAMO einen Begriff wie Ambivalenz nicht mal vom Hörensagen kennt, zeigt sich nicht zuletzt bei der Charakterisierung der Indianer als entmenschlichte Halbwilde, die Frauen und Kinder massakrieren, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, ähnlich wie die Wikinger in Bavas Mittelalter-Epos GLI INVASORI seltsamen Stammesritualen verpflichtet sind, und ansonsten für unsere Helden reines Kanonenfutter darstellen. Irgendwelche kritischen Untertöne dahingehend, dass die Osage möglicherweise einfach nur ihr Land gegen die fremden Siedler verteidigen oder dass sie durch den gerade zu Ende gegangenen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd möglicherweise selbst derart in Mitleidenschaft gezogen worden sind, dass sie nun einen unstillbaren Hass auf alles haben, was weiß ist und eine Uniform trägt, sucht man in LA STRADA PER FORTE ALAMO vergebens.
Doch nicht nur inhaltlich erweist sich LA STRADA PER FORTE ALAMO als Erbverwalter des Edelwesterns mit Typen wie John Wayne oder Burt Lancaster. Auffallend ist nämlich – gerade wenn man ihn z.B. mit einem augenzwinkernden Spaß wie Bavas ERCOLE ALL CENTRO DELLA TERRA (1961) vergleicht -, wie ernst sich der Film selbst nimmt. Weder in der Liebesromanze zwischen Bud und Janet, die einen Douglas Sirk neidisch machen könnte, noch in Szenen wie dem finalen Anrücken der Kavallerie zu frohlockender Orchestermusik – so wie übrigens der Score den gesamten Film über sehr weit entfernt ist von den Maultrommeln eines Morricone, und fast ausnahmslos pompös-monumentale Klänge auffährt – oder den psychischen Entgleisungen Carsons ist irgendein Anflug von Ironie zu verspüren. Wenn LA STRADA PER FORTE ALAMO witzig sein möchte, dann tut er das vor allem durch die sorglos-heiteren Sprüche, die Jim und Bud andauernd klopfen, oder solche vermeintlich amüsanten Figuren wie einen Saloonbesitzer, der offenbar an der Schlafkrankheit leidet und nicht mal bei einer Schlägerei direkt vor seinen Augen dieselben richtig aufbekommt. Etwas überraschend ist da schon die Szene während des Banküberfalls, als Carson im Affekt oder Blutrausch ein armes altes Mütterchen zusammenschießt – eine Szene, die mich durch ihre unerwartete Brutalität an die in Bavas GLI INVASORI erinnerte, wenn eine Frau mit Kind von einem Wikingerspeer durchbohrt wird.
Freilich schauen sich die wenigsten Menschen einen Film von Mario Bava wegen der ausgeklügelten Stories an. Formal wie ästhetisch ist LA STRADA PER FORTE ALAMO seinen frühen Meisterwerken als Regisseur wie LA MASCHERA DEL DEMONIO (1960) oder GL INVASORI oder LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO (1963) oder generell den Werken der beiden Genres, die er wohl am versiertesten beherrschte, nämlich den Horror- und den Kriminalfilm, zwar haushoch unterlegen. Trotzdem schafft Bava es nicht nur einmal, einmal mehr aus einem Budget, das in Hollywood nicht mal fürs Casting-Catering gereicht hätte, herauszuholen, was gar nicht in ihm steckt – so sollen die meisten Indianer des finalen Kampfes zwischen Osage und Konföderation angeblich durch Puppen dargestellt worden sein, um die Kosten für Statisten zu sparen -, und zudem, wie selbstverständlich, die eigentlich recht langweiligen Studiokulissen mittels einer Beleuchtung aufzuwerten, dass ich in manchen Szenen dann doch versucht bin, auf die Knie zu sinken. Vor allem das bereits beschriebene Neonblau hat es ihm in vorliegendem Film angetan. Es darf Höhleneingänge schmücken, es darf Mondschein sein, der auf Pferde fällt, es darf den Hintergrund abdunkeln, vor dem Bud und Janet wie im herzzerreißendsten Hollywood-Melodram so tun, als würden sie sich leidenschaftlich küssen. Mehr als einmal schimmern dabei Bavas eigentliche Genre-Affinitäten durch: Die Szene, in der einer der Nordstaatensoldaten die Pferde bewacht und um ein Haar von einem Osage hinterrücks erstochen wird, erinnert nicht nur optisch an einen Gothic-Schauerfilm, sondern fühlt sich mit der unsichtbaren, aus dem Finstern langsam herankriechenden Gefahr auch wie einer an. Wenn Bud allerdings – und das dürfte ein Nachhall von Bavas Anfängen im peplum sein - von der Durstfolter errettet in der Obhut der ihn umsorgenden Janet zu sich kommt und das Bild vor ihrem Gesicht anfängt Wellen zu schlagen, dann wirkt das wie jener Moment aus einem beliebigen Sandalenfilm, in dem Herkules, Maciste, Ursus, Samson und wie sie alle heißen aus schweren Träumen in den Armen einer Untersee-Nymphe erwachen.
LA STRADA PER FORTE ALAMO ist sicherlich kein Meisterwerk und fällt im direkten Vergleich mit den Filmen, die Mario Bava kurz vor und kurz nach ihm gedreht hat, deutlich ab, nichtsdestotrotz ist er kompetent inszeniert, bietet eine zwar einfältige, aber unterhaltsame, weil abwechslungsreiche Geschichte und suhlt sich in mehr als einer Szene regelrecht in dem wundervollen Chiaroscuro, mit dem Bava die Prärie kopfüber in einen Topf seiner liebsten Farbpaletten taucht und das mich sowohl einerseits an die ebenfalls großartig ausgeleuchteten Auftragswestern erinnert, die Fritz Lang in den 40ern und 50ern gedreht hat – vor allem THE RETURN OF FRANK JAMES fällt mir da ein -, und mich andererseits fragen lässt, wie denn eigentlich SUSPIRIA als Western aussehen würde. Die beiden anderen Western, für die Bava sich im Laufe der 60er noch hat verpflichten lassen, stören allerdings leider keine Fragen in mir auf, sondern lediglich große Fragezeichen. NEBRASKA-JIM von 1966 ist eine spanisch-italienische Ko-Produktion, ursprünglich von Antonio Román begonnen, der aber nur knapp zehn Prozent des Films gedreht haben soll bevor die Produktionsfirma ihn vor die Tür setzte und stattdessen Bava heranzog, damit er, wie so oft, das angefangene Werk zu Ende bringe. Anders als sonst scheint Bava diesmal aber keinen Hauch Lust verspürt zu haben, den Film wenigstens visuell zu mehr zu machen als das, was er unter der Regie eines x-beliebigen Regisseurs gewesen wäre. NEBRASKA-JIM wirkt zu keinem Zeitpunkt anders als ein filmisches Desaster, das man nur deshalb fertiggestellt hat, weil es teurer geworden wäre, es nicht zu tun. Erneut bestreitet den Film in der Hauptrolle ein Ken Clark, den sich jede biedere Hausfrau zum Schwiegersohn wünschen würde. Er raucht nicht, trinkt nicht – und wenn, dann Milch statt Whiskey! -, stößt eine Schöne von der metaphorischen Bettkante, weil sie verheiratet ist, schießt seinen Feinden lieber die Waffen aus den Händen statt sie über den Haufen, und liefert am Ende schon wieder ihm zugeflogenes unrechtmäßiges Geld den legitimen Besitzern aus ohne sich selbst zu bereichern. Auch im Jahre 1966, als sich die Italo-Western-Welle bereits auf ihrem Hohepunkt befindet, bleibt Bava, bowohl er inzwischen in Naturkulissen und nicht mehr in Studiohallen dreht, seiner Edelwesternformel treu, und verzichtet weitgehend auf irgendwelche Zugeständnisse an die spezifische Genre-Spielart seines Geburtslandes. Höchstens der Soundtrack von Nino Oliviero klingt schon weniger nach Orchesterpomp denn nach dem, was man gemeinhin von Spaghetti-Western-Tonspuren gewöhnt ist, und der Vorspann, der einen angeschossenen Mann unter den Namen der Mitwirkenden sich zu Tode kriechen lässt, haben etwas mit dem Wilden Westen zu tun, den zur gleichen Zeit Regiesseure wie Leone, Corbucci oder Solima zur moralischen Hölle auf Erden hochstilisiert haben – und das wundert mich vor allem, wenn ich mir vergegenwärtige, wie rau und zynisch Bava in seinen Horrorfilmen und Thrillern sein konnte.
Tatsächlich ist die absolut unschuldige Geschichte um Nebraska-Jim und Kay, der Ehefrau des Farmers Hillman, der ihn für den Kampf gegen seinen Widersacher Carter angeheuert hat, zwischen denen sich eine keusche Liebee entspinnt, die im Verzicht endet, nachdem Nebraska zuvor alle Halunken besiegt und geraubtes Gut dem örtlichen Sheriff überliefert, derart harmlos, dass sie vielleicht nicht mal die Bava-typische Farbrauschbeleuchtung hätte retten können. Da diese allerdings völlig ausbleibt – nur in einer einzigen Szene meint man das in LA STRADA PERE FORTE ALAMO dominierende blaue Licht sich mühsam durch enge Fenster zu drängen versuchen zu sehen, doch es kann den Bauch einziehen wie es will, ein Durchkommen ist da nicht -, und der gesamte Film, neben seinem langweiligen, klischeehaften, edelmütigen Drehbuch, kaum irgendeine technische, formale oder ästhetische Innovation aufweist, wird NEBRASKA-JIM zu einem Western von der Stange, eher lieblos nach vorgefertigtem Schema heruntergekurbelt und weder besonders spannend noch besonders brutal noch besonders süß fürs Auge und nicht einmal trashig genug, dass man sich über ihn amüsieren könnte. Interessant wird es erst wieder, wenn man NEBRASKA-JIM als nominellen Western neben I COLTELLI DEL VENDICATORE hält, Bavas zweitem Wikingerabenteuer mit Cameron Mitchell, das er im gleichen Jahr unter ähnlichen Produktionsumständen, nämlich als Ersatz für einen abgängigen Erstregisseur, realisierte. Dieses ist zwar, laut Skript, ein Historienfilm um verfeindete Wikingerstämme irgendwann lange vor den ersten Christianisierungserfolgen, wurde aber, was Bildkomposition, Kameraarbeit, sogar was die Musik betrifft, von Bava scheinbar ganz bewusst im Stil eines Westerns inszeniert. Da sieht die Wikingerfischersiedlung schon mal aus wie ein Grenzposten des amerikanischen Westens, und es wird zwar nicht aus der Hüfte geschossen, aber aus der Hüfte eine Handvoll blanker Messer geworfen, und Wälder sehen sowieso überall gleich aus, im hohen Norden wie im Wilden Westen. I COLTELLI DEL VENDICATORE zieht genau daraus seinen eigenwilligen Reiz: Dass er die visuellen Konventionen des einen Genres mit den narrativen Konvention des anderen Genres vereint, und Genregrenzen damit niederreißt. Bava versteht also, wie I COLTELLI DEL VENDICATORE beweist, durchaus im Italo-Western zu wildern, d.h. packende Großaufnahmen von Männergesichtern zu liefern, und packende Duellszenen, und sogar eine klassische Saloon-Szene – wenn der Kneipenwirt auch keinen Cowboyhut, sonderne einen gehörnten Helm trägt – und die Frage bleibt offen, weshalb er es nur dann vermocht hat, wenn er eigentlich gar keinen Western drehen sollte.
Mit seinem dritten und letzten Western ROY COLT & WINCHESTER JAK (1970) neigt sich die Qualitätskurve nämlich noch einmal weiter nach unten, und wenn ich, wie gesagt, LA STRADA PER FORTE ALAMO sogar ziemlich reizvoll finde, und NEBRASKA-JIM einfach so harmlos, dass ich ihn bald schon vergessen haben werde, dann sind die Abenteuer um die beiden befreundeten Outlaws Roy Colt und Winchester Jack für mich ein mittelschweres Ärgernis, das mir gerade deswegen noch eine Weile im Gedächtnis bleiben wird. Brett Halsey und Charles Southwood sind die beiden titelgebenden Helden mit den originellen Namen Roy Colt und Winchester Jack, die sich gerne mal in aller Freundschaft prügeln, die heiß sind auf alles, was ungefähr nach einer Frau aussieht, und die manchmal miteinander, manchmal getrennt voneinander allerhand Eulenspiegeleien anstellen, um ans große Geld zu kommen. Erzählt werden diese ausnahmslos strafrechtlich relevanten Bereicherungsversuche, bei denen nicht wenige oftmals unschuldige Leute zu Tode kommen, in diesem überzeichneten, fast schon grotesken, spätpubertären und, für mein Humorempfinden, kein bisschen witzigen Tonfall, den man zum Beispiel, nur noch eine Spur härter, in solchen unsäglichen Machwerken wie QUANDO LE DONNE AVEVANO LA CODA (1970) finden kann. Typische Kalauer in ROY COLT & WINCHESTER JACK sind z.B.: 1. Eine Ansprache, die der zwischenzeitlich zum Sheriff ernannte Roy Colt der versammelten Bürgerschaft hält und in der er ankündigt, fünfzig tapfere Männer für den Kampf gegen das Böse rekrutieren zu wollen, die Mission aber sei gefährlich und nur die wenigsten werden lebend von ihr zurückkehren – und dann, als er sich umdreht, feststellt, dass alle Zuhörer hasenfüßig Reißaus genommen haben, oder 2. Eine Szene, die mit einer Großaufnahme des Gesichts des sogenannten Reverend beginnt – der, um beim deutschen Titel zu bleiben, der insgesamt dritte Halunke im Bunde -, das seltsame Grimassen zieht, die einem solange Rätsel aufgeben bis von der Tonspur eine Tröte bläst und wir begreifen, dass er scheinbar gerade dabei gewesen ist, seinen Darm zu entleeren, oder 3. Eine völlig überzogene Bordellszene der alleralbernsten Art, in der, unter anderem, eine vermeintliche Stripperin hinter einer Spanischen Wand als vergreistes Männchen enttarnt wird, das sich zur Täuschung der Freier eine Frauensilhouette auf den Rücken geklebt hat, der besagte Reverend vor lauter Geilheit aus einem Bett in das nächste purzelt, und Roy Colt und Winchester Jack sich mit einem hübschen Sümmchen sogar die Puffmutter gefügig machen.
Überhaupt ist ein Thema, das vorliegender Film oft und gerne abhandelt, der Warencharakter von Sexualität. Ständig erkaufen sich unsere im Übrigen ziemlich unsympathischen Helden weibliche Zuwendung mit barer Münze. Bezeichnend ist vor allem eine Szene ganz zu Beginn, wenn Winchester Jack mit der Indianerin Manila intim wird, die er zuvor aus den Händen zweier Strauchdiebe gerettet hat. Manila, verkörpert von einer Marilú Toto, die außer hübsch auszusehen nicht viel zu tun hat, erweist sich in der Folge als toughe Geschäftsfrau, die die sexuellen Gelüste des etwas dümmlichen und mit einer absolut debilen Lache ausgestatteten Revolverhelden klug im Dienste ihres Geldbeutels auszunutzen weiß. Nachdem man eine Zeitlang miteinander über den Preis gefeilscht hat, ist Manila endlich bereit, sich Jack hinzugeben. Auch später zeichnet der Film die Beziehung zwischen Manila, Jack und Roy, der bald ebenfalls mit ihr anbändelt, als überaus unterkühlt und, von Männerseite aus, einzig darauf bedacht, zum Stoß zu kommen, und, von Manilas Seite aus, darauf, sich weiter die Taschen mit klingenden Münzen zu füllen. Irgendwelche Zärtlich- oder Innigkeiten sind der Welt von Roy Colt und Winchester Jack fern. Selbst wenn es, als Roy Jack Manila kurzzeitig ausspannt, zu kleinen Reibereien und Raufereien kommt, bleibt die Männerfreundschaft zwischen unseren Protagonisten unangetastet: Frauen gibt es viele, einen echten Freund, mit dem man Banken überfallen kann, findet man nur einmal im Leben. Wenn im Finale Manila unsere Helden über den Tisch zieht und mit einem Batzen Diebesgut das Weite sucht, ist das nur die logische Konsequenz eines Beziehungsgeflechts, bei dem jeder Teilnehmer nur auf den eigenen Vorteil aus ist. Dass dieser Vorteil mitunter auch durch rohe Gewalt erreicht werden kann, habe ich oben schon angedeutet. Dabei steht ROY COLT & WINCHESTER JACK in einem seltsamen Spannungsverhältnis von betonter Blödelei und für den Italowestern typischer rauer Gewalt. Wenn die beiden vorherigen Western Bavas das Weichspülprogramm ablaufen ließen, so steht vorliegender Film auf einem Blatt, das ein Lächeln aus Blut trägt. Eine der vielleicht unglaublichsten Szenen des Films ist folgende: Der Reverend hat es endlich geschafft, in den Besitz einer Schatzkarte zu gelangen, die einem den Weg zu einer Goldgrube weisen soll. Dort lässt er von seinen zwei Handlangern die prallen Säcke ausbuddeln, während er selbst vor Verzücken zitternd am Grubenrand steht. Nachdem der letzte Sack geborgen ist, bedankt er sich für deren Dienste damit, dass er zwei Stangen Dynamit in das gegrabene Loch hineinschleudert. Zwar fliegen hier keine Leichenteile durch die Luft, doch perfide ist die Szene nichtsdestotrotz, vor allem in Kombination mit dem locker-lustigen Herumtollen des Reverends dazu. Dadurch, dass ROY COLT & WINCHESTER JACK seine Gewalt mit einem verschmitzten Kichern darbietet wirkt der Film nicht nur ungleich brutaler als Bavas beide vorherigen Western, sondern in Szenen wie der oben beschriebenen schon regelrecht pervers.
Wenn es ein Genre gab, für das Mario Bava kein Händchen gehabt hat, dann ist dieses wohl der Italowestern. Mit der Ausnahme von LA STRADA PER FORTE ALAMO, der wenigstens zumeist hübsch anzuschauen ist und zumindest mich bestens unterhalten hat, sind seine Western, wie ich finde, nicht nur ziemlich schwache Einträge in seinem an Überraschungen nicht armen Gesamtoeuvre, sondern auch ziemlich schwache Genre-Vertreter, die entweder sich zu einer Zeit am US-Edelwestern orientieren, als dieser auf dem besten Weg war, Großvaters Kino zu werden (LA STRADA PER FORTE ALAMO, NEBRASKA-JIM) oder sich den rüden Regeln des Italo-Westerns mit seinen gnadenlosen Gewaltorgien und seiner von einer herzlosen Ökonomie der Profitgier bestimmten Weltsicht verschreiben, diese dann aber mit einem infantilen Pennälerhumor kreuzen, der das Ganze nahezu ungenießbar macht. Das, wofür Bava normalerweise von der Filmgeschichte beklatscht wird, nämlich sein göttlicher Umgang mit Licht, Schatten und kunterbunten Farben und sein Schaffen von atmosphärisch unglaublich dichten Spannungsszenen, kann man, zumindest, was ersteren Aspekt betrifft, einzig in LA STRADA PER FORTE ALAMO ein bisschen erahnen, ansonsten sehen NEBRASKA-JIM und ROY COLT E WINCHESTER JACK formal wie ästhetisch nicht anders aus als völlig konventionelle Filme, die jeder halbwegs versierte Regisseur genauso oder möglicherweise sogar noch besser hätte hinbekommen können. Wenn es Filme gibt, bei denen Mario Bava seine Finger im Spiel hatte, und die man getrost im Regal der noch zu sichtenden Ware ganz nach hinten schieben kann, dann sind das zweifellos die Abenteuer von Nebraska-Jim, Roy Colt und Winchester Jack. Wenn es einen Film gibt, bei dem Mario Bava seine Finger im Spiel hatte, und der irgendwann doch einmal den Weg in das heimische Abspielgerät finden könnte, dann ist das LA STRADA PER FORTE ALAMO, der meine, zugegebenermaßen niedrige, Erwartungshaltung dann doch eher übertroffen als unterboten hat.
Schon die ersten beiden Einstellungen von LA STRADA PER FORTE ALAMO weisen einige stilistische Merkmale auf, die typisch sind für die Filme Mario Bavas Anfang der 60er. Wir sehen eine von hohen Felsformationen umstellte Ebene, deren einziges Anzeichen für die Anwesenheit von menschlichem Leben eine gewundene Straße ist, die durch sie hindurch und direkt auf die Kamera zu führt. Diese befindet sich in einer erhöhten Position, hat unter sich das Tal und gegenüber die gigantischen Berge, die, man erkennt das schnell, kein ursprünglicher Bestandteil der Landschaft, sondern nachträglich in diese hineinkopiert worden sind. Der gesamte an die Rocky Mountains oder ähnliche Naturkulissen des Amerikanischen Westens erinnernde und den Bildhintergrund abschließende Höhenzug macht die Landschaft erst zu einer, die sofort Assoziationen zum Genre des Westerns wecken, denn ohne sie könnte das Tal mit seinem Allerweltsgeschicht überall sein – und tatsächlich befindet es sich wohl irgendwo im näheren Umkreis von Rom. Eine weitere Komponente, die dem Bild noch fehlt, um es als ein eindeutig genrespezifisches zu markieren, ist der einsame Reiter, der langsam, während der Vorspann mit seinen ziemlich grellen, ziemlich expressiven Lettern abläuft, der Kamera entgegengallopiert. Zeitgleich setzt auch die Musik ein, eine auf Englisch gesungene Ballade namens The Way to Alamo, intoniert von einem Menschen, auf dessen Geburtsurkunde wohl sicherlich nicht Tony Kendall Wendall steht. Nach einem Schnitt sind wir auf einer Ebene mit unserem Helden angekommen. Die Kamera wartet an der rechten Straßenseite darauf, dass er an ihr vorbeireitet. Vor sich hat sie erneut zwei, diesmal echte, Felsen, die das Bild zu beiden Seiten flankieren. Obwohl auch diese Landschaft eine ist, die in keinem andern Western sowohl US-amerikanischer als auch europäischer Machart negativ auffallen dürfte, irritiert die Lichtgestaltung zum einen durch ihre Vorliebe für ein dunkles, sattes Blau, das vor allem den Himmel, aber auch den sandigen Boden bestimmt, und zum andern, als Kontrast dazu, durch das Gelb, mit dem die beiden Felsen glühen, so, als sei etwas von der Farbe des Vorspannschriftzugs auf sie herabgeträufelt. In dieser phantastischen, märchenhaften Kulisse verhält sich eigentlich nur unser reitender Held seiner Rolle gemäß, indem er brav auf seinem Sattel sitzenbleibt und seinem nächsten Abenteuer entgegenstürmt.
Dieses hört sich wie folgt an: Hinter der nächsten Wegbiegung schon findet er einen Haufen zusammengeschossener Männer, von denen nur einer noch am Leben ist und dienstbeflissen seine letzten Atemzüge nicht etwa dazu nutzt, eine Lebensbillanz zu ziehen, Frau und Kind zu grüßen oder irgendeinen tiefsinnigen Satz loszuwerden, den er immer schon hatte sagen wollen, sondern Bud Massadey, so heißt der Held des vorliegenden Films, aufzufordern, die Bank, für die er und seine toten Kollegen gearbeitet haben, darüber zu benachrichtigen, dass deren Geldtransport von Indianern überfallen und ausgeraubt worden sei. Mehr als Bud, der das alles ruhig hinnimmt, den Mann in Frieden sterben und liegenlässt, und sich in die nächste Stadt mit dem schönen Namen Waggon City aufmacht, um die schlimme Botschaft zu überbringen, regt sich der Soundtrack von Piero Umiliani über den Vorfall auf: Schon sehr lange habe ich keine derart überzogene Musik zu einer eigentlich recht ruhigen Szene gehört wie das, was Signore Umiliani plötzlich aus seinem Orchester herauspeitscht. Bud jedenfalls erreicht, als der Score sich einigermaßen beruhigt hat, die Siedlung und macht es sich dort erstmal mit einer Flasche Whiskey im örtlichen Saloon gemütlich. Dort knüpft er schnell freundliche Bande zu Jim Kincaid, einem jungen Mann, der dabei ist, sich von ein paar Halunken beim Kartenspiel über den Tisch ziehen zu lassen. Nachdem die Kleinganoven ordentlich in ihre Schranken verwiesen worden sind und der Sheriff von Waggon City unsere Helden förmlich aus der Stadt gejagt hat, beschließen Jim und Bud, von nun an gemeinsame Sache zu machen, d.h. so schnell wie möglich an Geld zu kommen. Abends, draußen in der Prärie, erzählt Bud dann auch seine tragische Geschichte: Im Bürgerkrieg haben Nordstaatler in seiner Abwesenheit die Farm überfallen, wo er zusammen mit seiner Schwester gelebt hat. Bei seiner Rückkehr habe er nur noch ihre Leiche aus den rauchenden Trümmern bergen können. Nun treibt er sich im Wilden Westen herum, um die finanziellen Mittel zu finden, die nötig sind, seine Farm neu aufzubauen. Jim hat eine Idee: Er kennt eine Gruppe Vogelfreier unter der Leitung eines gewissen Little Kid Carson. Die nehmen sie besitmmt bei sich auf und sind bereit zu allen Schandtaten. Gesagt, getan: Unter der Führung Buds verkleiden sich die Strauchdiebe als konförderierte Soldaten, reiten zurück nach Waggon City und behaupten bei der dortigen Bank, sie seien gekommen, eine große Menge Gold für die nächstgrößere Stadt, Alamo, zu holen. Leider schöpft der Bankbeamte Verdacht, und leider stößt überraschend der Sheriff hinzu, und leider verliert Carson – kongenial verkörpert von Michel Lemoine, an dem ein halber, wenn nicht ganzer Klaus Kinski verlorengegangen ist – schnell die Fassung und schießt eine alte Frau über den Haufen bevor man es dann doch schafft, mit dem Raubgut Reißaus zu nehmen. Carson hat jedoch nicht nur einen nervösen Finger am Abzug, er ist auch ein ausgemachter Schweinehund, wenn es um seinen persönlichen Vorteil geht: So werden Bud und Jim kurzerhand hinterrücks ausgeknockt, während die übrige Bande sich mit dem Gold absetzt.
Das Schicksal bzw. das Drehbuch von Lorenzo Gicca Palli, dem Regisseur der Nazisploitation-Komödie LIEBES LAGER (1976), Livia Contardi, die man als Schauspielerin unter anderem in Bavas GLI INVASORI (1961) bewundern kann, und Meister Mario höchstselbst meint es aber gut mit unseren Männern: Zwar werden ihre bewusstlosen Körper von Osage-Indianern gefunden und der sogenannten Durstfolter ausgesetzt – die darin besteht, dass man jemanden quasi auf dem Boden kreuzigt, und dafür sorgt, dass er so fixiert der brütenden Sonne wehrlos ausgeliefert ist -, vor dem Tod durch Verdursten bewahrt sie indes ein Trupp diesmal echter Nordstaatensoldaten, die sich tatsächlich auf dem Weg nach Alamo befinden, und Bud und Jim wegen ihrer Uniformen für Verbündete halten. Erfindungsreich tischt Bud ihnen folgende Räuberpistole auf: Er sei Lt. John Smith und seine Truppe von Indianern dezimiert worden, sodass nun nur noch er und Sgt. Kincaid am Leben seien. Da der Ritt nach Alamo nicht nur reine Männersache ist, sondern sich auch die eine oder andere Frau an Bord befindet – neben der Gattin des befehlshabenden Kommandanten, ist das vor allem die des Mordes an einem Soldaten angeklagte Janet, der in Alamo der Prozess gemacht werden soll, und auf die Bud bald ein Auge geworfen hat, und vice versa -, und da man bald auch noch den ziellos umherirrenden Carson aufgabelt, der einen Teil des Goldes bei sich trägt, und da man außerdem mitten hinein ins Stammesgebiet der Osage muss, die für die Bleichgesichter ganz offen das Kriegsbeil ausgegraben haben, häufen sich die Verirrungen, Täuschungen, Verwechslungen genauso wie die dramatischen Situationen auf Leben und Tod. Wird Bud es schaffen, mit Janet, Jim und dem Gold durchzubrennen?
Es ist inzwischen schon oft kolportiert worden, dass Mario Bava kein großer Freund der speziell italienischen Spielart des Westerns gewesen ist. Großaufnahmen von Augenpaaren, die unter schweiß- und schmutzbedecken Stirnen ihre Feinde anvisieren, lange, stumme Szenen, in denen man mit gespannten Nerven auf den ersten Schuss wartet, und Helden, die sogar ihre Gegenspieler zuweilen an Gewalttätigkeit und Morallosigkeit übertreffen, das alles sind keine Dinge, mit denen Mario Bava sich in LA STRADA PER FORTE ALAMO auch nur ansatzweise abgibt. Stattdessen steht der im gleichen Jahr wie Sergio Leones PER UN PUGNO DI DOLLARI entstandene Film voll und ganz in der Tradition der US-amerikanischen Edelwestern. Ken Clarks Bud Massadey ist ein Held wie aus dem Werbekatalog, dessen einziger Makel, sein Mitmischen bei dem Banküberfall der Carson-Bande, sofort im Anschluss durch ein schlechtes Gewissen, das ihn sogar das geraubte Gold, als er mit ihm hätte türmen können, brav den rechtmäßigen Autoritäten ausliefern lässt, mehr als kompensiert wird. Er sieht nicht nur immer aus wie aus dem Ei gepellt – und wirkt noch mehr wie ein Saubermann, wenn man ihn direkt neben solche Anti-Helden wie Corbuccis DJANGO stellt -, und bekommt von keiner noch so brenzligen Situation Kratzer oder Schrammen, er setzt sich zugleich für die Armen und Unterdrückten ein – vor allem, wie im Falle von Janet, für Frauen, die er sexuell anziehend findet -, und träumt schon fast kindlich-naiv nur davon, seine geliebte Ranch wieder aufbauen und in Ruhe und Frieden seinen Lebensabend verbringen zu können. Auch sein junger Freund Jim hat, außer ein paar lockeren Sprüchen, nicht wirklich etwas, woran man sich reiben könnte, von der einzigen nennenswerten Frauenfigur Janet ganz zu schweigen, die über weite Strecken letztlich lediglich die Rolle bloßer schmückender Staffage erfüllt, und deren Liebe zu Bud etwas ungemein Keusches, Züchtiges besitzt. Anders als im klassischen Italo-Western sind die Grenzen zwischen Gut und Böse, von Buds kurzfristigem Ausrutscher einmal abgesehen, klar gezogen. Auf der dunklen Seite steht mit Lemoines Carson eine Figur derart verworfen, verkommen und verachtenswert, dass so jemand außerhalb der Leinwand wohl gar nicht existieren kann. Er ist, wie gesagt, ein halber Irrer, der nicht nur aufgrund überreizter Nerven, sondern auch schon mal aus purer Blutgier tötet, der seine Triebe nicht unter Kontrolle hat, alles, was seinen Stengel zum Glühen bringt, wie ein wildes Tier überfällt, und der für ein paar Goldstückchen wohl sogar die Seele seiner Mutter verkaufen würde. Dass LA STRADE PER FORTE ALAMO einen Begriff wie Ambivalenz nicht mal vom Hörensagen kennt, zeigt sich nicht zuletzt bei der Charakterisierung der Indianer als entmenschlichte Halbwilde, die Frauen und Kinder massakrieren, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, ähnlich wie die Wikinger in Bavas Mittelalter-Epos GLI INVASORI seltsamen Stammesritualen verpflichtet sind, und ansonsten für unsere Helden reines Kanonenfutter darstellen. Irgendwelche kritischen Untertöne dahingehend, dass die Osage möglicherweise einfach nur ihr Land gegen die fremden Siedler verteidigen oder dass sie durch den gerade zu Ende gegangenen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd möglicherweise selbst derart in Mitleidenschaft gezogen worden sind, dass sie nun einen unstillbaren Hass auf alles haben, was weiß ist und eine Uniform trägt, sucht man in LA STRADA PER FORTE ALAMO vergebens.
Doch nicht nur inhaltlich erweist sich LA STRADA PER FORTE ALAMO als Erbverwalter des Edelwesterns mit Typen wie John Wayne oder Burt Lancaster. Auffallend ist nämlich – gerade wenn man ihn z.B. mit einem augenzwinkernden Spaß wie Bavas ERCOLE ALL CENTRO DELLA TERRA (1961) vergleicht -, wie ernst sich der Film selbst nimmt. Weder in der Liebesromanze zwischen Bud und Janet, die einen Douglas Sirk neidisch machen könnte, noch in Szenen wie dem finalen Anrücken der Kavallerie zu frohlockender Orchestermusik – so wie übrigens der Score den gesamten Film über sehr weit entfernt ist von den Maultrommeln eines Morricone, und fast ausnahmslos pompös-monumentale Klänge auffährt – oder den psychischen Entgleisungen Carsons ist irgendein Anflug von Ironie zu verspüren. Wenn LA STRADA PER FORTE ALAMO witzig sein möchte, dann tut er das vor allem durch die sorglos-heiteren Sprüche, die Jim und Bud andauernd klopfen, oder solche vermeintlich amüsanten Figuren wie einen Saloonbesitzer, der offenbar an der Schlafkrankheit leidet und nicht mal bei einer Schlägerei direkt vor seinen Augen dieselben richtig aufbekommt. Etwas überraschend ist da schon die Szene während des Banküberfalls, als Carson im Affekt oder Blutrausch ein armes altes Mütterchen zusammenschießt – eine Szene, die mich durch ihre unerwartete Brutalität an die in Bavas GLI INVASORI erinnerte, wenn eine Frau mit Kind von einem Wikingerspeer durchbohrt wird.
Freilich schauen sich die wenigsten Menschen einen Film von Mario Bava wegen der ausgeklügelten Stories an. Formal wie ästhetisch ist LA STRADA PER FORTE ALAMO seinen frühen Meisterwerken als Regisseur wie LA MASCHERA DEL DEMONIO (1960) oder GL INVASORI oder LA RAGAZZA CHE SAPEVA TROPPO (1963) oder generell den Werken der beiden Genres, die er wohl am versiertesten beherrschte, nämlich den Horror- und den Kriminalfilm, zwar haushoch unterlegen. Trotzdem schafft Bava es nicht nur einmal, einmal mehr aus einem Budget, das in Hollywood nicht mal fürs Casting-Catering gereicht hätte, herauszuholen, was gar nicht in ihm steckt – so sollen die meisten Indianer des finalen Kampfes zwischen Osage und Konföderation angeblich durch Puppen dargestellt worden sein, um die Kosten für Statisten zu sparen -, und zudem, wie selbstverständlich, die eigentlich recht langweiligen Studiokulissen mittels einer Beleuchtung aufzuwerten, dass ich in manchen Szenen dann doch versucht bin, auf die Knie zu sinken. Vor allem das bereits beschriebene Neonblau hat es ihm in vorliegendem Film angetan. Es darf Höhleneingänge schmücken, es darf Mondschein sein, der auf Pferde fällt, es darf den Hintergrund abdunkeln, vor dem Bud und Janet wie im herzzerreißendsten Hollywood-Melodram so tun, als würden sie sich leidenschaftlich küssen. Mehr als einmal schimmern dabei Bavas eigentliche Genre-Affinitäten durch: Die Szene, in der einer der Nordstaatensoldaten die Pferde bewacht und um ein Haar von einem Osage hinterrücks erstochen wird, erinnert nicht nur optisch an einen Gothic-Schauerfilm, sondern fühlt sich mit der unsichtbaren, aus dem Finstern langsam herankriechenden Gefahr auch wie einer an. Wenn Bud allerdings – und das dürfte ein Nachhall von Bavas Anfängen im peplum sein - von der Durstfolter errettet in der Obhut der ihn umsorgenden Janet zu sich kommt und das Bild vor ihrem Gesicht anfängt Wellen zu schlagen, dann wirkt das wie jener Moment aus einem beliebigen Sandalenfilm, in dem Herkules, Maciste, Ursus, Samson und wie sie alle heißen aus schweren Träumen in den Armen einer Untersee-Nymphe erwachen.
LA STRADA PER FORTE ALAMO ist sicherlich kein Meisterwerk und fällt im direkten Vergleich mit den Filmen, die Mario Bava kurz vor und kurz nach ihm gedreht hat, deutlich ab, nichtsdestotrotz ist er kompetent inszeniert, bietet eine zwar einfältige, aber unterhaltsame, weil abwechslungsreiche Geschichte und suhlt sich in mehr als einer Szene regelrecht in dem wundervollen Chiaroscuro, mit dem Bava die Prärie kopfüber in einen Topf seiner liebsten Farbpaletten taucht und das mich sowohl einerseits an die ebenfalls großartig ausgeleuchteten Auftragswestern erinnert, die Fritz Lang in den 40ern und 50ern gedreht hat – vor allem THE RETURN OF FRANK JAMES fällt mir da ein -, und mich andererseits fragen lässt, wie denn eigentlich SUSPIRIA als Western aussehen würde. Die beiden anderen Western, für die Bava sich im Laufe der 60er noch hat verpflichten lassen, stören allerdings leider keine Fragen in mir auf, sondern lediglich große Fragezeichen. NEBRASKA-JIM von 1966 ist eine spanisch-italienische Ko-Produktion, ursprünglich von Antonio Román begonnen, der aber nur knapp zehn Prozent des Films gedreht haben soll bevor die Produktionsfirma ihn vor die Tür setzte und stattdessen Bava heranzog, damit er, wie so oft, das angefangene Werk zu Ende bringe. Anders als sonst scheint Bava diesmal aber keinen Hauch Lust verspürt zu haben, den Film wenigstens visuell zu mehr zu machen als das, was er unter der Regie eines x-beliebigen Regisseurs gewesen wäre. NEBRASKA-JIM wirkt zu keinem Zeitpunkt anders als ein filmisches Desaster, das man nur deshalb fertiggestellt hat, weil es teurer geworden wäre, es nicht zu tun. Erneut bestreitet den Film in der Hauptrolle ein Ken Clark, den sich jede biedere Hausfrau zum Schwiegersohn wünschen würde. Er raucht nicht, trinkt nicht – und wenn, dann Milch statt Whiskey! -, stößt eine Schöne von der metaphorischen Bettkante, weil sie verheiratet ist, schießt seinen Feinden lieber die Waffen aus den Händen statt sie über den Haufen, und liefert am Ende schon wieder ihm zugeflogenes unrechtmäßiges Geld den legitimen Besitzern aus ohne sich selbst zu bereichern. Auch im Jahre 1966, als sich die Italo-Western-Welle bereits auf ihrem Hohepunkt befindet, bleibt Bava, bowohl er inzwischen in Naturkulissen und nicht mehr in Studiohallen dreht, seiner Edelwesternformel treu, und verzichtet weitgehend auf irgendwelche Zugeständnisse an die spezifische Genre-Spielart seines Geburtslandes. Höchstens der Soundtrack von Nino Oliviero klingt schon weniger nach Orchesterpomp denn nach dem, was man gemeinhin von Spaghetti-Western-Tonspuren gewöhnt ist, und der Vorspann, der einen angeschossenen Mann unter den Namen der Mitwirkenden sich zu Tode kriechen lässt, haben etwas mit dem Wilden Westen zu tun, den zur gleichen Zeit Regiesseure wie Leone, Corbucci oder Solima zur moralischen Hölle auf Erden hochstilisiert haben – und das wundert mich vor allem, wenn ich mir vergegenwärtige, wie rau und zynisch Bava in seinen Horrorfilmen und Thrillern sein konnte.
Tatsächlich ist die absolut unschuldige Geschichte um Nebraska-Jim und Kay, der Ehefrau des Farmers Hillman, der ihn für den Kampf gegen seinen Widersacher Carter angeheuert hat, zwischen denen sich eine keusche Liebee entspinnt, die im Verzicht endet, nachdem Nebraska zuvor alle Halunken besiegt und geraubtes Gut dem örtlichen Sheriff überliefert, derart harmlos, dass sie vielleicht nicht mal die Bava-typische Farbrauschbeleuchtung hätte retten können. Da diese allerdings völlig ausbleibt – nur in einer einzigen Szene meint man das in LA STRADA PERE FORTE ALAMO dominierende blaue Licht sich mühsam durch enge Fenster zu drängen versuchen zu sehen, doch es kann den Bauch einziehen wie es will, ein Durchkommen ist da nicht -, und der gesamte Film, neben seinem langweiligen, klischeehaften, edelmütigen Drehbuch, kaum irgendeine technische, formale oder ästhetische Innovation aufweist, wird NEBRASKA-JIM zu einem Western von der Stange, eher lieblos nach vorgefertigtem Schema heruntergekurbelt und weder besonders spannend noch besonders brutal noch besonders süß fürs Auge und nicht einmal trashig genug, dass man sich über ihn amüsieren könnte. Interessant wird es erst wieder, wenn man NEBRASKA-JIM als nominellen Western neben I COLTELLI DEL VENDICATORE hält, Bavas zweitem Wikingerabenteuer mit Cameron Mitchell, das er im gleichen Jahr unter ähnlichen Produktionsumständen, nämlich als Ersatz für einen abgängigen Erstregisseur, realisierte. Dieses ist zwar, laut Skript, ein Historienfilm um verfeindete Wikingerstämme irgendwann lange vor den ersten Christianisierungserfolgen, wurde aber, was Bildkomposition, Kameraarbeit, sogar was die Musik betrifft, von Bava scheinbar ganz bewusst im Stil eines Westerns inszeniert. Da sieht die Wikingerfischersiedlung schon mal aus wie ein Grenzposten des amerikanischen Westens, und es wird zwar nicht aus der Hüfte geschossen, aber aus der Hüfte eine Handvoll blanker Messer geworfen, und Wälder sehen sowieso überall gleich aus, im hohen Norden wie im Wilden Westen. I COLTELLI DEL VENDICATORE zieht genau daraus seinen eigenwilligen Reiz: Dass er die visuellen Konventionen des einen Genres mit den narrativen Konvention des anderen Genres vereint, und Genregrenzen damit niederreißt. Bava versteht also, wie I COLTELLI DEL VENDICATORE beweist, durchaus im Italo-Western zu wildern, d.h. packende Großaufnahmen von Männergesichtern zu liefern, und packende Duellszenen, und sogar eine klassische Saloon-Szene – wenn der Kneipenwirt auch keinen Cowboyhut, sonderne einen gehörnten Helm trägt – und die Frage bleibt offen, weshalb er es nur dann vermocht hat, wenn er eigentlich gar keinen Western drehen sollte.
Mit seinem dritten und letzten Western ROY COLT & WINCHESTER JAK (1970) neigt sich die Qualitätskurve nämlich noch einmal weiter nach unten, und wenn ich, wie gesagt, LA STRADA PER FORTE ALAMO sogar ziemlich reizvoll finde, und NEBRASKA-JIM einfach so harmlos, dass ich ihn bald schon vergessen haben werde, dann sind die Abenteuer um die beiden befreundeten Outlaws Roy Colt und Winchester Jack für mich ein mittelschweres Ärgernis, das mir gerade deswegen noch eine Weile im Gedächtnis bleiben wird. Brett Halsey und Charles Southwood sind die beiden titelgebenden Helden mit den originellen Namen Roy Colt und Winchester Jack, die sich gerne mal in aller Freundschaft prügeln, die heiß sind auf alles, was ungefähr nach einer Frau aussieht, und die manchmal miteinander, manchmal getrennt voneinander allerhand Eulenspiegeleien anstellen, um ans große Geld zu kommen. Erzählt werden diese ausnahmslos strafrechtlich relevanten Bereicherungsversuche, bei denen nicht wenige oftmals unschuldige Leute zu Tode kommen, in diesem überzeichneten, fast schon grotesken, spätpubertären und, für mein Humorempfinden, kein bisschen witzigen Tonfall, den man zum Beispiel, nur noch eine Spur härter, in solchen unsäglichen Machwerken wie QUANDO LE DONNE AVEVANO LA CODA (1970) finden kann. Typische Kalauer in ROY COLT & WINCHESTER JACK sind z.B.: 1. Eine Ansprache, die der zwischenzeitlich zum Sheriff ernannte Roy Colt der versammelten Bürgerschaft hält und in der er ankündigt, fünfzig tapfere Männer für den Kampf gegen das Böse rekrutieren zu wollen, die Mission aber sei gefährlich und nur die wenigsten werden lebend von ihr zurückkehren – und dann, als er sich umdreht, feststellt, dass alle Zuhörer hasenfüßig Reißaus genommen haben, oder 2. Eine Szene, die mit einer Großaufnahme des Gesichts des sogenannten Reverend beginnt – der, um beim deutschen Titel zu bleiben, der insgesamt dritte Halunke im Bunde -, das seltsame Grimassen zieht, die einem solange Rätsel aufgeben bis von der Tonspur eine Tröte bläst und wir begreifen, dass er scheinbar gerade dabei gewesen ist, seinen Darm zu entleeren, oder 3. Eine völlig überzogene Bordellszene der alleralbernsten Art, in der, unter anderem, eine vermeintliche Stripperin hinter einer Spanischen Wand als vergreistes Männchen enttarnt wird, das sich zur Täuschung der Freier eine Frauensilhouette auf den Rücken geklebt hat, der besagte Reverend vor lauter Geilheit aus einem Bett in das nächste purzelt, und Roy Colt und Winchester Jack sich mit einem hübschen Sümmchen sogar die Puffmutter gefügig machen.
Überhaupt ist ein Thema, das vorliegender Film oft und gerne abhandelt, der Warencharakter von Sexualität. Ständig erkaufen sich unsere im Übrigen ziemlich unsympathischen Helden weibliche Zuwendung mit barer Münze. Bezeichnend ist vor allem eine Szene ganz zu Beginn, wenn Winchester Jack mit der Indianerin Manila intim wird, die er zuvor aus den Händen zweier Strauchdiebe gerettet hat. Manila, verkörpert von einer Marilú Toto, die außer hübsch auszusehen nicht viel zu tun hat, erweist sich in der Folge als toughe Geschäftsfrau, die die sexuellen Gelüste des etwas dümmlichen und mit einer absolut debilen Lache ausgestatteten Revolverhelden klug im Dienste ihres Geldbeutels auszunutzen weiß. Nachdem man eine Zeitlang miteinander über den Preis gefeilscht hat, ist Manila endlich bereit, sich Jack hinzugeben. Auch später zeichnet der Film die Beziehung zwischen Manila, Jack und Roy, der bald ebenfalls mit ihr anbändelt, als überaus unterkühlt und, von Männerseite aus, einzig darauf bedacht, zum Stoß zu kommen, und, von Manilas Seite aus, darauf, sich weiter die Taschen mit klingenden Münzen zu füllen. Irgendwelche Zärtlich- oder Innigkeiten sind der Welt von Roy Colt und Winchester Jack fern. Selbst wenn es, als Roy Jack Manila kurzzeitig ausspannt, zu kleinen Reibereien und Raufereien kommt, bleibt die Männerfreundschaft zwischen unseren Protagonisten unangetastet: Frauen gibt es viele, einen echten Freund, mit dem man Banken überfallen kann, findet man nur einmal im Leben. Wenn im Finale Manila unsere Helden über den Tisch zieht und mit einem Batzen Diebesgut das Weite sucht, ist das nur die logische Konsequenz eines Beziehungsgeflechts, bei dem jeder Teilnehmer nur auf den eigenen Vorteil aus ist. Dass dieser Vorteil mitunter auch durch rohe Gewalt erreicht werden kann, habe ich oben schon angedeutet. Dabei steht ROY COLT & WINCHESTER JACK in einem seltsamen Spannungsverhältnis von betonter Blödelei und für den Italowestern typischer rauer Gewalt. Wenn die beiden vorherigen Western Bavas das Weichspülprogramm ablaufen ließen, so steht vorliegender Film auf einem Blatt, das ein Lächeln aus Blut trägt. Eine der vielleicht unglaublichsten Szenen des Films ist folgende: Der Reverend hat es endlich geschafft, in den Besitz einer Schatzkarte zu gelangen, die einem den Weg zu einer Goldgrube weisen soll. Dort lässt er von seinen zwei Handlangern die prallen Säcke ausbuddeln, während er selbst vor Verzücken zitternd am Grubenrand steht. Nachdem der letzte Sack geborgen ist, bedankt er sich für deren Dienste damit, dass er zwei Stangen Dynamit in das gegrabene Loch hineinschleudert. Zwar fliegen hier keine Leichenteile durch die Luft, doch perfide ist die Szene nichtsdestotrotz, vor allem in Kombination mit dem locker-lustigen Herumtollen des Reverends dazu. Dadurch, dass ROY COLT & WINCHESTER JACK seine Gewalt mit einem verschmitzten Kichern darbietet wirkt der Film nicht nur ungleich brutaler als Bavas beide vorherigen Western, sondern in Szenen wie der oben beschriebenen schon regelrecht pervers.
Wenn es ein Genre gab, für das Mario Bava kein Händchen gehabt hat, dann ist dieses wohl der Italowestern. Mit der Ausnahme von LA STRADA PER FORTE ALAMO, der wenigstens zumeist hübsch anzuschauen ist und zumindest mich bestens unterhalten hat, sind seine Western, wie ich finde, nicht nur ziemlich schwache Einträge in seinem an Überraschungen nicht armen Gesamtoeuvre, sondern auch ziemlich schwache Genre-Vertreter, die entweder sich zu einer Zeit am US-Edelwestern orientieren, als dieser auf dem besten Weg war, Großvaters Kino zu werden (LA STRADA PER FORTE ALAMO, NEBRASKA-JIM) oder sich den rüden Regeln des Italo-Westerns mit seinen gnadenlosen Gewaltorgien und seiner von einer herzlosen Ökonomie der Profitgier bestimmten Weltsicht verschreiben, diese dann aber mit einem infantilen Pennälerhumor kreuzen, der das Ganze nahezu ungenießbar macht. Das, wofür Bava normalerweise von der Filmgeschichte beklatscht wird, nämlich sein göttlicher Umgang mit Licht, Schatten und kunterbunten Farben und sein Schaffen von atmosphärisch unglaublich dichten Spannungsszenen, kann man, zumindest, was ersteren Aspekt betrifft, einzig in LA STRADA PER FORTE ALAMO ein bisschen erahnen, ansonsten sehen NEBRASKA-JIM und ROY COLT E WINCHESTER JACK formal wie ästhetisch nicht anders aus als völlig konventionelle Filme, die jeder halbwegs versierte Regisseur genauso oder möglicherweise sogar noch besser hätte hinbekommen können. Wenn es Filme gibt, bei denen Mario Bava seine Finger im Spiel hatte, und die man getrost im Regal der noch zu sichtenden Ware ganz nach hinten schieben kann, dann sind das zweifellos die Abenteuer von Nebraska-Jim, Roy Colt und Winchester Jack. Wenn es einen Film gibt, bei dem Mario Bava seine Finger im Spiel hatte, und der irgendwann doch einmal den Weg in das heimische Abspielgerät finden könnte, dann ist das LA STRADA PER FORTE ALAMO, der meine, zugegebenermaßen niedrige, Erwartungshaltung dann doch eher übertroffen als unterboten hat.
- sid.vicious
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Re: Der Ritt nach Alamo - Mario Bava (1964)
Originaltitel: La strada per Forte Alamo
Regisseur: Mario Bava
Kamera: Ubaldo Terzano, Mario Bava
Musik: Piero Umiliani
Drehbuch: Lorenzo Gicca Palli, Francesco Prosperi, Livia Contardi
Darsteller: Ken Clark, Jany Clair, Michel Lemoine, Andreina Paul, Alberto Cevenini, Gustavo De Nardo, Antonio Gradoli, Gérard Herter, Claudio Ruffini, Pietro Tordi
Regisseur: Mario Bava
Kamera: Ubaldo Terzano, Mario Bava
Musik: Piero Umiliani
Drehbuch: Lorenzo Gicca Palli, Francesco Prosperi, Livia Contardi
Darsteller: Ken Clark, Jany Clair, Michel Lemoine, Andreina Paul, Alberto Cevenini, Gustavo De Nardo, Antonio Gradoli, Gérard Herter, Claudio Ruffini, Pietro Tordi
Der ehemalige Soldat Bud Massidy (im Original Bill Mannerly) entdeckt auf seinem Weg durch die endlose Prärie die Leichen einiger Unionssoldaten. Die Blauröcke waren nach Wagon City unterwegs, um bei der örtlichen Bank 150.000 Dollar in Empfang zu nehmen. Das die Geldübergabe nicht zu Stande kam, ist den Osage-Indianer geschuldet, da die stets niederträchtigen Rothäute die zumeist tugendhaften Bleichgesichter erbarmungslos abschlachteten. Bill bemächtigt sich, clever wie er nun mal ist, des Geldübergabeschreibens. Trifft kurze Zeit später auf Slim Kincaid, der ihn Kid (Darsteller Michel Lemoine zählte zu dem Zeitpunkt bereits 42 Lenze) Carson und seinen Halunken vorstellt. Gemeinsam schlüpft man in die Kleider sowie die Rollen der (toten) Unionssoldaten und lässt sich das Geld in der Bank von Wagon City auszahlen. Freilich geht dieses nicht ohne Komplikationen und den obligatorischen Toten über die Bühne. Auch Bud und Slim müssen ihren Preis zahlen, werden von den Halunken niedergeschlagen und zurückgelassen. Entdeckt werden die Betrogenen von drei Indianern, die das Duo fesseln und den unbarmherzigen Sonnenstrahlen aussetzen. Gerade rechtzeitig kommt ein Trupp Soldaten, die einen Siedlertreck eskortieren, vorbei und erspart Bill und Ted den qualvollen Tod des Verdurstens. Sergeant Warwick Carter, ein erfahrener Unionssoldat, diagnostiziert, dass mit den beiden „Soldaten“ etwas nicht stimmen kann. Da die Osage auf dem Kriegspfad sind, die Siedler in großer Lebensgefahr schweben und demgemäß jeder Colt hilfreich ist, behält er seinen Verdacht für sich. Doch zu allem Überfluss taucht urplötzlich Kid Carson auf…
Der ehemalige Soldat Bud Massidy (im Original Bill Mannerly) entdeckt auf seinem Weg durch die endlose Prärie die Leichen einiger Unionssoldaten. Die Blauröcke waren nach Wagon City unterwegs, um bei der örtlichen Bank 150.000 Dollar in Empfang zu nehmen. Das die Geldübergabe nicht zu Stande kam, ist den Osage-Indianer geschuldet, da die stets niederträchtigen Rothäute die zumeist tugendhaften Bleichgesichter erbarmungslos abschlachteten. Bill bemächtigt sich, clever wie er nun mal ist, des Geldübergabeschreibens. Trifft kurze Zeit später auf Slim Kincaid, der ihn Kid (Darsteller Michel Lemoine zählte zu dem Zeitpunkt bereits 42 Lenze) Carson und seinen Halunken vorstellt. Gemeinsam schlüpft man in die Kleider sowie die Rollen der (toten) Unionssoldaten und lässt sich das Geld in der Bank von Wagon City auszahlen. Freilich geht dieses nicht ohne Komplikationen und den obligatorischen Toten über die Bühne. Auch Bud und Slim müssen ihren Preis zahlen, werden von den Halunken niedergeschlagen und zurückgelassen. Entdeckt werden die Betrogenen von drei Indianern, die das Duo fesseln und den unbarmherzigen Sonnenstrahlen aussetzen. Gerade rechtzeitig kommt ein Trupp Soldaten, die einen Siedlertreck eskortieren, vorbei und erspart Bill und Ted den qualvollen Tod des Verdurstens. Sergeant Warwick Carter, ein erfahrener Unionssoldat, diagnostiziert, dass mit den beiden „Soldaten“ etwas nicht stimmen kann. Da die Osage auf dem Kriegspfad sind, die Siedler in großer Lebensgefahr schweben und demgemäß jeder Colt hilfreich ist, behält er seinen Verdacht für sich. Doch zu allem Überfluss taucht urplötzlich Kid Carson auf…
DER RITT NACH ALAMO ist der erste von drei Western, die Mario Bava im Laufe seiner Karriere als Filmregisseur inszenierte. Wie NEBRASKA JIM und 3 HALUNKEN UND EIN HALLELUJAH konnte mich auch diese Regiearbeit nicht wirklich zufrieden stellen. Die Außenaufnahmen zu diesem bestenfalls durchschnittlichen Western entstanden weitestgehend, wie Lamberto Bava es bestätigt, in Manziana. Ein landschaftlicher Augenschmaus mit schönen Hügeln und dito schönen Tälern, die später zu den optischen Attraktionen eines Nationalparks wurden. Die atmosphärischen Nachtaufnahmen wurden hingegen nicht in freier Wildbahn, sondern im Studio fotografiert.
Die Filmhandlung spielt nach dem Ende des Sezessionskriegs (also nach 1865) und hat mit der Belagerung und dem Fall des Alamo (1836) überhaupt nichts zu schaffen. Es gibt keine Festung, es gibt keine Belagerung, es gibt keine Santa Anna-Armee, es führt kein Weg nach Texas. Stattdessen schlängelt sich die Reiseroute durch das Gebiet der Osage-Indianer. Diese lebten ab 1839 in einem Reservat, inmitten von Oklahoma, und galten, zumindest ab diesem Zeitpunkt, als friedliches Volk. Mitte der 1850er zogen zahlreiche Siedlertrecks durch ihr Gebiet. Die selbst gegründete Osage-Polizei, die sich in der Reservation um die Einhaltung der geltenden Regeln kümmerte, achtete drauf, dass diese Siedler sicher durch ihr Areal reisen und demgemäß nicht in die schmutzigen Hände marodierender Banditen fallen konnten.
Wie Sie nun richtig vermuten, spielte die Historie für Mario Bava und seine drei Drehbuchautoren keine Rolle. Für den RITT NACH ALAMO mussten sich die „Osage“, unter denen sich notabene drei native americans befanden, auf den Kriegspfad begeben. Und wenn die Statistenschar in ihren feschen Outfits, begleitet von unnachgiebigen, den Puls beschleunigenden Trommelschlägen, in Low Key-Fotografie getaucht, auf den Hügeln von Manziana auftauchen und sich auf einen anstehenden Überfall einstimmen, dann sieht das irgendwie richtig klasse aus. Dann sieht das nach Mario Bava aus, der wie so oft auch hier die Kamera in die eigenen Hände legte. An der Fotografie gibt es nach meinem Ermessen eh nichts auszusetzen. So führt unser Filmeintritt durch die bereits genannte, schöne Landschaft von Manziana. Begleitet von einem hörenswerten, von Tony Wendall interpretierten, Leitmotiv mit Namen „The Road to Fort Alamo“. Analog erspähen wir eine attraktive, kursive, in die Farbe Gelb getauchte Typografie, die an die Titel nennenden Schrifttypen bekannter Groschenromane erinnert.
Die Wort Gelb (giallo) spielt in Mario Bavas Œuvre bekannterweise eh eine bedeutende Rolle, was freilich von THE GIRL, WHO KNEW TOO MUCH und BLUTIGE SEIDE herrührt. Der unverkennbare Expressionismus des erstgenannten und die Farbgewalt wie die einhergehende Beleuchtungstechnik des zweitgenannten Geniestreichs lassen sich auch in Bavas erster Westernarbeit entdecken. Gemeint sind die Nachtaufnahmen, welche im Studio fotografiert wurden und den Zuschaueraugen nicht unbedingt imposante, aber sehr wohl interessante Weiden liefern. Mittels dieser Fotographie (eine prächtige Präsentation der Farben Blau und Gelb im Stile der einst vornehmlich nachkolorierten bundesrepublikanischen Kinoaushangfotos) und der einhergehenden Phonographie (der monotone wie beunruhigende Klang der Indianertrommeln) kann beim geeigneten Zuschauer ein gewisses Unbehagen aktiviert werden. Das immerwährende Lauern von etwas Unheimlichen, von etwas Bedrohlichen, dass urplötzlich aus dem Dickicht hervorspringen kann, um seine Opfer mit Tod und Verderben zu überschütten. Dieser zarte Hauch von implizitem Gothic-Horror ist meines Erachtens eines der eher rar gesäten Filmhighlights.
DER RITT NACH ALAMO entstammt der ganz frühen Phase des italienischen Westernkinos und feierte ungefähr einen Monat nach FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR seine Premiere in den italienischen Lichtspielhäusern. Ergo orientierte sich Bava am amerikanischen Westernkino und arbeitete demzufolge auch mit dessen Versatzstücken. Als da wären: Die bösen Indianer - die guten Blauröcke. Der gute Westerner - der böse Westerner. Die symbolische (rothaarige!) Hure und angebliche Mörderin Janet. Die herablassende Puritanerin und Ehefrau eines Offiziers. Der Offizier, der sich strikt an die Vorschriften hält und dadurch viele Menschenleben in Gefahr bringt. Die bedrohten Siedler. Das verängstigte Kind und seine beschützende Mutter. Die Postkutsche. Letztgenanntes Substantiv mag den Anschein erwecken, es würde aus dem Schema der vorhergegangenen Aufzählung ausbrechen, da es sich um eine Sache und nicht um eine Person handelt. Nicht wirklich, da die Postkutsche als Konnotation zu RINGO (USA, 1939) gedacht ist. Jener großartige Western unter der künstlerischen Leitung von John Ford, der eine Reisegesellschaft zentralisiert, die aus unterschiedlichen Vertretern der amerikanischen Gesellschaft besteht und verdeutlicht, dass sich hinter biederen wie puritanischen Bürgerfassaden dunkle Geheimnisse und hinter den Fassaden der Marginalisierten wertvolle Menschen verbergen. So ist Bavas Janet nach dem Vorbild von Fords goldherziger Dallas, die von der „Law and Order League“ aus dem Städtchen Tonto vertrieben wurde, kreiert. Und Bud Massidy erinnert etwas an Ringo Kid. Weitere Affinitäten wie die zur naserümpfenden Lucy Mallory (die Offiziersehefrau, die eine harte puritanische Schule durchlief), zum zwielichtigen Bankier Henry Gatewood, zum versoffenen Dr. Josiah Boone, können Sie bei Bedarf selbst entschlüsseln. Es ist stets ergiebig, sich RINGO alias STAGECOACH anzuschauen.
DER RITT NACH ALAMO wurde einer kostengünstigen Inszenierung unterzogen und offeriert drei Bretterverschläge als die Ortschaft Wagon City. Von der geringen Budgetierung war auch Ken Clarks Hemd betroffen, welches an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten und vermutlich auch noch heute beim Textil-Discounter KIK für 2,99 Euro zu erwerben ist. Unter dem Hemd trägt der gebürtige Amerikaner, der mir in seinen Peplum- und Eurospy-Beiträgen stets unterhaltsame Minuten schenkte, einen Brustpelz, den man dito vermutlich nur mit der Heckenschere bewältigen kann. So etwas war halt mal schwer angesagt, sodass sich Ken zumindest einmal seines Hemdes entledigen musste.
Obendrein muss sich Ken in der Rolle des Hauptcharakters Bud Massidy mit Indianern, Gesetzlosen sowie einem arroganten, stur nach Vorschrift waltenden Offizier rumschlagen. Solche Charaktere gibt es im Kino zuhauf. Sie gefährden den Erfolg einer Mission sowie die Leben der Soldaten und Zivilisten. Jene doktrinären Offiziere tauchten bereits in den frühen amerikanischen „Luftkampffilmen“ auf. Und mit Eintritt der Amerikaner in den 2. Weltkrieg präsentieren die US-Lichtspiele nur allzu oft den deutschen Offizier als ein überhebliches, brutales und dummes Individuum. Eigenschaften mit denen sich Buds Gegenspieler, der zuvor genannte Offizier, bestens arrangieren kann.
Fazit: Auch wenn das beleuchtungstechnische, vom Expressionismus speisende Spiel von Licht und Schatten funktioniert, reflektiert DER RITT NACH ALAMO generell weniger Licht als Schatten. Der Film legt zwar mächtig los. Präsentiert den angesehenen Bürger als Falschspieler und lässt einen Pokerstreit blutig enden. Thematisiert den Geldbetrug, den Verrat und die indianische Folter, aber anschließend wird es doch sehr verhalten und der Film leidet vornehmlich unter seiner fortan regierenden zähen Inszenierungsweise.
https://italo-cinema.de/item/ritt-nach-alamo-derDer ehemalige Soldat Bud Massidy (im Original Bill Mannerly) entdeckt auf seinem Weg durch die endlose Prärie die Leichen einiger Unionssoldaten. Die Blauröcke waren nach Wagon City unterwegs, um bei der örtlichen Bank 150.000 Dollar in Empfang zu nehmen. Das die Geldübergabe nicht zu Stande kam, ist den Osage-Indianer geschuldet, da die stets niederträchtigen Rothäute die zumeist tugendhaften Bleichgesichter erbarmungslos abschlachteten. Bill bemächtigt sich, clever wie er nun mal ist, des Geldübergabeschreibens. Trifft kurze Zeit später auf Slim Kincaid, der ihn Kid (Darsteller Michel Lemoine zählte zu dem Zeitpunkt bereits 42 Lenze) Carson und seinen Halunken vorstellt. Gemeinsam schlüpft man in die Kleider sowie die Rollen der (toten) Unionssoldaten und lässt sich das Geld in der Bank von Wagon City auszahlen. Freilich geht dieses nicht ohne Komplikationen und den obligatorischen Toten über die Bühne. Auch Bud und Slim müssen ihren Preis zahlen, werden von den Halunken niedergeschlagen und zurückgelassen. Entdeckt werden die Betrogenen von drei Indianern, die das Duo fesseln und den unbarmherzigen Sonnenstrahlen aussetzen. Gerade rechtzeitig kommt ein Trupp Soldaten, die einen Siedlertreck eskortieren, vorbei und erspart Bill und Ted den qualvollen Tod des Verdurstens. Sergeant Warwick Carter, ein erfahrener Unionssoldat, diagnostiziert, dass mit den beiden „Soldaten“ etwas nicht stimmen kann. Da die Osage auf dem Kriegspfad sind, die Siedler in großer Lebensgefahr schweben und demgemäß jeder Colt hilfreich ist, behält er seinen Verdacht für sich. Doch zu allem Überfluss taucht urplötzlich Kid Carson auf…
DER RITT NACH ALAMO ist der erste von drei Western, die Mario Bava im Laufe seiner Karriere als Filmregisseur inszenierte. Wie NEBRASKA JIM und 3 HALUNKEN UND EIN HALLELUJAH konnte mich auch diese Regiearbeit nicht wirklich zufrieden stellen. Die Außenaufnahmen zu diesem bestenfalls durchschnittlichen Western entstanden weitestgehend, wie Lamberto Bava es bestätigt, in Manziana. Ein landschaftlicher Augenschmaus mit schönen Hügeln und dito schönen Tälern, die später zu den optischen Attraktionen eines Nationalparks wurden. Die atmosphärischen Nachtaufnahmen wurden hingegen nicht in freier Wildbahn, sondern im Studio fotografiert.
Die Filmhandlung spielt nach dem Ende des Sezessionskriegs (also nach 1865) und hat mit der Belagerung und dem Fall des Alamo (1836) überhaupt nichts zu schaffen. Es gibt keine Festung, es gibt keine Belagerung, es gibt keine Santa Anna-Armee, es führt kein Weg nach Texas. Stattdessen schlängelt sich die Reiseroute durch das Gebiet der Osage-Indianer. Diese lebten ab 1839 in einem Reservat, inmitten von Oklahoma, und galten, zumindest ab diesem Zeitpunkt, als friedliches Volk. Mitte der 1850er zogen zahlreiche Siedlertrecks durch ihr Gebiet. Die selbst gegründete Osage-Polizei, die sich in der Reservation um die Einhaltung der geltenden Regeln kümmerte, achtete drauf, dass diese Siedler sicher durch ihr Areal reisen und demgemäß nicht in die schmutzigen Hände marodierender Banditen fallen konnten.
Wie Sie nun richtig vermuten, spielte die Historie für Mario Bava und seine drei Drehbuchautoren keine Rolle. Für den RITT NACH ALAMO mussten sich die „Osage“, unter denen sich notabene drei native americans befanden, auf den Kriegspfad begeben. Und wenn die Statistenschar in ihren feschen Outfits, begleitet von unnachgiebigen, den Puls beschleunigenden Trommelschlägen, in Low Key-Fotografie getaucht, auf den Hügeln von Manziana auftauchen und sich auf einen anstehenden Überfall einstimmen, dann sieht das irgendwie richtig klasse aus. Dann sieht das nach Mario Bava aus, der wie so oft auch hier die Kamera in die eigenen Hände legte. An der Fotografie gibt es nach meinem Ermessen eh nichts auszusetzen. So führt unser Filmeintritt durch die bereits genannte, schöne Landschaft von Manziana. Begleitet von einem hörenswerten, von Tony Wendall interpretierten, Leitmotiv mit Namen „The Road to Fort Alamo“. Analog erspähen wir eine attraktive, kursive, in die Farbe Gelb getauchte Typografie, die an die Titel nennenden Schrifttypen bekannter Groschenromane erinnert.
Die Wort Gelb (giallo) spielt in Mario Bavas Œuvre bekannterweise eh eine bedeutende Rolle, was freilich von THE GIRL, WHO KNEW TOO MUCH und BLUTIGE SEIDE herrührt. Der unverkennbare Expressionismus des erstgenannten und die Farbgewalt wie die einhergehende Beleuchtungstechnik des zweitgenannten Geniestreichs lassen sich auch in Bavas erster Westernarbeit entdecken. Gemeint sind die Nachtaufnahmen, welche im Studio fotografiert wurden und den Zuschaueraugen nicht unbedingt imposante, aber sehr wohl interessante Weiden liefern. Mittels dieser Fotographie (eine prächtige Präsentation der Farben Blau und Gelb im Stile der einst vornehmlich nachkolorierten bundesrepublikanischen Kinoaushangfotos) und der einhergehenden Phonographie (der monotone wie beunruhigende Klang der Indianertrommeln) kann beim geeigneten Zuschauer ein gewisses Unbehagen aktiviert werden. Das immerwährende Lauern von etwas Unheimlichen, von etwas Bedrohlichen, dass urplötzlich aus dem Dickicht hervorspringen kann, um seine Opfer mit Tod und Verderben zu überschütten. Dieser zarte Hauch von implizitem Gothic-Horror ist meines Erachtens eines der eher rar gesäten Filmhighlights.
DER RITT NACH ALAMO entstammt der ganz frühen Phase des italienischen Westernkinos und feierte ungefähr einen Monat nach FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR seine Premiere in den italienischen Lichtspielhäusern. Ergo orientierte sich Bava am amerikanischen Westernkino und arbeitete demzufolge auch mit dessen Versatzstücken. Als da wären: Die bösen Indianer - die guten Blauröcke. Der gute Westerner - der böse Westerner. Die symbolische (rothaarige!) Hure und angebliche Mörderin Janet. Die herablassende Puritanerin und Ehefrau eines Offiziers. Der Offizier, der sich strikt an die Vorschriften hält und dadurch viele Menschenleben in Gefahr bringt. Die bedrohten Siedler. Das verängstigte Kind und seine beschützende Mutter. Die Postkutsche. Letztgenanntes Substantiv mag den Anschein erwecken, es würde aus dem Schema der vorhergegangenen Aufzählung ausbrechen, da es sich um eine Sache und nicht um eine Person handelt. Nicht wirklich, da die Postkutsche als Konnotation zu RINGO (USA, 1939) gedacht ist. Jener großartige Western unter der künstlerischen Leitung von John Ford, der eine Reisegesellschaft zentralisiert, die aus unterschiedlichen Vertretern der amerikanischen Gesellschaft besteht und verdeutlicht, dass sich hinter biederen wie puritanischen Bürgerfassaden dunkle Geheimnisse und hinter den Fassaden der Marginalisierten wertvolle Menschen verbergen. So ist Bavas Janet nach dem Vorbild von Fords goldherziger Dallas, die von der „Law and Order League“ aus dem Städtchen Tonto vertrieben wurde, kreiert. Und Bud Massidy erinnert etwas an Ringo Kid. Weitere Affinitäten wie die zur naserümpfenden Lucy Mallory (die Offiziersehefrau, die eine harte puritanische Schule durchlief), zum zwielichtigen Bankier Henry Gatewood, zum versoffenen Dr. Josiah Boone, können Sie bei Bedarf selbst entschlüsseln. Es ist stets ergiebig, sich RINGO alias STAGECOACH anzuschauen.
DER RITT NACH ALAMO wurde einer kostengünstigen Inszenierung unterzogen und offeriert drei Bretterverschläge als die Ortschaft Wagon City. Von der geringen Budgetierung war auch Ken Clarks Hemd betroffen, welches an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten und vermutlich auch noch heute beim Textil-Discounter KIK für 2,99 Euro zu erwerben ist. Unter dem Hemd trägt der gebürtige Amerikaner, der mir in seinen Peplum- und Eurospy-Beiträgen stets unterhaltsame Minuten schenkte, einen Brustpelz, den man dito vermutlich nur mit der Heckenschere bewältigen kann. So etwas war halt mal schwer angesagt, sodass sich Ken zumindest einmal seines Hemdes entledigen musste.
Obendrein muss sich Ken in der Rolle des Hauptcharakters Bud Massidy mit Indianern, Gesetzlosen sowie einem arroganten, stur nach Vorschrift waltenden Offizier rumschlagen. Solche Charaktere gibt es im Kino zuhauf. Sie gefährden den Erfolg einer Mission sowie die Leben der Soldaten und Zivilisten. Jene doktrinären Offiziere tauchten bereits in den frühen amerikanischen „Luftkampffilmen“ auf. Und mit Eintritt der Amerikaner in den 2. Weltkrieg präsentieren die US-Lichtspiele nur allzu oft den deutschen Offizier als ein überhebliches, brutales und dummes Individuum. Eigenschaften mit denen sich Buds Gegenspieler, der zuvor genannte Offizier, bestens arrangieren kann.
Fazit: Auch wenn das beleuchtungstechnische, vom Expressionismus speisende Spiel von Licht und Schatten funktioniert, reflektiert DER RITT NACH ALAMO generell weniger Licht als Schatten. Der Film legt zwar mächtig los. Präsentiert den angesehenen Bürger als Falschspieler und lässt einen Pokerstreit blutig enden. Thematisiert den Geldbetrug, den Verrat und die indianische Folter, aber anschließend wird es doch sehr verhalten und der Film leidet vornehmlich unter seiner fortan regierenden zähen Inszenierungsweise.