Deliria-Italiano

"Ist ja auch egal. Das ganze Land säuft!"
Der Rausch (Kino/ OV Sneak Preview)
Dänemark 2020
Regie: Thomas Vinterberg
Mit Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen.
Vier Freunde, allesamt Lehrer an einem dänischen Gymnasium und mehr oder minder in der Midlife Crisis, kommen während einer Geburtstagsfeier auf die (Schnaps-) Idee, der These eines Philosophen zu folgen, die besagt, dass der Mensch mit einem halben Promill zu wenig auf die Welt kommt. Sie starten ein "wissenschaftliches Experiment". Trinken nur tagsüber bis 20.00 Uhr auf der Arbeit, um die 0,5 Promille zu erreichen. Dieses "Experiment" führt dabei zu ungewohnten Höhenflügen und Komplikationen. Die vier steigern dabei irgendwann die Dosis und die Aktion verläuft nicht für alle gleich.
Selten hat mich ein Film so dermaßen in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. Ist der Film jetzt wirklich pro Alkohol? Was jetzt auch mal ein interessanter Ansatz wäre. Klar im Mittelteil zeigt Vinterberg auch die Schattenseiten des Alkoholkonsums, aber vordergründig feiert er die 4 Protagonisten und ihre Aktionen. Gerade Martin (Mads Mikkelsen) blüht richtig auf. Irgendwo stand, das alles wirkt wie ein Coming of Age Film für Männer in der Midlife Crisis. Ja auf jeden Fall, aber bei mir schwang immer im Hintergrund mit, dass sie durch ihr Verhalten ihr Leben an die Wand fahren. Und deshalb wirkten die vermeintlich komischen Szenen auch bittersüß auf mich. Das Ende und völlig grandios! So jedenfalls interpretiere ich das mittlerweile nach zwei Tagen des Nachdenkens. Menschen treffen Entscheidungen und wer bin ich, dass ich in einem Film oder sonstwo die Moralkeule schwinge. Ich erwartete irgendeine Form von Normalität, was immer das auch ist. Die vier Charaktere haben den Alkohol für sich als Lösung entdeckt. Und wir durften 115 Minuten daran teilhaben. Ist Alkohol doch eine Lösung? Wahrscheinlich nicht. Aber alleine dass Vinterberg dieses Thema anders als gedacht angegangen ist, macht den Film ganz groß! Ich habe den Film unvorbereitet in einer Kino-Sneak sehen können, was die Rezeption auch nochmal verändert. Vorher gab es ein Quiz. Ich wusste die Antwort auf die Frage, wie der Film heißt, in dem sich Nicolas Cage zu Tode trinken will. Leaving Las Vegas. Und durfte als Preis einen Pastis trinken. Das alles sollte schon ein Wink mit dem Bierkasten sein, hab ich aber tatsächlich erst nach dem Film geschnallt. Der Umstand war mir zunächst etwas peinlich, hat aber nicht lange angedauert. Skål!

Zu diesem Film hatte ich mal eine Vorschau im Fernsehen gesehen, da hatte er mich auch direkt neugierig gemacht. Ich kann den Ansatz sehr gut nachvollziehen. Ich habe auch schon mal überlegt, ob es nicht besser sei, ich wäre von Natur aus immer so als hätte ich zwei Bier intus Allein schon, um denjenigen besser begegnen zu können, die auch ohne jeglichen Substanzkonsum wirken, als seien sie dauerhaft auf Koks.

P.S.: Als Lehrer ist man natürlich ständig angebreitet - anders geht's in diesem Beruf doch gar nicht, oder?

buxtebrawler hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:38 P.S.: Als Lehrer ist man natürlich ständig angebreitet - anders geht's in diesem Beruf doch gar nicht, oder?

Also die Lehrer, die ich in den 80ern hatte, hatten glaube ich auch ständig "einen sitzen".

buxtebrawler hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:38 Zu diesem Film hatte ich mal eine Vorschau im Fernsehen gesehen, da hatte er mich auch direkt neugierig gemacht. Ich kann den Ansatz sehr gut nachvollziehen. Ich habe auch schon mal überlegt, ob es nicht besser sei, ich wäre von Natur aus immer so als hätte ich zwei Bier intus Allein schon, um denjenigen besser begegnen zu können, die auch ohne jeglichen Substanzkonsum wirken, als seien sie dauerhaft auf Koks.

Mir fiel gerade noch eine andere These ein. Die Zeit, die wir verwenden, um gesund zu bleiben, also mit Sport usw., ist genau die Zeit, die wir dadurch länger leben.
So gesehen....

fritzcarraldo hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:52 Mir fiel gerade noch eine andere These ein. Die Zeit, die wir verwenden, um gesund zu bleiben, also mit Sport usw., ist genau die Zeit, die wir dadurch länger leben.
So gesehen....

Wobei Sport ja häufig auch Spaß macht! Schön mit Bierchen und Gebäck in den Sessel fläzen und Fußball gucken, oder im Stadion bei 'nem Fischbrötchen und ein, zwei Bier mehr... Nur wenn die favorisierten Mannschaften wieder heillosen Murks zusammenspielen, geht's ungesund auf die Pumpe.

Ergo: Sport und Bier ergänzen sich ideal.

buxtebrawler hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:56

fritzcarraldo hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:52 Mir fiel gerade noch eine andere These ein. Die Zeit, die wir verwenden, um gesund zu bleiben, also mit Sport usw., ist genau die Zeit, die wir dadurch länger leben.
So gesehen....

Wobei Sport ja häufig auch Spaß macht! Schön mit Bierchen und Gebäck in den Sessel fläzen und Fußball gucken, oder im Stadion bei 'nem Fischbrötchen und ein, zwei Bier mehr... Nur wenn die favorisierten Mannschaften wieder heillosen Murks zusammenspielen, geht's ungesund auf die Pumpe.

Ergo: Sport und Bier ergänzen sich ideal.

Genau. Und wenn man schon Sport treibt und dieser auch noch Spaß macht, schön ein Bierchen hinterher, um die verlorenen Kalorien doppelt und dreifach wieder rein zu holen.....

fritzcarraldo hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:07 Ist Alkohol doch eine Lösung?

Wenn ich in Chemie besser aufgepasst hätte, würde ich dann die Antwort wissen?

ugo-piazza hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 22:04

fritzcarraldo hat geschrieben: ↑Mi 7. Jul 2021, 11:07 Ist Alkohol doch eine Lösung?

Wenn ich in Chemie besser aufgepasst hätte, würde ich dann die Antwort wissen?

Laut Definition ist Alkohol keine Lösung,
sondern ein Lösungsmittel!

Lösung, Lösungsmittel, Mittel zur Lösung?!
Einfach den Film schauen.

Ich schließe mich @fritzes Lobeshymne an: schon lange hatte mich kein Film mehr so in ein Wechselbad der Gefühle geworfen.
Eines noch vorweg: mir ist sehr gut bewusst, das Alkohol der Menschheits Volksdroge Nummer Uno ist, in fast jeden Bekanntenkreis kennt man bestimmt jemanden, der Alkohlkrank ist & wenn man selbst ein wenig mehr reflektiert, man selber vielleicht schon auf dem leichten Wege dorthin ist.
Im näheren Freundeskreis habe ich jemanden, der als Betreuer in einer Suchtklinik arbeitet (mit dem ich auch diesen Film geschaut habe).
Und dann dürften es die meisten hier auch mitbekommen haben, das ich selbst durch die Alkohlproduktion (auf bayrisch: "Grundnahrungsmittel" ) meinen Lebensunterhalt verdiene.
Und während ich diese Zeilen tippe, steht neben mir nach einer Woche Abstinenz, mein erstes kleines Pülleken, das ich mir zum Einstieg in das Wochenende gönne.
Somit interessierte mich das Grundthema schon sehr, noch dazu ich in etwa dem Alter der Protagonisten bin und ich mich auch in einem geordneten Lebenshaus (Frau-Kind-Kind-Dach-über-dem-Kopf-Arbeit) wähne.

Aus vielen dieser kleinen & großen Gemeinsamkeiten schafft es der Der Rausch recht schnell, ein wohliges Gefühlschaos während der Sichtung auszulösen. Und anstatt mit dem moralinsauren Zeigefinger aufzufahren, zeigt der Film doch eindringlich Schatten wie auch Freudenseiten des Alkoholkonsums. Selbstbewusstsein, Ausgelassenheit stehen die Körperlichen Gebrechen & Psychologischer Abhängigkeit gegenüber. Nicht wertend, sondern jede_r kann sich selbst seine Schlüsse daraus ziehen. Abseits dieser Botschaft spielt natürlich das Ensemble stark auf, natürlich Mads Mikklesen ganz stark, ich hatte endlich mal ein wiedersehen mit Thomas Bo Larsen aus DAS FEST.
Es gibt so viele Stellen im Film, die alleine für sich wirken: die zarte Vertrauensfreundschaft zwischen Fussballtrainer & dem Jungspieler "Brille", oder die eingeschnittenden Alkoholszenen von Politiker_innen. Oder der Soundtrack, der perfekt passt (seit der Sichtung, habe ich jetzt immer THE METERS "Cissy Strut" im Ohr).
Für mich persönlich das bisherige Filmhighlight des Jahres. Punkt. Flasche leer.