Die Nackte und der Kardinal - Lucio Fulci (1969)
Verfasst: So 20. Nov 2011, 14:40
Originaltitel: Beatrice Cenci
Land: Italien
Jahr: 1969
Regie: Lucio Fulci
Darsteller: Adrienne Larussa, Antonio Casagrande, Thomas Milian, Raymond Pellegrin, Georges Wilson, Ignazio Spalla,…
Handlung:
Das Oberhaupt der Familie Cenci ist ein brutaler Tyrann, welcher jedoch auf Grund seiner adeligen Herkunft glaubt, mit seinen Verbrechen davon kommen zu können. Nach einem Vergehen gegen seine eigene Tochter Beatrice ist das Maß entgültig voll und seine Familie beschließt das Ekel aus ihrem Leben hinauszumorden…
Kritik:
Was diesen Film am meisten auszeichnet ist wohl sein unüblicher Aufbau. Bevor ich auf diesen näher eingehe jedoch noch ein paar Worte allgemein:
Der Film ist äußerst prunkvoll ausgestattet, auch wenn das Budget wohl keine Massenszenen beinhaltet hat, bekommen wir in überschaubaren Räumen durch Kostüme und Innenarchitektur ein Zeit-authentisches Feeling. Das steigt wiederum die Wirkung der Geschichte, da sie durch die liebevolle Ausstattung nicht wie der nächstbeste Trash aus dem Hause Mattei und Co. wirkt sondern wie eine historische Begebenheit, die sich in dieser oder ähnlicher Form durchaus zugetragen hätte können.
Die Darsteller tun ihre Sache sehr gut, neben Milian, der hier eine sehr ernste Rolle, ohne seine üblichen Grimassen, verkörpert und dem wie stets witzigen Ignatio Spalla und Steffen Zacharias bekommen wir eine ganze Riege guter Schauspieler, die ich bis dato noch nicht gekannt habe, aber gerne näher kennen lernen würde.
Fulci inszeniert sauber und talentiert. Er verzichtet hier auf eine surreale Farbgebung oder untypische Einstellungen und konzentriert sich mehr darauf das Geschehen so real wie möglich rüberkommen zu lassen. Ich bin zwar ein Freund von übertriebenen Lichteinwirkungen und Kameraperspektiven aber der nüchterne Stil, der hier an den Tag gelegt wird passt hervorragend zu der tragischen Geschichte, die gezeigt wird. Nur ein paar Szenen, wie der Kampf des Mannes mit der Meute wilder Hunde oder der Mord an Papa Cenci, lassen Fulcis späteren Werdegang erahnen.
Nun aber zu dem Aufbau des Filmes, der für mich gleichzeitig seine größte Stärke und seine größte Schwäche darstellt. Fulci erzählt die Handlung nicht geradlinig, beginnt ein paar Stunden vor Schluss, zeigt in einer Rückblende den Anfang, in der ersten Hälfte kommt dann plötzlich der gefürchtete Cenci zu Tode und in der zweiten Hälfte erfahren wir in langsamen Schritten wie es dazu kam.
Dies macht den Film einerseits originell und dies ist auch gut so, denn, so sehr ich auch die Inszenierung gelobt habe, wirklich erinnerungswürdig ist sie nicht. Sie hat keine wirkliche Besonderheit und ist für heutige Verhältnisse auch nicht mehr so kontrovers, dass sie sich dadurch auszeichnen würde. Der Aufbau macht den Film aber einmalig und interessant, bringt das Publikum dazu aufmerksamer zuzusehen und sich darüber Gedanken zu machen.
Der negative Aspekt daran ist allerdings, dass Fulci mit diesem Konzept selbst ein wenig überfordert scheint. Einige Schnitte sind ziemlich seltsam, wir sehen beispielsweise den Patriarchen putzmunter, nur um eine Begräbnisszene folgen zu lassen und ich konnte erst nach einer Viertelstunde erahnen, dass der Patriarch da eingesargt wurde. Den abschließenden Höhepunkt bildet so nicht der Mord an dem Tyrannen (welcher durch seine grausame Darstellung und die Überwindung der Familie bis es soweit war einen guten Höhepunkt abgegeben hätte), sondern das Verbrechen Cencis gegen Beatrice, welches wir ohnehin sofort erraten hätten, sofern es nicht der DVD-Text schon längst in allen Details gespoilert hätte.
Fazit: Verwirrend aber immerhin einmalig aufgebautes Historiendrama mit guten Darstellern und netten Kostümen. 7/10