Knife of Ice - Umberto Lenzi (1972)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

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Reinifilm
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Knife of Ice - Umberto Lenzi (1972)

Beitrag von Reinifilm »

Knife of Ice

Bild

Originaltitel: Il coltello di ghiaccio

Herstellungsland: Italien / Spanien 1972

Regie: Umberto Lenzi

Darsteller: Carroll Baker, Alan Scott, Ida Galli, Eduardo Fajardo, George Rigaud u. A.

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Story:

Die junge Martha ist stumm, seitdem sie bei einem Bahnunfall mitansehen musste, wie ihre Eltern verunglückten.
Nun wohnt sie im Haus ihres Onkels Ralphs. Eines Tages bekommt sie Besuch von ihrer Cousine Jenny, die inzwischen als Sängerin erfolgreich ist. Kurz nachdem sie beide vom Bahnhof abgeholt werden, erblicken sie eine seltsame Gestalt mit eigenartigen Augen.
Am nächsten Morgen liegt Jenny erstochen in der Garage des Onkels. Und es passieren noch mehr Morde...

Umberto Lenzi ist im Gegensatz zu Argento, Bava und auch Fulci nicht der Künstler, sondern eher der Handwerker gewesen. Dementsprechend solide, aber auch über weite Strecken unspektakulär sieht "Knife of Ice" größtenteils (ein paar schöne Shots gibt es dann doch) aus. Aber dennoch überraschte mich der Film positiv - es gibt zwar keine nackte Haut oder besonders blutige Morde, aber dafür eine sehr interessante Krimi-Story mit vielen Verdächtigen, spannenden Szenen und überraschenden Wendungen, bei denen die Orientierung an Hitchcock nicht zu übersehen ist. Hinzu kommt noch die hervorragende schauspielerische Leistung von Carroll Baker als Martha und ein grooviger Soundtrack, so dass "Knife of Ice" eine echte Empfehlung für Gialli-Fans ist.

P.S.: Der Titel bezieht sich übrigens auf ein Zitat von Edgar Allan Poe, wonach die Angst ein eisiges Messer ist - es wird niemand mit 'nem Magnum erstochen.
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http://www.reinifilm.blogspot.com / https://bfilmbasterds.de/
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jogiwan
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Re: Knife of Ice - Umberto Lenzi

Beitrag von jogiwan »

Die junge und hübsche Martha (Carroll Baker) ist seit einem traumatischen Eisenbahnunfall, bei dem ihre Eltern ums Leben kamen stumm und lebt mit ihrem herzkranken Onkel Ralph (George Rigaud) samt Chauffeur Marcos (Eduardo Fajardo) und Haushaltshilfe Annie Britton (Silvia Monelli) in einer geräumigen Villa in einem kleinen spanischen Dorf. Eines Tages kommt ihre Cousine Jenny (Ida Galli) zu Besuch, mit der sich in jungen Jahren ein inniges Verhältnis pflegte. Doch schon bei ihrer Ankunft, erleben die junge Frauen eine seltsame Begegnung mit einem Mann mit noch seltsameren Augen, der Beiden im dichten Nebel einen gehörigen Schrecken versetzt. Nach der Willkommensparty, bei der auch der Arzt Dr. Laurent und weitere Freunde des Hauses anwesend sind, wird Jenny jedoch in der Garage von einem Unbekannten erstochen und am nächsten Tag von Martha gefunden.

Zur gleichen Zeit wird aber auch die zweite Leiche eines jungen Mädchens gefunden, sodass der ermittelnde Inspektor Duran von einem Serienmörder ausgeht. Als Martha bei Jennys Beerdigung neuerlich den Mann mit den seltsamen Augen erblickt und mehrere satanistische Symbole gefunden werden, konzentriert sich die Suche auf den mysteriösen Mann. Wenig später kehrt auch Mrs. Britten nicht von einem Ausflug in die Stadt zurück und die Leiche wenig später in einem Wald gefunden. Als der Satanist nach einem Einbruch in die örtliche Apotheke auf dem örtlichen Friedhof gestellt und verhaftet wird, steht der zwar zu seiner etwas ungewöhnlichen Lebensweise, beschwört jedoch, mit dem Mord an Jenny und der Haushaltshilfe nichts zu tun zu haben. Und während dieser in einer Zelle schmort, geschieht in Marthas Umfeld ein weiterer Mord...

„Fear is a knife of ice which penetrates the senses down to the depth of conscience” (Edgar Allan Poe)

Der umtriebige Regisseur Umberto Lenzi drehte in den Jahren 1969 bis 1975 ja eigentlich Gialli am laufenden Band, die in den anfänglichen Jahren alle den Umstand gemeinsam hatten, dass die Hauptrolle mit der amerikanischen Schauspielerin Carroll Baker („Baby Doll“) besetzt sind. In den Streifen mit so klingenden Titeln wie „Orgasmo“, „Paranoia“ oder auch „Cosi dolce... cosi perversa“ verkörpert die adrette Blondine dann meist die Rolle der reichen Jetset-Lady, die von geldgierigen Männern oder sonstigen unsympathischen Menschen in den Wahnsinn oder gar in den Tod getrieben werden soll.

„Knife of Ice“ ist zwar inhaltlich ein bisschen anders gelagert, fügt sich aber dennoch harmonisch in die qualitativ vermutlich hochwertigste Schaffensphase des Regisseurs ein. Die Geschichte des interessanten Streifen ist jedenfalls überraschenderweise sehr solide und überzeugt den Zuschauer nicht nur mit einer von Hitchcock inspirierten Geschichte über eine traumatisierte Blondine, die nach dem Tod ihrer Eltern verstummt ist und in das Blickfeld eines eiskalten Mörders gerät, sondern Genre-üblich gleich über eine große Anzahl von Verdächtigen. Doch wie der Zuschauer schon erahnen kann, ist die Sache natürlich nicht so einfach und auch das Drehbuch hält bis zum spannenden Finale auch jede Menge Überraschungen parat, die man sich vielleicht nicht erwarten würde.

Der ganze Film ist eigentlich von vorne bis hinten klasse gemacht und erinnert in seiner Old-Skool-Machart dann auch so gar nicht an seine trashigeren Gialli-Vertreter wie den von mir so geschätzten „Labyrinth des Schreckens“ aus dem Jahre 1975 oder gar seinen Kannibalen-Reissern, die knapp 10 Jahre nach „Knife of Ice“ entstanden sind. Positiv hervorzuheben ist auch der fluffige Soundtrack von Marcello Giombini, der in den Sechzigerjahren auch zu einem vielbeschäftigten Musiker zählte. Auch wenn der geschätzte Reinifilm eher vom Handwerker als vom Künstler Lenzi spricht, so verfügt der Streifen doch über eine gelungene Optik und – abgesehen von den entbehrlichen Stierkampf-Szenen - erinnerungswürdige Momente.

Carroll Bakers Leistung ist wie immer sehr solide und die blonde Schauspielerin verleiht ihrer stummen Rolle auch die nötige Glaubwürdigkeit, die sie benötigt. Ida Gallis Auftritt unter ihrem Künstlernamen Evelyn Stewart ist wie immer super, auch wenn das etwas undankbare Drehbuch für die wandlungsfähige Italienerin ein – für meine Verhältnisse – viel zu frühzeitiges Ableben vorsieht. Auf der Testesteron-Front glänzt hingegen Genre-Veteran Eduardo Fajardo als zwielichtiger Chauffeur, Lenzi-Stammschauspieler George Rigaud als herzkranker Onkel, Alan Scott als besorgter Arzt und vor allem Mario Pardo mit gruseligen Kontaktlinsen als Morphin-süchtiger Satanist.

Leider hat es der schöne und unterhaltsame Streifen, wie so viele andere Lenzi-Frühwerke noch nicht im deutschsprachigen Raum auf Silberling geschafft. Die mir vorliegende Fassung von einem amerikanischen Label namens „Wham! USA“ bietet den Streifen (nur) in englischer Fassung und in guter Qualität, dürfte trotz Vertrieb über offizielle Wege laut Internet-Recherche wohl aber dennoch nicht ganz astrein sein. Abgesehen davon kann die DVD aber für Fans durchaus empfohlen werden, denn unterm Strich ist „Knife of Ice“ ein schmuckes Psychodrama mit ordentlich Giallo-Einschlag, das Fans des Genres kaum enttäuschen wird. Die Story rockt, das Ende überrascht, die Darsteller sind sehr solide und auch das Auge und das Ohr kommen in dem empfehlenswerten Streifen keinesfalls zu kurz. Mit Ida Galli Bonus geb ich dann auch gerne 8 von 10 Punkten. Sehr nett!
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Blap
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Re: Knife of Ice - Umberto Lenzi

Beitrag von Blap »

Schöner Film mit gelungener Auflösung (die dem aufmerksamen Zuschauer eventuell ein wenig zu früh unter die Nase gerieben wird). Sicher kein grosser Klassiker des Genres, dennoch ein angenehmes Stück italienisches Genrekino.
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Adalmar
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Re: Knife of Ice - Umberto Lenzi

Beitrag von Adalmar »

Sehr empfehlenswerter Film mit klasse Besetzung. Carroll Baker sehe ich ebenso wie Ida Galli immer wieder gerne. Hoffentlich erscheinen Orgasmo, Paranoia und Così dolce così perversa endlich mal auf DVD mit zumindest englischer Sprachoption.
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jogiwan
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Re: Knife of Ice - Umberto Lenzi

Beitrag von jogiwan »

Jubel, Freude und noch mehr: Severin bringt zum Sommerbeginn alle Giallo von Umberto Lenzi, der dieser mit Carol Baker in der Hauptrolle inszeniert hat in einer tollen "Lenzi/Baker-Giallo-Collection. Dabei sind:

- Orgasmo
- So Sweet, so Perverse
- A Quiet Place to Kill
- Knife of Ice

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quelle: https://severin-films.com/shop/lenzi-baker-collection/
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Maulwurf
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Re: Knife of Ice - Umberto Lenzi (1972)

Beitrag von Maulwurf »

 
Knife of ice
Il coltello di ghiaccio
Italien 1972
Regie: Umberto Lenzi
Carroll Baker, Agustín Bescos, Sergio Ciani, Fabián Conde, José Marco Davó, Consalvo Dell'Arti, Beni Deus, Eduardo Fajardo,
Franco Fantasia, Evelyn Stewart, Dada Gallotti, Olga Gherardi


Knife of ice.jpg
Knife of ice.jpg (54.35 KiB) 159 mal betrachtet
OFDB
Italo-Cinema (Gerald Kuklinski)

Martha freut sich wie narrisch, denn nach langer Abwesenheit kommt endlich ihre Schwester Jenny wieder nach Hause. Zu ihr und zu ihrem Onkel, bei dem Martha wohnt. Alle freuen sich dass Jenny da ist: Onkel Ralph, der sich mit Dämonologie beschäftigt. Die Haushälterin Mrs. Britton. Der mürrische Chauffeur Marcos vielleicht nicht so. Aber dafür umso mehr der Arzt Dr. Laurent, der Martha behandelt. Denn Martha hat beim erlebten Unfalltod ihrer Eltern vor vielen Jahren die Sprache verloren.
Und dabei würde sie ihre Ausdrucksfähigkeit gerade jetzt so dringend benötigen. Denn noch in der Nacht ihrer Rückkehr wird Jenny grausam ermordet. Ein entsetzliches Erlebnis für alle, und es wird zuerst vermutet, dass ein aus einer Anstalt ausgebrochener Sex-Maniac dafür verantwortlich ist, die Ermittlungen gehen dann aber schnell in Richtung eines Hippies, der den Teufel anbetet. Inspektor Duran findet keine vernünftige Spur, da findet schon der nächste Mord statt. Und noch einer. Fast scheint es, als ob Martha isoliert werden soll …

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KNIFE OF ICE hat eigentlich alles, was man von einem guten Giallo erwartet. Gute Schauspieler, erstklassige Optik, edle Settings, schöne und groovige Musik (na gut, der Score von Marcello Giombini kann den Klassikern des Genres nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen, aber für das Adjektiv nett reicht es allemal), eine kreuz und quer mäandernde Handlung mit vielen roten Heringen, und jede Menge Stimmung. Woran liegt es, dass mich der Film erst nach über einer Stunde Laufzeit abholen konnte?

Irgendwie konnte ich den Draht zu der Geschichte nicht finden. Blieb mir die stumme Martha trotz einer erstklassigen Darstellung Carroll Bakers fremd, und konnten Gänsehautszenen wie die Augen, die im Nebel in das Auto starren, nur bedingt Atmosphäre zaubern. Zu aufgesetzt wirkten gerade solche Momente, um wirklichen Thrill zu erzeugen. Erst ziemlich zum Schluss, wenn Martha allein zu Hause ist und sich des Butzemanns erwehren muss, erst dann war ich gebannt vor dem Bildschirm und habe aufgeregt mit den Füßen am Boden gescharrt.

Aber warum so spät? Ich vermute schwer, dass es die persönlichen Problemchen des Rezipienten waren, die den eigentlich (schon wieder dieses Wort) sehr ansprechenden Film ein wenig herunterzogen. Oder waren es vielleicht doch die grausamen Bilder des Stierkampfes, mit denen der Film eingeleitet wird? Seit den verschiedenen Tiersnuff-Einlagen in DIE RACHE DER KANNIBALEN traue ich Umberto Lenzi viel Schlechtes zu, auch dass die tote Miezekatze auf dem Rasen eine echte tote Miezekatze ist. War es möglicherweise die Weigerung der ansonsten sehr ordentlichen US-Synchro, den Film nach Spanien zu verlagern? In der Synchro wurde sehr standhaft von dem Ort Martigny in der Nähe des Genfer Sees gesprochen, möglicherweise weil die Autos mit einem GE wie Genf herumfahren. Dass GE auch das alte Kennzeichen für Gerona in Katalonien ist, dieses Detailwissen kann man einem amerikanischen Kulturschaffenden nun wirklich nicht zumuten.

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Aber ehrlich gesagt sind das doch alles nur Kleinigkeiten. Persönliche Nickligkeiten. Wahrscheinlich ist es doch so, dass KNIFE OF ICE einfach ein wenig blutarm ist. Dass die Wünsche des spanischen Produzenten nach wenig Gewalt und gar keinem Sex buchstäblich befolgt wurden, was viele mögliche optische und narrative Höhepunkte aus der Story herausnimmt. Dass die Personenzeichnung innerhalb des Kriminalfalles teilweise so überzogen ist, dass dem Zuschauer sehr schnell klar ist, wer der Mörder auf gar keinen Fall sein KANN. Dass Carroll Baker mit ihren 40 Jahren einfach ein wenig zu alt wirkt für diese Rolle, und ihr Sidekick Alan Steel (wer?) unglaublich farblos bleibt. Eduardo Fajardo als Chauffeur, der hier wirkt wie Boris Karloff in seinen besten Rollen, degradiert Steel in jeder Sekunde seiner Anwesenheit zum Statisten, was für eine Nebenrolle eigentlich undenkbar sein sollte. Und dass die Geschichte standardisiert abrollt, ohne bis zur Auflösung wirkliche Überraschungen zu bieten, spricht dann auch nicht wirklich für den Film. KNIFE OF ICE ist von den Lenzi/Baker-Gialli einfach der schlechteste. Punktum. Lenzi hatte wohl von Gialli spürbar langsam die Nase voll, bis auf den artifiziellen SPASMO wandte er sich nun verstärkt dem Poliziotto zu, wo es weniger um verschwurbelte Handlungen, als um knallharte Auseinandersetzungen geht. Deswegen ist KNIFE OF ICE nicht wirklich schlecht, Gott bewahre, aber der Mann hat vorher und nachher deutlich besseres gedreht. Doch zumindest ist es schön, George Rigaud endlich einmal in einer größeren Rolle zu bewundern, was ja auch nichts Alltägliches ist …

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