Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

:lol:
In diesem Arthouse Tatort war der Zuschauer das Opfer :pfeif:
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Dick Cockboner
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Dick Cockboner »

Reinifilm hat geschrieben: Mo 10. Feb 2025, 22:59 :kicher:


IMG_0793.png


https://www.der-postillon.com/2025/02/t ... atort.html
Traurig Lustig aber wahr!
Er lebe hoch, der Postillon!
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Herz der Dunkelheit

„Das sind doch deine Freunde!“

Nach 18 Fällen verabschiedet sich Karin Hanczewski in ihrer Rolle als Hauptkommissarin Karin Gorniak von ihrem Vorgesetzten Schnabel (Martin Brambach) und ihrer Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und damit vom Dresdner „Tatort“. Diese Trennung inszeniert hat die erfahrene Krimi- und „Tatort“-Regisseurin Claudia Garde, die diesen Beitrag zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe bereits im Frühjahr 2023 gedreht hat und zusammen mit Ben von Rönne auch das Drehbuch verfasste. Die Erstausstrahlung erfolgte 2. Februar 2025.

„Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wahnsinnig unsympathisch bist?“

Der Biologie-Leistungskurs eines Abiturjahrgangs feiert eine Privatparty bei Maya Wolff (Katharina Hirschberg, „Bibi & Tina – Einfach anders“), deren Eltern verreist sind. Diese sind offenbar recht wohlhabend, denn ihr üppiges Grundstück umfasst u.a. ein Poolhaus. Die Jugendlichen klinken sich Drogen ein und tanzen zu lauter Musik. Als der adipöse Außenseiter Marlin (Max Wolter, „Wer ohne Schuld ist“) seinen Freund Janusz (Louis Wagenbrenner, „Hammerharte Jungs“) halbtot oder tot auf der Poolhaus-Toilette vorfindet, ruft er die 110 an. Als die Partygäste Kevin (Filip Schnack, „Cassandra“) und Khaleb (Leander Lesotho, „Nackt über Berlin“) dies mitbekommen, beenden sie den Anruf und wollen verhindern, dass Marlin erneut Kontakt mit der Polente aufnimmt. Als er vor ihnen wegläuft, rennen sie hinterher – und treiben ihn damit versehentlich vor einen Lastwagen, der ihn überrollt. Einen Tag später erliegt Marlin seinen schweren Verletzungen. Als die Polizei von den Jugendlichen wissen will, was genau passiert ist, scheinen diese entweder nichts zu wissen oder nichts sagen zu wollen. Janusz jedenfalls ist spurlos verschwunden. Er habe die Feier schon früh verlassen, heißt es. Für die Kommissarinnen Gorniak und Winkler gilt es nun, herauszufinden, wo Janusz steckt und was mit ihm geschehen ist. Pikanterweise handelt es sich bei einem der Partygäste um Romy (Charlotte Krause, „Manta Manta – Zwoter Teil“), die Tochter Paul Brahms‘ (Hannes Wegener, „Levi Strauss und der Stoff der Träume“) – Gorniaks neuem Freund…

„Wenn Sie Privates und Berufliches nicht trennen können, sind Sie raus.“

Garde und ihr Team arbeiten mit vielen interessanten Versatzstücken. Zunächst einmal wäre da der stete, aber relativ kleine Informationsvorsprung der Zuschauerschaft gegenüber der Polizei. Man hat gesehen, dass Marlin Janusz gesehen hat, weiß aber nicht, wo er hin und was mit ihm geschehen ist. Man erfährt, dass Jule (Ginggan Maya Hörbe, „Counterpart“) etwas weiß, was sie vielleicht besser nicht wissen sollte, aber nicht, was. Dann ist da die Gruppendynamik innerhalb der Jugendlichen, bei der etwas im Argen liegt. Und dies wiederum wird nach und nach in Rückblenden zur Partynacht aufgedröselt. Diese Partystimmung und Rausch visualisierenden Einblicke sind bereits während der Einzelvernehmungen der Jugendlichen elementarer Bestandteil dieses „Tatorts“, der darüber hinaus einmal mehr eine persönliche Involvierung einer der Ermittlerinnen fokussiert, wenn auch diesmal, um Gorniaks Ausscheiden zu initiieren.

„Du setzt alles aufs Spiel!“

Dass Gorniak weiß, dass Romy sie anlügt, verlangt ihr einen schwierigen Spagat ab und führt zu Interessenskonflikten, die sie zugunsten der Wahrheitsfindung auflöst und dabei auf wenig entschuldbare Weise ihre Kompetenzen überschreitet. So nervig die Figur Romy auch ist, in erster Linie wird – ob so intendiert oder auch nicht – herübergebracht: Trau nie einem Bullen. Dem gegenüber steht die irritierend positiv konnotierte Figur Jules, die selbst einmal Polizistin werden will, dabei überheblich wirkt und sich schon mal in Denunziation übt. Wichtige Ermittlungsergebnisse liefert aber auch das Auswerten von Smartphones inklusive Wiederherstellung eines gelöschten Messenger-Videos (was die Polizei interessanterweise erfolgreich veranlassen kann), Spurenmikroskopie und die Videoüberwachung des Straßenverkehrs – ein aus bürgerrechtlicher und moralischer Sicht mehr als nur ein wenig Magengrummeln verursachendes Potpourri aus Kompetenzüberschreitung, Eindringen in die Privatsphäre, Denunziation und öffentlicher Überwachung also.

Erfreulicher aber zugleich auch ziemlich ernüchternd sind da die Einblicke in die Gefühlswelt der Jugendlichen, die einerseits zu Charthits der 1980er und ‘90er statt aktuellem Mainstream feiern, andererseits aber moderne Kommunikations- und Medienaustauschmittel als Waffe im Kampf um Gefühle nutzen und eine Hierarchie aufweisen, in der Janusz ganz oben steht bzw. stand. Dass es ihm zum Verhängnis geworden sein könnte, dass er diesen Status ausnutzte, vielleicht gar eine Art Tyrannenmord im Raum steht, ist der vielleicht reizvollste Aspekt dieses Falls, der andererseits mit der Nonchalance und Gefühlskälte der zwar nicht porträtierten, aber zumindest skizzierten Generation erschrickt – und nachdenklich stimmt.

6,5 von 10 Wildschweinbissen dafür, und:
Auf Wiedersehen, Karin Hanczewski!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort München: Charlie

Die Münchener auf Abschiedstour.
Diesmal gibt es einen Doppel-Mord auf einem Nato-Manöver-Gelände, unter Führung der US Army (wie lange es das wohl noch gibt....). Also bekommen Leitmayr und Batic eine amerikanische MP Offizierin an die Seite gestellt. Batic geht under cover in die COB Szenerie. Das sind Komparsen für große Manöver, die wirklich von einer Art Casting Agentur kommen und die Zivilisten oder vor Ort Uniformierte darstellen.
Denn während der Ermittlungen läuft das Manüver weiter. Was zu schönen Szenen führt: Wie Leitmayr und Batic einfach so durch ein Geballer (Platzpatronen und Laser) laufen bei der obligatorischen Verfolgungsjagd zu Fuß.
Für mich war da am beeindrucksten das Setting: einerseits oben genanntes, sozusagen Ermitteln im Kriegsgeschehen, andererseits die ganze COB Szenerie: Wußte ich gar nicht, gibt es aber wohl so in echt, laut Drehbuchautorin.
Ansonsten leider ein Fall von der Stange: Persönliche Beziehungen treffen auf Kleinkriminalität und männliche Überheblichkeit. Einer ermittelt von aussen, der andere Undercover. Banal auch die Auflösung. Hm.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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buxtebrawler
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Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Der Mörder und der Prinz

„Verschwinde und lass dich nie wieder blicken!“

Nachdem Götz George als „Tatort“-Kommissar Schimanski die Segel gestrichen hatte, ging es für den WDR-Zweig der öffentlichen-rechtlichen Krimireihe mit einem neuen Team in Düsseldorf weiter: Hauptkommissar Bernd Flemming (Martin Lüttge, „Die Wannseekonferenz“) ermittelte zusammen mit Hauptmeister Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, „Kollege Otto – Die Coop-Affäre“) und Kommissarin Miriam Koch (Roswitha Schreiner, „Liebling Kreuzberg“). Dieser erste von 15 Fällen wurde von Kaspar Heidelbach („Ein Fall für zwei“) inszeniert, der damit seinen „Tatort“-Einstand feierte. Er verfilmte ein Drehbuch, das von Nikolaus Stein v. Kamienski, Jacki Engelken und Wolfgang Hesse in Koproduktion verfasst wurde. Die Erstausstrahlung erfolgte am 17. Mai 1992.

„Sie hatte nicht das Anzügliche im Auftreten.“

In Düsseldorf tobt der Karneval, doch die Stimmung bei der Polizei könnte besser sein, bekommt sie es doch innerhalb kürzester mit gleich zwei Tötungsdelikten zu tun: Das belgische Fotomodell Jacqueline Bordenave (Claudine Wilde, „Schloß Pompon Rouge“) wird von Gotcha-Spielern in einem verschneiten Waldstück tot aufgefunden, erschlagen mit einem stumpfen Gegenstand. Besonders bitter: Sie war im dritten Monat schwanger. Zuvor hatte Dagmar Schuba (Nicole Heesters, „Kamikaze 1989“), die Ehefrau Geros (Jürgen Schmidt, „Der Fall Liebknecht-Luxemburg“), mit dem sie eine Affäre hatte, sie drohend aufgefordert, von ihrem Mann abzulassen. Hat sie etwas mit der Tat zu tun? Der zweite Tote ist der Taxifahrer Horst Poensken (Charlie Hendricks, „Tatort: Rechnung ohne Wirt“), der im Kofferraum seines Taxis erwürgt gefunden wird – vermutlich ein Raubmord. Kriminalhauptkommissar Bernd Flemming, Kommissarin Miriam Koch und Hauptmeister Max Ballauf nehmen die Ermittlungen auf, als auf Gero Schuba geschossen wird, während er als Karnevalsprinz einen Auftritt hat. Gero überlebt leichtverletzt und denkt gar nicht daran, auf weitere öffentliche Auftritte zu verzichten. Doch der Täter plant längst einen zweiten Anschlag auf Gero…

Der gut gelungene und neugierig machende Auftakt gewährt der Zuschauerschaft einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei, indem er das bedrohliche Gespräch zwischen Dagmar Schuba und ihrer Nebenbuhlerin zeigt. Nach dem Leichenfund, in den recht geschickt der damalige Trendsport Gotcha eingeflochten wurde, heißt es dennoch Whodunit? Und es gilt, sich mit dem neuen Team vertraut zu machen: Der etwas mürrische, vor allem aber eigenbrötlerische Flemming hat eine Sauna in einem Kuhstall und bekommt mit der 28 Jahre jungen Miriam Koch, Tochter des Staatssekretärs, eine neue Kollegin zugeteilt. Ballauf hat sich erst einmal krankgemeldet, doch Flemming spürt ihn in einer Kneipe auf nimmt ihn stante pede mit. Zudem war Ballauf mit dem Dienstwagen nach Paris gefahren, weshalb ihm ein Disziplinarverfahren droht – und der Running Gag der Episode ist, dass er nie ein eigenes Auto hat. Ein echter Hallodri also. Es ist Karneval und auch auf der Wache sind die Jecken los, doch der tote Taxifahrer stört die Stimmung ebenso wie das Attentat auf Gero – ordentlich was los in Düsseldorf, in jederlei Hinsicht.

Regisseur Heidelbach widmet sich fortan verstärkt den nichtpolizeilichen Figuren, also der Toten, über die wir erfahren, dass sie ein erfolgloses Mannequin gewesen sei, sowie ihrem Umfeld. Zu diesem gehörten Agenturchef Stern (Leonard Lansink, „Eis am Stiel VII – Verliebte Jungs“), der Kommissarin Koch mit wehender Banane empfängt, sowie René Wolff (Uwe Ochsenknecht, „Schtonk!“), Chef einer Werbeagentur, die mit der Toten zusammenarbeitete, und zugleich Geros Stellvertreter in Sachen Karnevalsregentschaft. Auch Jacquelines Vater (Daniele Legler, „Lockvögel“) lernen wir kennen. Ein weiterer Überfall auf einen Taxifahrer entpuppt sich als geschmackloser Karnevalsstreich, die Befindlichkeiten unter den Karnevalshoschis sind aber ebenso real wie die auch der Polizei nützliche Solidarität unter den Taxifahrern und die Verkommenheit einer der Figuren, die am Ende als Täter enttarnt werden wird.

Eben dieser Täter, dessen Identität ich hier natürlich nicht verrate, wird durchaus beeindruckend geschauspielert, während vom Ermittlertrio die Verschrobenheit Flemmings, der sogar mit Ninjasternen wirft, sowie die Jugendlichkeit Kochs und Ballaufs (der nebenbei in einem Restaurant aushilft) auffallen. Gerade in Szenen mit vielen Personen und stärkerer Geräuschkulisse ist der Ton nicht ganz das Gelbe vom Ei und so recht sozialrealistisch will dieser mäßig spannende Fall dann auch nicht anmuten, die Verquickung mit dem Düsseldorfer Karneval wirkt etwas erzwungen und dramaturgisch holpert man sich beim Versuch, sowohl einen dreifachen Kriminalfall zu erzählen als auch gleich drei neue Kripofiguren einzuführen, eher passabel denn überwältigend durch die Düsseldorfer Straßen und die Studiokulissen.

Fernsehhistorisch interessant ist „Der Mörder und der Prinz“ aber allemal, nicht zuletzt, weil es sich um Behrendts ersten Auftritt als Max Ballauf handelt, der später zusammen mit Freddy Schenk (Dietmar Bär) das bis heute aktive Kölner „Tatort“-Duo bilden sollte.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Kinderspiel

„Aids hat er gesagt ist in der Spritze!“

Regisseur Oliver Hirschbiegels („Mörderische Entscheidung“) erster von bis jetzt drei Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Krimireihe ist der von Peter Zingler geschriebene „Kinderspiel“, der fünfte von insgesamt neun Fällen des Wiener Inspektors Michael Fichtl (Michael Janisch). Die Erstausstrahlung erfolgte am 16. August 1992.

„Bist du wahnsinnig?!“

Eine skrupellose Bande ausländischer Kinder begeht zahlreiche Diebstähle, die noch skrupelloseren Hintermänner kassieren ab. Nachdem US- Kriminologe Mr. Haller (Steve Barton) vor dem Nationalkongress einen Vortrag über Jugendkriminalität gehalten hat und zusammen mit den Wiener Inspektoren Fichtl und Kern (Sylvia Haider, „Totstellen“), Fichtls neuer Assistentin, den Prater besucht, treibt die Bande auch dort ihr Unwesen. Jedoch gerät sie ausgerechnet an die wehrhafte Kern, die daraufhin von Istvan (Shanel Philipp), einem Mitglied der Bande, mit einer Spritze gestochen wird – angeblich mit dem HI-Virus verseucht. Einen der Jungen, Mirko (Basgun Cetin), können sie festhalten, die anderen entkommen u.a. mit Kerns Dienstwaffe. Kern sorgt sich um ihre Gesundheit und versucht, den Spritzenstecher ausfindig zu machen. Gleichzeitig versucht die Wiener Polizei, der Bande den Garaus zu machen und der Hintermänner habhaft zu werden…

„Hast du Kabelfernsehen?“

In diesem „Tatort“ kommt einiges an gesellschaftlichen Themen zusammen: Zum einen perfide organisierte Ausländerkriminalität, zum anderen das Thema HIV und Aids in einer Mischung aus respektvollem Ernstnehmen der damals die Mitte der Gesellschaft erreicht habenden Infektionsgefahr und schierer Angst vor derselben. Und dann ist da noch Inspektor Adolf Hollocher (Michael Bukowsky), der ein Baby an der Backe hat, dessen Mutter (Michaela Pilss, „Familie Merian“) ebenfalls beruflich eingespannt ist – in diesen Nebenhandlungsdetails geht es um die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hauptthema ist aber die Bande, die von Hintermännern ausgebeutet wird und deren Mitglieder kurzerhand ausgetauscht werden, wenn sie nicht spuren. Szenen außerhalb der polizeilichen Ermittlungsarbeit zeigen die Jungs untereinander und lassen sie mit ihren Sorgen und Träumen menschlich erscheinen. Sie erhalten individuelle Charaktereigenschaften und Kontur.

US-Amerikaner Haller geht rabiat vor und droht mit Folter, während die sich um ihre Gesundheit sorgende Kern auf eigene Faust ermittelt und dafür die Hilfe eines Informanten in Anspruch nimmt: des Kleinkriminellen Fredi Pöckl, gespielt vom Drehbuchautor dieser Episode. Wir erfahren, dass die Bande (von der ein Mitglied ein Guns-N’-Roses-Shirt trägt) auch Wohnungseinbrüche begeht, was die Furcht der Zuschauerschaft vor derartigen Umtrieben zusätzlich schürt. Als einer der Jungs in die eigene Tasche wirtschaften will, wird er erwischt und daraufhin abtrünnig – eine Chance für die Polizei. Kern schnappt ihn sich und quetscht ihn aus, gewinnt mit der Zeit aber auch sein Vertrauen. Ohne, dass es ausgesprochen würde, kann dies als Statement für einen weniger rabiaten Umgang mit den minderjährigen Bandenmitgliedern und als Absage an Hallers Rambo-Methoden verstanden werden.

Pikant ist’s auch, dass der Polizeivorgesetzte, Hofrat Dr. Putner (Gerhard Dorfer) ein Parteifreund des rechtspopulistischen Ostjek (Jed Curtis, „Die Abenteuer des Kardinal Braun“) ist, der wiederum in die Bande verwickelt ist. In Zeiten grassierender Ausländerfeindlichkeit eine bemerkenswerte Aussage. Einige Szenen finden in einer furchtbar ungemütlichen Kneipe statt und nicht nur das Ende ist übertrieben auf spektakulär getrimmt, aber dennoch nicht schlecht gemacht. Überraschend sind u.a. die hervorragenden Deutschkenntnisse der Jungs und des dämlichen Amis. In Sachen Sozialrealismus ist hier also einige Luft nach oben; zudem wirkt „Kinderspiel“ etwas überfrachtet und umständlich erzählt, scheint das Herz aber am rechten (nicht politisch gemeint) Fleck zu haben. Schön auch das Dead-Kennedys-Graffito im Waisenhaus.

Man versucht offenbar, einen Blick hinter die so gern rechtspopulistisch ausgeschlachtete Ausländerkriminalität zu werfen und gibt den strammen Einheimischen dabei kräftig einen mit, schreckt dafür aber auch vor einer überkonstruierten Handlung nicht zurück. Aber die authentisch wirkenden Jungmimen wissen zu überzeugen und die Kern macht fast Lust, sich weitere Wiener „Tatorte“ anzusehen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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