bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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buxtebrawler
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Die nackte Gräfin

Sexploitation meets Arthouse

„Warum ist sie nicht in ihrem Schweinestall geblieben?!“

Der Wiener Filmemacher Kurt Nachmann partizipierte nach der sexuellen Revolution wie so viele an der Sexploitation-Welle. Zwischen seinen beiden Josefine-Mutzenbacher-Verfilmungen, am 12.03.1971, wurde jedoch sein interessantester und bester Film veröffentlicht: „Die nackte Gräfin“.

„Venus-Scham-Po!“

Kfz-Mechaniker Toni (Gunther Möhner, „Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt“) wird in einem Sportcabriolet an einer bayrischen Straße aufgefunden: nackt und tot. Kommissar Gabriel (Regisseur Kurt Nachmann persönlich) sucht daraufhin den Halter des Fahrzeugs auf, den ungarischen Grafen Anatol Manesser-Mankonyí (Wolfgang Lukschy, „Für eine Handvoll Dollar“), der auf seinem herrschaftlichen Anwesen gerade eine große Feier zum Geburtstag seiner Frau ausrichtet. Der arrogante Aristokrat bittet die Herren von der Polizei, sich mit ihren Anliegen an seinen Sekretär Clemens (Fernando Gómez, „Hausfrauen-Report 3. Teil“) und sein Dienstmädchen Helene (Renate Kasché, „Lady Frankenstein“) zu wenden. Diese plaudern bereitwillig aus dem Nähkästchen der dunklen Umtriebe des Grafen…

„Sex – das ist wie eine Apotheke voller Drogen!“

So habe dieser das junge, attraktive Bauernmädchen Verena (Ursula Blauth, „Engel, die ihre Flügel verbrennen“) auf einer Modenschau kennengelernt und alsbald geehelicht, um sodann seine Perversionen an ihr auszuleben: Sadomasochistische Sexspielchen, für die Verena nach seinem Gutdünken zwischen verschiedenen Männern herumgereicht wurde, die er eigens zu diesem Zwecke eingeladen hatte: Sie verkörperten jeweils eine der sieben Todsünden, während er, unfähig zu lieben und impotent, dem Treiben als Voyeur zusah und es auf Film festhielt. Doch nachdem er den Mechaniker Toni zum Liebhaber Verenas auserwählt hatte, entwickelten beide wahre Gefühle füreinander – und das Unheil nahm seinen Lauf…

„Ich bin... wie heißt dieser perverse Zustand von Idioten?“ – „Glücklich?“

Der Großteil dieses Films ist also eine ausführliche Rückblende, die von Clemens und Helene erzählt wird, welche währenddessen auch manch Off-Kommentar ergänzend beisteuern, die einen immer wieder an die etwas alibihafte Rahmenhandlung erinnern. Die Charakterisierung der Hauptrollen geht recht schnell vonstatten, der Graf lässt Verena unmittelbar nach der Hochzeit noch in der Kirche von jemand anderem vögeln und schaut zu. Manche Spielchen verdienen aufgrund ihrer harmlosen Verspieltheit diesen Ausdruck und lassen einen durchaus schmunzeln, bei anderen hingegen lässt sich Verenas wachsende Abneigung vorbehaltsfrei nachvollziehen.

Noch bemerkenswerter als der schräge, Sadomasochismus inklusive einem tatsächlichen Machtgefälle in einer recht bizarren Form als Mischung aus wahnhafter Perversion und Impotenzkompensation ausstellende Inhalt ist jedoch die Form des Films, insbesondere die visuelle: Ursula Blauth mimt die titelgebende nackte Gräfin kokett, offenherzig und sexy, vor allem aber innerhalb einer völlig entfesselten, psychedelischen Bilderwelt. Hieronymus Boschs Kunst ist alles andere als zufällig Teil des Interieurs, Kameramann Franz X. Lederle darf sich in zahlreichen ungewöhnlichen Einstellungen austoben und im Schnitt werden zahlreiche Szenen mittels Zwischenschnitten zu Collagen montiert. Das Ergebnis ist ein abgefahrener, eigenwilliger Stil irgendwo zwischen allegorisch und surreal, der „Die nackte Gräfin“ zu einem irren Geheimtipp macht. Gerhard Heinz untermalte das kunterbunte Treiben mit einem stimmigen Soundtrack inklusive von Marianne Mendt inbrünstig geschmettertem Titelstück „Die sieben Sünden“.

Für eine deutsche Erotikproduktion aus dem Jahre 1971, zwischen all den stupiden Reportfilmchen und verklemmten Sexkomödien, ist das überaus bemerkenswert, zumal man Regisseur Nachmann, der vor dem konventionellen „Josefine Mutzenbacher“ mit einer Heimatkomödie und einer Schlagerrevue in Erscheinung getreten war und im Nachgang weitere Fummelfilmchen sowie „Kinderarzt Dr. Fröhlich“ mit einem singenden Roy Black drehen sollte, einen solchen Stilwillen und Mut zum Experimentellen wohl kaum zugetraut hätte.
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Eskimo Limon – Eis am Stiel: Von Siegern und Verlierern

„Es ist wie die Geschichte einer hoffnungsvollen Reise mit einem schönen Schiff, das aber wie die Titanic untergegangen ist – und wir nun mit den Überlebenden der Katastrophe sprechen. […] All diese Menschen kommen mir vor wie Überlebende, Überlebende dieser schrecklichen Sache – Überlebende von ,Eis am Stiel‘.“ – „Eis am Stiel“-Regisseur Boaz Davidson

Der deutsche, Grimme-Preis-dekorierte Dokumentarfilmer Eric Friedler („Nichts als die Wahrheit – 30 Jahre Die Toten Hosen“) widmet sich in seinem im Jahre 2018 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlten Film der „Eis am Stiel“-Reihe, jener israelisch-deutschen, achtteiligen Mischung aus Teenie-Erotikkomödie, Liebesfilm und Coming-of-Age-Drama, die zwischen 1978 und 1988 von den späteren „Cannon“-Chefs produziert wurde und nach den ersten beiden Teilen zusehends verflachte. Sein Hauptaugenmerk richtet Friedler jedoch auf die Werdegänge der Beteiligten und wie sie heute über die Filme und die damaligen Produktionsbedingungen denken.

„Der lustige Dicke von ,Eis am Stiel‘!“

Schon der Beginn des Films verbreitet eine düstere Stimmung, ausgehend vom obigen Zitat des „Eis am Stiel“-Regisseurs Boaz Davidson. Wir bekommen einen sichtlich gealterten Zachi Noy, einen der Hauptdarsteller der Reihe, zu sehen, der sich in einer Garderobe für einen seiner Gesangsauftritte frisieren lässt. Er scheint mit seinem Leben zu hadern und wirkt naiv, wenn er sagt, er sehne sich noch immer nach seinem Durchbruch. Sibylle Rauch, ehemalige Schauspielerin und Pornodarstellerin und in Teil 3 zur Reihe gestoßen, ist ebenfalls ein bisschen in die Jahre gekommen und wird in einem Wiener Bordell gezeigt – notgedrungen arbeite sie heute als Prostituierte. Auch der Darsteller des Benny, Yftach Katzur, ist natürlich kein junger Hüpfer mehr. Momo-Darsteller Jonathan Sagall lässt sich entschuldigen, er habe sich nicht am Film beteiligen wollen. Es wird suggeriert, der offen homosexuell lebende Mann habe mit der Filmreihe ein für alle Mal abgeschlossen und äußere sich grundsätzlich nicht mehr zu ihr. Dies scheint jedoch nicht zu stimmen, wie offenbar diverse jüngere TV-Auftritte und Interviews belegen.

Über die Genannten hinaus konnten die Produzenten Yoram Globus und Menahem Golan (kurz vor dessen Tod) sowie weitere Beteiligte, allen voran Kostümbildnerin Tami Mor, für den Dokumentarfilm gewonnen werden. Auch Nili-Darstellerin Anat Atzmon tritt noch einmal vor die Kamera – und überrascht damit, wie erstaunlich gut sie sich gehalten hat. Alle auch im O-Ton noch vernehmbaren Aussagen wurden mit einer deutschen Synchronisation belegt, die Doku schließlich mit etlichen Filmausschnitten und Archivmaterial gespickt. Nach Friedlers herunterziehendem Auftakt geht es zunächst deutlich fröhlicher zu: Für Regisseur und Autor Davidson sei der autobiographisch geprägte „Eis am Stiel“ eine Art Therapie gewesen und aufgrund des Identifikationspotentials mit dem ungleichen Hauptrollentrio avancierte der Film zu einem Riesenerfolg in ganz Europa. Schwarzweißbilder von der Berlinale, zu der der Originalfilm seinerzeit überraschend eingeladen wurde, illustrieren Regina Zieglers und Michael Weinerts Statements zu den damaligen Ereignissen – sie waren Mitglieder des Auswahlgremiums. Ein für Israel ungewöhnlicher Film sei er in seiner Emanzipation von Israelklischees und dem Holocaust gewesen. Es handelte sich um eine der ersten israelischen Produktionen, die für den internationalen Markt gedacht waren, sogar in Japan wurde „Eis am Stiel“ ein großer Erfolg.

Bereits die erste Fortsetzung wurde als israelisch-deutsche Koproduktion angelegt, die Produzenten engagierten deutsche Schauspielerinnen und richteten die Filme auf den deutschen Markt aus. Sally-Darstellerin Ariella Rabinovich kommt ebenso zu Wort wie Sibylle Rauch, die zugibt, größenwahnsinnig gewesen zu sein. Doch anstatt sich innerhalb der Filmereihe nun chronologisch weiter vorzubewegen, geht Friedler zurück zum ersten Film und lässt Autor und Regisseur Davidson nachzeichnen, wie er Katzur und Sagall gecastet und was sie als Schauspieler für ihre Rollen prädestiniert hatte – unterlegt mit Ausschnitten von den Dreharbeiten. Er erläutert, wie sehr die Handlung von seinen eigenen Erfahrungen geprägt gewesen sei. Martha-Darstellerin Rachel Steiner und Victor-Darsteller Avi Hadash geben weitere Interna preis. Doch bald offenbaren sich wieder Konflikte: Kameramann Adam Greenberg schimpft auf die Produzenten, die ihn jedoch als Freund bezeichnen, Katzurs Mutter klagt über die damaligen miesen Drehbedingungen des gering budgetierten Films und die Produzenten hätten irre viel Geld gemacht, das Team aber leer ausgehen lassen. Zachi Noy empfindet die Rolle des dicken Johnny als Fluch, tritt aber trotzdem in dieser in einem Ballermann-Club auf – wie ein verstörender Ausschnitt zeigt. Laut Kostümbildnerin Tami Mor sei er am Set sogar gefoltert worden. Und Davidson habe ihn geschlagen.

Katzur hadert mit den Nachwirkungen der Filmreihe auf sein persönlichen Leben und mit den Inhalten der Filme. In der Film-Softsexszene mit Stella (Ophelia Shtruhl) hätten sich Noy und Katzur missbraucht und erniedrigt gefühlt, auch Mor haben so ihre Probleme mit ihr gehabt. Nun tritt Shtruhl höchstpersönlich vor die Kamera und klagt, diese Szene habe ihre Schauspielkarriere zerstört. Seltsamerweise listen die Filmdatenbanken nach „Eis am Stiel“ jedoch mehr Produktionen mit Shtruhls Beteiligung als vor „Eis am Stiel“ auf. Dies erwähnt Friedler jedoch nicht. Sein Film kommt ohne jeden eigenen Kommentar aus; bei den geführten Interviews wurden die Fragen weggeschnitten, was die Antworten wie Statements erscheinen lässt – an die leider nicht anknüpfend nachgehakt wurde. So bleibt es rätselhaft, weshalb sich das Stammschauspieler-Trio nach derart schlechten Erfahrungen beim Dreh des ersten Teils für solch zahlreiche Fortsetzungen verpflichten ließ, weshalb Noy immer und immer wieder neue Verträge unterschrieb, mit denen er im Nachhinein so unzufrieden ist, weshalb er glaubt, die Johnny-Rolle ablegen zu können, indem er bis heute immer wieder in sie schlüpft.

Bilder aus Cannes 1986 und Los Angeles leiten zur skizzierten Erfolgsgeschichte der Produzenten über, die in Hollywood die „Cannon“-Filmproduktion übernahmen und mit ihr einige Zeit große Erfolge verbuchen konnten, bevor nach der Trennung des Duos der Pleitegang folgte. Im direkten Anschluss an dieses – vom Pleite-Ende einmal abgesehen – Musterbeispiel für den „amerikanischen Traum“ montiert Friedler eine weinende Sibylle Rauch, die von ihren Misserfolgen und Selbstmordabsichten berichtet. Das ist ein starker Kontrast, der, würde man Böses vermuten, einen Zusammenhang mit den „Eis am Stiel“-Filmen suggerieren könnte, der jedoch unausgesprochen und diffus bleibt. Katzur sorgt sich, dass „Eis am Stiel“ sexistisch sei und bezeichnet dessen Humor als roh, primitiv und herabwürdigend, seine Mutter empfindet die Filme als chauvinistisch und flach und ausschließlich auf ihre Sexszenen zugeschnitten, Atzmon vermisst Tiefgang und Mor schämt sich, naive Komparsinnen zu Oben-ohne-Szenen überredet zu haben. Dem Regisseur tue im Nachhinein vieles leid, Friedler schließt seinen Film mit selbstkritischen Worten Davidsons.

Der erste „Eis am Stiel“, ja, vielleicht die ersten beiden Teile, müssen eigentlich losgelöst vom arg durchwachsenen Rest der Reihe betrachtet werden. Das Original war etwas Besonderes, die Gründe dafür lassen sich dieser Doku entnehmen. Und es war, auch verglichen mit anderen Fummelkomödien der 1970er, harmlos. Ja, der Humor war alles andere als subtil, passte jedoch zu den pubertären Figuren, die im Mittelpunkt standen. Und sein relativ dominanter Coming-of-Age-Drama-Anteil konnte sich durchaus sehen lassen. Die Teile 1 und 2 waren alles andere als stumpfsinnige Sexklamotten. Natürlich sind sie Kinder ihrer Zeit, was es umso schwieriger macht, mit heutigen Moralvorstellungen auf sie zurückzublicken. Die von den Beteiligten geäußerten Kritikpunkte treffen eher auf die späteren Fortsetzungen zu.

„Eskimo Limon – Eis am Stiel: Von Siegern und Verlierern“ erweckt auf den ersten Blick den Eindruck eines außergewöhnlich differenzierten Dokumentarfilms, lässt jedoch in vielen Momenten die nötige Differenzierung vermissen. Sein Verzicht auf kritisches Nachhaken, insbesondere bei all den vernichtenden Statements auf der Strecke gebliebener oder sich dafür haltender ehemaliger Beteiligter, droht die Doku tendenziös in eine bestimmte Richtung zu leiten und die Botschaft zu transportieren, raffgierige Produzenten hätten sich mit frauenverachtenden Filmen eines skrupellosen Autors und Regisseurs die Taschen vollgemacht und ihre Schauspielerinnen und Schauspieler systematisch ausgebeutet. Schaut man genauer hin, klingen jedoch vielmehr persönliche Enttäuschungen, Identitätskrisen, falsche Entscheidungen und Hadern mit den eigenen Lebensentwürfen durch, wofür nur schwerlich die „Eis am Stiel“-Macher verantwortlich gemacht werden können.

Zweifelsohne liefert Friedlers Film spannende und aufschlussreiche Einblicke in die Entstehung der „Eis am Stiel“-Reihe und hört man Katzur & Co. gern zu, wenn sie alte Drehorte abklappern und Anekdoten vom Set zum Besten geben. Es ist auch keinesfalls verkehrt, in diesem Kontext Kritik zu üben, möglicherweise lange unterdrückten Scham- und Schuldgefühle Ausdruck zu verleihen und auf die tragische Entwicklung einzugehen, die der/die eine oder andere Darsteller(in) genommen hat. Jedoch sollte der Film mit dem Bewusstsein rezipiert werden, es mit von Friedler arrangierten und montierten, subjektiven Aussagen mit einem zeitlichen Abstand von bis zu 40 Jahren zu tun haben. Somit gilt es, auch auf Widersprüche und Ungereimtheiten zu achten, möchte man sich anhand dieses Dokumentarfilms ein Urteil über „Eis am Stiel“ sowie dessen Produktionsumstände und geschäftliche Seite bilden.
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Dr. Fummel und seine Gespielinnen

„Also, was heute alles passiert, man glaubt‘s ja gar nicht...“

Bei der deutschen Produktion „Dr. Fummel und seine Gespielinnen“ aus dem Jahre 1970 handelt es sich um eine recht frühe Sexklamotte von Produzent und Autor Alois Brummer („Graf Porno bläst zum Zapfenstreich“), der hier seinen Stammkameramann Atze Glanert als Regisseur einsetzte – neben „Gestatten, Vögelein im Dienst“ aus demselben Jahr seine einzige Regiearbeit.

„Bandscheibe!“ – „Angenehm! Brigitte Fritsch.“

Herr Blümlein (Robert Fackler, „Engel, die ihre Flügel verbrennen“) steht unter der Knute seiner Frau Rosi (Annemarie Wendl, „Lindenstraße“), der Betreiberin eines Tante-Emma-Ladens, und ist zudem von einem Rückenleiden geplagt. Seine Frau schickt ihn auf eine Kur, die Reise tritt er mit der Bahn an. Einen Zwischenhalt in München nutzt er jedoch für einen Abstecher in einen „Massagesalon“ – dieser wird geleitet von Dr. Fummel (Alexander Kessler, „Graf Porno und die liebesdurstigen Töchter“), einem sächsischen Voyeur, der in seinem Etablissement erotische Massagen, Rollenspiele und sexuelle Dienstleistungen anbietet. Ob das die richtige Kur für Herrn Blümlein ist? Die „Masseusen“ scheinen mehr an seinem Geld denn an seiner Gesundheit interessiert...

„Hast du noch nie ein nacktes Mädchen gesehen?“

Alois Brummer gilt als einer der Väter das alpinen Lederhosenhumors, wovon, bis auf in einer Bauernhofsequenz, in diesem Film noch nicht viel zu merken ist. Besser macht ihn das jedoch nicht: Ein wenig Hausfrauentratsch in Rosis Lädchen dient der raschen Charakterisierung des Ehepaars. Während sich Kurt Blümlein im Zug nach München befindet, wird unbeholfen die erste Softsexszene eingestreut: Fräulein Elfi empfängt den Briefträger (Leopold Gmeinwieser, „Eros-Center Hamburg“) in Unterwäsche und verführt ihn – dieser sucht jedoch ungeschickt das Weite, als Rosi sie zu erwischen droht. Ein überflüssiger Slapstick-Humorversuch, für die weitere „Handlung“ ohne Bedeutung. In München gerät Kurt mit einem Straßenkehrer aneinander, während Dr. Fummel mit breitem sächsischen Akzent seine Gespielinnen oben ohne zur „Guantanamera“-Melodie longiert – wenn er nicht gerade seine Kundschaft heimlich bespannt. Diese gibt sich erotischen Massagen mit viel nackter Haut (der Masseusen), Schlammbädern, albernen Rollenspielchen und Sex hin. Dabei geht es allerdings recht hektisch zu, die Damen springen von einem „Patienten“ zum nächsten – fast, als handele es sich um Kassenpatienten…

„Der sieht mir ein bisschen zu unseriös aus.“

Aus diesem Durcheinander heraus wird ein Nebenhandlungsstrang abgeleitet: Masseurin Lisa arbeitet anscheinend schwarz, zum Unmut ihres Chefs, bei dem mir nicht ganz klar wurde, ob er Herr Graf heißt oder ob es sich um einen Aristokraten handeln soll. Jener wendet sich an einen unseriösen Personalvermittler, der ihm eine seiner Freundinnen zu vermitteln versucht. Doch diese hat ihre Oberweite mit rollenweise Klopapier ausgestopft, was er gerade noch rechtzeitig bemerkt. Er bringt ihr bei, sich sexy zu entkleiden, doch – man lese und staune: ein gelungener Gag! – am Schluss steht er, nicht sie, nackt da und wird auch noch von ihr nachgeäfft. Das war dann aber auch schon der Höhepunkt des Films. Im weiteren Verlauf wird sie geschminkt und bekommt eine Perücke aufgesetzt. Ergebnis: Blackfacing zwecks Exotik – und für eine müde Pointe. Der oder Herr Graf wälzt sich derweil mit zwei anderem Mädels im Bett, die ihn ausnehmen wollen, doch er kann sie überreden, für Dr. Fummel zu arbeiten. Na, herzlichen Glückwunsch. Die Freundin des oder Herrn Graf(s/en) war eifersüchtig, doch schnell versöhnt man sich wieder. Noch einmal Glückwunsch. Der unseriöse Personalvermittler nimmt eine Anhalterin mit und bumst sie unvermittelt im Kofferraum. Dazu soll ich jetzt aber nicht auch noch gratulieren? Die Pointe aus den Untiefen deutscher TV-Sketche: Sein Auto wird währenddessen abgeschleppt.

Im Massagesalon wird nun mit Dr. Fummel höchstpersönlich geplanscht, Kurt verbringt neuerdings überraschenderweise auch privat Zeit mit Lisa und in einem ebenso kurzen wie sinnbefreiten Exkurs geht’s raus aufs Land, wo sich ein Bauernpaar (u. a. Dauerbauer Franz Muxeneder, „Ach jodel mir noch einen“) einen Disput liefert und eine Kuh gemolken wird. Zurück bei Dr. Fummel finden weitere Rollenspiele statt, diesmal mit einem Kerl, der sich als Kunigunde verkleidet hat. Kurt Blümlein sitzt indes wie bestellt und nicht abgeholt herum, Lisa hat wohl mittlerweile einen anderen. Jemand malt eine Frau rot an, Mädels baden miteinander und machen rum. Am Schluss fährt Kurt vollkommen fertig nach Hause zurück und trifft in der Bahn die Brigitte von der Hinfahrt wieder, die ihm eröffnet, nun in einen Massagesalon zu arbeiten.

Damit schließt sich der Kreis der marginalen Handlung, die zwischen Freikörperkultur und dem pubertären, peinlichen Nonsens und Klamauk kaum auszumachen ist. Mehrere Darsteller scheinen gleich mehrere Rollen zu spielen, dafür findet sich jedoch neben Wendl und Muxeneder mit dem Italiener Rinaldo Talamonti, der zwischen 1969 und 1974 in gefühlt jeder zweiten deutschen Sexklamotte durch die Szenerie sprang, ein weiter (mittlerweile) namhafter Schauspieler im Ensemble. Überlieferungen zufolge zählte auch Brummer selbst dazu, entfernte jedoch im Nachhinein seine Szenen. Unter den Schauspielerinnen finden sich aus ähnlich gelagerten Produktionen bekannte Namen wie Doris Arden („Graf Porno und seine Mädchen“), Elke Boltenhagen („Laß jucken, Kumpel!“) und Sissi Engl („Hurra... die deutsche Sex-Partei“), aber auch Veronika Faber, die zwar auch in „Graf Porno bläst zum Zapfenstreich“ mitwirkte, nebenher jedoch ihre Theaterkarriere weiterverfolgte und schnell ins seriöse Fach als TV-Film- und -Seriendarstellerin wechselte.

Als Erotikfilm lässt sich „Dr. Fummel und seine Gespielinnen“ kaum guten Gewissens kategorisieren, dafür verstanden die Macher viel zu wenig von erotischer Fotografie, sexueller Spannung und – ja, verdammt – Emotion und Gefühl. Die Vermengung von Nackedei-Paraden mit „frivolen“ Witzen aus Opas Mottenkiste wirkt einmal mehr unsicher und verklemmt. In gewisser Hinsicht bemerkenswert ist es möglicherweise, wie hier ausnahmslos jede männliche Figur der Lächerlichkeit preisgegeben wird, während die Frauen fast durch die Bank weg schlauer, auch verschlagener, und selbstbewusster sind. Weshalb sie sich dann jedoch der Prostitution für einen offenbar kaum zurechnungsfähigen „Dr. Fummel“ hingeben, bleibt unbeantwortet.
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Polizeiruf 110: Frau Schrödingers Katze

„Die theoretische Teilchenphysik find ich ganz spannend, aber viel leidenschaftlicher bin ich in der Beobachtung und Analyse menschlichen Verhaltens. Zum Beispiel frag ich mich, wie sich zwei völlig fremde Menschen an der Ampel treffen, ins selbe Restaurant gehen und sich dann auch noch gegenüber voneinander hinsetzen!“

Der dritte Münchener „Polizeiruf 110“ des Serienzweigs um die Polizeioberkommissarin Elisabeth „Bessy“ Eyckhoff (Verena Altenberger) ist Regisseur Oliver Haffners („Wackersdorf“) Debüt innerhalb der öffentlich-rechtlichen Fernsehkrimireihe. Er inszenierte ein Drehbuch Clemens Maria Schönborns. „Frau Schrödingers Katze“ wurde am 20.06.2021 erstausgestrahlt, es handelte sich um die letzte neue Episode vor der Sommerpause.

Die Seniorin Johanna Schrödinger (Ilse Neubauer, „Anna – Der Film“) beklagt bei der Polizeidienststelle das Verschwinden ihrer Katze Pandora. Während sich der unfreundliche Polizist in typischer Beamtenmanier für nicht zuständig erklärt, nimmt sich dessen Kollegin Elisabeth „Bessy“ Eyckhoff des Falls an. Sie fährt sogar zu Frau Schrödinger nach Hause und plauscht mit ihr, hängt anschließend Suchzettel aus. Karin (Lilly Forgách, „Die reichen Leichen: Ein Starnbergkrimi“) und Michael Meyer (Ferdinand Dörfler, „Sommer in Orange“) jedoch beobachten das mit Argwohn: Zwar geben die Eheleute vor, sich in erster Linie aus Nächstenliebe um den Haushalt Frau Schrödingers zu kümmern, in Wirklichkeit aber versuchen sie, die Dame übers Ohr zu hauen und mittels betrügerischer Machenschaften an ihr Haus zu gelangen. Derweil findet die jugendliche Vicky Neumann (Luna Jordan, „Kommissarin Lucas: Tote Erde“) Pandora und will sie nur gegen Finderlohn hergeben – und lernt Bessy den attraktiven Quantenphysiker Adam Millner (Camill Jammal, „Mutter reicht's jetzt“) kennen…

Zum wundervollen Titelstück „Wann strahlst du?“ von Erobique & Jacques Palminge, gesungen von Yvon Jansen, sind eine streunende Katze – das titelgebende Exemplar – und Bessy bei Dauerlauf und Training zu beobachten, bevor dieser „Polizeiruf 110“ seine eigentliche Richtung einschlägt: Die Verbindung einer zwar in München spielenden, jedoch wie eine schnurrige Provinzposse inszenierten, angeschwärzten Kriminaltragikomödie mit quantenphysikalischen Gedankenspielchen und einer leider nur halbherzig darauf ausgerichteten Handlung. „Frau Schrödingers Katze“ hat ein, zwei witzige Flirts Bessys mit Millner, ebenso viele Tote sowie ein prima aufgelegtes Ensemble und eine eigentlich recht sympathische Geschichte zu bieten, verzichtet jedoch zugunsten eines entschleunigten, gemütlichen, sommerlich-leichten Sonntagabends auf ernstzunehmende Spannung, gönnt seinem Publikum gar einen fast vollumfänglichen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei.

Das ist „nett“, aber schnell alles andere als aufregend, zumal sich die Prämisse um die Quantenphysik als Rohrkrepierer erweist, der diese Episode nicht einmal ansatzweise in eine experimentelle Richtung drängt. So wohnt man der attraktiven Altenberger bei, wie sie sich rührend einer betagteren Dame annimmt und ihren Flirt für die Klärung eines Falls im Restaurant sitzenlässt, kann dabei aber gut seine Aufmerksamkeit teilen und nebenbei andere Sachen erledigen – die Dinge nehmen nachweisbar ihren Lauf, auch ohne dass sie unter permanenter Beobachtung stehen…
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Schwarze Adler

Der deutsche Dokumentarfilmer Torsten Körner („Die Unbeugsamen“) beleuchtet in seinem abendfüllenden Film „Schwarze Adler“ aus dem Jahre 2021 das traurige Phänomen des Rassismus, der in Deutschland dunkelhäutigen Fußballspielerinnen und -spielern entgegenschlägt. Seinen Fokus richtete er dabei darauf, was dies in den direkt betroffenen Spielerinnen und Spielern auslöst, wie sie darüber denken und wie sie damit umgehen. Beginnend bei Erwin Kostedde, Sohn eines schwarzen US-Soldaten und einer Deutschen und 1974/’75 erster dunkelhäutiger deutscher Nationalspieler, deckt Körner viele illustre Personalien ab: Die extrovertierte Frohnatur Jimmy Hartwig, ebenfalls US-Soldatensohn, Guy Acolatse, Anthony Baffoe, Gerald Asamoah, Souleyman Sané, Beverly Ranger, Jérôme Boateng, Shary Reeves, Cacau, Steffi Jones, Otto Addo und weitere mehr. Einige finden lediglich in Form von Archivmaterial statt, andere konnten für aktuelle Interviews gewonnen werden. Körner selbst tritt dabei in den Hintergrund; seine Fragen werden ausgespart und er enthält sich jeden Kommentars.

Kostedde war lediglich eine kurze Nationalmannschaftskarriere vergönnt, die von ständigen Beleidigungen und Verschmähungen seitens bestimmter Teile des Fußballpublikums begleitet war – wohlgemerkt einzig aufgrund seiner Hautfarbe. Seine Pionierleistung bleibt davon unangetastet, er kann stolz auf sich sein und Deutschland auf ihn. Hartwig trat bereits selbstbewusster auf und mutmaßte seinerzeit im TV, dass ihn einzig sein dunkler Teint an der Nominierung für die DFB-Auswahl hindere. Letztlich brachte er es auf zwei Einsätze, wichtiger aber ist sein Umgang mit den Rassistinnen und Rassisten im Stadion: Statt sich verunsichern zu lassen, begann er, die Schmähgesänge zu dirigieren und damit dem Pack das Wasser abzugraben. Der ghanaische Diplomatensohn Anthony Baffoe spielte in den 1980ern für deutsche Vereine, aber für die ghanaische Nationalmannschaft. Er bot Rassistinnen und Rassisten sogar noch deutlicher Paroli: Als „Bimbo“ beschimpft, habe er schlagfertig entgegnet: „Du wirst doch sowieso in nächster Zeit arbeitslos, du kannst bei mir auf der Plantage arbeiten.“

Tief beeindruckt hatte mich, als ich nach der WM 1990 als Steppke auch Bundesligafußball im TV zu verfolgen begann, der senegalesisch-französische Spieler Souleyman Sané, der dem Bochumer Stadtteilverein SG Wattenscheid 09 zu einem wahren Höhenflug verhalf. Auch er war nicht gewillt, sich allzu viel gefallen zu lassen. Als HSV-Abschaum ihn im DFB-Achtelfinale mit „Neger raus“ bedachte, netzte er kurz vorm Abpfiff den Siegtreffer für die SG ein, tänzelte vor der Idiotenkurve und – was diese Doku leider unterschlägt – äußerte nach dem Spiel: „Nix Neger raus – HSV ist raus!“ Das feiere ich hart! Sanés Sohn Leroy ist heute deutscher Nationalspieler.

Und so gibt es viele weitere Geschichten zu erzählen, z.B. von Beverly Ranger, die Mitte der 1970er ein Tor des Monats schoss und die ARD-Sportschau ihr zu Ehren den Schlager „Schön und kaffeebraun“ einspielte – damals als die Exotik hervorhebendes Kompliment gedacht, heute bizarr anmutend. Andere historische TV-Ausschnitte wirken, je weiter sie in der Zeit zurückreichen, noch befremdlicher und sind Ausdruck davon, wie wenig selbstverständlich dunkle Haut seinerzeit nicht nur im deutschen Profifußball, sondern generell in Deutschland war. Die ehemaligen Spielerinnen Steffi Jones (später Bundestrainerin) und Shary Reeves (medienaffiner Tausendsassa) repräsentieren den etwas jüngeren Frauenfußball und berichten von eigenen Erfahrungen, aber auch, wie sehr sie ihre männlichen schwarzen Kollegen beobachtet haben – insbesondere deren Umgang mit Rassismus. Sie schaffen damit ein Bewusstsein für die Vorbildfunktion, die Fußballspieler – nicht nur in Bezug auf Rassismus – einnehmen.

Richtig schmerzhaft wird es indes, wenn Körner in der Gegenwart anlangt – und der Rassismus mitgekommen zu sein scheint, statt als beschämendes Relikt auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet zu sein. Erst wenige Jahre ist es her, dass der AfD-Faschist Gauland den Nationalspieler Jérôme Boateng öffentlich beleidigte. Bestimmte Schalker Fans entblödeten sich nicht, Jordan Torunarigha 2020 im DFB-Pokal rassistisch zu provozieren. Seit der sog. Flüchtlingskrise verspüren Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten Aufwind, bestimmte Gebiete, vornehmlich Ostdeutschlands, sind nie sicher für all diejenigen geworden, die nicht in Menschenbild von Neonazis passen, in sozialen Netzwerken im Internet wimmelt es vor Beleidigungen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen, Faschistinnen und Faschisten zündeln, verüben Anschläge, schlagen Schädel ein und morden. Wenn Shary Reeves ihr Verhältnis zu Deutschland zum Ausdruck bringen möchte und ihr dabei mitten im Satz die Stimme versagt und die Tränen kommen, dürfte auch für den unsensibelsten Klotz deutlich werden, was so etwas mit betroffenen Menschen macht.

Doch „Schwarze Adler“ fängt auch immer wieder die Gegenseite unter den Fans ein, zeigt antifaschistische Fußballaufkleber, Banneraktionen im Fanblock etc., zeichnet also kein einseitig düsteres Bild. Es geht auch gar nicht darum, die Gesellschaft und ihre rassistischen Ausleger zu porträtieren – es geht um die Spielerinnen und Spieler, deren Leistungen und Persönlichkeiten dieser Film würdigt und die einem auch biographisch nähergebracht werden. Als überflüssig habe ich lediglich die eingewobenen altertümlichen Waschmittel-Werbespots mit ihren Betonungen von Weiß- und Reinheit empfunden, diese Analogie ist mir zu plump. Die Zeit hätte meines Erachtens besser für Aussagen beispielsweise ehemaliger Mitspielerinnen und Mitspieler genutzt werden können, eventuell auch für ein paar Statistiken oder Hintergrundinformationen zum Thema Rassismus.

Doch davon abgesehen ist „Schwarzer Adler“ ein beeindruckender Film über beeindruckende Menschen, der beschämt und Mut macht zugleich. Sein subtiler Soundtrack, der die deutsche Nationalhymne in Variationen immer wieder anspielt, verfremdet und abbricht, passt perfekt zum Inhalt und zum ambivalenten Verhältnis, das (nicht nur) von Rassismus Betroffene zu Deutschland pflegen. Allen dunkelhäutigen Spielerinnen und Spielern, die sich für die deutschen Nationalmannschaften einsetzen und/oder sich in ihren jeweiligen Vereinen engagieren, sei an dieser Stelle versichert: Wir sind mehr als die.
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Die Mumie des Pharao

„Jeder, der dieses Grabmal betritt, wird elend zugrunde gehen beim Anblick der Mumie des Pharao!“

Der gebürtige Ägypter Frank Agrama („Queen Kong“) beendete seine Regiekarriere im Jahre 1981 mit dem in US-amerikanischer Produktion entstandenen Mumien-Horrorfilm „Die Mumie des Pharao“. Dass sage und schreibe drei Personen am Drehbuch beteiligt waren, merkt man dem Film nicht an, aufgrund seiner in der ungekürzten Fassung mitunter recht herben Splatter/Gore-Effekte gehört er jedoch zum Kanon jener Filme der 1970er und -80er, die vermutlich jeder Genre-Fan allein aus diesem Grunde zumindest einmal gesehen hat.

„Es gibt kein Gold hier, sondern nur… diesen Scheiß!“

Ägypten: Eine Bande Grabräuber (George Peck („Curse of the Puppet Master“), Ibrahim Khan („Daerat al shak“) und Ali Gohar („Alexandria... warum?“) dringt in die Grabkammer des Pharaos Safiraman ein, wird jedoch nicht nur von rivalisierenden Ganoven gestört, sondern auch von einem US-amerikanischen Tross von Fotomodellen samt Fotograf (Barry Sattels, „Cagney & Lacey“). Dieser ahnt nichts von den begehrten Reichtümern, sondern entdeckt das Pharaonengrab als Kulisse für Modefoto-Shootings. Doch Safiramans Mumie wird der ganze Trubel bald zu viel, sie fühlt sich empfindlich in ihrer Totenruhe gestört. Also erhebt sie sich aus ihrem Grab und geht zusammen einer Armee Zombies zum Angriff auf die Störenfriede über…

„Diese verdammten Amerikaner!“

Der erste Teil des Prologs unternimmt eine Zeitreise ins Ägypen des Jahres 3000 b.c. und zeigt einen brutalen Überfall auf Nildelta-Bauern, eine Totenzeremonie sowie bereits eine Gore-Einlage in Form einer Organentnahme. Am selben Ort in der Gegenwart sprengen die Grabräuber sodann die Grabkammer auf, was Xena (Laila Nasr, „Harry Boy“), eine zauselige, hysterische Alte mit schlechten Zähnen wie aus dem Nichts auf den Plan ruft, um als Warnerin zu fungieren. Nachts quatscht sie direkt die Nächsten voll, eine Gruppe Kameltreiber, doch natürlich werden alle Warnungen in den Wind geschlagen. Stattdessen bringt sie sie auf die Idee, selbst in die Grabkammer vorzudringen. Dabei erleiden sie jedoch Verbrennungen im Gesicht durch das ausströmende Giftgas, das die eigentlichen Grabkammer in weiser Voraussicht zunächst verfliegen lassen wollten. Der plötzliche Übergang zu einem vom Vorspann begleiteten Fotoshooting in New York City zeigt, dass es sich bei den vorausgegangenen Szenen um den zweiten und letzten Prologteil handelte. Der Vorspann bildet einen schönen Kontrast, auch durch das saxophonlastige Titelstück.

„Glaub mir: Es ist nichts Ungewöhnliches an der Sache!“

Die New Yorker Delegation reist also kurzerhand auf der Suche nach passenden Kulissen nach Ägypten und kurvt zwischen den Pyramiden herum, was Agrama zum Anlass für viele Landschaftsaufnahmen nimmt. Mit dem Horror wird die Gruppe erstmals konfrontiert, als sie beim Herumtollen im Sand auf den abgetrennten Kopf eines der Kameltreiber bzw. verhinderten Grabräuber trifft – ein weiterer nett gemachter Kontrast. Die noch lebendigen Grabräuber vom Beginn sprengen sich im Inneren der Pyramide weiter vor, während parallel die ersten Fotoshootings stattfinden, und stoßen auf die noch friedlich daliegende Mumie. So langsam dürften einem die Ohren von den klischeedurchtränkten Dialogen klingeln, mit denen ich in einem Genrefilm aus dem Jahre 1981 jedoch nicht allzu hart ins Gericht gehe.

Endgültig am Verstand der Protagonistinnen und Protagonisten zweifeln muss man jedoch, wenn diese mitten in der Wüste – wohlgemerkt nach einem Leichenfund – kampieren, statt sich ein Hotel zu nehmen. Als Erklärung soll anscheinend eine Reifenpanne herhalten. Als beide Gruppen – die US-Amerikaner(innen) und die Grabräuber – aufeinandertreffen, geben sich letztere als Archäologen aus. Nassforsch verschafft sich der Fototross Zutritt zur Grabkammer und ist ganz begeistert von der Stätte. Wer möchte, darf an dieser Stelle etwas Kritik am typisch US-amerikanischen Gebaren gegenüber fremden Ländern und Kulturen hineininterpretieren, kann aber auch gern darauf verzichten. Wenn im Anschluss also munter vor der Mumie fürs Shooting posiert wird, inszeniert Agrama diese Sequenz in einer Mischung aus Suspense und Spannung: Man weiß, dass etwas passieren wird, aber nicht, was genau. Doch Agrama lässt den Moment ungenutzt und die Sequenz verpuffen, denn die Mumie sifft nur etwas vor sich hin und Stylistin Jenny (Joan Levy, „Freunde bis zum Tod“) grabscht in etwas herumliegenden Gore, woraufhin ihre Hand zu faulen beginnt – die aber niemand zu behandeln gedenkt. Befremdlich.

Kurz darauf finden die Räuber den Schatz, doch einer von ihnen wird unbemerkt durch eine sich wie von Geisterhand öffnende Tür gezogen. Und, verdammt: endlich erwacht die Mumie zum Leben – und mit ihr die Zombie-Armee! Eine Mumie greift an, woraufhin die Amis „den Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmt“ hegen. Nicht minder unfreiwillig komisch: Fotomodell Gary (John Salvo, „Perfect Crimes“) spielt am Lagerfeuer Gitarre und singt – und gleichzeitig gehen die Pferde durch… Ein ausgeweidetes Höttehü wird entdeckt, das jedoch wirklich nicht Gary angelastet werden kann, Xena ist nicht mehr panisch, sondern freut sich regelrecht über den Anblick der wandelnden Mumie, und je mehr Tote zu beklagen sind, desto mieser wird die Stimmung bei den Amerikaner(inne)n. Letzteres ist durchaus als seltenes Indiz nachvollziehbaren menschlichen Agierens in diesem Film zu verstehen. Der Handlungsspielraum wird erweitert, wenn die Kreaturen nach empfindlicher Dezimierung beider Gruppen schließlich eine Hochzeitsfeier in der nächstgelegenen Stadt stürmen und dort kräftig wüten dürfen, was so etwas wie den vorfinalen Filmhöhepunkt darstellt.

Brenda King („Rocky II“), die das Mannequin Lisa spielte, war seinerzeit die einzige halbwegs ernstzunehmende Schauspielerin in diesem ziemlich uninspirierten, stumpfsinnigen und bisweilen geradezu dämlichen Film – dem es aber immerhin gelang, das Mumien- und das Zombie-Sujet miteinander zu kreuzen. Stärker als Brenda King dürfte George Pecks ausgeprägte Neigung zum Overacting in seiner Rolle als Grabräuber Rick im Gedächtnis bleiben; die eigentlichen Stars des Films aber sind die ordentlichen, hübsch ekligen Make-up- und blutigen Spezialeffekte sowie das landschaftliche Ambiente, denn es wurde tatsächlich an Originalschauplätzen gedreht. Die Kamera deutet bisweilen Kreaturen-Point-of-View-Perspektiven an, viele Szenen sind jedoch arg dunkel und matschig ausgefallen. Die Mumien-/Zombie-Terrorszenen sind konventionell und, verglichen mit der Genre-Konkurrenz, weitestgehend unspektakulär, gehen aber in Ordnung. Musikalisch bietet „Die Mumie des Pharao“ unauffällige Standardkost, in einigen Actionszenen gibt es treibende Synthies zu hören.

Etwas nordafrikanische Folklore vermengt sich hier mit einigen Seitenhieben auf die Modebranche und deren Zynismus, Culture Clash und Branchenschelte bilden also einen zarten Subtext. Dem Ende fehlt jedoch leider so etwas wie ein Epilog, der die Handlung vielleicht ein wenig abgerundet hätte. Nein, dieser Mumienschanz ist wahrlich kein guter Film – aber manchmal glotzt man eben auch so etwas weg, um sich anspruchslos innerhalb des Horrortopos unterhalten zu lassen.
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Is' was Kanzler!?!

Der deutsche Satirefilm „Is' was Kanzler!?!“ entstand Mitte 1983 unter der Regie Gerhard Schmidts („Der Idiot im Hintergrund“) nach einem zusammen mit Jochen Busse verfassten Drehbuch. Er war eine Reaktion auf den Sturz des SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt durch ein Misstrauensvotum 1982, die Wahl des CDU-Kandidaten Helmut Kohl als dessen Nachfolger und den Gewinn der vorgezogenen Bundestagswahlen im nächsten Jahr durch die CDU, wodurch Kohl in seinem Amt bestätigt wurde. Die Folgen waren eine „konservativ-liberale“ (eigentlich: reaktionär-kapitalistisch-marktradikale) Regierung bis ins Jahr 1998, die geprägt war von Korruption, einer übereilten, unter vom Westen diktierten Bedingungen erfolgten „Wiedervereinigung“ der BRD mit der DDR, Privatisierung staatlichen Eigentums, Massenarbeitslosigkeit, Erstarkung des Rechtsextremismus, Ausbremsung technischen Fortschritts (z.B. Kupfer- statt Glasfaserkabelverlegung) und Politikverdrossenheit. Kohl prophezeite ab dem Wahlkampf 1980 euphemistisch eine „geistig-moralische Wende“, die er mit der neuen Koalition gekommen sah. „Is' was Kanzler!?!” kam im März des Jahres 1984 in die Kinos.

Die Bundesrepublik Deutschland im September 1982: Die CDU/CSU- und FDP-Führungsriegen hecken den Sturz Helmut Schmidts aus, sein Nachfolger soll Helmut Kohl werden – doch die CIA hört im Auftrag der USA heimlich mit. Das Wiesbadener BKA wiederum setzt Erwin Reinke (Tommi Piper, „Schwarz-Rot-Gold - Kaltes Fleisch“) auf die CDU-Sekretärin Rosemarie Heller (Constanze Engelbrecht, „Diese Drombuschs“) und die Fremdsprachenkorrespondentin Vera Hattenhofer (Claudia Amm, „Der letzte Zeuge“) an, die nebenher für die CIA spionieren und eine Videokassette mit brisantem Material in ihren Besitz gebracht haben sollen. Reinkes Chef (Günter Lamprecht, „Das Boot“), von ihm stets verballhornend „mein Führer“ genannt, betreibt zum Schein einen Pornoladen, in dem er sich konspirativ mit Reinke austauscht. Die optisch frappierend an die Blues Brothers erinnernden Geheimagenten Ehrlichmann (Klaus Höhne, „Tatort“) und Igelburger (Karl-Heinz Vosgerau, „Blitz“) wiederum sollen, US-gesandt, ebenfalls Kontakt mit den beiden Damen aufnehmen. Reinke verwickelt Heller kraft seines Charmes und Sex-Appeals in einen Flirt und landet prompt mit ihr im Bett. Kurz darauf gibt es jedoch den ersten Toten dieses Agentenpokers zu beklagen: Im Swimmingpool des Beraters (Gert Haucke, „Die Supernasen“) des neuen Kanzlers treibt die Leiche eines Mannes, der Helmut Kohl zum Verwechseln ähnlichsieht. Der echte Helmut, liebevoll „Birne“ genannt, schwört jedoch gerade im Bundestag den Amtseid. Oder…? Reinke nimmt die Ermittlungen auf und wird Zeuge einer geheimen Geldübergabe. Heller verschwindet spurlos. Was hat es mit der Videokassette auf sich? Lebt Heller noch? Wer ist der Tote im Pool, was planen die US-Amerikaner und wozu das alles…?!

„Is' was Kanzler!?!“ erfordert ein gewisses Hintergrundwissen über die damaligen politischen Verhältnisse und Geschehnisse in der Bundesrepublik und ist infolgedessen nicht sonderlich gut gealtert. Wer jedoch über entsprechendes Geschichtswissen verfügt und nicht unbedingt Fan von Kohl und dessen Mischpoke ist, dafür aber eine gewisse Affinität zur Politsatire hat, dem dürfte dieser Film den einen oder anderen Schmunzler entlocken. Tommi Piper („Schwarz-Rot-Gold – Kaltes Fleisch“) macht seine Sache als Hauptdarsteller sehr ordentlich und Konstantin Wecker hat mehrere Auftritte als Moritatensänger, der Jochen Busses Text „Für alles im Leben muss man bezahlen“ schmettert, und wird nur von Dieter Hallervorden getoppt, dessen Auftritte mit dem Gassenhauer „Ich glaube wirklich jeden Mist, bloß nicht, dass Birne Kanzler ist“ die humoristischen Höhepunkte des Films darstellen – obwohl sich Hallervorden schizophrenerweise persönlich im Wahlkampf für die CDU/FDP-Koalition eingesetzt hatte. War das der Versuch einer Wiedergutmachung? * Darüber hinaus geben sich damals bekannte Namen des bundesdeutschen Kabaretts wie Dieter Hildebrandt, Wolfgang Neuss, Lore Lorentz und Rainer Basedow die Klinke in die Hand. Und nicht zuletzt weiß auch das ‘80er-Zeitkolorit zu gefallen.

Um jede Anspielung zu verstehen, musste aber auch ich recherchieren: So handelt es sich bei den Namen Ehrlichmann und Igelburger um Anspielungen auf reale US-Politiker. Das Motiv von der Besatzungs- und NATO-Macht USA ferngesteuerter deutscher Politiker hingegen, das der Film sehr wörtlich aufgreift und umsetzt, mag in heutigen Zeiten wie Unfug grenzdebiler Verschwörungsideologen klingen, war damals aber alles andere als weit hergeholte Kritik an der Abhängigkeit Deutschlands vom „großen Bruder“ überm Teich. Und wie die DDR im Kalten Krieg bis zu einem gewissen Grad ein Satellitenstaat der Sowjetunion war, der die innerdeutsche Grenze des Warschauer Pakts zum NATO-Gebiet bildete, war die BRD eine wichtige US-Verbündete an eben jener Grenze zwischen den Weltmächten und Systemen.

Trotz einiger recht direkter Gags zeigt sich die satirische Handlung des Films jedoch nicht sonderlich pointiert und schon gar nicht dramaturgisch versiert. In Verbindung mit dem eingangs erwähnten Zahn der Zeit, der bei derart starker Bezugnahme aufs politische Tagesgeschäft logischerweise an der Satire nagt, erweist sich „Is' was Kanzler!?!“ mehr als interessantes Zeitdokument (inklusive einigem Archivmaterial) denn als zeitlose Satire zum Ablachen. Andererseits ist er in einem Maße konfrontativ, dass man den Verantwortlichen auch heute durchaus noch Respekt für diesen Frontalangriff auf das Kohl-Regime zollen kann. Und bis der Begriff „Wende“ (hier als Kurzform für die oben beschriebene „geistig-moralische Wende“ verwendet) ganz anders besetzt wurde, sollten damals ja immerhin noch einige Jahre ins Land ziehen…

Erschwerend hinzu kommt, dass, allein schon aufgrund Deutschlands NATO-Mitgliedschaft noch immer eine enge Kooperation Deutschlands mit den USA besteht und diese so von hierzulande stationierten Militärbasen aus völkerrechtswidrige Kriegshandlungen vollziehen. Dies abzulehnen hat nichts mit etwaigen antiamerikanischen Ressentiments zu tun. Ein Einfluss US-amerikanischer Politik auf Deutschland aus Bündnisinteressen heraus kann nicht von der Hand gewiesen werden, wenngleich die von „Is' was Kanzler!?!“ verwendeten Allegorien mittlerweile eher platt erscheinen und der Kalte Krieg einer etwas komplexeren Gemengelage mit China als dritter Großmacht gewichen ist.

*) Hallervordens politische Schizophrenie scheint sich durch sein ganzes Leben zu ziehen: Sein intelligentes politisches Kabarett steht im Widerspruch zu seiner bis heute währenden FDP-Unterstützung. Anscheinend ist ihm nicht bewusst, dass die FDP einen großen Teil seiner Kritik- und Angriffspunkte verkörpert. Stattdessen scheint er sie für eine progressive politische Kraft zu halten – möglicherweise auf Grundlage der eigentlichen, positiven, von der FDP jedoch pervertierten Definition von Liberalismus.
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Kriegerin

„Das ist ‘ne politische Aussage, und dafür kann man gar nicht jung genug sein!“

Das Neonazi-Drama „Kriegerin“ ist die zweite Regiearbeit des deutschen Filmemachers David Wnendt, der auch das Drehbuch verfasste. Diese Abschlussarbeit seiner Filmhochschulausbildung wurde beim Filmfest München im Jahre 2011 uraufgeführt, im Januar 2012 folgte der bundesweite Kinostart. Dem Drehbuch vorausgegangen waren laut Wnendt intensive Recherchen in der Neonazi-Szene, insbesondere in Bezug auf weibliche Mitglieder. Für seinen Film beansprucht er Authentizität.

Die 20-jährige Marisa (Alina Levshin, „Im Angesicht des Verbrechens“) lebt irgendwo in der ostdeutschen Provinz, arbeitet als Kassiererin in der Kaufhalle und gehört einer Gruppe Neonazis an. Sie hasst alles und jeden, was oder wer nicht in die NS-Ideologie passt, und Gewalt gehört zu ihrem Alltag. Liiert ist sie mit Sandro (Gerdy Zint, „Shahada“), ebenfalls ein militanter Neonazi, der gerade eine Haftstrafe absitzen muss. Als Marisa und ihre Clique an einem Badesee auf die afghanischen Asylbewerber Jamil (Najebullah Ahmadi) und Rasul (Sayed Ahmad) treffen, beleidigen sie diese rassistisch. Ein Konflikt entbrennt, der darin eskaliert, dass Marisa die Afghanen in einen Autounfall verwickelt und Jamil dabei schwer verletzt. Kurze Zeit später taucht Rasul bei Marisa im Laden auf, schildert seine Situation und bittet um Nahrung. Marisa erkennt, wie sehr sich Rasuls Lage durch ihren Anschlag auf ihn und Jamil verschlimmert hat, und versorgt ihn heimlich mit Essen sowie einem Platz zum Schlafen. Rasul plant, zu seiner Familie nach Schweden weiterzureisen, weiß jedoch nicht, wie er das ohne Jamils Hilfe anstellen soll. Marisa, die durch die direkte Konfrontation mit Rasuls Lebenswelt langsam, aber sicher zu ihrer Menschlichkeit zurückfindet, versucht, ihn in seinem Vorhaben zu unterstützen. Ihre Clique, der sich gerade die 15-jährige Svenja (Jella Haase, „Lollipop Monster“) anschließt, darf davon jedoch nichts erfahren. Das Mädchen aus bürgerlichem Hause will ihr als spießig empfundenes Umfeld abschütteln und vor ihrem Stiefvater und dessen Erziehungsmethoden flüchten. Marisa kommen immer stärkere Zweifel an der NS-Ideologie, ihrem bisherigen Weltbild und Lebenswandel sowie ihrem chauvinistischen Freund Sandro, während Svenja immer tiefer in die Neonazi-Szene eintaucht…

Wnendts Film ist weniger Milieu- denn psychologische Charakterstudie, ohne dabei jede Erkenntnis oder Aussage lehrfilmartig auszuformulieren. Stattdessen lässt er Bilder sowie die Mimik seiner großartigen Hauptdarstellerin sprechen, der indes Jella Haase kaum nachsteht. Wnendt lässt Marisa zu Beginn aus dem Off ihre Gedanken äußern und integriert Authentizität suggerierende Handkameraaufnahmen von Gewaltexzessen der Neonazi-Clique ebenso in die Bilderwelten seines Kameramanns wie Sexszenen, in denen Marisa oben ohne zu sehen ist. Rückblenden zeigen, wie Marisas Großvater ihr Nazi-Humbug ins Hirn pflanzte, als sie noch ein Kind (Hanna Binke, „Ostwind“) war, und sie damit prägte. In der Gegenwart wird die jugendliche Neonazi-Clique von Altnazis politisch indoktriniert und geschult, um die Ideologie auch bei denjenigen zu festigen, deren Hass bisher eher diffus ist oder die eher unpolitische Mitläufer(innen) sind, die schlicht nach einer starken, im Prinzip jedoch austauschbaren Clique suchen. Auf diese Weise werden Emotionen und juvenile Irrungen ideologisch aufgeladen und kanalisiert. Das ist gut beobachtet und wiedergegeben. So wird erst gemeinsam der NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“ geguckt und anschließend die Wohnung bei einer wilden Party auseinandergenommen.

Meist herrscht jedoch gedrückte Stimmung. Nach dem Vorspann wird erst gegen Ende wieder Gebrauch von Filmmusik gemacht; bis dahin kommt lediglich handlungsimmanente Musik fiktionaler Neonazi-Rockbands vor, die Filmmusiker Johannes Repka eigens für diesen Film schrieb und einspielen ließ. Der Umgang der Figuren miteinander ist sehr rau, wirkt abgestumpft und verroht – sowohl in der Clique und Szene als auch familiär. Eine dementsprechend große Rolle spielen Familienkonflikte, Svenjas Abstieg in die Neonazi-Szene beginnt mit einer puren Rebellion gegen ihr Elternhaus. Tatsächlich begünstigt fehlender familiärer Zusammenhalt, dass sich Jugendliche Ersatzfamilien in Form von Cliquen und Szenen suchen, was häufig positive Konsequenzen nach sich zieht, aber eben auch zum völligen Desaster geraten kann, gerät man ausgerechnet an Neonazis oder entscheidet sich gar bewusst für sie. Familienprobleme sind als Ursache indes keinesfalls als Ursache generalisierbar, was Wnendt auch vermeidet. Unabhängig davon fällt es oftmals schwer, die Motivation hinter Lebenswandel und Handeln der Figuren nachzuvollziehen – offenbar fiel Wnendt dazu selbst nicht immer allzu viel ein. So bleiben irritierende Leerstellen.

Dass sich ausländerfeindliche Ressentiments schnell relativieren können, sobald man selbst einmal mit Ausländer(inne)n konfrontiert wird und sie als Mitmenschen kennenlernt, und Fremdenfeindlichkeit ausgerechnet in Gegenden mit ohnehin geringem Migrant(inn)enanteil grassiert, ist eine Tatsache, die der Beziehung, die Marisa zu Rasul entwickelt, zugrunde liegen dürfte. Weshalb Wnendt jedoch ein derart eigenartiges Bild eines afghanischen Flüchtlings zeichnet, bleibt unklar. Es reiht sich in die sich einem weniger erschließenden Momente des Films ein. Und gänzlich überflüssige dramaturgische Allgemeinplätze wie das erst in letzter Sekunde anspringende Auto hätte man besser ausgespart, zumal spätestens damit der Authentizitätsanspruch untergraben wird.

Stark ist „Kriegerin“ hingegen, wenn er die sich in bestimmten Punkten ähnelnden, jedoch unterschiedlich verlaufenden Biografien Marias und Svenjas gegenüberstellt, wenn der Abkapselungsprozess Marisas von der Szene parallel dazu verläuft, wie Svenja immer tiefer in sie abtaucht. Dazu zählen auch die Augenblicke, in denen Marisa nach und nach, zunächst ganz vorsichtig, Einblicke hinter ihre harte Fassade gewährt, andere Emotionen als Hass und Wut zulässt, und in denen Levshin der inneren Zerrissenheit ihrer Rolle, deren Weltbild nachhaltig infrage gestellt wird, Ausdruck zu verleihen versteht. Überhaupt ist es ein Gewinn, dass Wnendt mit „Kriegerin“ eine weibliche Perspektive aufgreift, nachdem artverwandte Filme wie „Romper Stomper“, „American History X“ oder auch der missglückte „Oi! Warning“ stets männliche Figuren in den Mittelpunkt stellten. Über das ausdrucksstarke, auf seine Weise ästhetische, aber auch stark melodramatisierende Ende lässt sich jedoch streiten.

Wnendts Anliegen war es mit Sicherheit nicht, allgemeingültige Aussagen über die Gründe fürs Einschlagen rechtsextremistischer bis terroristischer Laufbahnen zu treffen, weshalb auf dieser falschen Annahme beruhende Kritik zurecht an ihm abprallen dürfte. „Kriegerin“ verharmlost zu keiner Sekunde und deutet die schwierigen Umstände eines Ausstiegs aus der Szene an. Bei seiner Fokussierung auf einen überschaubaren Figurenkreis und deren individuelle Geschichten wären jedoch etwas tiefergehende Einblicke in die verquere Neonazi-Logik wünschenswert. Und eine verpasste Chance ist es einmal mehr, mehrere Neonazis im Skinhead-Look – wie eben auch Marisa – zu zeigen, ohne auch mit nur einer Silbe darauf einzugehen, dass die Skinhead-Subkultur eigentlich eine ganz andere ist und es sich bei deren rechtsextremistischen Auswüchsen um perverse Entstellungen handelt, von den eigentlichen Skins verächtlich Boneheads genannt. Nichtsdestotrotz überwiegt auch aufgrund seiner spannenden Narration der positive Eindruck eines Films, der fast vollständig auf den Schultern seiner beiden Hauptdarstellerinnen lastet.
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Tatort: Tod im U-Bahnschacht

„Der Ausländer reist, wenn er aus den arabischen Staaten kommt, wie auf einem fliegenden Teppich.“

Der von Regisseur Wolf Gremm („Die Brüder“) nach einem Drehbuch Peter Stripps inszenierte Westberliner „Tatort: Tod im U-Bahnschacht“ ist die erste von nur drei Episoden um Kommissar Schmidt (Martin Hirthe, „Jeder stirbt für sich allein“). Sie wurde am 9. November 1975 erstausgestrahlt und kontrovers diskutiert – nicht nur, weil es sich um den ersten „Tatort“ handelte, der das Gastarbeitermilieu zu seinem Hauptthema machte. Es sollte Gremms einziger Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe bleiben.

„Wenn ich nicht dabei bin, dann klappt auch nichts!“

Beim Ausbau des Westberliner U-Bahnnetzes kommt es zu einem tödlichen Unfall: Der sich illegal in Deutschland aufhaltende junge Türke Mehmet wird von einem Bulldozer überrollt. Vorarbeiter Bauler (Klaus Münster, „Matratzen-Tango“) versucht, das Unglück zu vertuschen, damit die Behörden keinen Wind von den Zuständen auf der Baustelle bekommen: Von einem Menschenschmugglerring lässt man sich eine Vielzahl billiger, aber illegaler Arbeitskräfte vermitteln. Beim Beseitigen der Leiche beobachtet ein Betrunkener (Friedrich G. Beckhaus, „Freispruch für Old Shatterhand“) jedoch ein verdächtig heraushängendes Bein und meldet das der Polizei. Dies ruft die „Arbeitsgruppe Ausländer“ um Kommissar Wagner (Manfred Günther, „Bolwieser“) und seinen Kollegen Schmidt auf den Plan, die sich auf die Suche nach der Leiche begeben. Bauleiter Kaiser (Reinhard Kolldehoff, „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“) hat Sorge, dass Mehmets Schwager Arkan (Erdal Merdan, „Reise der Hoffnung“) etwas ausplaudern könnte, und lässt daher dessen Schwester Ayse (Meral Orhonsay, „Karamurat – Seine Rache bringt den Tod“) entführen und in einem Bordell unterbringen, wo sie zur Prostitution gezwungen wird. Die Polizei hingegen will mit Arkans Hilfe Kaiser sowie Abdullah (Senih Orkan, „Topkapi“), den Chef des Menschenhändlerrings, überführen. Doch Arkan, der wegen einer Messerstecherei verhaftet wurde, ahnt nichts von den Ausmaßen seiner Rolle als Köder, als er während eines Gefangenentransports entkommt. Er begibt sich auf die Suche nach Ayse und schwebt in Lebensgefahr, da Kaisers Männer hinter ihm her sind…

„Zwei Bullen zählen auch nur bis drei!“

Zum Auftakt überfährt einen dieser „Tatort“ regelrecht mit einer erschütternden Szene: Ein Schwarzarbeiter wird zweimal von schwerem Arbeitsgerät überrollt. Die visuelle Drastik, mit der dies einhergeht, war für seinerzeit für den „Tatort“ ungewöhnlich und sicherlich für viele Zuschauerinnen und Zuschauer ein Schock. Kurz darauf wird das Publikum mit den türkischen Menschenhändlern Abdullah und Osman (Tuncel Kurtiz, „Die Hoffnung“) sowie den Vertuschungsabsichten in Bezug auf den tödlichen Unfall konfrontiert. Der Abtransport des Leichnams auf der Ladefläche eines Lkw erinnert an Viehtransporte. Doch die eigentlichen Hinterleute – daran lässt die Handlung keinen Zweifel – sind die sich an den illegalen Machenschaften und prekären Arbeitsbedingungen bereichernden, wohlsituierten Eheleute Kaiser. Diese, so erfährt man, hatten früher DDR-Bürgerinnen und -Bürger in die BRD geschleust: Fluchthilfe mitnichten aus Barmherzigkeit, sondern gegen Bares.

Bei der Polizei wird derweil über illegale Einwanderer referiert, inklusive fragwürdigen Aussagen (s. Eingangszitat). Die ermittelnden Kommissare werden seltsamerweise zunächst gar nicht namentlich eingeführt, sodass erst einmal unklar bleibt, wer Wagner und wer Schmidt ist. Letzterer entpuppt sich hier als selbstgefälliger, eingebildeter und eitler Schnösel, der lange Zeit gar keine führende Rolle einnimmt – so lässt sich nur schwer erahnen, dass der Westberliner „Tatort“-Zweig um diese Figur herum aufgebaut werden soll. Abdullah wiederum erfüllt nicht nur optisch jedes Klischee eines schmierigen türkischen Ganoven, während sein Kollege Osman eher dandyhaft angelegt wurde. Wie in einem trashigen türkischen Genrefilm wurde der fingierte Messerkampf zwischen zwei Türken inszeniert und ein Verhör findet bei Tee und Wasserpfeife statt. Einzig Ayse entspricht keinem Stereotyp, die junge Türkin trägt kein Kopftuch und wirkt modern.

Der mit einigen echten türkischen Schauspielern gedrehte „Tatort: Tod im U-Bahnschacht“ watet also tief durch Klischees, sensibilisiert aber zugleich für die schwierige, unmenschliche Situation illegaler ausländischer Arbeiter, wozu auch die Bilder aus der Abschiebehaft beitragen, und dafür, auf welche Weise andere von deren Nöten und Hoffnungen profitieren. Nachdem sich Schmidt langsam als Leiter der Ermittlungen herauskristallisiert hat, konversiert er weiter dann und wann mit seinem Vorgesetzten Wagner, u.a. beim Karatetraining. Der Gefangenentransport, aus dem sich Arkan befreien soll, wird dann arg offensichtlich „getürkt“ durchgeführt, nicht einmal die Türen des Wagens sind verriegelt. Man muss daher erst einmal darauf kommen, dass die Polizei im Showdown wiederum unabsichtlich ein derart dilettantisches Bild abgibt: Quintessenz des Falls ist es, dass die Exekutive sich am Ende selbst im Weg steht und im Zuge einer Geiselnahme offenbar lieber den Tod des wichtigsten Zeugen in Kauf nimmt, statt ihn zu schützen, und somit fahrlässig die Chance verspielt, der Drahtzieher im Hintergrund habhaft zu werden. Schmidt und Co. schauen dem tragischen Ausgang weitestgehend teilnahmslos ins Auge und entfernen sich im Zeitlupentempo vom Tatort.

Offenbar war es intendiert, dass die Polizei unsympathisch und stümperhaft dargestellt wurde. Daher stand anschließend die Frage im Raum, ob es tatsächlich – wie es in der offiziellen Begründung hieß – die harsche Todesszene vom Beginn war, die den SFB diese Episode bis 1992 in den Giftschrank sperren ließ – oder nicht doch der Umstand, dass sich der reaktionäre CSU-Fettwanst Franz Josef Strauß auf den Plan gerufen fühlte und es zu einem Zerwürfnis zwischen dem SFB und Regisseur Gremm aufgrund der kritischen Darstellung der Polizei gekommen war. Auch die Darstellung der Migranten stieß nicht auf ungeteilte Gegenliebe. All dies macht „Tatort: Tod im U-Bahnschacht“ zu einer brisanten Episode, die ebensolche Themen aufgriff und zeitgenössische deutsche Befindlichkeiten provokant herausforderte. Möglicherweise resultiert die mitunter etwas holprige, uneindeutige Inszenierung aus einem versuchten Spagat zwischen den Ansprüchen des Senders und Gremms Vision für einen etwas anderen „Tatort“.

Beinahe in Vergessenheit drohen darüber die schicken Schlitten, mit denen hier gefahren wird, und die teils abgedreht dissonante und teil folkloristische Musik der De-Angelis-Brüder alias Oliver Onions zu geraten – ganz zu schweigen von der rosafarbenen Herzbrille, die Frau Kaiser auf ihrem vornehmen Näschen spazieren trägt.
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Arnold Schwarzenegger – Die Verkörperung des American Dream

„Seine Geschichte ist eine der letzten großen Mythen Amerikas!“

Es gibt so einige Dokumentation über den österreichisch-US-amerikanischen Bodybuilder, Schauspieler, Politiker, Unternehmer und ehemaligen Mr. Universum Arnold Schwarzenegger; diese für den französisch-deutschen Kulturaustauschsender Arte produzierte, rund 50-minütige von Jérôme Momcilovic und Camille Juza ist die bis dato jüngste: Sie wurde am 10. Februar 2019 erstausgestrahlt.

„Er steht für die Maßlosigkeit der Reagan-Ära – gleichermaßen als Sinnbild wie als Karikatur.“

Momcilovic und Juza lassen mithilfe der Voice-over-Erzählerin Élodie Huber (im französischen Original) Schwarzeneggers beeindruckende Karriere als „leibhaftiger amerikanischer Traum“, vom Bodybuilder-Champion über den Hollywood-Actionfilm-Star bis zum kalifornischen Gouverneur, Revue passieren und beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit der Zeitgeist und der US-„Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Mythos Schwarzenegger prägten – und umgekehrt.

„Schwarzeneggers unwirklicher Körper ist eine Verheißung des neuen Menschen, der in den Labors des Silicon Valley entworfen wird. Die Fantasie vom totalen Selfmade-Man, künstlich hergestellt vom Scheitel bis zur Sohle.“

Mit Schwarzenegger persönlich hat man für diesen Film nicht gesprochen. Man bewegt sich auf der Grundlage von Archivmaterial wie zahlreichen Talkshow-Auszügen, öffentlichen Auftritten und Filmausschnitten sowie Fotos mit Schwarzeneggers Kindheit beginnend chronologisch an seinem Lebenslauf entlang und definiert ihn als überaus disziplinierten und ehrgeizigen „verkörperte[n] Traum der Selbstoptimierungs- und Fitnessbewegung“, der bereits von seinem Vater gedrillt worden sei. Die Erzählerin entwickelt dabei einen Hang zu Überschwang und Pathos und wird nicht müde zu betonen, dass es sich bei Arnie um das „lebende Aushängeschild des American Dream“ handele. Der Inhalt dieser Floskel wird in zahlreichen Variationen wiederholt.

In seiner Jugend sei Schwarzenegger auch ein von Leinwandhelden besessener Filmfan gewesen, die seinen Selbstoptimierungswahn zusätzlich befeuert haben dürften. Auf dem Höhepunkt seiner Prä-Film-Bodybuilding-Karriere, vollgepumpt mit Steroiden, sah er vollkommen absurd aus – ein „Gesamtkunstwerk“, meint die Sprecherin. Sein Fehler, nach Erlangen des Mr.-Universum-Titels und seiner Auswanderung in die USA, genauer: nach Los Angeles im Jahre 1968, den verbrecherischen US-Präsidenten Richard Nixon anzuhimmeln, erwähnt man nur beiläufig und zudem wertfrei. In den USA schloss sich Schwarzenegger den Republikanern an, studierte Geldmacherei und begann zunächst recht holprig seine Film- und TV-Karriere. Was genau Schwarzenegger dazu trieb, ausgerechnet zur damaligen Zeit den Republikanern beizutreten, verrät die Doku leider nicht.

Dafür kommt zumindest in Ansätzen die Diskrepanz zwischen dem von Schwarzenegger und Konsorten betriebenen totalen Körperkult und dem damaligen Zeitgeist zur Sprache – und wie sich Bodybuilding dann langsam, aber sicher dennoch auf breiterer Front durchsetzte. Arnie verdingte sich unter dem Pseudonym „Arnold Strong“ als Mannequin für Fitness-Magazin-Herausgeber Joe Wieder und wurde dank des Dokumentarfilms „Pumping Iron“ überregional bekannt. Und war freiwillige Leibesertüchtigung für viele damals noch ein Fremdwort, so brach sich bald die Fitnessrevolution bahn, von der Schwarzenegger ebenfalls profitierte. Welch großer Unterschied zwischen gesunder körperlicher Fitness und Anabolika-Konsum zu Protzzwecken besteht, verschweigt der Film.

Schauspieler Ronald Reagans US-Präsidentschaft bringt der Film mit Körper- und Männlichkeitskult in Verbindung, was sicherlich nicht falsch ist: In jene Ära fallen zahlreiche Action- und militaristische US-Propagandafilme, die fragwürdiges Heldentum, Militärglanz und durchtrainierte, quasi unverwundbare Ein-Mann-Armeen ersponnen und das Trauma des verlorenen Angriffskriegs gegen Vietnam zu überwinden versuchten. Schwarzenegger, der bald selbst zum Action-Schauspieler werden sollte, stand seinerzeit für seinen nächsten Trash-Film, den Barbaren-Fantasy-Unfug „Conan“, vor der Kamera. 1984 folgte sein erster wirklich guter Film: „Terminator“ – eine Rolle als böse Kampfmaschine, für die er tatsächlich prädestiniert war. Immerhin lassen Momcilovic und Juza leise Kritik an der Reagan-Ära zu.

Mit seinem nächsten Coup führte Arnie das politischen Selbstverständnis des Zwei-Parteien-Systems der USA ad absurdum – oder trat einen Beweis dafür an, wie wenig aussagekräftig und letztlich nebensächlich Parteizugehörigkeit eigentlich ist: Er ehelichte Maria Shriver, eine Tochter des demokratischen Kennedy-Clans. Zusammen wurden sie zu einem Medientraumpaar. 1989 löste der kriegstreiberische US-Präsident George Bush Ronald Reagan ab, die 1990er standen vor der Tür. Anfang jenes Jahrzehnts landete Schwarzenegger mit der gehypten, gefälligen und schwächeren, aber im Mainstream weitaus erfolgreicheren „Terminator“-Fortsetzung einen seinen erfolgreichsten Filme, bevor sich die Filmwelt nachhaltig veränderte und Schwarzenegger sein Heil in selbstironischen Rollen suchte. Die Sprecherin wird nun regelrecht philosophisch, als wolle sie der bis hierhin über weite Strecken relativ konventionellen Vermittlung biografischen Wissens eine tiefere Ebene verleihen.

Doch stattdessen geht es nach Erwähnung von Schwarzeneggers Herz-OP und seinem Amtsantritt als „Gouvernator“ Anfang des Jahrtausends in erster Linie um die Entwicklung seiner politische Karriere: So hatte er bereits 1988 George Bush mit einem bizarren Auftritt unterstützt und daraufhin mit ihm als eine Art verhinderter Sportminister zusammengearbeitet. Aber auch außerhalb der Politik hat sich Schwarzenegger sehr für Breitensport eingesetzt, sodass es den Anschein hatte, er nutze seine politische Einflussnahme in erster Linie für dieses Anliegen.

Schnell schwenkt der Film jedoch zum Wahlkampf um den Posten des kalifornischen Gouverneurs, was in der Tat sehr spannend und interessant ist, im Rahmen dieser nicht einmal einstündigen Dokumentation jedoch nur angerissen werden kann. Sie zollt ihm für sein auch politisches Durchsetzungsvermögen spürbar Respekt und zieht eine positive Bilanz, insbesondere sein Einsatz für den Umweltschutz wird positiv hervorgehoben. Dass an Schwarzeneggers Händen Blut klebt, da er auch als Gouverneur keinen Millimeter von der Todesstrafe abrückte und sie trotz persönlich an ihn gerichteter Gnadengesuche vollstrecken ließ, wird mit keiner Silbe erwähnt. Nicht einmal der unbezahlte Zwangsurlaub für Angestellte, die Kürzungen und Entlassungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen sowie die Erhöhungen der Schulgelder werden genannt.

2011 war endlich Schluss mit den Arnienomics. Die Rückkehr ins Filmgeschäft sowie – laut dieser Doku sein einziger Misserfolg – die Scheidung von seiner Frau standen an. Über Schwarzeneggers filmisches Spätwerk, postmoderne, ironisierte Reißer à la „The Expendables“, äußert sich die Sprecherin überraschend despektierlich. Mit dem etwas faltigeren Arnie ist sie offenbar durch, für sie ist er ein „rührendes Relikt“ – angesichts sämtlicher ausgelassener, tatsächlicher Anknüpfmöglichkeiten für Kritik an Schwarzenegger ist das großer, boulevardesker, unsachlicher Quatsch.

Heute ist Schwarzenegger darauf bedacht, altersweise zu wirken. Ein gewisses Ausmaß an Selbstironie scheint er aus seinen Filmen übernommen zu haben und auf jemanden wie Trump ist er nicht hereingefallen. Er meldet sich dann und wann über soziale Medien zu Wort und wirkt dabei abgeklärt und sympathisch. Das war für diese Dokumentation indes noch zu neu, die ja zudem eigentlich einen ganz anderen Anspruch verfolgte: die Wechselwirkung zwischen Schwarzenegger und der US-Kultur bzw. -Gesellschaft zu analysieren. Dies lieferte zumindest den einen oder anderen Denkanstoß, wird jedoch kaum vertieft. Dasselbe gilt für den behaupteten, aber nur unzureichend belegten oder begründeten Abgesang auf den American Dream. So bleibt eine oberflächliche Betrachtung der Vita Schwarzeneggers, angereichert mit einigen Schlenkern in Richtung US-Politik und Popkultur, die vor allem aufgrund ihres massiven Einsatzes von Archivmaterial kurzweilig und unterhaltsam ausgefallen ist. Viel mehr als dies sowie die alles andere als neue Erkenntnis, dass sich Medieninhalte und die Realität gegenseitig beeinflussen, ist von „Arnold Schwarzenegger – Die Verkörperung des American Dream“ jedoch nicht zu erwarten.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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