Baraye azadi - Hossein Torabi (1979)

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Salvatore Baccaro
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Baraye azadi - Hossein Torabi (1979)

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Originaltitel: Baraye azadi

Produktionsland: Iran 1979

Regie: Hossein Torabi


Die aktuellen Nachrichtenbilder aus Afghanistan haben mich an diesen Film denken lassen...

Pures Direct Cinema liefert der iranische Regisseur Hossein Torabi in seinem 1979er Dokumentarfilm BARAYE AZADI, was übersetzt so viel wie „Für die Freiheit“ bedeutet. Zwei Stunden lang wohnen wir bei, wie sich im Heimatland Torabis die Machtverhältnisse verschieben: Das Regime von Schah Mohammed Reza Pahlavi ist am Ende; in den Straßen Teherans liefern sich Protestler blutige Auseinandersetzungen mit der Polizei; der Notstand wird ausgerufen, die Regierung versucht, sich mit den politischen Gegnern zu arrangieren, um einen Fundamental-Umsturz zu verhindern; inzwischen formieren sich radikalislamische Kräfte und fordern die Rückkehr ihres geistlichen Führers Ayatollah Khomeini aus dem Exil; Bomben gehen in vollbesetzten Kinos los, die US-Botschaft wird zum Schauplatz einer Geiselnahme, die Gefallenen werden als Märtyrer aufgebahrt, hundertköpfige Mengen skandieren Slogans wie „Wir folgen Ali, nieder mit Pahlavi!“ – und mittendrin befindet sich Torabis Kamerateam, das aus nächster Nähe die wutentbrannten Gesichter der Aufständischen filmt, die Molotow-Cocktails einfängt, die hinter improvisierten Barrikaden vorbereitet werden, das seine Linsen schonungslos auf die niedergeprügelten, zerschossenen Körper von Männer, Frauen, Säuglingen richtet, die während der Straßenschlachten ihr Leben lassen mussten.

Unterbrochen werden Anarchie, Chaos, Gewalt von öffentlichen Ansprachen der maßgeblichen politischen Akteure: Der Schah erklärt, er würde sich nur so lange nach Ägypten zurückziehen, bis die Spannungen im Land sich entladen haben, obwohl zu dem Zeitpunkt jeder weiß, dass seine Uhr abgelaufen ist; Premierminister Bakthiar, der der Opposition angehört, lässt kein gutes Haar an Reza Schah und bekundet seine Solidarität mit Khomeini, in der Hoffnung, dadurch seinen eigenen Posten zu retten, was sich ebenfalls als ein Trugschluss erweisen wird; Khomeini wiederum wird nach seiner Ankunft am Flughafen Teherans gefeiert wie ein Messias und verkündet seinen jubelnden Anhänger, fortan solle die Scharia das einzige Gesetz sein, das im Iran gelte, und mit all den dekadenten-westlichen Einflüssen, die in den letzten Jahrhunderten eingesickert seien, müsse schleunigst aufgeräumt werden. Dabei verzichtet Torabi komplett auf einen Off-Kommentar, lässt seine Aufnahmen für sich selbst sprechen, behilft sich lediglich mit spärlichen Texteinblendungen, die bei der topographischen und zeitlichen Einordnung der einzelnen Szenen Orientierung schaffen.

BARAYE AZADI hat mich außerordentlich beeindruckt: Es ist ein Blick in einen brodelnden Vulkan, faszinierend, erschreckend, mir mehr mitteilend über die Atmosphäre, die während der Islamischen Revolution im Iran geherrscht hat als es jeder sachliche Artikel tun könnte.
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