Originaltitel: 48 Horas de Sexo Alucinante
Produktionsland: Brasilien 1987
Regie: José Mojica Marins
Darsteller: José Mojica Marins, Mario Lima, Eliane Gabarron, Oswaldo Cirillo, Nadia Tell, Andréa Pucci
Nach meiner kürzlichen Sichtung von José Mojica Marins‘ 24 HORAS DE SEXO EXPLÍCITO konnte ich im Nachgang eigentlich nur zwei goldene Haare in einer ansonsten kaum genießbaren Suppe finden: 1. Dass Mojica Marins seinen Film bewusst so unästhetisch heruntergekurbelt wie möglich, und das Endergebnis demnach seiner Intention entsprochen haben dürfte, sowie 2. Dass er darauf verzichtet hat, eine Sodomie-Szene zwischen Frau und Hund in aller Deutlichkeit zu bebildern. Nun, wenn ein Film sein (limitiertes) Budget um ein Vielfaches wieder einspielt, wundert es natürlich kein bisschen, dass die Verantwortlichen einen Teufel tun, ihm nicht ein Sequel hinterherzuschieben, das die zahlungswilligen Geldbörsen der begeisterten Zuschauerschaft noch weiter abgrasen soll. Von daher ist es nachvollziehbar, dass José Mojica Marins, obwohl er seinen bis dato größten kommerziellen Erfolg nach eigenem Verlautbaren zum eher miserablen Teil seines Oeuvres rechnet, diesem zwei Jahre später mit nahezu dem identischen Team einen Nachzügler namens 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE folgenlässt. Wer aber – wie ich, der es sich wirklich fünfmal überlegt hat, ob er einen besinnlichen Feierabend tatsächlich damit verbringen soll, ein ramponiertes VHS-Digitalisat auf einer dubiosen Pornoseite im portugiesischen O-Ton ohne Untertitel zu sichten -, glaubt, dass der vermeintliche „zweite Teil“ einfach dort ansetzt, wo der erste aufgehört hat, sprich, noch einmal einen gleichen Sex-Wettbewerb, nur diesmal auf gleich zwei Tage ausgedehnt, präsentiert, der täuscht sich in einem Meister der Subversion wie Mojica Marins einer ist. Dass dessen Agenda darin besteht, selbst wenn er ohne nennenswertes Budget Menschen beim Sexhaben filmen muss, sein Publikum von einer Irritation in die nächste zu führen, beweist 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE mit derartig exemplarischer Grandeur, dass ich Mojica Marins bereitwillig schon nach den ersten Filmminuten die sehr fordernden eineinhalb Stunden verzeihe, die 24 HORAS DE SEXO EXPLÍCITO mich vor Kurzem gekostet hat. Anders gesagt: In vorliegendem Werk läuft Mojica plötzlich zu Hochtouren auf, die ich ihm nach dem kontinuierlichen Qualitätsverlust seiner Filme seit Mitte der 70er und dem Desaster des unmittelbaren Vorgängers eigentlich gar nicht mehr zugetraut hätte.
Dass der brasilianische Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler sich in seinen Filmen gerne selbst verkörpert – oder zumindest Kunstfiguren, bei denen es schwerfällt, ihn von seiner bürgerlichen Identität jenseits des Kinos zu trennen –, und durch ein hintergründiges Wechselspiel zwischen extra- und intradiegetischen Realitäten und Identitäten immer wieder metareflexiv auf das Filmemachen an sich verweist, war mir natürlich bewusst. Trotzdem erstaunte es mich in Erwartung eines weiteren plumpen Porno-Ringelpiezes nicht wenig, dass 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE damit eröffnet, dass es einer Sexologin in Sao Paulo geht wie mir: Sie hat sich in einem örtlichen Schmuddelkino irgendwo in Boca de Lixa gerade den noch immer auf Hochkonjunkturen laufenden 24 HORAS DE SEXO EXPLÍCITO angeschaut, kommt aber zu einem völlig anderen Schluss als ich in meiner dann doch eher vernichtenden Kritik. Komplett exaltiert von den expliziten Bildern, beschließt sie, diejenigen zu kontaktieren, die sie auf die Hinterhofleinwände der brasilianischen Hauptstadt gebracht haben, und lädt das Duo Mário Lima und José Mojica Marins in ihre Praxis ein, um ihnen ein Angebot zu unterbreiten, das diese nicht abschlagen können: Aus angeblich wissenschaftlichem Forscherinteresse – zumindest reime ich mir die eröffnende Dialogszene mit meinen rudimentären Spanischkenntnissen so zusammen –, und völlig ohne pekuniäre Motive, möchte unsere Heldin das in 24 HORAS DE SEXO EXPLÍCITO veranstaltete Experiment – (eine Gruppe Männer muss während besagter Zeitspanne pausenlos mit Frauen kopulieren, bis am Ende derjenige als Gewinner gekürt wird, der die meisten Ejakulationen gehabt hat ) – noch einmal wiederholen, nur diesmal länger, heftiger, und mit mehr involviertem Personal. Niemand scheint ihr für die Ausführung ihres Vorhabens geeigneter als die beiden Herren, die bereits das Original auf die Beine gestellt haben.
Mojica und Lima willigen ohne zu zögern ein, und mieten vom Geld der Sextherapeutin ein Filmstudio, das sie innerhalb kürzester Zeit zu einer Balzwiese ausbauen lassen: Zahllose Frauen und Männer – (tatsächlich habe ich irgendwann völlig den Überblick verloren, wie viele Personen es da nun eigentlich miteinander treiben) – finden sich dort ein, und werden dazu angehalten, nachdem die Uhr einmal zu ticken begonnen hat, ohne Unterlass ihre Geschlechtsteile ineinander zu stecken. Unvermeidlicherweise ebenfalls mit von der Partie: Sowohl der korpulente Homosexuelle, der bereits im Vorgänger den Schiedsrichter gespielt hat, und der – man mag es glauben oder nicht! – diesmal als römischer Imperator verkleidet von einem Thron aus das Spektakel beäugt, kommentiert und belächelt, als auch sein plappernder Papagei, der seinen Käfig verlassen darf, und munter zwischen den Kopulierenden umherflattert, und ebenfalls inspiziert, gackert, faselt. Ein Novum allerdings ist, dass die finanziellen Mittel diesmal sogar für Nummern-Girls ausreichen, die immer dann, wenn eins der Mannsbilder – natürlich immer außerhalb der weiblichen Körper, damit es keine Gelegenheit zum Schummeln gibt – zum Erguss gekommen ist, Fahnen schwenken, um den Operatoren in der Zentrale des Fernsehstudios anzuzeigen, dass diese auf ihren Computern dem jeweiligen Wettbewerbsteilnehmer innerhalb einer virtuellen Kartei eine Position nach oben rücken lassen. Man sieht: Noch effizienter, noch mechanischer, noch technologischer bebildert Mojica Marins in vorliegendem Film die Sexualakte, die mehr mit Leistungssport zu tun haben als mit Intimität oder auch nur der Befriedigung von Trieben.
Mojica Marins scheint es bei alldem allerdings einzig und allein um schräge Kamerawinkel, um Diskontinuitäten in der Montage, um dislozierende Perspektiven zu gehen – und natürlich darum, Sex möglichst bizarr in Szene zu setzen. Da fährt die Kamera schon mal genüsslich unter einer langen Reihe Vaginen vorbei, oder wechselt völlig unmotiviert von Großaufnahmen in Geilheit verzerrter Gesichter zu triefenden Geschlechtsteilen. Dazwischen sehen wir immer wieder Mojica, Mario und ihre Kameraleute, wie sie zwischen den einzelnen Kriegsschauplätzen der maschinellen Lust umherstolpern, Anweisungen geben, an ihren Linsen drehen, oder, wie im Falle des Regisseurs, genüsslich in Ketten ihre Zigarren rauchen. Positiv anzumerken ist außerdem, dass für den atemlos dudelnden Soundtrack nicht wieder die schlimmsten Plattenläden Sao Paulos geplündert worden sind: Die furchtbare Zirkusarenamusik des Vorgängers bleibt glücklicherweise aus, dafür treffen ellenlange bluesige Gitarren-Soli, etherische Synthie-Klangflächen und, erneut, Kraftwerks DIE ROBOTER aufeinander, dass ich gerne wissen würde, woher überall der Tonbeauftragte vorliegenden Films all diese sicherlich nicht rechtmäßig erworbenen Soundschnipsel zusammengeklaubt hat.
Würde 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE damit enden, dass – was geschieht – unser Held aus dem ersten Film den Ruhm erlangt, erneut der Mann mit den meisten Orgasmen zu sein, wäre das wohl für Mojica Marins noch nicht das Maß aller Originalität gewesen, weshalb sich etwa ab Hälfte der Laufzeit ein Subplot erst schüchtern in den Vordergrund schiebt, dann immer mehr an Substanz gewinnt, bis er im letzten Drittel den zu diesem Zeitpunkt bereits vollendeten Sex-Wettbewerb schlicht übermannt: Zunächst wird die Sextherapeutin, die die ganze Fleischbeschau überhaupt erst initiiert hat, beim Anblick derselben von eher ungewöhnlichen Visionen eingeholt. Während sie unter einem ausgestopften Kuhkopf steht, der, weshalb auch immer, an einer Wand des Filmstudios hängt, fährt die Kamera langsam auf ihr Gesicht zu und enthüllt uns dann, dass sie offenbar vor ihrem inneren Augen nicht etwa länger den menschlichen Akteuren direkt vor ihrer Nasenspitze, sondern Rindern und Pferde auf einer Weide beim Besteigen und Bestiegen-Werden zusieht. (An dieser Stelle übrigens ein Lob an Mojica Marins dafür, dass er tatsächlich raus aufs Land gefahren ist, um besagte Tiere beim Geschlechtsakt abzulichten, und er sich nicht einfach auf die Eröffnungsszene von Walerian Borowczyks Meisterwerk LA BÊTE verlassen hat, wie es die Herren Mattei oder Massacessi so gerne getan haben.) Bald stellt sich heraus: Unsere Sexologin leidet unter akuter Frigidität, die mit einem Kindheitstrauma zu tun hat. Weil sie sich immer hinaus auf die Weide stahl, um ihre geliebten Tiere anzuhimmeln, wird sie eines Tages von der Mutter mit einer Rute gezüchtigt. Seitdem – das heißt: da sie damals noch im vorpubertärem Zustand gewesen ist, noch nie – klappt es bei ihr im Sexuellen nicht mehr, weshalb sie Mario Lima und Mojica Marins bittet, ihr doch irgendwie die Möglichkeit zu verschaffen, es mit einem tatsächlichen Rind oder Pferd treiben zu können, denn nur dadurch, so lautet ihre Fachexpertise, könne sie von ihren Triebhemmungen erlöst werden und jemals die Freuden des Beischlafs erfahren.
Ganz so offenherzig wie der Vorgänger hantiert 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE allerdings nicht mit dem Tabuthema der Zoophilie, sondern wird auf ganz andere Weise absonderlich. Mojia Marins nämlich beweist, dass er entweder firm in der antiken Mythologie ist, und die Geschichte von Pasiphae kennt, die Gattin des kretischen Königs Minos, die sich in einen Stier verliebt, und, da dieser ihren Avancen wenig affirmativ gegenübersteht, den Erfinder Daedalus bittet, eine hölzerne Kuh zu konstruieren, in deren sie Hohlraum sie sich sodann splitternackt hockt, um durch eine Öffnung im hinteren Bereich den Penis des getäuschten Stieres zu empfangen – oder aber Walerian Borowczyks OVID-Adaption ARS AMANDI gesehen hat, die vier Jahre vor 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE genau diese Szene erstmals fürs Kino illustriert. Mojica Marins und Mario Lima amalgieren die Person Daedalus‘ in einer Figur, und suchen einen örtlichen Taxidermisten auf, der ihnen eine ausgestopfte Kuh auf einem Podest ausliefert, die sie wiederum auf einer Weide installieren, und die sich selbst therapierende Therapeutin in ihr Platz nehmen lassen. Da beide noch nicht vollends in Fundamentalopposition zum guten Geschmacks stehen, ist es aber – übrigens wie bei Borwoczyk – kein echter Stier, der daraufhin über unsere Heldin herfällt, sondern ein gutbestückter Herr in dem wohl lausigsten Stierkostüm jenseits von Silvio Amadios TESEO CONTRO IL MINOTAURO (1960). Auch gebiert die Sexologin nach vollzogenem Akt nicht, wie ihre antike Vorläuferin, ein Mischwesen aus Stier und Mensch, das dann die Jünglinge und Jungfrauen in einem kretischen Labyrinth verschlingt, sondern haut ihrem Beischläfer erstmal eine runter, und konfrontiert Mojica und sein Team mit Vorwürfen, wie man sie nur derart hinters Licht habe führen können. Obwohl der vermeintliche Bulle ihr scheinbar seine Liebe erklärt, nimmt sie daraufhin Reißaus, und lässt es so wirken, als würde der Film kein positives Ende nehmen.
In der letzten Viertelstunde entdeckt Mojica Marins schließlich aber doch noch, dass hinter seinem bärtigen Gesicht, seinem permanenten Zigarrenrauchnimbus und unter den langgewachsenen, sich bereits krümmenden Krallennägeln ein wahrer Romantiker versteckt ist. Die Sexologin und ihr Beischläfer nämlich nähern sich letztlich einander an, haben leidenschaftlichen, diesmal sogar recht konventionell abgefilmten Sex zu einer rührseligen Instrumentalversion von Lobos I’D LOVE YOU TO WANT ME, und finden sich für die Schlussszene mit Mario und Marins in einer Bar ein, wo ihnen zu allem Überfluss auch noch ein Schlagersänger ein emotionales Ständchen intoniert. Die Lehren, die ich aus 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE ziehe, lauten also, dass das Waten in Obszönitäten und Perversionen einen am Ende doch noch in den Hafen monogamer Liebe führt, dass man im Brasilien der 80er Jahre offenbar dann zu einem gemachten Regisseur werden konnte, wenn man sich an der Aufgabe abarbeitete, sexuelle Handlungen so hypnotisch wie möglich auf Zelluloid zu bannen, und dass ich persönlich jeden Film sofort um einiges mehr abfeiere, wenn in ihm die Möglichkeit en nuce versteckt ist, ihn als Reflexion über das Kino, die Bedingungen des Filmemachens oder als ausgeklügelte Persiflage zu lesen. Da vorlie-gender Film letzteres in beinahe lehrbuchartiger Manier umsetzt, versöhne ich mich mit Mojica Marins zunächst so wenig geistreich scheinendem Porno-Output, und erkenne an, dass dieser Kino-Magier es einmal mehr mit (äußerst) bescheidenen Mitteln fertiggebracht hat, mir Augen, Ohren und herunterklappenden Kiefer übergehen zu lassen.
Dass der brasilianische Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler sich in seinen Filmen gerne selbst verkörpert – oder zumindest Kunstfiguren, bei denen es schwerfällt, ihn von seiner bürgerlichen Identität jenseits des Kinos zu trennen –, und durch ein hintergründiges Wechselspiel zwischen extra- und intradiegetischen Realitäten und Identitäten immer wieder metareflexiv auf das Filmemachen an sich verweist, war mir natürlich bewusst. Trotzdem erstaunte es mich in Erwartung eines weiteren plumpen Porno-Ringelpiezes nicht wenig, dass 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE damit eröffnet, dass es einer Sexologin in Sao Paulo geht wie mir: Sie hat sich in einem örtlichen Schmuddelkino irgendwo in Boca de Lixa gerade den noch immer auf Hochkonjunkturen laufenden 24 HORAS DE SEXO EXPLÍCITO angeschaut, kommt aber zu einem völlig anderen Schluss als ich in meiner dann doch eher vernichtenden Kritik. Komplett exaltiert von den expliziten Bildern, beschließt sie, diejenigen zu kontaktieren, die sie auf die Hinterhofleinwände der brasilianischen Hauptstadt gebracht haben, und lädt das Duo Mário Lima und José Mojica Marins in ihre Praxis ein, um ihnen ein Angebot zu unterbreiten, das diese nicht abschlagen können: Aus angeblich wissenschaftlichem Forscherinteresse – zumindest reime ich mir die eröffnende Dialogszene mit meinen rudimentären Spanischkenntnissen so zusammen –, und völlig ohne pekuniäre Motive, möchte unsere Heldin das in 24 HORAS DE SEXO EXPLÍCITO veranstaltete Experiment – (eine Gruppe Männer muss während besagter Zeitspanne pausenlos mit Frauen kopulieren, bis am Ende derjenige als Gewinner gekürt wird, der die meisten Ejakulationen gehabt hat ) – noch einmal wiederholen, nur diesmal länger, heftiger, und mit mehr involviertem Personal. Niemand scheint ihr für die Ausführung ihres Vorhabens geeigneter als die beiden Herren, die bereits das Original auf die Beine gestellt haben.
Mojica und Lima willigen ohne zu zögern ein, und mieten vom Geld der Sextherapeutin ein Filmstudio, das sie innerhalb kürzester Zeit zu einer Balzwiese ausbauen lassen: Zahllose Frauen und Männer – (tatsächlich habe ich irgendwann völlig den Überblick verloren, wie viele Personen es da nun eigentlich miteinander treiben) – finden sich dort ein, und werden dazu angehalten, nachdem die Uhr einmal zu ticken begonnen hat, ohne Unterlass ihre Geschlechtsteile ineinander zu stecken. Unvermeidlicherweise ebenfalls mit von der Partie: Sowohl der korpulente Homosexuelle, der bereits im Vorgänger den Schiedsrichter gespielt hat, und der – man mag es glauben oder nicht! – diesmal als römischer Imperator verkleidet von einem Thron aus das Spektakel beäugt, kommentiert und belächelt, als auch sein plappernder Papagei, der seinen Käfig verlassen darf, und munter zwischen den Kopulierenden umherflattert, und ebenfalls inspiziert, gackert, faselt. Ein Novum allerdings ist, dass die finanziellen Mittel diesmal sogar für Nummern-Girls ausreichen, die immer dann, wenn eins der Mannsbilder – natürlich immer außerhalb der weiblichen Körper, damit es keine Gelegenheit zum Schummeln gibt – zum Erguss gekommen ist, Fahnen schwenken, um den Operatoren in der Zentrale des Fernsehstudios anzuzeigen, dass diese auf ihren Computern dem jeweiligen Wettbewerbsteilnehmer innerhalb einer virtuellen Kartei eine Position nach oben rücken lassen. Man sieht: Noch effizienter, noch mechanischer, noch technologischer bebildert Mojica Marins in vorliegendem Film die Sexualakte, die mehr mit Leistungssport zu tun haben als mit Intimität oder auch nur der Befriedigung von Trieben.
Mojica Marins scheint es bei alldem allerdings einzig und allein um schräge Kamerawinkel, um Diskontinuitäten in der Montage, um dislozierende Perspektiven zu gehen – und natürlich darum, Sex möglichst bizarr in Szene zu setzen. Da fährt die Kamera schon mal genüsslich unter einer langen Reihe Vaginen vorbei, oder wechselt völlig unmotiviert von Großaufnahmen in Geilheit verzerrter Gesichter zu triefenden Geschlechtsteilen. Dazwischen sehen wir immer wieder Mojica, Mario und ihre Kameraleute, wie sie zwischen den einzelnen Kriegsschauplätzen der maschinellen Lust umherstolpern, Anweisungen geben, an ihren Linsen drehen, oder, wie im Falle des Regisseurs, genüsslich in Ketten ihre Zigarren rauchen. Positiv anzumerken ist außerdem, dass für den atemlos dudelnden Soundtrack nicht wieder die schlimmsten Plattenläden Sao Paulos geplündert worden sind: Die furchtbare Zirkusarenamusik des Vorgängers bleibt glücklicherweise aus, dafür treffen ellenlange bluesige Gitarren-Soli, etherische Synthie-Klangflächen und, erneut, Kraftwerks DIE ROBOTER aufeinander, dass ich gerne wissen würde, woher überall der Tonbeauftragte vorliegenden Films all diese sicherlich nicht rechtmäßig erworbenen Soundschnipsel zusammengeklaubt hat.
Würde 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE damit enden, dass – was geschieht – unser Held aus dem ersten Film den Ruhm erlangt, erneut der Mann mit den meisten Orgasmen zu sein, wäre das wohl für Mojica Marins noch nicht das Maß aller Originalität gewesen, weshalb sich etwa ab Hälfte der Laufzeit ein Subplot erst schüchtern in den Vordergrund schiebt, dann immer mehr an Substanz gewinnt, bis er im letzten Drittel den zu diesem Zeitpunkt bereits vollendeten Sex-Wettbewerb schlicht übermannt: Zunächst wird die Sextherapeutin, die die ganze Fleischbeschau überhaupt erst initiiert hat, beim Anblick derselben von eher ungewöhnlichen Visionen eingeholt. Während sie unter einem ausgestopften Kuhkopf steht, der, weshalb auch immer, an einer Wand des Filmstudios hängt, fährt die Kamera langsam auf ihr Gesicht zu und enthüllt uns dann, dass sie offenbar vor ihrem inneren Augen nicht etwa länger den menschlichen Akteuren direkt vor ihrer Nasenspitze, sondern Rindern und Pferde auf einer Weide beim Besteigen und Bestiegen-Werden zusieht. (An dieser Stelle übrigens ein Lob an Mojica Marins dafür, dass er tatsächlich raus aufs Land gefahren ist, um besagte Tiere beim Geschlechtsakt abzulichten, und er sich nicht einfach auf die Eröffnungsszene von Walerian Borowczyks Meisterwerk LA BÊTE verlassen hat, wie es die Herren Mattei oder Massacessi so gerne getan haben.) Bald stellt sich heraus: Unsere Sexologin leidet unter akuter Frigidität, die mit einem Kindheitstrauma zu tun hat. Weil sie sich immer hinaus auf die Weide stahl, um ihre geliebten Tiere anzuhimmeln, wird sie eines Tages von der Mutter mit einer Rute gezüchtigt. Seitdem – das heißt: da sie damals noch im vorpubertärem Zustand gewesen ist, noch nie – klappt es bei ihr im Sexuellen nicht mehr, weshalb sie Mario Lima und Mojica Marins bittet, ihr doch irgendwie die Möglichkeit zu verschaffen, es mit einem tatsächlichen Rind oder Pferd treiben zu können, denn nur dadurch, so lautet ihre Fachexpertise, könne sie von ihren Triebhemmungen erlöst werden und jemals die Freuden des Beischlafs erfahren.
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In der letzten Viertelstunde entdeckt Mojica Marins schließlich aber doch noch, dass hinter seinem bärtigen Gesicht, seinem permanenten Zigarrenrauchnimbus und unter den langgewachsenen, sich bereits krümmenden Krallennägeln ein wahrer Romantiker versteckt ist. Die Sexologin und ihr Beischläfer nämlich nähern sich letztlich einander an, haben leidenschaftlichen, diesmal sogar recht konventionell abgefilmten Sex zu einer rührseligen Instrumentalversion von Lobos I’D LOVE YOU TO WANT ME, und finden sich für die Schlussszene mit Mario und Marins in einer Bar ein, wo ihnen zu allem Überfluss auch noch ein Schlagersänger ein emotionales Ständchen intoniert. Die Lehren, die ich aus 48 HORAS DE SEXO ALUCINANTE ziehe, lauten also, dass das Waten in Obszönitäten und Perversionen einen am Ende doch noch in den Hafen monogamer Liebe führt, dass man im Brasilien der 80er Jahre offenbar dann zu einem gemachten Regisseur werden konnte, wenn man sich an der Aufgabe abarbeitete, sexuelle Handlungen so hypnotisch wie möglich auf Zelluloid zu bannen, und dass ich persönlich jeden Film sofort um einiges mehr abfeiere, wenn in ihm die Möglichkeit en nuce versteckt ist, ihn als Reflexion über das Kino, die Bedingungen des Filmemachens oder als ausgeklügelte Persiflage zu lesen. Da vorlie-gender Film letzteres in beinahe lehrbuchartiger Manier umsetzt, versöhne ich mich mit Mojica Marins zunächst so wenig geistreich scheinendem Porno-Output, und erkenne an, dass dieser Kino-Magier es einmal mehr mit (äußerst) bescheidenen Mitteln fertiggebracht hat, mir Augen, Ohren und herunterklappenden Kiefer übergehen zu lassen.