Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Action, Crime, harte Cops, Gangster & Mafia

Moderator: jogiwan

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Nello Pazzafini
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von Nello Pazzafini »

gut Schlamm braucht Weile!

aber auf den film kann man sich richtig richtig freuen, einer der Vollgas gibt ;)
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"Ein Grab im K-Gebiet wünscht dir Dein Ugo"
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sergio petroni
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von sergio petroni »

Nello Pazzafini hat geschrieben:gut Schlamm braucht Weile!

aber auf den film kann man sich richtig richtig freuen, einer der Vollgas gibt ;)
Kann's kaum erwarten :sabber:
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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CamperVan.Helsing
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Da kann ich den obskuren Cameramännern mal wieder gar nicht genug danken, "Fango Bollente" aus dem Schlamm gezogen zu haben. Ein Film wie ein Faustschlag in den Unterleib, bei dem sich ein WTF-Moment an den nächsten reiht, und der doch weit davon entfernt ist, ein schebbiger Sleazer von der Stange zu sein. Gewalt ohne Motiv, just for fun, weil man's kann. Joe D'Alessandro möchte man hier nicht einmal am hellichten Tag über den Weg laufen. Schon gar nicht, wenn gerade ein Gabelstapler herumsteht.

Um Gewalt zu ächten, muss man sie zunächst zeigen, lautete das Credo von Vittorio Salerno, dem es speziell hier darum ging, darzustellen, dass Gewalt keinen nachvollziehbaren Grund braucht. Sie passiert einfach und jeden kann es treffen. Ein sehr eindringlicher Film, den ich jedem ans Herz legen kann.
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jogiwan
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von jogiwan »

Oftmals entsteht der Eindruck, dass die Hemmschwelle für Gewalt erst in Zeiten von „Social Media“-Empörungs-Mob, Radikalisierungen von allen Seiten und von Populisten befeuerter Gesellschaftsspaltungen mittlerweile so herabgesetzt wurde, dass für einige Menschen bereits ein kleiner Funke ausreicht um eine Situation eskalieren zu lassen. Doch ein hoher Grad zur Gewalttätigkeit begleitet die Menschheit seit Anbeginn ihrer Existenz und Vittorio Salerno beweist in seinem eindrucksvollen und gesellschaftskritischen Kracher „Fango Bollente“ aus dem Jahr 1975, dass Gewalt auch gar keine große Aufstachelung benötigt, wenn man eine allgemeine Unzufriedenheit bereits länger mit sich herumträgt. Hier sind es drei Männer bzw. Arbeitskollegen, die Gewalt als Ausgleich zu ihrer bescheidenen Existenz entdecken und diese immer weiter schüren und dabei auch gar kein tiefergehendes Motiv dazu benötigen. Das Erschreckende an dem Film, ist ja die Tatsache, dass die Männer dabei völlig Empathie-frei, sehr brutal und impulsiv zu Werke gehen und dadurch auch jeder ins Blickfeld der Männer geraten kann und den Zuschauer mit unangenehmen Fragen konfrontiert. Dabei wird in dem zynischen Abgesang auf die Menschheit ein ziemliches Programm aufgefahren und „Fango Bollente“ plättet den Zuschauer für 81 Minuten und darüber hinaus mit seiner Mischung aus extraherbem Exploitation-Film, tollen Darstellern, Prog-Rock-Soundtrack und Sozialkritik, bis dieser nicht mehr weiß, wie ihm geschieht. Essentiell? Aber hallo!
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Blap
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von Blap »

Gestern endlich die BD aus dem Hause Camera Obscura in den Player geschoben. Ein echter Vorschlaghammer von Film, vor allem erscheint mir der Stoff aktueller den jemals zuvor. Hallo? Die Idioten haben im Grunde ein angenehmes Leben, der Hauptcharakter gar eine attraktive Ehefrau die nicht mit ständiger Anwesenheit nervt, dennoch dreht das Gesindel durch ... Wie halten die Millionen von unterbezahlten Arbeitssklaven es heute nur aus ...???

Joe Dallesandro und die beiden Prilleken an seiner Seite spielen toll auf, Enrico Maria Salerno gefällt in der Rolle des offenbar einzigen Bullen der nicht völlig unterbelichtet ist, herrlich! Hinzu kommt ein derber Zungenschlag, ätzender Humor und perverse Gewaltausbrüche. Beste Unterhaltung auf verschiedenen Ebenen, da der Streifen sicher nicht nur die niederen Instinkte des Exploitation-Süchtlings befriedigt.

Sehr angenehm unangenehm! Pflicht!
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Canisius
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von Canisius »

Blap hat geschrieben:Wie halten die Millionen von unterbezahlten Arbeitssklaven es heute nur aus ...???
Berechtigte Frage!
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„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
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Blap
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von Blap »

Canisius hat geschrieben:
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Maulwurf
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von Maulwurf »

Die grausamen Drei
Fango bollente
Italien 1975
Regie: Vittorio Salerno
Joe Dallesandro, Enrico Maria Salerno, Martine Brochard, Gianfranco de Grassi, Ada Pometti, Salvatore Borghese, Luigi Casellato, Umberto Ceriani, Guido de Carli


Fango bollente.jpg
Fango bollente.jpg (38.24 KiB) 685 mal betrachtet

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Italo-Cinema

Die Ausweitung der Kampfzone. Das Füllen der Leere im Inneren des Selbst. Womit? Mit allem was geht. Bier, Drogen, Weiber. Anderen die Zähne einschlagen und die Rippen brechen - Spaß haben. Die eigene Existenz mit irgendwas füllen, egal wie, bloß dieses vollkommen leere und idiotische Alltagsleben vergessen …

Wenn man voneinander getrennte weiße Mäuse zusammenkommen lässt, dann zerfleischen sich die Mäuse gegenseitig. Dass das mit Menschen genauso gut funktioniert testen Ovidio, Giacomo und Beppe im Turiner Fußballstadion aus. Ergebnis: 40 Verletzte, ein Toter, 3 Schwerverletzte. Danach steht man mit dem geklauten Ferrari im Stau, also was tun? Der nächste Motorradfahrer wird per aufgerissener Tür zum Halten verdammt, und mit dem gekapertem Motorrad kann der Stau umgangen werden.
Im normalen Leben, als Programmierer oder ähnliches, sind die drei Männer Freiwild für ihren autokratischen Chef (Ovidio), der ewige „junge Mann“ für die eigene Mutter (Giacomo) und ein Nervenbündel in einem Haushalt von 50 oder so armen Verwandten aus dem Süden, die keine eigene Bliebe haben oder gerade mal vorbeischauen oder was essen wollen oder einen Schwank aus ihrer Jugend erzählen wollen …

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Da staut sich natürlich jede Menge Frust an: Ovidio ist wenigstens noch verheiratet, doch seine Frau sorgt sich mit vollem Körpereinsatz um den Fortgang ihrer Karriere als Ärztin, da bleibt für ein Eheleben nicht wirklich Platz. Zwischen den Schwanz des Oberarztes und der nächsten Nachtschicht passt Ovidio jedenfalls nicht mehr rein.

Was macht man also, wenn einem ein LKW die Vorfahrt nimmt? Richtig, man prügelt sich mit dem Fahrer und sticht ihm schlussendlich einen Schraubenzieher ins Gedärm. Mag ja sein, dass das rüde Methoden sind, aber das ist so befreiend. So unglaublich befreiend! Man lebt! Man spürt, dass man atmet und lebt und fühlt sich wie ein König. Wie ein Krieger nach einer gewonnen Schlacht. Jeder Fußball-Hooligan und jeder Straßenkämpfer kann das heute, mehr als 40 Jahre nach der Entstehung des Films, bestätigen. Das Leid der anderen vergrößert nur den eigenen Triumph. Da muss noch mehr gehen. Die Nutte zickt rum, und der Zuhälter will Terz machen? Na wartet …

In Italien, und beileibe nicht nur dort, waren die 70er-Jahre eine Zeit der Veränderungen und der Frustration, aber auch der Angst und der Gewalt. Die Industrialisierung schritt damals mit 7-Meilen-Stiefeln voran und hinterließ Menschen, die ihrer Tätigkeit entfremdet waren, die den Konsum von Alkohol und Drogen für ein soziales Leben hielten, und welche die Traditionen ihrer Eltern, und damit die Verbindung zu einer sicher ärmeren, dafür aber ganzheitlichen, Welt komplett verloren hatten (1). Gleichzeitig tobte ein verdeckter Bürgerkrieg zwischen den Alpen und den Pelagischen Inseln, bei dem zwischen 1969 und 1983 mehr als 14.000 Anschläge mit 374 Toten und über 1.170 Verletzten verübt wurden (2). Eine permanente Angst um das eigene Leben hielt die Menschen im Griff, genauso wie der Niedergang der Wirtschaftslage, der Anstieg der Armut und die damit verbundene Ausdehnung der Kriminalität. Eine gängige Methode war es, mit dem Motorrad nah an einer Frau vorbeizufahren und ihr die Handtasche aus der Hand zu reißen, der sogenannte Scippo. Was passierte, wenn die Frau nicht rechtzeitig losließ oder der Riemen der Handtasche sich irgendwo verhedderte, kann man sich in EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN anschauen. Schön ist das nicht …

In dieser grauen Zeit, den bleiernen Jahren, haben die Menschen genauso einen Sinn im Leben gesucht wie sie es heute tun, und wie sie es immer gemacht haben. Aber durch den äußeren Druck der Gesellschaft und der Politik, der miesen sozialen Verhältnisse und der Kriminalität, war nicht nur die Bereitschaft höher selber gewalttätig zu werden, sondern diese Bereitschaft brach sich auch schneller Bahn. Die Hemmschwelle zu einem nicht-sozialen Verhalten sank zunehmend. Die Menschen standen unter Druck, und dieser Druck musste entweichen. Und so wie der Druck aus einem Ventil entweicht, so wurde auch schneller mal überreagiert. Erklärt uns zumindest FANGO BOLLENTE. Der LKW-Fahrer greift selber sofort zum Schraubenschlüssel wenn ihm jemand blöd kommt, der Taxifahrer ist selbstverständlich bewaffnet und benutzt die Knarre auch, und die Frau des Abgeordneten ist einer Nummer mit drei knackigen jungen Kerlen sichtlich nicht abgeneigt. Hauptsache, der Druck kann raus. Und so unübersichtlich wie die Kabelwülste im Vorspann, genauso unübersichtlich sind auch die Welt und das moderne Leben geworden. Wie einfach ist es doch dagegen, das Arschloch, das einen gerade nervt, kaltzumachen …

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Der (menschliche) Schlamm kocht (3). Und der Film FANGO BOLLENTE zeigt was dann passiert. Wir folgen Ovidio, Giacomo und Beppe auf ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die Bürgerlichkeit, beim Kampf gegen Normalität und Langeweile. Wir ahnen, dass das langsame Abgleiten in den Wahnsinn, zumindest bei Ovidio, zu erstaunlichen Ergebnissen führen wird, und wir schaudern bei den letzten Sätzen des Films, die deutlich in die Zukunft zeigen. In unsere Zeit. Die grausamen Drei sind Angry Young Men, die aber nicht mehr der Arbeiterklasse angehören und gegen das Establishment aufbegehren. Die drei gehören selber zum Establishment und begehren gegen die Sinnlosigkeit auf, die uns die schöne neue Welt scheinbar aufoktroyiert. Angenehmerweise (für uns hier und heute) wurde dann irgendwann das Privatfernsehen erfunden, der legitime Nachfolger der Gladiatorenkämpfe, und der Selbstzerfleischung wurde Einhalt geboten. Das aber nur nebenbei. Wer wissen will wie die Geschichte im wirklichen Leben weitergeht, der wird über HOOLIGANS und FOOTBALL FACTORY dann recht schnell bei ULTRA und bei A.C.A.B.: ALL COPS ARE BASTARDS, und damit auch weder in Italien landen …

Filmisch ist FANGO BOLLENTE in erster Linie dem Genrekino verhaftet. Das bedeutet es gibt jede Menge blutreiche Action, es gibt einiges an Toten, an nackten Frauen, und an ausgelebter Gewalt gegen alles und jeden. Der Rausch der Drei Grausamen wird ausgiebig und nachdrücklich bebildert, aber nicht ohne zu vergessen, dass es eigentlich Vier Grausame sind. Der Kommissar Santagà, der den dreien auf der Spur ist, kennt deren Probleme genau. Er ist ein alter Hase in Sachen Kriminalität, und weiß wie die jungen Männer ticken. Wie sie im Rausch der Gewalt aufgehen. Hat er doch selber einmal im Einsatz diesem Rausch nachgegeben, und darf seitdem sein Leben als Lackel der Polizeistation fristen. Und doch ist er der einzige, der die Verbindungen zwischen den einzelnen Toten spürt, der ahnt worum es tatsächlich geht. Sein Kollege, dem die Fälle zugeschanzt wurden, macht natürlich politische Beweggründe aus. Ist ja auch so einfach im Europa der späten 70er-Jahre, die ungelösten Probleme der Straße auf die Politik zu schieben. Es wird zwar nicht explizit erwähnt, dafür muss man dann zu Jorge Graus etwas früher entstandenem DAS LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN schauen, aber es ist klar, dass nur langhaarige Gammler und drogenabhängige Bombenleger für solche Taten verantwortlich sein können. Dass der biedere Mittelstand unter den gleichen Frustrationen leidet wie der, sich politisch unterdrückt fühlende, Student, diese Erkenntnis war damals unbekannt, und ob dieses Wissen heute weiter verbreitet ist möchte ich bezweifeln. Oder warum war AMERICAN PSYCHO so ein Riesenerfolg?

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Denn Ovidio ist der direkte Vorgänger von Patrick Bateman, und Ovidio macht im Prinzip nichts anders als Bateman, nur das er es planloser tut. Somit repräsentiert jener die heutige amerikanisch-kapitalistische Welt mit ihren exzessiven Auswüchsen, während Ovidio im Gegensatz im ganz normalen Leben des europäischen Mittelstandes angesiedelt ist. Die Identifizierung des Zuschauers mit Ovidio fällt darum auch heute nicht schwer, leichter jedenfalls als mit Bateman, der mitunter eher einem Comic entsprungen scheint. Doch es wird an Giacomo liegen, den Wahn in die Welt hinauszutragen, die zufälligen Akte sinnloser Gewalt in eine Ordnung zu bringen, und letzten Endes die Brücke zu schlagen zum Feierabendprügler moderner Ausprägung.

Und der Film? Da schreibt sich der Maulwurf einen Elch, und verliert scheinbar kaum ein Wort über den Film? Der Film ist zutiefst nihilistisch und brachial! Er reiht blutige und brutale Bilder wie eine Perlenkette aneinander, und das betrifft nicht immer nur die physische Gewalt. Auch der ganz alltägliche Umgang der Menschen miteinander, der Chef zum Untergebenen, der Chefarzt zur ambitionierten Ärztin, ein Ehepaar untereinander, all dies sind ebenfalls gewalttätige Akte, welche die Stimmung des Films subtil bekräftigen und ausdrücken. Der Computerkurs, den Kommissar Santagà gezwungen ist zu absolvieren, resümiert die Probleme, von denen der Film spricht, auf bemerkenswerte Weise: Ein Mann redet unverständliches Zeug, eine Menge anderer Männer verstehen kein Wort, wagen es aber nicht dies zu sagen aus Angst vor persönlichen Nachteilen, und am Ende entscheidet der Computer was gut und was schlecht ist. Willkommen in der schönen neuen Welt …

(1) Vgl. Pier Paolo Pasolini: Vom Verschwinden der Glühwürmchen, in: Freibeuterschriften, Berlin 1975
(2) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschicht ... Kompromiss
(3) Fango Bollente (ital.) = kochender Schlamm


9/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
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karlAbundzu
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von karlAbundzu »

Turin. Dichtbevölkerte Stadt. Was so passiert, sehen wir relativ früh: Laborraten auf zu engem Raum beissen sich tot. Das Verhalten nehmen sich drei Kumpels zum Vorbild, immer mehr an der Gewaltspirale zu drehen: Tumulte im Fussballstadium, Autoklau, Todschlag, Mord, Vergewaltigung, immer mehr und heftiger. Oviedo zeichnet sich dabei durch eine besondere Art aus, der Vorzeigesoziopath.Der später auch alleine killt. Für einen anderen Kumpel ist es eher ein Feierabendvergnügen, der dritte, zugereist aus dem Süden, will halt dabei sein. Ein erfahrener Kommissar mit eigenem Aggressionsproblem wittert etwas, muss sich aber gegen die typischen Bumsköppe der Politia durchsetzen und vor sich hin ermitteln, bleibt aber auf der Spur.
Heftiger Gewaltfilm mit sozialkritischem Anspruch. Gewalt ist überall, tägliche Rahmenbedingung in einer vollgestopften Stadt des menschlichen Miteinanders. Auch , wo die drei arbeiten, ist modern, aber unmenschlich: in einer Art Computerfirma speisen sie Daten in den Riesenrechner (Lustiges Zitat nebenbei: lass mich doch mal die Lottozahl für nächste Woche ausrechnen, die Lochkarten habe ich vorbereitet, da sind doch ncoh 2 Megabyte frei...), aber es werden eben auch Experimente mit Ratten gemacht. Die drei Kumpels sind in ihren unterschiedlchen Rollen toll dargestellt: In der Hauptrolle Joe Dallesandro als früher Patrick Bateman, die anderen beiden sind eher selten zu sehen: ein McDowell lookalike und ein stiller Süditaliener. Das Verhältnis der Nord- zu den Süditalienern wird gleich miterzählt: Sizilianische Immigranten werden sofort verdächtigt und konsequent als Erdefresser bezeichnet. bei den dreien ist gerade dieser der einzige mit irgendeiner Art Gewissen. Auch toll Enrico Salerno als knurriger angeschlagener Kommissar, einzelgänger und unerbittlich zwischen Columbo und Eastwood. Schöner Gastauftritt von Sal Borgese auch. Dieser sehr lustig. Sowieso überschreitet der Film dann öfter und trotz der heftigen expliziten Gewalt die Grenze zur Sozialsatire: die Wohn- und Familiensituation Peppes, als alle möglchen von den vielen vielen verwandten unentwegt auf ihn einreden, wie Oviedo einem Oberarzt in den Arsch schiesst, und eben auch Borgeses Szene.
Beim Ton verläßt man sich oft auf überlaute Geräusche, die ein enges Großstadtbedrängnis erlebbar macht, nur Dallessandro und Salerno haben eine Art Progrock Thema, so Richtung King Crimson, schräg und wimmelig.
Insgesamt bitterer Film, heftige Bestandaufnahme des bleiernen Italiens, der allerdings die Schuld nicht bei Mafia, Korruption, schwacher Staat oder irgendwo aussen sucht, sondern das Problem im modernen Menschen selbst findet. Eigentlich ncoh aktuell.
Gerade vorhin habe ich erlebt wie ein Mofafahrer einem Lebensmittellieferanten, der ihm zugegebenermassen die Strasse zu eng machte, gegen die Tür bollert und ihn vielleicht aus raus geholt hätte, wäre er nicht allein und eben vor Zeugen gewesen. Und den ersten Stein würde ich auch nciht werfen....
Absolute Empfehlung.

Gespannt bin ich auf die beiden Featuretten mit Regisseur, Darstellerin, Dallessandro. Und den Audiokommentar mit Keßler und Felsch werde ich mri auch mal geben.
Zuletzt geändert von karlAbundzu am Do 23. Mär 2023, 10:33, insgesamt 1-mal geändert.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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CamperVan.Helsing
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Re: Fango Bollente - Vittorio Salerno (1975)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

karlAbundzu hat geschrieben: Mi 22. Mär 2023, 15:38 In der Hauptrolle Joe Dallesandro als früher Jason Bateman,
Jason Bateman?

Oder doch eher Patrick Bateman?

:D
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