Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Moderator: jogiwan

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Reinifilm
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Reinifilm »

„Tatort: Masken“: Leider mehr Beziehungstherapie als Krimi, nur am Ende kam noch etwas Schwung in die Bude. Für einen Dortmunder Tatort überraschend lahm. 05/10
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

[UPDATE] „Tatort“: WDR zeigt neue Schimanski-Doku und vier restaurierte Fälle
Macher beleuchten die Entstehungsgeschichte des Kultkommissars

Der WDR hat inzwischen bekannt gegeben, welche weiteren Schimanski-“Tatorte“ in restaurierter Fassung gezeigt werden: Am 14. Dezember ist „Der Tausch“ zu sehen, am 21. Dezember „Freunde“ und am 28. Dezember „Spielverderber“. Darüber hinaus werden auch die restlichen 14 „Tatorte“ sowie die zwei Kinofilme mit Götz George derzeit sukzessive restauriert und sollen Anfang 2022 wöchentlich ausgestrahlt werden.

Quelle und weitere Infos:
:arrow: https://www.fernsehserien.de/news/tator ... rte-faelle
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Apropos Doku, hier eine klasse Doku über die "Polizeiruf 110"-Reihe aus dem Jahre 1994:


Gesetzesbrecher und Genossen - Die Krimiserie Polizeiruf 110 im DDR-Fernsehen

Dieses Jahr kam mit "Polizeiruf 110 - die Krimidokumentation" eine weitere sehr sehenswerte hinzu, die in ihrer vollen 90-minütigen Länge in der Mediathek zu sehen ist:
:arrow: https://www.mdr.de/video/mdr-videos/rep ... l-100.html
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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karlAbundzu
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

Tatort Dortmund: Masken
Toter Polizist, Pick-Up-Artist - Szene, nä, den Namen finde ich doof, frauenverachtende Deppen - Szene, romantische Einbeziehung des Kommissars.
Zwar mag ich das Vierer-Gespann, aber das war alles aus dem Baukasten. Toter Polizist, der nebenbei ein fieser Aufrisser ist, Einblick der Kommissare in diese Szenerie, ein bißchen persönliche Involvierung, ein wenig übergreifende Erzählung (wober ich anscheinend was verpasst habe, ist aber auch nicht wichtig, da es mit dem Fall in keinerlei Zusammenhang steht), und vermeidlich überraschende Wendung, die man als geübter Tatortseher eher früh weiß.
Dazu stiess mir bitter auf, dass die Aufreißer ja als erfolgreich dargestellt werden, zwar wird der Oberguru von Bönisch bloss gestellt, aber eigentlich funktioniert es. Und die Beziehung zwischen der Streifenpolizistin-Chefin und ihrer Apodtivtochter wird eher spät und zicki zacki dargestellt, gerade da wäre mehr Potential gewesen...
Schade.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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CamperVan.Helsing
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von CamperVan.Helsing »

karlAbundzu hat geschrieben: Di 30. Nov 2021, 16:01 Tatort Dortmund: Masken
Toter Polizist, Pick-Up-Artist - Szene, nä, den Namen finde ich doof, frauenverachtende Deppen - Szene,
:thup: In der Tat klingt "Pick-up-Artist" verdammt nach "Make-up-Artist"...
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buxtebrawler
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Das Mädchen am Klavier

„Wenn Sie mich fragen: Der Brand war billig!“

Der achte „Tatort“ um den Münchner Kriminaloberinspektor Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) entstand nach einem Drehbuch Erna Fentschs, das von TV-Regisseur Lutz Büscher, der damit innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe debütierte, inszeniert wurde. Das Kriminaldrama wurde im Sommer 1976 in München und Umgebung gedreht und am 2. Januar 1977 erstausgestrahlt. Im Jahre 1983 folgte mit „Roulette mit 6 Kugeln“ Büschers zweite und letzte „Tatort“-Inszenierung.

„Halt’s Maul und sei lieb!“

Am Münchner Stadtrand brennt nach einer Explosion ein altes, sanierungsbedürftiges Schulgebäude ab, anschließend wird dort die verbrannte Leiche einer jungen Frau gefunden. Es stellt sich heraus, dass nicht das Feuer die Todesursache war, sondern ein Genickbruch. Dies ruft die Mordkommission um Melchior Veigl auf den Plan, der gemeinsam mit Ludwig Lenz (Helmut Fischer) und Josef Brettschneider (Willy Harlander) ermittelt. Um den Hausmeister der Schule, Heinrich „Enrico“ Riedel (Werner Asam, „Eiger“), der mit seiner Frau Sophie (Ruth Drexel, „Die Marquise von O.“) in der Schule lebte, befragen zu können, muss er ihn in dessen Urlaub in einer Ferienhütte aufsuchen. Riedel frönt dort nicht nur dem Wasserski, sondern vergnügt sich auch mit seiner Geliebten Babette Götz (Sissy Höfferer, „Mathias Sandorf“), während seine Frau ihren Vater besucht. Durch den Brand kassieren die Riedels eine erkleckliche Versicherungssumme, zudem ist Riedel vorbestraft, scheint über seine Verhältnisse zu leben und dem abgebrannten Gebäude keine Träne nachzuweinen, was ihn zusätzlich verdächtig macht. Jedoch scheinen alle froh darüber zu sein, dass das marode Bauwerk ein Raub der Flammen wurde: die Schulleiterin Dr. Hildegard Förster (Karin Hübner, „Tatort Berlin“), die sich freut, dass endlich eine neue Schule gebaut werden muss, der in finanziellen Schwierigkeiten steckende Architekt Ruby (Michael Degen, „Supermarkt“), der bereits einen Neubau plante… Und dann sind da noch die türkische Reinigungskraft, die seit dem Feuer verschwunden ist, und die junge Frau, die aus der brennenden Schule floh. Ein Indiz ist eine Brosche, die in den Trümmern gefunden wurde. Wer also war die Tote, warum musste sie sterben und in welchem Zusammenhang steht der Schulbrand mit ihr?

Zu Beginn sieht man das – wie sich später herausstellen wird – Mädchen aus der brennenden Schule laufen, das aufgrund seiner maskulinen Züge auch als Junge durchgegangen wäre. Dass alle das Gebäude gehasst zu haben scheinen, macht die Ermittlungen für Veigl und Konsorten nicht einfacher. Diese Episode nimmt das Tempo bereits früh durch minutenlange Wasserski-Szenen in sommerlichen Idylle heraus, die wie Werbung für die Trendsportart anmuten. Generell erscheint es kurios, an einem 2. Januar eine sommerlich-sonnige Episode wie diese auszustrahlen – ein bewusstes Kontrastprogramm? An Hausmeister Riedels Hütte öffnet dessen Geliebte Babette oben ohne die Tür und auch im weiteren Verlauf zeigt sich die debütierende Sissy Höfferer im knappen Bikini recht freizügig, was zur ungezwungenen Sommerstimmung passt. Riedel entpuppt sich als ungewöhnlicher Hausmeister und hochgradiger Chauvinist, was dazu beiträgt, ihn nicht nur als Hauptverdächtigen, sondern auch als unsympathischen Antagonisten zu zeichnen. Lenz beschattet im weiteren Verlauf Riedel und Babette, in erster Linie wird das Publikum jedoch mittels dialogreicher Ermittlungen, bei denen man oberhalb des Weißwurstäquators auch nicht jedes Wort versteht, ins Koma gequatscht.

Das Tempo bleibt sehr behäbig und wird durch weitere Füllszenen gestreckt; die Vielzahl eingeführter Figuren sorgt für Verwirrung, statt die Handlung interessanter zu gestalten. In einer Rückblende bekommt man es auch noch mit Windsurfen zu tun, bevor im Finale eine resolute Gastwirtin namens Stucki (toll: Helen Vita, „...und noch nicht sechzehn“) neben dem titelgebenden Mädchen eine unglaubwürdig konstruierte Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Auflösung auftischt, was mit einer weiteren Strecksequenz einhergeht: einem Videoclip der Sängerin Barbara (Ulli Günther – nicht zu verwechseln mit dem The-Lords-Sänger), den Kommissaren mittels Schmalspurprojektor vorgeführt. Dass dadurch offenbar nicht die Single eines aufkommenden Schlagersternchens beworben werden sollte, macht die Sache nur noch bizarrer, und dass sich alles als ein großes Drama herausstellt, will so gar nicht zur sommerlichen Atmosphäre dieses „Tatorts“ passen. Alles in allem trotz einiger schauspielerischen Leistungen, die man sich gern ansieht, und einer Handvoll gelungener Szenen ein dramaturgisch misslungener „Tatort“, dafür ein recht wirksames Schlafmittel…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von karlAbundzu »

POLIZEIRUF 110 Frankfurt/Oder: Herrmann.

Kommissar Adam Raczek wird zu einer toten hinter der Grenze gerufen, die allerdings hierzulande getötet wurde. Er muss allein nach Cottbus, zu seinem alten Revier, um den Fall zwischen Judenverfolgung, Enteignung, Restitotionsrecht, Entschädigung zu klären.
Und hier steht die gut gebaute Story im Mittelpunkt. Ein älterer Jude, das Haus, in dem er geboren wurde, seine alt Nachbarin und Spielkameradin, eine windige Immobilienfirma. Schuld, Entschuldung Recht. Viel mehr als dem Fall folgen wir Raczek beim freilegen der Geschichte. Das ist gut geschrieben und gespielt. Hauptpersonen hier eigentlich zwei ältere: Der Israeli, der widerwillig nach Deutschland kommt, um sein Recht zu verteidigen und die ältere Deutsche, die schon immer im selben Haus wohnte.
Auch Raczek gefiel mir gut, ein wenig Old School, denn einerseits schon der lonely Wolf, andererseits auch ein guter Teamplayer, kein Wunder, dass seine alte Kollegin ihn so herzlich begrüßt. Und ein alter Polenhasser eben nicht. Doch ist das nur Beiwerk, und das ist angenehm so.
Empfehlung.
Und vielleicht sogar passend als Randthema für eine BA-Arbeit aus Günnihausen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

karlAbundzu hat geschrieben: Mo 6. Dez 2021, 15:06 Und vielleicht sogar passend als Randthema für eine BA-Arbeit aus Günnihausen.
Bestimmt interessant, aber für die BA habe ich bereits jetzt eigentlich schon zu viel Stoff... Da muss ich mich wirklich auf die drei damals zeitgenössischen Episoden beschränken.

40. Münster-“Tatort“: Prahl und Liefers in „Des Teufels langer Atem“
Erfolgreichstes Ermittlerduo meldet sich im Januar 2022 zurück

Der „Tatort“ ist nach wie vor eine feste Institution am Sonntagabend, die regelmäßig für zweistellige Millionen-Reichweiten sorgt wie keine andere Reihe. Das erfolgreichste Ermittlerteam, Axel Prahl und Jan Josef Liefers alias Thiel und Boerne, steht kurz nach dem Jahreswechsel vor seinem mittlerweile 40. Fall in Münster: Am 16. Januar 2022 zeigt Das Erste zur gewohnten Zeit um 20:15 Uhr die neue Folge „Des Teufels langer Atem“, in der Kommissar Thiel mit seiner beruflichen Vergangenheit konfrontiert wird.

Quelle und weitere Infos:
:arrow: https://www.fernsehserien.de/news/40-mu ... anger-atem
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von buxtebrawler »

Tatort: Der Boss

„So’ne Rakete, und da sitzt so’n Würstchen drin!“

Nicht nur aufgrund seiner kurzen Laufzeit von nur 56 Minuten ist der frühe „Tatort: Der Boss“, der am 19. Dezember 1971 erstausgestrahlt wurde, ein Kuriosum. Der erste von insgesamt zwölf Beiträgen des Regisseurs Heinz Schirk („O süße Geborgenheit“) zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe bedeutete den Einstand des glücklosen West-Berliner Kriminalhauptkommissars Kasulke (Paul Esser, „Blut an den Lippen“), der nach seinem zweiten Fall „Rattennest“ ein Jahr später bereits wieder abgesetzt wurde. Das Drehbuch verfasste Johannes Hendrich.

„Na warte, du Scheißer!“

Die Jugendlichen Achim (Hugo Panczak, „Luftschlacht um England“) und Peter (Ronald Nitschke, „Josefine, das liebestolle Kätzchen“) arbeiten als Fliesenleger auf einer Baustelle, lassen sich aber auch bei der Schwarzarbeit von ihrem Chef (Gerhard Wollner, „Ein Polterabend“) erwischen. Dieser schimpft zwar, ist in der Regel jedoch auch sehr nachsichtig. Am Abend lernen sie in einer Disco zwei Mädchen (Elke Aberle, „Witwer mit fünf Töchtern“ und Barbara Hampel, „Doppelgänger“) kennen, vor denen sie angeben und an die sie sich heranzumachen versuchen. Man geht zusammen zum Bowling, feiert weiter und wagt schließlich eine übermütige Trunkenheitsspritztour. Diese mündet in einen Unfall, bei dem zwar niemand verletzt wird, der Wagen jedoch die Schaufensterscheibe eines Pelzgeschäfts zerstört. Achim nutzt spontan die Gelegenheit und stiehlt einen der sündhaft teuren Mäntel, den er gewinnbringend an einen Hehler veräußert. Dadurch auf den Geschmack gekommen, stehlen Achim und Peter nun weitere Mäntel, wobei Achim die treibende Kraft ist und das Ganze immer größer aufzieht, bis er mit weiteren Bandenmitgliedern regelmäßig gewerbsmäßigen Pelzdiebstahl begeht. Doch Achim hat sich immer weniger unter Kontrolle, prahlt mit seinem Geld und läuft Gefahr, aufzufliegen. Seine Kumpanen schmieden daher einen Plan, um Achim ein für alle Mal loszuwerden…

„Haste wat, machste wat! Haste nüscht, gehste ein!“

„Der Boss“ wuchert mit geballtem deutschem frühsiebziger Zeitkolorit, von der zeitgenössischen Rockmusik über die Frisuren, die Kleidung und die Autos bis hin zum primären Thema Pelzmäntel und zum sekundären, der Berliner Mauer bzw. der innerdeutschen Systemgrenze. Hinzu kommen die freche Berliner Schnauze der Jugendlichen und nicht zuletzt die zahlreichen Italo-Filmplakate (vornehmlich „Django“-Western), mit denen Achim sein Zimmer tapeziert. Der Hehler ist ein neureicher feiner Pinkel, der sich gleich mehrere Doggen hält, die Polizei hingegen ist kaum präsent und so spielt auch Kasulke hier kaum eine Rolle. Interessanterweise telefoniert er zwischendurch einmal mit dem Münchner Kollegen Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer), der in der nächsten „Tatort“-Episode „Münchner Kindl“ seinen Einstand als Ermittler feiern sollte.

„Ich hör‘ immer nur Nerz! Ich träum‘ schon von Nerz!“

Ansonsten schienen sich Autor Hendrich und Regisseur Schirk wesentlich stärker für die juvenilen Delinquenten zu interessieren; Kasulkes Präsenz wirkt gar wie nachträglich implementiert, um einen „Tatort“ aus der Handlung zu machen. „Der Boss“ hat das hohe Tempo eines knackigen 45- bis 55-minütigen TV-Krimis, die Handkamera einer aktionsbetonten Erzählweise und den ebenso perfiden wie unwahrscheinlichen Plan eines reißerischen Trivialromans. Achim und Konsorten scheinen mehr aus Abenteuerlust, Geltungsdrang und Langeweile kriminell zu werden, weniger aus Geldgier oder gar -not. Fuchtelt Achim betrunken mit seinem Revolver herum, wird er vom abgeklärten Halbstarken zum gefährlichen Dilettanten. Und kann er bei einem Mädchen nicht landen, entwickelt er eine beunruhigende Aggressivität. Dass einem tiefere Einblicke in die Figuren verwehrt bleiben, die möglicherweise Charaktere aus ihnen gemacht hätten, ist der kurzen Laufzeit geschuldet und ein bisschen schade, denn die Jungdarsteller(innen) zeigen sich sehr spielfreudig.

Wie überflüssig der bedauernswerte Kasulke hier ist, unterstreicht dann auch das Ende, aus dem die Täter als Sieger hervorzugehen scheinen – doch während bereits der Abspann läuft, wird es noch flugs zu einem eher offenen Ausgang modifiziert, fast, als habe ein Programmverantwortlicher im letzten Moment eingegriffen und entschieden, dass es anders nicht gehe und dem Publikum nicht zuzumuten sei. All das macht „Der Boss“ zu etwas Besonderem, das aber auch fernsehgeschichtsvergessen als Zerstreuung bietende Räuberpistole konsumiert vorzüglich unterhält. Dass hier ausgerechnet mit unendlichem Tierleid verbundene Pelzmäntel begehrte Luxusartikel sind, wird übrigens mit keiner Silbe problematisiert – ‘68er hin oder her, die Zeiten waren andere…
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Arkadin
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Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen

Beitrag von Arkadin »

Und immer gewinnt die Nacht

Ich komme ja leider nur extrem selten dazu, mir wirklich mal einen "Tatort" anzuschauen - obwohl unzählige auf meiner Festplatte lagern. Beim neuen Bremer Team habe ich mir aber vorgenommen, regelmäßig einen Blick zu riskieren. Was ich auch bei der zweiten Folge geschafft habe. Die fand ich so mittel. Vorhersehbar, manchmal krampfhaft um "Originalität" bemüht, mal wieder viel zu viel reingestopft und vor allem trotz Herrn Hirschbiegel auf dem Regiestuhl sehr, sehr konventionell gedreht. Okay, war aber auch kein "Untergang". Solide Kost. Wenn auch mit einer haarsträubenden Auflösung. Himmelhilf!

Was mir auffiel:

1. Ich habe scheinbar in Kopenhagen gearbeitet und die meisten meiner Familie liegen dort auch auf dem Friedhof (Okay, weiß man nur als Bremer und wenn man ein Verhältnis zu den Drehorten hat, die hier die dänische Hauptstadt gedoubelt haben).

2. Am Dreh einer Szene bin ich vorbeigeradelt und weiß jetzt endlich, was da gemacht wurde. :)

3. Das Team funktioniert super... wenn Dar Salim dabei ist. Der ist der dringend notwendige Pol zwischen Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram. Die Beiden haben ja die Hälfte des Films als Duo ermittelt und das funktionierte meiner Meinung nach Null, weil beide zu extreme Figuren darstellen. Gerade die Bauer nervte mich total, weil a) ihre Figur extrem unsympathisch gezeichnet wird, sie b) ständig mit einem aggressiven 7-Tage-Regenwetter-Gesicht rumrennt, dessen angepisster Ausdruck sich nicht einmal ändert und c) dieser "kommt von ganz unten"-Aspekt ihrer Figur völlig überdreht ist. Das fängt schon bei den Klamotten und der Frisur an, die jede Sekunde "Bremerhavener GEDDO!" schreien. Das nervt auf die Dauer. Die Wolfram finde ich ja super, aber hier will das Drehbuch ihr zu viel Exzentrik reinlegen und lässt sie dauernd bedeutungsschwere Literaturzitaten rezitieren. Ich hatte auch das Gefühl, die Beiden versuchen sich ständig zu übertrumpfen und da tut der geerdete Salim supergut. In der
zweiten Hälfte funktioniert die Chemie im Team auch viel, viel besser.

4. Wenn man will, kann man Bremen echt wie eine coole Großstadt aussehen lassen. :cool:
Früher war mehr Lametta
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