Kung Fury [Kurzfilm] - David Sandberg (2015)

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Dr. Monkula
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Re: Kung Fury [Kurzfilm] - David Sandberg (2015)

Beitrag von Dr. Monkula »

ja, und die kung fury hoff soundtrack ep, wie soundtrack lp vinyl....sind auch gut im preis gestiegen.....war mal wieder eine gute kapitalanlage :)
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buxtebrawler
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Re: Kung Fury [Kurzfilm] - David Sandberg (2015)

Beitrag von buxtebrawler »

Nach der ‘70er-Jahre-Rennaissance im Kino, die insbesondere auf Genrefilme rekurrierte (Stichwort Grindhouse), war die ‘80er-Retro-Welle der nächste logische Schritt. In bestimmten Musikbereichen (Heavy Metal, Synthwave, AOR etc.) fand diese schon länger statt, das Kino schien noch etwas hinterherzuhinken. Dabei scheint es seit den ‘80er-Jahren zu einem popkulturellen Phänomen geworden zu sein, ungefähr alle 30 Jahre um eben diesen Zeitraum nostalgisch oder schlicht interessiert zurückzublicken und in diesem Zuge die Vergangenheit nicht nur aufzuarbeiten, sondern in ihren (vermeintlichen) Vorzügen wiederzuentdecken. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Erwachsene, die sich an ihre eigene Jugend erinnern und diese künstlerisch wiederaufgreifen, um damit ihre gleichaltrige Zielgruppe zu bedienen. Nostalgie, Sentimentalität und Verklärung sowie Eskapismus aus einer als unwirtlich und anstrengend empfundenen Erwachsenenwelt können ebenso Beweggründe sein wie Archäologie innerhalb der eigenen Historie, schlichter Spaß an der Retrospektive oder auch das Bedürfnis, sich jüngeren Generationen verständlich zu machen und ihnen einen Eindruck vom vergangenen Zeitgeist zu vermitteln – und eventuell gar Teile davon als attraktive Alternative zur populär- oder auch subkulturellen Gegenwart anzubieten, womit sich die Zielgruppe entsprechend erweitert. Die in den ‘80ern entstandenen Stilelemente der Postmoderne sind dafür hilfreiche Werkzeuge.

Der Film „23 – Nichts ist so, wie es scheint“ spielte zwar bereits 1998 in den ‘80ern, war jedoch in erster Linie eine Biografie, was wohl auch auf „Joy – Alles außer gewöhnlich“ aus dem Jahre 2015 zutrifft. Die Komödie „Eine Hochzeit zum Verlieben“ (1998) war zu früh dran, um einen Nostalgietrend auszulösen, was wohl auch auf „The Last Days of Disco“ aus demselben Jahr zutrifft, einen Coming-of-Age-Film, der um einen New Yorker Nachtclub in den 1980ern angesiedelt wurde. Der deutsch-österreichische „Sie haben Knut“ aus dem Jahre 2003 spielte lediglich in einem bestimmten Milieu (Studierende), Filme wie „Good Bye Lenin“, „Sonnenallee“ oder „Neue Vahr Süd“ sind DDR-spezifisch. „American Psycho“ (2000) ist eine Literaturverfilmung, die die ‘80er ganz und gar nicht zu Wohlfühlzwecken rekapituliert. Ein ähnlicher Hort des Schreckens sollen sie in „The Informers“ (2008) sein. Und „Watchmen“ ist die Verfilmung eines in den ‘80ern erschienenen Comics. Die US-SitCom-Serie „Die Goldbergs“ jedoch spielt seit 2013 in den 1980ern, schaffte es aber, komplett unter meinem Radar zu laufen. Die Serien „The Americans“ (ab 2013) und „Deutschland 83“ (2015) sind mit ihren Spionage-Topoi sehr Kalter-Krieg-spezifisch und „A Most Violent Year“ (2014) ist ein todernster Thriller um Ölgeschäfte. „This Is England“ – Film (2006) und Serien (2020-2015) – wiederum sind subkulturspezifisch.

Kaum eine der genannten, inhaltlich in den ‘80ern angesiedelten Produktionen stellt die Populärkultur der 1980er in den Vordergrund bzw. ließe sich in erster Linie als Hommage ans Jahrzehnt begreifen. Anders die weihnachtliche Hommage „Xmas Tale“, ein spanischer TV-Horrorfilm aus dem Jahre 2005, und die zwar reichlich alberne, aber kurzweilige und gar nicht so verkehrte US-Komödie „Hot Tub - Der Whirlpool... ist 'ne verdammte Zeitmaschine!“, der es jedoch im Jahre 2010 auch nicht gelang, einen Retrotrend loszutreten. Ähnlich ist es ein Jahr später der nostalgisch-romantischen, nach Eddie Moneys Superhit benannten Komödie „Take Me Home Tonight“ ergangen. Ti West griff im 2009 erschienenen „The House of the Devil“ mittlerweile häufig als angenehm altmodisch empfundene Stilmittel von Slashern und Haunted-House-Filmen der ‘70er und ‘80er auf. „Rock of Ages“ ist eine Rock-Musical-Verfilmung aus dem Jahre 2012, die das ‘80er-Musikgeschäft komödiantisch aufgreift, dabei aber ebenso mainstreamig-steril sein soll wie Mutt-Lange-Musikproduktionen der zweiten Achtzigerhälfte. Die kleine Mystery-Thriller-Produktion „Haunter – Jenseits des Todes“ integriert im Jahre 2013 die ‘80er geschmackvoll in sein Zeitschleifensujet und gibt damit einen weiteren Vorgeschmack auf den Retro-Trend. Erwähnen ließen sich zudem noch die „The Expendables“-Reihe (2010-2014), in der sich ‘80er-Action-Kino-Protagonisten in Selbstironie zu üben versuchen, oder auch die Mainstream-Videospiel-Hommage „Pixels“ (2015). (An dieser Stelle sei auch noch auf „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ verwiesen, eine Comic-Verfilmung in Videospiel-Ästhetik, die möglicherweise inspirativen Einfluss auf den eigentlichen Gegenstand dieser Filmbesprechung ausübte.)

Das ‘80er-Retro-Kino so richtig in Gang gesetzt zu haben scheint mir jedoch ein nur wenige Woche nach „Pixels“ auf YouTube veröffentlichter, rund halbstündiger Kurzfilm namens „Kung Fury“, für den der schwedische Werbefilmer David Sandberg per Crowdfunding einige hunderttausend Dollar zusammengesammelt hatte, nachdem er die Internet-Community mit einem vielversprechenden Trailer angefixt hatte. Sandberg trat als Produzent, Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Erscheinung und schuf zusammen mit Laiendarsteller(inne)n eine ultimative Mischung aus Hommage an und Persiflage auf das ‘80er-Jahre-Entertainment.

Miami, Florida, USA im Jahre 1985: Cop Kung Fury (David Sandberg), seit einem Kobrabiss und Blitzeinschlag mit Superkräften ausgestattet, bekommt es mit einem Videospielautomaten zu tun, der in einen amoklaufenden Kampfroboter mutierte. Furys Chef (Per-Henrik Arvidius) kritisiert ihn jedoch harsch für den angerichteten Kollateralschaden in Höhe von 50 Millionen Dollar und drückt ihm einen neuen Partner, den Sauriermenschen Triceracop (Erik Hörnqvist), aufs Auge. Fury jedoch hat Angst, wieder einen Partner zu verlieren und quittiert seinen Job. Doch als Kung-Fu-Meister Adolf Hitler alias Kung Führer (Jorma Taccone, „Vorbilder?!“) die Polizeiwache über ein Telefon angreift, steht für Fury fest: Er muss den Wahnsinnigen stoppen! Er konsultiert den Hacker Hackerman (Leopold Nilsson), mit dessen Hilfe er in die Vergangenheit reisen will, um Hitler ein Schnippchen zu schlagen. Versehentlich landet er jedoch in der Wikinger-Ära, wo er nach einigen schweren Kämpfen mit Donnergott Thors (Andreas Cahling, „Too Big For The World“) Hilfe endlich ins Dritte Reich teleportiert wird. Dort kommt es zur direkten Konfrontation mit dem Kung Führer…

So weit, so plausibel. Sandberg und sein Team erzählen diese Geschichte mit zahlreichen Action- und Kampfsport-Einlagen sowie einem über die Splatter-Effekte weit hinausgehenden, kunterbunten Spezialeffektfeuerwerk in der Ästhetik eines beanspruchten VHS-Bands inklusive typischer Bildstörungen. Der Vorspann setzt erst nach einer den Prolog bildendenden Rückblende ein, fortan geben sich Laser-Dinos, Wikinger(innen), nordische Gottheiten und Nazis die Klinke in die Hand. Deren Gequatsche klingt nach skandinavischem Kauderwelsch, die Gespräche mit Hackerman nach Pseudo-Techtalk, Kung Furys süffisante Einzeiler nach der selbstgefälligen Abgeklärtheit US-amerikanischer Ein-Mann-Action-Armeen. Die Kampfszenen sind Beat-‘em-up-Spielen nachempfunden, eine Zeichentricksequenz erinnert schwer an Filmation & Co. und jede Menge ‘80er-Kinohits werden mal mehr, mal weniger offensichtlich zitiert. Überhaupt jagt hier ein popkulturelles Zitat das nächste, zu denen auch die Neon-Optik und der Synthesizer-Soundtrack zählen; lediglich die computergenerierten Spezialeffekte wirken anachronistisch. Auf einen typischen Epilog folgt niemand Geringerer als David „Looking For Freedom“ Hasselhoff, der den (auf Vinyl-Single ausgekoppelten!) Abspannsong „True Survivor“ inbrünstig schmettert – in seiner Mischung aus Persiflage auf und Hommage an keyboardbetonten ‘80er-Poprock ideal zum Film passend.

In einem wahren Kreativitäts-Overkill komprimierten Sandberg und sein Team fast alles, was in den ‘80ern Spaß gemacht hat, in eine halbe Stunde; vielleicht etwas actionlastig, dafür mit einem liebevollen Blick für Details – auf die man sich innerhalb nur einer Sichtung aufgrund der zelebrierten Reizüberflutung kaum konzentrieren kann. Das Filmplakat entspricht der Airbrush-Ästhetik von ‘80er-Filmplakaten, Plattencovern und Video-/Computerspielkartons und mit „Kung Fury: Street Rage“ wurde sogar ein C64-Spiel zum Film veröffentlicht. „Kung Fury“ ist ein schönes Geschenk an die Generation VHS, die sich in Ermangelung grafikrealistischer Videospiele und eines Web 2.0 nach Feierabend und am Wochenende regalweise Schundfilme drückte, und zugleich ein derart übertriebenes Potpourri aus ‘80er-Unterhaltungscharakteristika, dass sich aus ihm zahlreiche Ideen für abendfüllende Retro-Kino-Produktionen ableiten ließen. „Turbo Kid“, die Serie „Stranger Things“, „Summer of 84“, aber auch hochbudgetierte Großproduktionen wie die „Es“-Neuverfilmung, das „Transformers“-Spin-off „Bumblebee“, das DC-Spin-off „Joker“ oder jüngst „Wonder Woman 1984“ befeuerten den ‘80er-Retro-Trend nach Kräften, wobei viele dieser mit Sicherheit unabhängig von „Kung Fury“ entstanden sind. Gerade in seiner Kompakt- und Collagenhaftigkeit hält „Kung Fury“ aber bis heute eine Sonderstellung.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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