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Originaltitel:
Rock My Heart - Mein wildes Herz
Produktionsland: Deutschland 2017
Regie: Hanno Olderdissen
Cast: Lena Klenke, Dieter Hallervorden, Annette Frier, Michael Lott, Emilio Sakraya, Vedat Erincin, Anneke Kim Sarnau
Abt. Hottehü-Filme
Die siebzehnjährige Jana leidet unter einem angeborenen Herzfehler; jedwede Anstrengung könnte sie in Lebensgefahr bringen. Vor allem ihre überbesorgte Mutter möchte jeden Schritt ihrer Tochter überwachen, sie in Watte packen, ihr alles verbieten, was Spaß und damit eine erhöhte Herzfrequenz bereiten könnte. Bei Jana wiederum führt der Umstand, dass sie sich in einer Welt aus Porzellan bewegen soll, zu einer engagierten Rebellion gegen ihr Elternhaus, gegen die Ärzte, die sie zu einer neuartigen Operation drängen wollen, letztlich gegen ihren eigenen Körper, dem sie bewusst viel mehr aufbürdet als er eigentlich zu tragen vermag. Gleich zu Beginn des deutschen Spielfilms
ROCK MY HEART aus dem Jahre 2017 führt Janas Aufbegehren fast zu einer Katastrophe: Mit einem stibitzten Motorroller ist sie in einem nächtlichen Wald verunglückt, und kann nur dadurch, dass sie so schnell wie möglich ins nächste Krankenhaus eingeliefert wird, dem Tod noch einmal von der Schippe springen. Fortan aber verfolgen sie Erinnerungen an diese Nacht, von denen sie nicht sicher ist, ob sie sie sich nur im Delirium eingebildet hat oder ob sie tatsächlich genauso abgelaufen sind: Ein schwarzer Hengst nämlich soll ihr an der Unfallstelle Gesellschaft geleistet, sie am Einschlafen und damit potentiellen Nicht-Mehr-Aufwachen gehindert haben, ein Pferd jedoch, das keinem der Rettungskräfte aufgefallen ist, und das die Ärzteschaft als Phantasmagorie ihres mit der Ohnmacht kämpfenden Verstandes abtut.
Darauf will Jana die Sache nicht beruhen lassen: Mit dem Rad fährt sie die Gegend, in der sie verunfallt ist, so lange ab, bis sie wirklich auf einen Pferdehof stößt. Der wiederum ist außerordentlich heruntergekommen, wird geleitet von dem greisen Paul Brenner, dessen beste Tage als erfolgreicher Jockey weit hinter ihm liegen, und verfügt über ein einziges Pferd, nämlich jenen schwarzen Hengst, zu dem Jana sofort eine Seelenverwandtschaft verspürt, und der kurioserweise auf den Namen „
Rock My Heart“ getauft worden ist. Wie Jana von Paul erfährt, steht dieser kurz davor, seinen Hof zu verleihen: Sollte er nicht in Ablauf einer gewissen Frist all seine Schulden bei der Bank tilgen, fällt sein Lebenswerk nebst „
Rock My Heart“ automatisch an dieselbe. Da Jana und das Pferd indes mehr und mehr zu einem Herz und einer Seele werden, und sich unsre Heldin zudem als reittechnisches Naturtalent erweist, das scheinbar mühelos selbst einen Wildfang wie
Rock My Heart zu bändigen weiß, keimt in Paul ein Plan, wie er seinen Kopf doch noch aus der Schlinge ziehen könnte: Wieso nimmt Jana nicht bei einem alsbald anstehenden Galopprennen teil? Wenn sie gewinnt, würde das Preisgeld ausreichen, nicht nur Paul von seinen Gläubigern freizukaufen, sondern auch
Rock My Heart sei eine rosige Zukunft auf dem Hof gesichert. Aus Liebe zu dem Vierbeiner geht Jana auf den Deal ein – und nimmt es in Kauf, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Während Paul, der von Janas Herzkrankheit scheinbar nichts ahnt, das Mädchen in Rekordschnelle zur Profireiterin ausbildet, verschlimmert sich Janas Gesundheitszustand zusehends…
Erstaunlich ist, wie transparent
ROCK MY HEART seine kapitalistischen Implikationen offenlegt: Von Anfang an besteht kein Zweifel an den eigennützigen Motiven, die die Figur Paul Brenner leiten, - selbst wenn er noch so sehr von Dieter Hallervorden als liebenswerter Kauz gespielt wird. Um seinen Hof zu retten, - anders gesagt: um ökonomischen Gewinn zu erzielen -, zaudert er nicht, ein junges Mädchen, das nie zuvor auf einem Pferderücken gesessen hat, in die Mühlen des kräfteverzehrenden Reitsporttrainings zu werfen, dieses junge Mädchen zudem seinen Eltern zu entfremden, die es bald bloß noch zum Frühstück oder zum Abendessen zu Gesicht bekommen, da es seine komplette Freizeit auf einem Pferderücken zubringt, und sich letztendlich sogar billigend damit abzufinden, dass dieses Mädchen sein Leben – wortwörtlich: sein Herz – für einen Traum einsetzt, der im Grunde gar nicht sein eigener ist. Letzteres wird vor allem in einer Szene deutlich, in der Hallervordens Charakter durch die Blume zugibt, doch bemerkt zu haben, dass mit Janas Gesundheit nicht alles astrein läuft, - dass er diesen Verdacht jedoch einfach zur Seite schob, um sich von ihm nicht in die großangelegte Rettung seines Lebenswerks hineinpfuschen zu lassen. Dabei handelt aber auch Jana rein egoistisch: Das Pferd mit dem sprechenden Namen wird für sie zum Katalysator all der Dinge, die ihr in ihrem bisherigen Leben aufgrund ihres maladen Herzens verwehrt geblieben sind. Im Prinzip geht es ihr nicht primär um den Hof, nicht primär um das Pferd, nicht primär um die Bedürfnisse Pauls; vielmehr bietet sich der Teenagerin auf dem Silbertablett eine Gelegenheit, ihre vorher rein destruktive, blindwütig ins Feld schießende Rebellion in etwas Produktives umzuwandeln. Ihr angeblicher „Ferienjob“ auf dem Pferdehof macht es ihr möglich, sich von ihren Eltern zu emanzipieren, einmal das halbwegs normale Leben eines Mädchens in ihrem Alter führen zu können, - wenn auch mit der Aussicht, dass sie dieses Leben dadurch von Tag zu Tag beträchtlich verkürzt.
Es passt zum wenig schönfärberischen Naturalismus dieses Films, der sich nachgerade anfühlt wie eine Anti-These zu harmlos-märchenhaften Hottehü-Abenteuern einer WENDY oder von BIBI & TINA, dass er auf Überzeichnungen seiner Figuren, auf allzu abstruse Plot-Volten, auf jedweden Holzhammer-Humor verzichtet, und sich stattdessen beinahe kammerspielartig auf das Dreiergespann Jana/Paul/
Rock-
my-
Heart konzentriert. Selbst im Finale auf der Galopprennbahn oder beim Tod eines ebenfalls herzkranken Jünglings, den Jana bei ihrem letzten Reha-Aufenthalt kennengelernt hat und zu dem sie zunächst eine freundschaftliche, dann zärtlichere Beziehung entwickelt, rekurriert
ROCK MY HEART zu irgendeinem Zeitpunkt auf allzu sensationsträchtige Elemente, stets bleibt die Inszenierung auffallend zurückhaltend, - eine Zurückhaltung, die manche möglicherweise (zumal bei einer Laufzeit von 100 Minuten) als Langweile oder Spannungsarmut abtun dürften, die dem Film aber, wie ich finde, relativ gut zu Gesicht steht: Keine Hexereien wie bei BIBI & TINA, keine realitätsferne Postkarten- oder Barbie-Ästhetik wie in den beiden WENDY-Adaptionen, nicht mal den New-Age-Mystizismus, der in den OSTWIND-Filmen den Raum zum Übernatürlichen hin öffnet, - stattdessen bietet
ROCK MY HEART eine ernsthafte Coming-of-Age-Geschichte, die, was mich übrigens vielleicht am meisten überrascht hat, sogar durchaus kritisch den Sport des Dressurreitens reflektiert. Für Heranwachsende sicherlich wesentlich empfehlenswerter als ein Hottehü-Film à la EMOCOES SEXUAIS DE UM CAVALO…