Future My Love - Maja Borg (2012)

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Salvatore Baccaro
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Future My Love - Maja Borg (2012)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Future My Love

Produktionsland: Großbritannien/Schweden 2012

Regie: Maja Borg

Darsteller: Jacques Fresco, Maja Borg, Nadya Cazan


Im biblischen Alter von 101 Jahren stirbt am 18. Mai 2017 Jacques Fresco in Florida. Autor, autodidaktischer Sozial-Architekt, Industriedesigner, Erfinder – so lauten die Schlagworte der deutschsprachigen Wikipedia zur Person und Profession Frescos. Seit Mitte der 70er engagiert sich Fresco zusammen mit seiner Lebensgefährtin Roxanne Meadows im sogenannten „Venus Project“: Man erwirbt ein 85.000 Quadratmeter großes Grundstück, um dort eine Mischung aus Hippie-Kommune, utopischer Zukunftsstadt und Forschungsstätte zur praktischen Umsetzung der Idee einer ressourcenbasierten Wirtschaft zu schaffen. Frescos Kernthese lautet: Die Menschheit des 20. und 21. Jahrhundert hat es bislang nicht fertiggebracht, ihre technischen Möglichkeiten effektiv zu nutzen, um Phänomenen wie Armut oder Korruption nachhaltige Abhilfe zu schaffen. Nur dann, wenn man den Kapitalismus überwunden und gewährleistet habe, dass so viele Ressourcen wie möglich der größtmöglichen Anzahl von Erdenbürger zur Verfügung stehe, könne man ernsthaft darauf hinarbeiten, ein irdisches Paradies zu schaffen.

Für FUTURE MY LOVE stattet die schwedische Filmemacherin Maja Borg dem Venus-Projekt und seinem Gründer einen Besuch ab. Zum großen Teil ist ihr Film nicht nur ein Portrait Frescos, sondern eine regelrechte Werbeveranstaltung für dessen idealistische Visionen. Ohne dass Borg das Gesagte in irgendeiner Weise kontextualisieren oder gar kritisch beleuchten würde, redet Fresco vor ihrer Kamera davon, dass der Mensch nicht von Natur aus böse sei, sondern erst durch die (kapitalistische) Gesellschaft korrumpiert werden würde, dass alle Grenzen (sowohl die in den Köpfen der Menschen als auch die physischen zwischen Staaten) aufgehoben werden und die Bodenschätze unseres Globus der gesamten Menschheit disponibel gemacht werden sollten, dass er einst Einstein getroffen habe, der jedoch derart besessen gewesen sei von seinen komplexen mathematischen Problemen, dass ein Dialog über die akuten Probleme der Menschheit mit dem Elfenbeinturmgelehrten schlicht nicht möglich gewesen sei. Fresco tritt ein für eine freie Liebe jenseits von Monogamie und Besitzdenken, schwärmt von den Kulturen der Südsee, wo er zum ersten Mal in den Kontakt anti-materialistischer Gesellschaften gekommen sei, und berichtet von seiner neusten Erfindung: Gebäude, die seriell per 3D-Drucker errichtet werden können, und die so etwas wie einen eigenen DNA-Code besitzen würden, sodass sie sich im Bedarfsfall quasi selbst zu reparieren imtande seien. All diese Meinungsäußerungen, Postulate, Anekdoten lässt Borg, (die während des gesamten Films zumindest vor der Kamera kein einziges Wort spricht), unkommentiert stehen: Weder wird die Person Frescos in irgendeiner Weise hinterfragt (oder auch nur in einen historischen oder theoretischen Kontext gesetzt) noch irgendeine seiner Aussagen auf den Prüfstand gestellt. Fresco wirkt wie ein freundlicher, weiser Greis, der für die Menschheit nur das Beste im Sinn hat, und sein Leben dem technisch-gesellschaftlichen Fortschritt gewidmet hat, dessen salbungsvolle Reden jedoch dazu tendieren, in Phrasen zu erstarren. Kein einziger Moment in FUTURE MY LOVE fällt mir retrospektiv ein, in dem Fresco tatsächlich auf die konkrete Durchführbarkeit seiner Ideen eingehen würde. Es ist natürlich ein schöner Gedanke, sich vorzustellen, dass der Hunger in der Welt aufhören würde, dass die Menschen in normierten praktikablen sozialen Wohnhäusern leben würden, die keine Energie verschwenden, sondern vielmehr sogar noch Energie generieren, und dass ein Grundeinkommen eingeführt werden würde, das es jedem ermögliche, die eigenen kreativen Ideen zu verfolgen, ohne sich Sorgen um fehlende finanzielle Sicherheiten machen zu müssen – all diese Phantasien entbehren zumindest in der Weise, wie Fresco und Borg sie in FUTURE MY LOVE präsentieren, allerdings meiner Meinung nach jedweder ökonomischen und politischen Grundlage, und schwirren eher wie Träume durch vorliegenden Film als dass ich zu irgendeinem Zeitpunkt den Eindruck gewinnen würde, das eine oder andere Gedankenspiel sei tatsächlich in naher Zukunft umsetzbar – was natürlich vor allem dadurch begünstigt wird, dass Borg in ihrem unreflektierten Fangirltum jeden Satz Frescos stillschweigend abnickt und nicht einmal den Versuch unternimmt, ihrem Film eine etwas differenziertere Ebene unterzuschieben.

FUTURE MY LOVE krankt – einmal abgesehen von der filmisch wenig interessanten Machart, seinem fehlenden Reflexionsvermögen, der inhaltlichen Leere, die sich, wie gesagt, darin erschöpft, dass Fresco im Minutentakt griffige Slogans zitiert, die sich nie in tieferschürfende Auseinandersetzungen mit der behandelten Materie verwandeln würden – jedoch noch an einem ganz anderen Problem: Borg belässt es nämlich nicht dabei, einen neunzigminütigen Werbespot für Frescos Venus-Projekt zu drehen, sondern mixt dieses Unterfangen auch noch mit der Trauer um eine verflossene Liebschaft. Nahezu gesamte Off-Kommentar von FUTURE MY LOVE besteht aus einem autobiographischen Text, den Borg an eine ehemalige Lebensgefährtin geschrieben hat. Wie wir zwischen den Zeilen heraushören, scheint ihre Liebste sie mit einem Mann betrogen zu haben, sich dafür entschieden zu haben, schwanger zu werden und ein Kind zu bekommen, ihre Beziehung somit auf recht rüde Weise beendet zu haben. Diese Beziehung wiederum rekonstruiert Borg nicht nur, indem sie besagten Brief an ihre Ex-Freundin verfasst, (der oft genug ins rein Abstrakte abgleitet, und ständig zwischen politischem Pamphlet und zartem Liebespoem hin und her pendelt): Ebenfalls zeichnet sie die letzten Tage ihrer großen Liebe in (zugegebenermaßen wunderschönen) schwarzweißen Super8-Bildern nach, wo eine Schauspielerin ihre Ex-Freundin verkörpert, in einem offenkundig islamischen Staat (möglicherweise der Iran) durch Gärten spaziert, mit Kätzchen schmust, bei alltäglichen Verrichtungen zu sehen ist. Auch wenn Borg ihren Aufenthalt in der Venus-Kommune als Folge ihrer gescheiterten Beziehung modelliert, sodass es wirkt, als habe sie sich in die Traumwelten Frescos geflüchtet, weil die Realität ihr mehrere Ohrfeigen erteilt hat, erschließt sich der Zusammenhang zwischen ihren persönlichen Empfindlichkeiten und den gesellschaftsumwälzenden Plänen Frescos zumindest mir zu keinem Zeitpunkt. FUTURE MY LOVE macht dadurch den Anschein, als ob da zwei ganz unterschiedliche Filme krampfhaft zusammengewürfelt worden seien: Eine poetische Reflexion über das Ende einer intensiven Beziehung sowie eine nüchterne, affirmative Dokumentation über die Konzepte, die Jacques Fresco gegenwärtig ausheckt, um die Erde zu einem lebens- und liebenswerteren Ort zu machen. Gewissermaßen stellt sich FUTURE MY LOVE damit andauernd selbst eine Herde Ziegenbeine: Möchte man den Film als zarte Elegie einer untergangenen Partnerschaft betrachten, funken einem die langen Passage dazwischen, in denen sich Fresco über seine Vorstellung von Soziokybernetik oder Sozialarchitektur verbreitet; möchte man den Film als Bestandsaufnahme der Ideen betrachten, mit denen Fresco seit Jahrzehnten hantiert, wird man sich fragen, was denn all die Passagen darin verloren haben, in denen Borg ihrer Ex-Freundin ein filmisches Denkmal zu setzen versucht.
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