Angelique 1 - Bernard Borderie (1964)

Moderator: jogiwan

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italostrikesback
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Angelique 1 - Bernard Borderie (1964)

Beitrag von italostrikesback »

ANGELIQUE 1
Frankreich-Deutschland-Italien 1964
Darsteller: Michele Mercier, Robert Hossein, Giuliano Gemma, Charles Regnier, Renate Ewert, Robert Hoffmann, Rosalba Neri u.a.
Regie: Bernard Borderie
Musik: Michel Magne

Inhalt:
Die junge Adelige Angélique de Sancé de Monteloup wächst auf dem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Gutshof ihres Vaters auf. Nach dessen Willen soll sie den verunstalteten, aber reichen Grafen Jeoffrey de Peyrac heiraten. Nach anfänglicher Zurückhaltung verliebt sie sich in ihn und ist entsetzt, als er auf Veranlassung des neidischen Königs Ludwig XIV. der Hexerei angeklagt und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt wird. Von nun an lebt sie nur noch mit dem Gedanken, den vermeintlichen Tod ihres Mannes zu rächen.

Zur Blu-ray:
Ich hatte bisher keinen der Angelique Filme gesehen aber wenn die Serie so erfolgreich war und heute noch so viele Fans in den Foren zu finden sind, ist sie auf jeden Fall einen Blick wert, dachte ich.
Ich habe lange gezögert, weil die Veröffentlichung von KSM von einigen Leuten ziemlich zerissen wurde.
Es fehlen scheinbar 2 bis 3 Minuten, die in der französischen Fassung enthalten sind.
Ganz klar stellt so etwas im ersten Moment keinen Kaufanreiz für mich dar, doch nach ausgiebiger Recherche in den Foren wurde mir klar, dass es von diesem Film in jedem Land andere Schnittfassungen gibt und es für ein Label bestimmt unglaublich schwierig ist auf alle Wünsche der Fans einzugehen.
Nach langem Zögern entschied ich mich, nach dem Lesen der unglaublich vielen positiven Amazon Bewertungen, die KSM Box dann doch zu kaufen, insofern da mit Sicherheit nichts mehr nachkommen wird.
Nun habe ich heute die deutsche Kinofassung in HD angesehen und muss den sehr guten Amazon Bewertungen zustimmen. Die Bildqualität ist wirklich sehr gut und die fehlenden 2 bis 3 Minuten der anderen Fassung fallen nicht auf, wenn man die Auslandsversion nicht kennt.
Grund genug, mich nicht mehr mit diesem Problem aufzuhalten und den ersten Teil einfach zu genießen.
Das Bild ist streckenweise wirklich brilliant und eine gute Filmpräsentation halte ich gerade bei einem solchen Film für sehr wichtig. Auf der ANGELIQUE 1 Blu-ray ist auch noch der neu abgestatete deutsche Kinotrailer enthalten. Auch die Tonqualität der deutschen Kinosynchro ist gut.
Kritik hin und Kritik her aber alleine die erste Disc zeigt mir, dass KSM eine sehr gute Veröffentlichung herausbringen "wollte", auch wenn sie in manchen Augen einen Schönheitsfehler hat.
Der fehlende französische Ton ist mir ziemlich egal, weil es sowieso keine Originalsprachfassung gibt und es angeblich, aufgrund verschiedener Szenenabfolgen auch schwierig sein dürfte den französischen Ton anzulegen.
Euro Cult Filme aus dieser Zeit sind aufgrund ihrer unzähligen Länderfassungen wirklich kein leichtes Unterfangen für ein Label.
Wenn KSM sich zu den Problemen einfach mal geäußert hätte, hätten bestimmt viel mehr Leute bei der sehr guten Box zugeschlagen.
Zumindest in Bezug auf Disc 1 kann ich die Box sehr empfehlen.

Meine Meinung zum Film:
Zum ersten mal gesehen und sofort geliebt!
Die zwei Stunden vergehen wie im Flug mit einer spannenden Geschichte, einem Hauch von HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUALT, knalligen Farben, Liebe, leichter Erotik, etwas Schmalz und Abenteuer in einer prächtigen Ausstattung mit hervorragenden Schauspielern. Ich bin schon jetzt gespannt auf den zweiten Teil und will wissen wie es weitergeht.

10 von 10 Punkten, einfach wunderschönes sechziger Jahre Kino.

Nach längerem Abwägen bin ich sehr froh, nicht auf die Box verzichtet zu haben.
Jetzt bin ich gespannt ob die Film und Disc Qualität bei den anderen Filmen gehalten wird.
Ich werde berichten........
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buxtebrawler
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Re: Angelique 1 - Bernard Borderie

Beitrag von buxtebrawler »

Die fünfteilige Filmreihe ist mutmaßlich am 06.12.2019 bei Filmjuwelen noch einmal auf Doppel-Blu-ray und als 3-DVD-Box erschienen:

Bild Bild

Extras:
- Booklet
- Alle fünf Kinotrailer
- Interview mit Anne Golon
- Weitere Highlights

Bemerkungen:
Gesamtedition (HD remastered):
1. Angélique I (1964)
2. Angélique II (1965)
3. Angélique und der König (1966)
4. Unbezähmbare Angélique (1967)
5. Angélique und der Sultan (1968)

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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sid.vicious
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Re: Angelique 1 - Bernard Borderie

Beitrag von sid.vicious »

Originaltitel: Angélique, Marquise des anges
Produktionsland: Frankreich, Italien, Deutschland
Erscheinungsjahr: 1964
Regie: Bernard Borderie
Drehbuch: Claude Brulé, Bernard Borderie, Francis Cosne, Daniel Boulanger,
Darsteller: Michèle Mercier, Robert Hossein, Jean Rochefort, Claude Giraud, Giuliano Gemma, Charles Regnier, Jacques Toja, Madeleine Lebeau, Jean Topart, Bernard Woringer, Philippe Lemaire, Jean Ozenne, François Maistre, Robert Porte, Etchika Choureau, Denise Provence, Renate Ewert
Angelique_Plakat_01.jpg
Angelique_Plakat_01.jpg (32.6 KiB) 208 mal betrachtet
Die Eltern der feschen, jungen als auch adeligen Angélique de Sancé de Monteloup meinen es gut mit ihrer Tochter und prognostizieren ihr eine rosige Zukunft und ein Leben in Saus und Braus, wenn sie doch nur den Grafen Jeoffrey de Peyrac heiraten würde. Bei genauer Betrachtung sind die De Monteloups allerdings auch so gut wie pleite und auf einen betuchten Schwiegersohn angewiesen, denn ohne eine gräfliche Finanzspitze müssten sie ihrem trauten Heim in Kürze Adieu sagen. Angélique ist sich der Not der Lage bewusst und stimmt schweren Herzens der Eheschließung mit dem Grafen Jeoffrey de Peyrac zu. Doch jene Liebe nach der sich der Graf (dessen Gesicht von Narben verunstaltet ist und der eines seiner Beine nachzieht) so sehr sehnt, lässt sich weder mit Geld noch mit Gold oder sonstigen materiellen Reichtümern erwerben. Bedeutet: Angélique ist von ihrem Bräutigam alles andere als hingerissen und reißt blitzschnell aus, sobald sich die Gesellschaft des Grafen ankündigt. Mit der Zeit lernt Angélique jedoch die inneren Werte des Grafen schätzen, sodass sie sich eines schönen Tages gar in ihn verliebt. Doch die traute Zweisamkeit währt nur kurze Zeit, denn der Graf wird der Hexerei bezichtigt und soll von den lodernden Feuern der Inquisition gefressen werden.

Es liegt eine Ewigkeit zurück, dass ich im Alter von 9 oder 10 Lenzen ANGELIQUE im Kino schauen durfte. Es war während unseres jährlichen Sommerurlaubs in Meran. Mein Eltern und ich wohnten für drei Wochen in einer herrlich antiken Pension namens Alhambra auf der Fluggigasse 20. Das Meraner Kino offerierte ein täglich wechselndes Programm, das sich aus den Wiederaufführungen be- und geliebter Klassiker zusammensetze. Da der Kinobetreiber keinen Altersfreigaben verpflichtet war (wir waren schließlich in Italien), hat es vermutlich niemanden (außer meinen Eltern) gejuckt, dass ich einen Film geschaut habe, der nicht wirklich für meine Sehwerkzeuge bestimmt war. Diese speicherten (bis dato jederzeit abrufbar) einen beängstigenden Mann mit fiesen Gesichtsnarben sowie eine rothaarige Sissi ab. Es war also an der Zeit, die Erinnerungen aufzufrischen, die Lage im Frankreich des Roi-Soleil zu checken, demgemäß den Schwarzen Freitag bei einer großen Handelsplattform zu nutzen und Michèle Mercier, Robert Hossein, Jean Rochefort, Robert Hoffmann, Serge Marquand und viele andere gern gesehene Gesichter ins heimische Wohnzimmer zu holen und in HD auf dem Panel (er)strahlen zu lassen.

Die Anfangsphase des Films ist nach meinem Ermessen ein Stückweit zu hektisch geraten. Die Exposition funktioniert zwar einwandfrei, aber „Angélique hier, Angélique da, Angélique trallala“: „Du sollst es gut haben“, „Du sollst was lernen“, „Du gehst ins Kloster“, „Halt, du kommst zurück und hast umgehend einen reichen Grafen zu heiraten“. Das ging mir schon ein bisschen auf die ohnehin strapazierten Nerven. Denn dieses hin und her und her und hin evozierte eine gewisse Skepsis, die mich vorerst daran hinderte, in den Film einzutreten. Mit Angéliques Eheschließung und dem Schauplatzwechsel, das Anwesen des Grafen Jeoffrey de Peyrac, öffnete sich mir erfreulicherweise dann doch ein Mikrokosmos, dessen Schwelle ich bereitwillig überschritt, um fortan mit großer Freude an den Spielen der Reichen und Schönen als auch denen der Armen und Hässlichen teilzunehmen.

Angélique de Sancé de Monteloup kommt aus gutem Hause, auch wenn sie hin und wieder ihre gute Kinderstube vergisst und ihr Herz auf der Zunge trägt. Angélique ist halt nicht auf den Mund gefallen, spricht ihre Gedanken aus und eckt damit oftmals an, was ihre Lieben nicht unbedingt in einen Begeisterungstaumel lotst. Ferner ist sie sich ihrer Schönheit und ihrer körperlichen Reize bewusst.

In den 1960ern erlebte der französische Kostümfilm eine Art Wiederauferstehung. Die Naivität der vorangegangenen Heldinnen wich einem Selbstbewusstsein, das den neuen Heldinnen ermöglichte, ihren Sexus als Waffe einzusetzen. So setzt Angélique auf ein tiefes Dekolleté und treibt kraft dieser Taktik den Männern der Adelsschicht die Schamesröte ins Gesicht und vermutlich auch Beulen in ihre seidenen Hosen. Der primär angesprochene King Louis entgegnet jedoch nur ein zurückweisendes „Sie sind schön Madame. Danke!“ und verbannt (der Etikette verpflichtet) die verführerische Gräfin aus seinem Sichtfeld.

„Dieser Busen, diese Schultern, diese Augen. Sie müssen Ihren Busen verstecken, der Hof ist prüde, zugeknöpft, bis hier oben.“ (Eine Hofdame klärt unsere Heldin über die guten Sitten auf)

Mit solcher Prüderie versucht die Aristokratie scheinbar jenen sexuellen Libertinismus, jene sexuellen Ausschweifungen und jene Verschwendungen, die man ihr nachsagt, von sich zu weisen. In diesem Kontext sei gesagt, dass man dem Grafen Jeoffrey de Peyrac durchaus De Sadesche Vorlieben oder zumindest eine Faible für sadistische Sexspiele zutraut. Sein steifes Bein als auch sein verunstaltetes Gesicht qualifizieren ihn zusätzlich für die Rolle des Monsters, das sich am Leid anderer ergötzen könnte. Aber: Wer an die Welt der Märchen denkt, der weiß, dass sich hinter der Fassade der Bestie ein Prinz verbergen kann. Bernard Borderie zieht in diesem Rahmen unverkennbare Linien zu Jean Cocteau, genauer gesagt zu ES WAR EINMAL – DIE SCHÖNE UND DIE BESTIE (LA BELLE ET LA BÊTE), einem Highlight beim sonntägigen ZDF-Martinee.

Die Kulissen mit denen ANGÊLIQUE auffährt wurden liebevoll gestaltet. Sie reflektieren das Leben in Saus und Braus, sie reflektieren die Verschwendung. Sie reflektieren vermutlich all das, was der unbefangene Filmkonsument der langen Regentschaft von Louis XIV zuordnen würde. Auch die Requisiten sowie die Kostüme wurden exzellent geschneidert. Alles wirkt pompös, libertin, aber nicht märchenhaft. ANGÊLIQUE hält sich eh vom Übernatürlichen fern und ist dem Erklärbaren verpflichtet. So lässt sich Jeoffrey de Peyracs Fähigkeit aus Erz Gold zu gewinnen mit dem Amalgam- als auch mit dem Borax-Verfahren erklären. Für die Häscher des Königs und zahlreiche Neider ist das jedoch Grund genug, De Peyracs der Hexerei zu bezichtigen und ihn einem Gerichtsverfahren auszusetzen, das den zahlreichen bundesdeutschen Korruptionsaffären, in die manch hochrangige Politiker verstrickt waren, mühelos zur Ehre gereicht. Mit dem Vorwurf der Hexerei, den folgenden Gerichtsverhandlungen und dem Schrei nach dem brennenden Tod auf dem Scheiterhaufen, greift ANGÊLIQUE etwas vor, dass in den späten 1960ern bis in die 1970er zu einer (von Michael Reeves´ DER HEXENJÄGER erwirkten) kleinen Welle von (H)Exploitationfilmen heranreifte. Dabei werden wir mit den Nalderischen Gesichtsruinen (Albino und Natas) als auch der dämonischen Präsenz eines Matthew Hopinks leider nicht versorgt. Stattdessen kredenzt uns der Film Conan Becher: Kläger wie Inquisitor. Ein von Charles Regnier verkörperter Antipathieträger, der vermutlich den größten Teil der ANGÊLIQUE-Rezipienten dazu verführen konnte, ihn abgrundtief zu hassen, ja, ihm einen qualvollen Tod zu wünschen.

ANGÊLIQUE lässt sich in die Kapitel „Jugend und Unbefangenheit“, „Die Zwangsehe“, „Die Suche nach Liebe“, „Das Komplott“ gliedern. Währenddessen wird die Titelheldin von den Männern innig begehrt. Denn Michèle Mercier gibt eine selbstbewusste wie charismatische Grafengattin, die mit der langweiligen Präsenz einer Keramikballerina, wie wir sie aus Tante Herthas Wohnzimmervitrine kennen, absolut nichts am Hut hat. Michèle Mercier spielt nicht die Angélique. Michèle Mercier ist Angélique! Der Nachteil: Auch wenn Mercier in Charakterrollen, wie die der Maria Caine in FRIEDHOF OHNE KREUZE, zu überzeugen wusste, wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vergleiche Silvia Kristel als Emanuelle und Laura Gemser als Black Emanuelle) primär und auf Ewig mit dem Namen Angélique assoziiert werden.

Was gibt es sonst noch zum Cast zu sagen? Robert Hossein beweist in der Rolle des Grafen Jeoffrey de Peyrac, dass ihm die Rollen von dubiosen Charakteren sehr gut zu Gesicht stehen. Hossein ist einfach ein toller Schauspieler, der auch in mittelprächtigen Filme wie DER MANN, DER PETER KÜRTEN HIEß volle Kanne abliefert. Charles Regnier liefert dito ab und nutzt seine Rolle als Conan Becher, um (wie bereits gesagt) den Hass der Zuschauer allumfassend auf sich zu ziehen. Robert Hoffmann hat als Chevalier de Lorraine leider zu wenig Spielzeit. Und Giuliano Gemma geht mir als Angéliques Jugendschwarm Nicolas ein klein bisschen zu viel auf die Eier.

Bernard Borderies erste ANGÊLIQUE-Verfilmung versorgte mich mit Eintritt des Grafen Jeoffrey de Peyrac umgehend mit dem gewissen Etwas, welches mich hin und wieder, aber leider zu selten packt und zu einem eifrigen Mitfiebern verführt. Jenes gewisse Etwas, dass einen Film adelt.

ANGÊLIQUE endet mit der Texttafel „Ende des ersten Teils“. Und da ich mich analog wie diebisch auf die Sichtung der Fortsetzung freu(t)e, sollte die Frage, ob mir ANGÊLIQUE denn nun gefallen hat oder nicht, beantwortet sein.
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