Handlung:
Den vampirkundigen Kapitän von Trapp (Christopher Plummer) treibt es auf der Flucht vor den Nazis nach
Venedig (seid ihr wirklich überrascht, dass ich
in einem Film mit Christopher Plummer „Sound of Music“-Referenzen mache
), wo vor Jahrzehnten der mächtige Vampirfürst
Nosferatu (Klaus Kinski) verschwunden sein soll. Doch für ihn ist es Zeit zurückzukehren wegen Seancen-Zeugs und Wiedergeborener-Geliebten-Irgendwas…wie dem auch sei, der Grund ist zweitrangig, Hauptsache er ist zurück und das Leben unserer Protagonisten besteht bald nicht mehr aus Regentropfen auf Rosen, Schnurrhaaren auf Kätzchen und Kupferkesseln
…
Kritik:
Bevor ich mit den Lobeshymnen auf diesen Film beginne, sei erwähnt, dass die Handlung selbst ein kleinwenig konfus ist.
In den ersten beiden Dritteln geht es noch halbwegs, manchmal ergibt das Geschehen halt Sinn und manchmal nicht, aber ich kenne mich zumindest noch meistens aus. Gegen Schluss wird es jedoch völlig wirr:
Nosferatu entführt die Wiedergeburt seiner alten Geliebten, ein junges Mädchen, welches sich
in ihn verkuckt hat und eine unwichtige Nebencharakterin auf eine Insel. Gleich danach sagt Christopher Van Helsing So long, farewell, auf Wiederseh’n, adieu
, sodass es nicht zu einem spektakulären Endkampf zwischen ihm und
Nosferatu kommt. Stattdessen bilden Dr. Doktor, der im Verlauf des Filmes hier und da mal eine Szene hatte, und zwei andere Typen, die bis dato weniger als gar nichts gemacht haben, den Rescue-Squad, dann gibt Dr. Doktor
Nosferatu ein Bussi und die anderen beiden Typen verschwinden aus den Film, zwei der entführten Frauen sterben vielleicht und was mit der dritten geschieht kann ich überhaupt nicht sagen und
Nosferatu selbst lebt weiter oder nicht und dann sehen wir eine Szene vom Anfang noch mal
??? Was ich damit sagen will ist, dass ich bei keinem einzigen Charakter mit Sicherheit sagen kann, ob er überlebt hat oder nicht, außer Donald Pleasences Priester, aber der war für die eigentliche Geschichte auch ziemlich irrelevant.
Macht dies „
Nosferatu in Venedig“ zu einem schlechten Film? Oh nein! So verwirrend die Handlung auch sein mag, sie bleibt wendungsreich und bis zuletzt spannend, die Charaktere sind interessant, die Darsteller, die sie verkörpern, grandios und die Inszenierung gelungen. Das obwohl sich für letztgenannte fünf verschiedene Regisseure verantwortlich zeichnen. Neben dem Produzenten Augusto Caminito und Klaus Kinski himself haben wir die drei Altmeister des Italokinos Luigi Cozzi, Maurizio Lucidi und der von mir besonders verehrte Mario Caiano. Offenbar mussten die meisten dieser Herren wegen
Klaustrophobie das Set verlassen.
Von den diversen Stilen finde ich irgendwie Luigi Cozzis am deutlichsten präsent. Ich kann es nicht näher bestimmen, aber angefangen von der Einstellungswahl bis hin zum Schnitt drängen sich mir aus irgendeinem Grund Vergleiche zu „Paganini Horror“ auf. Das Geschehen ist übrigens äußerst beeindruckend
in Szene gesetzt,
Venedig bildet eine wunderschöne Kulisse, der die Kamera
in frühen Morgenstunden oder lauen Nächten eine romantische Melancholie abgewann. Von einigen Actionszenen abgesehen nimmt sich der Film die Zeit, ruhig seine Bildgewaltigkeit auszukosten, wodurch eine bezaubernde Atmosphäre entsteht.
Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls bewundernswert.
In manchen Szenen sieht man dem Kinskerich zwar an, dass er mit dem ganzen Projekt unzufrieden war (er hat hin und wieder so einen „ernsthaft Leute, ihr filmt das wirklich mit?“-Blick drauf, wenn er
in Richtung Kamera glotzt), doch im Endeffekt hängt er sich dann doch rein, verschmilzt nach besten Kräften mit seiner Rolle und legt eine aufopferungsvolle emotionale Performance hin, so wie wir es von ihm gewohnt sind.
Christopher Plummer hat schon bewiesen, dass er so cool ist, dass selbst sieben singende Kinder die Aura seiner Coolness nicht durchbrechen können
, und gibt einen beeindruckenden cushingesken Vampirjäger ab. Donald Pleasences Charakter mag für die Handlung unwichtig sein, aber es freut doch immer, den guten Donald mal wiederzusehen und der Zweck heiligt bekanntermaßen die Mittel. Barbara De Rossi gibt eine beeindruckende Liebschaft des Vampirs, stets gleichermaßen hoheitlich adelig und wunderschön sinnlich bietet sie die perfekte weibliche Hauptrolle für einen Film mit Vampirthematik.
Die restlichen Akteure verblassen zwar selbstverständlich neben diesen Größen, bieten aber solide Darstellungen und schaffen es die Sympathie der Zuseher zu erlangen. Ganz gleich ob sie eine Schlüsselrolle inne haben, unwichtige Nebencharaktere sind, oder Mitglieder des Rescue-Squads bilden, ein Ende als Vampirfutter wünscht man keinen von ihnen und dadurch entsteht natürlich Spannung.
Über die Effekte habe ich eine eher zweigeteilte Meinung: Wir haben erschreckend realistische Wunden, aber wenn Leute irgendwo runterfallen griff man doch auf Schaufensterpuppen zurück; wir haben gut gemachte künstliche Fledermäuse, die dann aber an dicken Seilen vor das Kameraauge gehalten werden. Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass die Regie (wer auch immer dafür verantwortlich war
) nicht allzu prahlerisch auf die Effekte verweist und sie dezent hält, anstatt sie allzu plakativ vor die Linse zu rücken, was die fraglichen Szenen realer wirken lässt.
Die geplante Fortsetzung von Herzogs Klassiker ist es nicht geworden, allerdings offenbaren sich mir einige Parallelen zu der originalen Dracula-Geschichte: Wir haben Christopher Plummer als Van Helsing, Dr. Doktor gibt quasi den Jonathan Harker, Barbara De Rossi gibt demnach eine gute Mina ab, die anderen beiden Frauen teilen sich die Lucy und die beiden
in dieser Kritik namenlosen Mitglieder des Rescue-Squads könnten für Arthur Holmwood und Quincey P. Morris stehen. Dies bleiben allerdings reine Spekulationen.
An der Vampirmythologie hat man jedoch einige Änderungen vorgenommen, die durchaus begrüßenswert sind. Einerseits wird das Diabolische der Vampire hervorgehoben, indem Christopher Plummer darüber einen Monolog hält, wie vor allem böse Menschen zu Vampiren werden. Außerdem lässt sich
Nosferatu nicht einfach durch alberne Alltäglichkeiten wie Sonnenlicht oder Knoblauch aus der Fassung bringen, sondern ist nur umzubringen, wenn sich ihm eine reine Jungfrau freiwillig hingibt, welches
in meinen Augen eine viel romantischere Tötungsmethode ist als dem untoten Bastard einen Pfahl durch die Pumpe zu donnern.
Sehr schön auch die Szenen
in denen irgendwelche bemitleidenswerten Narren versuchen dem Fürst der Finsternis mit Kreuzen Angst zu machen, was
in Verbrennungen oder verbogenen Kruzifixen endet.
Fazit: Der Film macht vielleicht nicht sonderlich Sinn, dafür aber gewaltig viel Spaß und wartet zudem mit einer romantisch melancholischen Bilderflut auf. Die
Nosferatu-Werke von Murnau und dem Wernerich mögen vielleicht von filmhistorischer Perspektive aus interessanter sein, doch wenn es darum geht, welchen ich mir eher wieder anschauen würde, liegt „
Nosferatu in Venedig“ vorne. 8/10
P.S. Danke an das freundliche Forenmitglied, welches mir diesen Film zukommen ließ