Perseus - Der Unbesiegbare - Alberto de Martino (1963)

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Salvatore Baccaro
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Perseus - Der Unbesiegbare - Alberto de Martino (1963)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Perseo l'invincibile

Produktionsland: Italien 1963

Regie: Alberto de Martino

Darsteller: Richard Harrison, Anna Ranalli, Arturo Dominici, Leo Anchóriz, Elisa Cegani
Die Zeiten stehen schlecht für das Königreich von Seriphos. Nach einer Überwerfung mit dem Nachbarreich Argor, hat dessen bitterböser Regent Akrisios mit einer wenig verschleierten Erpressung geantwortet. Da Argor direkt am Meer liegt, Seriphos indes eher im Landesinneren, hat es weitreichende Konsequenzen, wenn Akrisios, wie er es zu Beginn vorliegenden Films tut, den Seriphosiden kurzerhand verbietet, sein Hoheitsgebiet zu betreten. Vor allem der Handel und dadurch die Sättigung der Untertanen leidet durch Akrisios‘ Kriegserklärung, da es keinem seriphosischen Händler von einem Tag auf den andern möglich ist, problemlos zur Küste zu gelangen. Nur einen einzigen Weg gibt es, das Meer zu erreichen, auch ohne das Königreich Argor auch nur mit einer Zehenspitze zu berühren, doch der führt wiederum in die vergiftete und verpestete Sphäre der berüchtigten Medusa – sofern man nicht bereits von dem in einem auf dem Weg liegenden See hausenden Drachen verschlungen worden ist. Trotz der Gefahren entschließt sich der Sohn des Königs von Seriphos, als die Not der Bürger immer dringlicher wird, mit einem Trupp von Soldaten loszuziehen, um sowohl Medusa als auch Drache zu erlegen, und ihrem Volk somit die Pforte zur See zu öffnen. Doch das gestaltet sich schwieriger als der Prinz in seinem jugendlichen Übermut wohl gedacht haben mag: nicht nur, dass der umsichtige Akrisios seinen Stiefsohn Galenore, ebenfalls ausgestattet mit einem kleinen Kriegertrüppchen, dem Prinzen auf die Fersen geschickt hat, zugleich stellen sich die beiden Monstren als äußerst ernstzunehmende Gegner heraus. In einen Hinterhalt gelockt, gelingt es dem Prinz und zwei tapferen Gefährten zwar in letzter Sekunde, dem gefräßigen Lindwurmmaul und den heimtückischen Flammenpfeilen Galenores zu entkommen, vor dem Medusenblick knicken schließlich aber auch die kühnsten Kämpfer ein und werden zu Stein.

Die nächste Machenschaft Akrisios‘: da es sich nunmehr als unmöglich erwiesen hat, ohne die Hilfe von Argor ans Meer zu kommen, wird dem König von Seriphos das Angebot unterbreitet, seine Tochter Andromeda möge Galenore ehelichen, auf dass die beiden Reiche in Zukunft umso enger und herzlicher zusammenwachsen. Andromeda ist es, die zwar nicht begeistert, aber doch relativ widerspruchslos auf den Vorschlag eingeht, und ihren Vater dazu überredet, Galenore doch einmal an den Hof kommen zu lassen, auf dass sie ihn inspizieren könne. Dass sie indes einen anderen liebt, ist natürlich eine traurige Sache, doch geht es Andromeda um das Wohl ihres Volkes, weshalb sie ihrer heimlichen Liebe, einem armen Fischer namens Perseus, einen letzten Besuch abstattet, um von nun an für immer Abschied von ihm zu nehmen. Perseus ist die Einfalt in Person, kennt seine Eltern nicht, und hat als besten Freund ein zuckersüßes Rehkitz, das leider kurze Zeit später einen graphischen und leider nicht gestellten Pfeiltod vor laufender Kamera sterben muss. Der Todespfeil stammt aus dem Köcher Galenores, der mit seiner Zukünftigen einen Spazierritt durch das Königreich Seriphos unternommen hat. Als Perseus, außer sich über den Tod seines liebsten Freundes, ihn zum Duell stellt, zieht er den Kürzeren und wird von Galenores Peitsche bis in einen See getrieben. Letzterer hätte ihn wohl sogar getötet, wäre ihm da nicht Andromeda in den Arm gefallen, um ihm einen Deal vorzuschlagen: beide Männer, Perseus und Galenore, sollen einen Zweikampf ausfechten, der Gewinner, verspreche sie hiermit hoch und heilig, solle sodann ihr Gatte werden. Galenore kann da nur lachen und schlägt siegessicher ein, während Perseus verdutzt und allein in seiner Fischerhütte bleibt und sich auf das Turnier vorbereitet. Wer wird da siegen? Werden Perseus und Andromeda einander kriegen? Werden Galenore und Argor ihre gerechte Strafe ereilen? Und was passiert eigentlich, wenn die Medusa ein Herz aus Stein anblickt?

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PERSEO L’INVINCIBLE dürfte die allererste Leinwandadaption des bekannten griechischen Mythos überhaupt sein. Wobei jedoch jedem, der sich mit antiker Mythologie ein bisschen auskennt, schon in meiner recht ausführlichen Inhaltsangabe knapp der ersten halben Stunde des Films aufgefallen sein dürfte, dass man mit der überlieferten Geschichte dann doch recht frei umgesprungen ist. Zunächst ist es bezeichnend, dass, übrigens ziemlich ähnlich zu Wolfgang Petersens ILIAS-Verfilmung TROJ von 2004, sämtliche Hinweise auf das Schalten und Walten von Göttern ersatzlos gestrichen worden sind. In der Welt, die PERSEO L’INVINCIBLE beschreibt, gibt es zwar diverse Ungeheuer – namentlich den Wasserdrachen und das Gorgonenhaupt -, die werden aber eher wie etwas aus dem Kraut geschossene Naturphänomene behandelt; manche Echsen können fliegen, andere können ihre Farbe wechseln, und wiederum andere sind eben groß wie ein Kleinwagen, hausen in einem entlegenen Tümpel und schnellen aus ihm heraus, sobald sich seinen Ufern nur irgendwas genähert hat, das entfernt nach Nahrung ausschaut. Allein der Umstand, dass es sich bei Perseus ja eigentlich um einen der vielen Halbgötter handelt, die entstanden sind, weil ihr ständig spitzer Vater Zeus kaum eine Gelegenheit ausließ, irgendwelchen schönen Sterblichen in den verschiedensten Verkleidungen nachzustellen – Perseus Mutter Danae beispielweise hat er völlig verrückt als Goldregen bestäubt -, fällt in vorliegendem Film unerreichbar weit unter den Tisch. Gerade die antiken Mythen leben allerdings von dieser Verzahnung zwischen irdischer Welt und Götterolymp, weil das eine sich ständig im andern spiegelt, und man manchmal gar das Gefühl bekommt, das Leben hier unten wäre mit dem Chaos aus Eifersucht, Intrigen, Attentaten im Götterhimmel verglichen ein ausgemachtes Paradies. PERSEO L’INVINCLE kennt nur letztere Welt, und wenn in dem Film doch mal etwas in Richtung Schicksal und Vorherbestimmung anklingt, dann so vage, dass es alles und nichts bedeuten kann.

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Des Weiteren hat man jedoch nicht nur die Perseus-Geschichte in einem einfachen Schritt von allem Göttlichen gereinigt – das wäre dann die Praktik von Petersens TROJ -, die übrige Story wurde ebenfalls ganz kräftig durch gleich mehrere Mangeln gedreht. Im Prinzip wirkt das Drehbuch von PERSEO L’INVINCIBLE für jemanden, der mit dem originalen Mythos vertraut ist, als sei es von Leuten verfasst worden, die die Geschichte irgendwann vor Jahren mal irgendwo gelesen oder erzählt bekommen haben, und sich nun krampfhaft daran zu erinnern versuchen, wie sie denn noch mal genau abgelaufen ist. Manches stimmt einigermaßen mit dem Mythos überein, vor allem Namen: Sephiros, Akrisios, Argor, Andromeda, das alles kann man in jeder guten Mythologie-Enzyklopädie suchen und finden. Dennoch haben die Verantwortlichen solche vertrauten Namen nicht selten in ganz neue Kontexte versetzt. Andromeda zum Beispiel ist in vorliegendem Film die Jugendfreundin Perseus. Fast wie Geschwister scheinen die beiden aufgewachsen, ohne dass Perseus jemals realisiert habe, mit einer Prinzessin im Kontakt zu stehen. Im Originalmythos trifft Perseus Andromeda erst, nachdem er der Medusa den Kopf von den Schultern geschlagen hat. Sie ist an einen Felsen gekettet und soll dem Meeresdrachen Ketos zum Opfer dienen, da ihre Mutter Kassiopeia den Meergott Poseidon mit der Behauptung verärgert hat, sie sei schöner als dessen Nymphen-Begleiterinnen, die Nereiden. An Perseus liegt es nun, Ketos zu töten, Andromeda zu befreien und sich in sie zu verlieben. In dem Stil könnte man im Grunde den ganzen Inhalt von PERSEO L’INVINCIBLE auseinandernehmen. Alles echot etwas, das man aus dem Mythos kennt, und ist dennoch komplett gegen den Strich gebürstet. Vor allem irritiert hat mich, dass einige wichtige Plotpunkte eher mit Dingen zu tun zu haben scheinen, die man kulturell aus der europäisch-christlichen Tradition kennt – darunter der Drachenkampf und nicht zuletzt die ständigen Turniere, die wie Gottesprüfungen daherkommen: der, der gewinnt, muss im Recht sein, da Gott ihn nicht hätte gewinnen lassen, wäre er nicht im Recht gewesen.

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In seinen Spielszenen ist PERSEO L’INVINCIBLE steif, streng und seriös, zu keinem Zeitpunkt nennenswert trashig, albern oder auch nur unfreiwillig komisch. Es müssen die ganz großen Gesten sein, mit der die oftmals überforderten Schauspieler – vor allem die Darstellerin der Andromeda, Anna Ranalli, fällt negativ auf, wenn sie selbst in Szenen, die von ihrer Rolle höchste Emotionalität fordern, den immer gleichen, zu Stein erstarrten Gesichtsausdruck zur Schau trägt, so, als sei sie bereits zu gefährlich in die Nähe der Medusa geraten – die bei klarem Verstand betrachtet trotz ihrer Erneuerungen wenig innovative und kreative Geschichte ausstaffieren. Wie abgefilmtes Theater wirkt der Film über weite Strecken, ein Theater, das irgendeine Form von Monumentalität dadurch zu erreichen sucht, dass man in bierernstem Pathos schwelgt, als gelte es, den Coppa Mussolini zu erstreiten. Was viele Sandalenfime der 60er heute immer noch zumindest zeitlos wirken lässt, ist die vorpubertäre, unbekümmerte Haltung der Welt gegenüber: überall lauern Abenteuer, und wenn man zu den Guten gehört, meistert man sie alle mit lächelnden Muskeln. Genau das fehlt PERSEO L’INVINCIBLE nahezu komplett. Der Film ist vorzeitig gealtert, ein Greis, trotz der Muskeln und den agilen Kampfbewegungen.

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Was den Film jedoch fast schon wieder rettet, das sind die von dem großen Carlo Rambaldi kreierten beiden Monstren. Ist PERSEO L’INVINCIBLE, was die von Menschen dominierten Szenen betrifft, eine äußerst verkrampfte Angelegenheit, so blüht er in den Kämpfen zwischen Mann und Monster richtig auf und bereitet Spaß ohne peinlich zu sein. Für heutige Augen ist es freilich offensichtlich wie die beiden Biester funktionieren, das schränkt, meine ich, den hohen Unterhaltungsfaktor kaum merklich ein, den es bereitet, zuzusehen wie sich der Wasserdrache offenkundig auf Schienen aus seinem See schält und mit weit aufgerissenem Maul schnaubend und weit austeilendem Schwanz um sich schlagend, nach zu Kindern werdenden Kriegern schnappt. Schon der Drache konnte mich richtig begeistern: ein bisschen sieht er aus wie einer dieser Geisterbahnwächter, d.h. die Figuren, die bei einer Geisterbahn vorm Eingang stehen, um einen genug Angst einzujagen, dass man gerne bereit ist, den völlig überteuerten Eintritt zu bezahlen. Noch heftiger ist jedoch die Medusa umgesetzt, bei deren Ausgestaltung Rambaldi sich mit dem Rücken zur gesamten europäischen Kunstgeschichte gestellt hat. In einer Szenerie, die mir fast schon das Höllenreich zu antizipieren scheint, in dem Fulcis L’ALDILÁ endet, wirkt die Medusa wie eine irgendwo zwischen Pflanze und Qualle oszillierende Lebensform, die nicht aus Rationalität handelt, sondern ganz ihren Instinkten folgt. Hat man ihren Einflussbereich betreten, erwacht sie aus ihrem Ruheschlaf, schlägt ihr einziges leuchtendes Auge auf, und beginnt, sich auf Spinnenbeinen fortbewegend, langsam auf ihre Beute zuzukriechen, während von ihrem Kopf Schlangen wie Dreadlocks hängen. Hat sie ihre Beute – in der schlicht großartigen Eröffnungsszene von PERSEO L’INVICIBLE sind es beispielweise drei Krieger Sephiros` - erreicht, führt sie anmutige Stoßbewegungen mit ihrem Kopf aus, den sie ihren Opfern nähert, nur um ihn dann sofort wieder zurückzuziehen. Offenbar findet in diesen Momenten so etwas wie eine Hypnose statt, obwohl nämlich die drei Armen genau wissen, dass sie alles tun dürfen, nur der Medusa nicht in ihr Flammenauge zu blicken, machen sie genau das, so, als sei ihnen der Wille gebrochen worden. Was folgt, ist die Versteinerung: schon eine beachtliche Anzahl Statuen steht im Reich der Medusa herum, für die diese jedoch keine weitere Verwendung zu haben scheint, denn nach jedem erfolgreichen Beutezug kehrt sie in Schlaf und Höhle zurück, und wartet darauf bis sich die nächsten Seelen in ihre Wirkungsstätte verirrt haben.

PERSEO L’INVINCIBLE ist ein Schwert mit zwei Schneiden. Die eine riecht nach dem Mief eines Theaters, das heute höchstens noch als Karikatur funktioniert, die andere riecht nach übersprudelnder Phantasie und echter Kreativität. Mein Kompromiss wäre: sich den Film beschaffen und dann nur die insgesamt drei Auftritte der beiden liebenswerten Monstren anschauen und die ermüdende, gekünstelte und gespreizte Rahmenhandlung geflissentlich zu ignorieren.
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