TV Spielfilm Jahrbuch 93
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TV Spielfilm Jahrbuch 93
TV Spielfilm Jahrbuch 93
ISBN: 3-89324-100-0
Im Jahre 1992 war die „TV Spielfilm“ aus der Hamburger Verlagsgruppe Milchstraße, in der schon lange das renommierte Kinomagazin „Cinema“ erschien, bereits eine feste neue Größe auf dem hart umkämpften Markt der Fernsehzeitungen, weshalb auf dem fünften und letzten, im zweiten Halbjahr 1992 veröffentlichten Band der TV-Jahrbuchreihe selbstbewusst großformatig das „TV Spielfilm“-Logo prangt. Den Buchdeckel ziert nun Robocop und der weiteren Ausdifferenzierung der Fernsehlandschaft zollt man Tribut, indem statt noch neun wie im Vorjahr nun satte 17 Senderlogos das Cover verzieren: Hinzugekommen sind die Sender Kabelkanal, Arte und Sky Channel, Eins Plus ist wieder dabei und fünf dritte öffentlich-rechtliche Programme werden diesmal separat abgebildet. Auf der Titelseite fehlt der offenbar kurzfristig hinzugekommene Ableger „RTL II“, für dessen Symbolisierung im Innenteil offenbar auch kein offizielles Senderlogo zur Verfügung stand, weshalb man eher schlecht als recht improvisierte und ins „RTL plus“-Logo eine kleine „2“ hineinmogelte. Dass der Hauptsender sich in RTL umbenannte und mit neuem Logo firmierte, schien sich ebenfalls mit der Drucklegung überschnitten zu haben. Der Umfang ist mit rund 200 Seiten identisch geblieben.
Auf die neue Sendervielfalt geht auch Chefredakteur Willy Loderhose in seinem Vorwort – in diesem Band das einzige – ein, in der er jedoch nicht nur Vorteile sieht: „[...] im ewigen Spannungsfeld von Quoten und Quantität leidet inzwischen bei allen die Qualität.“ Tatsächlich war 1993 in meiner Erinnerung in etwa die Zeit, in der das Programm der großen Privatsender zunehmend uninteressanter und formelhafter wurde, der mitunter experimentelle und freche Charme der Gründerjahre blieb leider immer mehr auf der Strecke. In diesem Buch geht es nun aber vornehmlich um eine Vorschau auf die zu erwartenden Spielfilmausstrahlungen aller Sender inklusive des Premiere-Bezahlfernsehens, und diese bestanden erwartungsgemäß viel aus frühen Produktionen der Neunzigerjahre sowie Endachtziger-Stoff: „Pretty Woman“, „Cyrano von Bergerac“, „König der Fischer“, Ghostbusters II“, „Dick Tracy“, „Der Feind in meinem Bett“, „Der mit dem Wolf tanzt“, „Full Metal Jacket“, „Kuck mal, wer da spricht“, „Terminator II“ oder „Die nackte Kanone 2 ½“ lauteten die Zugpferde, die die Zuschauerinnen und Zuschauer vor die Fernsehgeräte locken sollten. Dieser Hauptteil des Buchs beginnt ungewohnt kritisch, indem man angesichts des „Pretty Woman“-Erfolgs dem deutschen Publikum Geschmacksverirrung unterstellt. Ungewöhnlich ist auch die kritische Haltung gegenüber „Der Priestermord“, dem man Schwarzweißmalerei attestiert. Auch scheint man die Nase voll von seit dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts überholten Feindbildern aus Kalter-Kriegs-Zeiten zu haben, wie anhand des Inhalts der „Jagd auf Roter Oktober“-Vorstellung deutlich wird.
Ausstrahlungsreihen älterer Filme werden wie üblich auf Schwarzweißseiten mit weniger Fotos und wesentlich knapperen Filmbesprechungen, dafür ergänzt um recht ausführliche Einleitungen, zwischengeschoben. Demnach liefen 1993 Clint-Eastwood-, Robert-De-Niro-, Bob-Hoskins-, George-Cukor-, Michael-Caine-, Agentenfilme- und Burt-Lancaster-Reihen – außerdem im ZDF „Mittwochskino – Filme der 50er und 60er Jahre“, die ich hier hervorhebe, weil die Einleitung kein gutes Haar an den entsprechenden deutschen Produktionen lässt. Begrüßenswert auch, dass man „Airborne – Flügel aus Stahl“ als das US-militärische Propagandaprodukt bezeichnet, das es ist. Seine kritische Haltung behält man auch bei der Besprechung von Brian de Palmas Kriegsfilm „Die Verdammten des Krieges“ bei und hadert mit dessen Einstufung als Antikriegsfilm. Zunächst macht das neue Jahrbuch einen sehr ordentlichen Eindruck, denn die Fehlerzahl hat man anscheinend reduzieren und die Filmvorstellungen verbessern können. Dieser Eindruck muss jedoch bald zumindest relativiert werden: Die „Pelle, der Eroberer“-Besprechung endet nicht nur mitten im Satz, sondern sogar inmitten eines Worts, Joel Schumachers „Flatliners“ wird vollkommen zu unrecht verrissen und die „Robocop 2“-Kritik liest sich doch arg seltsam („In ,Robocop’ rückte Paul Verhoeven seinerzeit den Konflikt zwischen Mensch und Maschine auf der Suche nach der eigenen Identität in den Mittelpunkt härtester Action. In diesem Sequel, das keine Fortsetzung ist, sondern die gleiche Geschichte mit noch mehr Leichen erzählt, verzichtet Irvin Kershner auf Plattitüden dieser Art.“). Dass „Terminator II“ in Hollywood einen Trend zu weniger Superlativen eingeleitet habe, halte ich für ein Gerücht, den Film „Grenzpatrouille“ datiert man auf das Jahr 1980 (korrekt wäre 1982), die Rechtschreibfehler häufen sich insbesondere in der zweiten Buchhälfte, das Layout ist nicht immer einheitlich und die Formulierung „Diebstahl-Thriller“ für einen Heist Movie erscheint mir eher ungelenk. Auf ein Lektorat scheint man leider wieder verzichtet zu haben, sodass das Buch einen erneut lediglich semiprofessionellen Eindruck hinterlässt.
„Kurz belichtet“-Sektionen mit Kurzvorstellungen oder schlicht Auflistungen weiterer Spielfilmausstrahlungen runden den Hauptteil ab (der mich zumindest mit der Information, „Les bois noirs“ sei auf RTL II gelaufen, überrascht hat – kann das jemand verifizieren?); das letzte Viertel wird unter „Service“ zusammengefasst und behandelt Serien wie „Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“, „Auf Achse“, „Der Fotograf“, „Alaska Kid“, „Freunde fürs Leben“, „Marienhof“ (als „Konkurrenz für die Lindenstraße“ bezeichnet), „Der rote Blitz“ und einige weitere. Besonders interessant erscheint mir „Ein Mann am Zug“ mit Eberhard Feik, die am Hamburger Hauptbahnhof spielt – wenn auch leider Anfang der verdammten ’90er und nicht mehr in den ’80ern. Weiter geht’s mit einem gleich vierseitigen Abschnitt über „Reality TV“ – damals der heiße Scheiß und immer, so auch hier, einen kritischen Kommentar wert, wobei mich die Erwähnung von „Notruf“ mit Hans Meiser, wofür echte Unglücke mit Laiendarstellern oftmals unfreiwillig komisch nachgestellt wurden, immer wieder überrascht – harmloser ging’s doch nun wirklich kaum. Auch das Tränendrückerformat „Verzeih mir“ und Dänikens Ufo-Theorien wurden von der Redaktion eigensinnigerweise zum „Reality TV“ hinzugezählt – Däniken wird’s gefreut haben... Das wirklich Bemerkenswerte an diesem Artikel, der auch von Medienethik handelt, ist, wie die Öffentlich-Rechtlichen ebenfalls ihr Fett wegbekommen:
„Soll keiner sagen, das der Wirklichkeit entliehene Blutbad sei nur eine neue Scheußlichkeit, die die Privatsender ihrem Publikum zumuten. Die seriösen Öffentlich-Rechtlichen sind beim Gemetzel gern dabei. Beim Geiseldrama von Gladbeck beispielsweise machten sie die Gangster Rösner und Degowski zu Fernsehstars. Von der Hinrichtung des Karpaten-Hitler [sic!] Çeaușescu [sic!] sparten sie nur die Szene des Todesschusses aus. Für soviel Pietät klopfen sie sich heute noch selbst auf die Schulter.“
Oh ja, da werden Erinnerungen wach. Im Anschluss widmet man sich speziell einigen TV-Personalien wie Linda de Mol, deren „Traumhochzeit“ man ebenfalls kritisch beäugt, Ingolf Lück, als „[d]as ewige Nachwuchstalent“ überschrieben, Turm-Talker Erich Böhme (ich vermisse diese Sendung...) oder auch Helmut Fischer, wie sollte es auch anders sein als „Monaco Franze oder der ewige Stenz“ bezeichnet. Der Einstieg in sein Porträt hat es dann jedoch in sich:
„Wenn einer Schauspieler ist und erst mit über 50 sein berufliches Coming Out hat, dann ist er entweder verdientermaßen schlecht, oder es handelt sich um ein verkanntes Genie. Letzteres muss bei Helmut Fischer der Fall sein, denn anders ist nicht zu erklären, daß ein Mime, der jahrzehntelang als Provinzjockel und besseres Komparse Kritiker und Publikum gleichermaßen anödete, plötzlich zum gefragten Fernsehstar aufsteigt.“
Äh, ok... Weiter zum Sport: Dieser Abschnitt beginnt mit einem der traurigsten Ereignisse deutscher Fernsehgeschichte: Mein geliebtes Tele5 wurde zu DSF und damit vollkommen bedeutungslos, zumindest für mich. In erster Linie dreht sich die Doppelseite aber darum, dass die Privatsender öffentlich-rechtlich vernachlässigte Sportarten aufgreifen, weitere Doppelseiten widmen sich Formel-1-Fahrer Michael Schumacher, damals noch blutjung und hauptverantwortlich für eine Renaissance des allgemeinen Motorsportsinteresses der Deutschen, und dem Eishockey, das damals meines Wissens ebenfalls einen Boom verzeichnete. In Tabellen- bzw. Listenform werden die wichtigsten Sporttermine und Show-Ausstrahlungen auf einen Blick geliefert, bevor das „In Memoriam“-Kapitel in Form kurzer Nachrufe traurigerweise vom Tode Benny Hills, Otto Simaneks und anderer Film- und Fernsehgrößen berichtet. Der Statistikteil schließlich liefert wieder ganze andere Auswertungen als das vorherige Buch, wobei drei Informationen besonders interessant sind:
1. Dass die einst durchaus beliebte oder zumindest weitläufig akzeptierte einmalige Werbeunterbrechung von im Privatfernsehen gesendeten Spielfilmen zu nervigen drei ausgiebigen Werbeblöcken anwuchs, ist anscheinend einer Rundfunkstaatsvertragsänderung aus dem Jahre 1992 geschuldet (ein weiterer Faktor zu ungunsten des Faszinosums privater Rundfunk).
2. Die Marktanteile öffentlich-rechtlichen Werbefernsehens sanken in extremem Maße, was ein Indiz für ein gegenüber den privaten Angeboten weitaus unattraktiveres Vorabendprogramm sein dürfte.
3. Die großen Privatsender RTL plus und Sat.1 zwackten ARD und ZDF weitere Marktanteile ab, wobei der Vorsprung von RTL gegenüber Sat.1 immer größer wurde und das ZDF sich 1992 laut Diagramm wieder im Aufwärtstrend befand – worauf der erläuternde Text jedoch mit keiner Silbe eingeht.
Adressen und ein Index runden auch diesen Band ab, der erst gar nicht mehr den Versuch unternimmt, den Eindruck zu erwecken, einen Gesamtüberblick über das Spielfilmangebot zu liefern – bei der mittlerweile verfügbaren Senderanzahl wäre das ein schier aussichtsloses Unterfangen gewesen. Intransparent ist nach wie vor, wie genau die Auswahl nicht nur der vorgestellten Filme, sondern auch des Begleitwerks vonstatten ging. Generell schien das Konzept sich langsam, aber sicher zu überholen. Als grober Überblick über die ’80er/’90er-Übergangsphase des Populärfilms ist es gut geeignet, der „Service“-Abschnitt liest sich insbesondere retrospektiv spannend und fungiert als interessantes Zeitdokument, anhand dessen sich der massenmediale Fernsehzeitgeist ablesen lässt. Sich durch den Hauptteil mit seinen zahlreichen stilistisch divergierenden Filmbesprechungen zu arbeiten, war jedoch nicht nur aufgrund manch dem Konzept geschuldeter Wiederholung gegenüber den vorausgegangenen Bänden nicht immer das reine Vergnügen. Gründe, weshalb mich ein „Jahrbuch 1994“ noch weniger interessiert hätte, sind neben dem immer beliebiger gewordenen Fernsehprogramm auch die nachlassende Attraktivität von Kinoproduktionen in den 1990er-Jahren. Die ’80er waren eben endgültig vorbei.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!