Allein mit Giorgio - Marco Ferreri (1971)

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Allein mit Giorgio - Marco Ferreri (1971)

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Originaltitel: Liza

Herstellungsland: Italien / Frankreich (1971)

Regie: Marco Ferreri

Darsteller: Catherine Deneuve, Marcello Mastroianni, Michel Piccoli, Corinne Marchand, Valérie Stron, Pascal Laperrousaz, Dominique Marcas, Claudine Berg u. A.

Aussteiger Giorgio (Marcello Mastroianni) hat es sich auf einer einsamen Mittelmeer-Insel zwischen den Resten eines alten Luftwaffenstützpunkts zusammen mit seinem Hund Melampo gemütlich gemacht. Ab und zu zeichnet er eine Karikatur, um sich seinen kargen Lebensunterhalt zu verdienen. Liza (Catherine Deneuve) ist eine verwöhnte Schickse, die von einer Luxus-Yacht flieht, nachdem sie ihren Lebensgefährten und Besitzer des Gefährts verlassen hat. Sie schwimmt auf die Insel und lernt Giorgio kennen, die Yacht fährt ohne sie ab. Beide kommen sich näher, doch Giorgio bringt sie zurück aufs Festland. Kurz darauf kehrt sie zurück und möchte mit Giorgio zusammenleben. Aus Eifersucht tötet sie seinen Hund und muss ihn fortan ersetzen, indem sie das Hündchen für Giorgio spielt. So leben beide miteinander, bis Giorgio nach Paris zu seiner Familie zurück muss, nachdem seine Ehefrau (Corinne Marchand) einen Selbstmordversuch verübt hat. Er lässt Liza zurück, doch diese reist ihm nach und bittet ihn inständig, mit ihr auf der Insel weiterzuleben...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Allein mit Giorgio - Marco Ferreri (1971)

Beitrag von buxtebrawler »

„Mein Name ist Liza und ich bin keine dumme Gans!“ – „Meinetwegen. Ich bin Robinson Crusoe.“

Ein Jahr vor „Das große Fressen“, 1971 also, verfilmte der Italiener Marco Ferreri den wiederum ein Jahr zuvor erschienenen Roman „Melampus“ aus der Feder Ennio Flaianos und ließ diesen am Drehbuch mitarbeiten. Die Literaturvorlage ist mir unbekannt, Ferreris Verfilmung jedoch kann ich guten Gewissens zunächst einmal das Siegel „Erotikdrama“ anheften.

Aussteiger Giorgio (Marcello Mastroianni, „Love to Kill“) hat es sich auf einer einsamen Mittelmeer-Insel zwischen den Resten eines alten Luftwaffenstützpunkts zusammen mit seinem Hund Melampo gemütlich gemacht. Ab und zu zeichnet er eine Karikatur, um sich seinen kargen Lebensunterhalt zu verdienen. Liza (Catherine Deneuve, „Ekel“) ist eine verwöhnte Schickse, die von einer Luxus-Yacht flieht, nachdem sie ihren Lebensgefährten und Besitzer des Gefährts verlassen hat. Sie schwimmt auf die Insel und lernt Giorgio kennen, die Yacht fährt ohne sie ab. Beide kommen sich näher, doch Giorgio bringt sie zurück aufs Festland. Kurz darauf kehrt sie zurück und möchte mit Giorgio zusammenleben. Aus Eifersucht tötet sie seinen Hund und muss ihn fortan ersetzen, indem sie das Hündchen für Giorgio spielt. So leben beide miteinander, bis Giorgio nach Paris zu seiner Familie zurück muss, nachdem seine Ehefrau (Corinne Marchand, „Der aus dem Regen kam“) einen Selbstmordversuch verübt hat. Er lässt Liza zurück, doch diese reist ihm nach und bittet ihn inständig, mit ihr auf der Insel weiterzuleben…

„Warum betrachten Sie meine Brüste, Monsieur?“

Ferreris sehr betulich erzählte Handlung präsentiert den einsilbigen, eigenbrötlerischen Einsiedler und Maler Giorgio als eine Art „edlen Wilden“, der mit dem Leben in der Zivilisation abgeschlossen hat und sich mit wenig zufriedengibt, dafür die Abgeschiedenheit, Ruhe und Einsamkeit genießt (und sich gern seltsame Brillen aufsetzt, z.B. aus Holz). Über die Hintergründe der Trennung von seiner Familie – immerhin hat er Frau und Kind zurückgelassen – erfährt der Zuschauer ebenso wenig wie über Lizas bisheriges Leben und die Motivation für ihre Faszination für Giorgio und dessen Lebensentwurf. Darunter leidet die Nachvollziehbarkeit und so liegt der Verdacht nahe, diese verklärte Aussteiger-Romanze in der sommerlichen Idylle einer französischen Mittelmeer-Inselgruppe wäre in weiten Teilen schlicht eine verfilmte Macho-Männerphantasie vom in Kargheit lebenden Eremiten, der es einer feinen Jetset-Dame mal so richtig besorgt, sie gar zu seinem Haustier degradiert, das ihm Gegenstände apportiert und ihm total hörig ist. Zweifelsohne schwingen hier sadomasochistische Motive mit.

Obschon Deneuve und Mastroianni zum Drehzeitpunkt auch in der Realität ein Liebespaar waren, verzichtet Ferreri auf klassische Sexszenen; nichtsdestotrotz gibt sich Deneuve recht freizügig. Das Intermezzo um den Fremdenlegionstrupp, der auf der Insel einen Deserteur jagt, erweist sich als bedeutungslos für die Dramaturgie (wenn man es denn überhaupt so nennen will). Doch auch der Hilferuf Giorgios Familie und dessen Rückkehr nach Paris dient tatsächlich nur seiner Charakterisierung und der Verleihung von immerhin etwas Hintergrundgeschichte, gerät nicht zum vielleicht erwarteten Wendepunkt: Zwar will seine Frau wieder Sex von ihm, doch er weist sie ab und kehrt mit Liza auf die Insel zurück. Dort philosophiert er über Spartacus, während ein Sturm das Boot mit sämtlichen Fischfang-Utensilien losreißt und das ungewöhnliche Paar zwingt, doch noch von der Insel wegzukommen. Giorgio beweist überragendes handwerkliches Geschick, als er sich ein altes Kriegsflugzeug aus der Nazi-Zeit flott macht und mit Liza auf zu neuen Ufern davonfliegen will. Ob es gelingt, erfährt der Zuschauer ebenfalls nicht, denn da setzt bereits der Abspann ein – auch diese Chance zu Spannung und Dramatik bleibt also (bewusst) ungenutzt.

Männer- (oder auch Frauen-)Phantasien von Dominanz bei weitestgehender Kompromisslosigkeit gehen einher mit dem naiven hippiesken Traum vom totalen Ausstieg aus dem Zivilisationsalltag. Beides wird wenn überhaupt nur spärlich in „Allein mit Giorgio“ problematisiert, seine dramatischen Aspekte bleiben weitestgehend folgenlos und auf interessante Wendungen oder Aha-Effekte wartet man vergebens. Zur seichten Sommerinsel-Erotik taugt Ferreris Werk indes auch nicht, dafür sorgt allein schon die enervierende musikalische Untermalung mit hochfrequenten amusikalischen Klängen, minutenlangem Getrommel und Hare-Krishna-Gesang, die glücklicherweise aber auch ein paar folkloristische Tonfolgen sowie klassische Arrangements zu bieten hat. Insgesamt drängt sich mir der Eindruck eines frühen Fetisch-Films auf, zu dessen Zielgruppe ich nicht gehöre und mit dem ich insgesamt nur wenig anfangen kann.
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