Das Frauenhaus - Jess Franco (1977)
Moderator: jogiwan
- CamperVan.Helsing
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Re: Das Frauenhaus - Jess Franco
Die Featurette mit Eric Falk ist hier leider zu vernachlässigen, teilweise identisch mit "Frauengefängnis" und sehr kurz.
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- mathisvogel
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Re: Das Frauenhaus - Jess Franco
Der Film beginnt mit der Einstellung auf ein blinkendes Neonschild, auf dem "Blue Rita" steht. Vielleicht ist diese Erwin C. Dietrich-Produktion von 1977 nur deswegen als Blue Rita im Ausland bekannt. Man sieht das Schild und denkt es ist der Filmtitel. Während dem bunten Vorspann zeigt sich dann aber plötzlich der Titel Das Frauenhaus.
Eine Gruppe von Frauen unter der Leitung von Blue Rita (Martine Fléty) verführt Bankiere und Geheimagenten und kidnappt sie, um sie dann in eine Art Gefängnis zu schleppen, wo die Männer in kleinen Käfigen aufbewahrt werden. Die Stripperinnen begießen ihre Gefangenen mit knallgrüner Flüssigkeit, die sie extrem geil zu machen scheint. Die Männer werden bis zum Wahnsinn von den Frauen verarscht und angestichelt. Schliesslich verraten sie ihre Geheimnisse und geben ihr ganzes Geld Blue Rita, um endlich mal wieder Sex haben zu können.
Die Darsteller (Olivier Mathot - Mondo Cannibale, Eric Falk - Mad Foxes, Guy Delorme - Nachtblende) spielen ihre Rollen dabei verdammt übertrieben. Die Szenen ihrer sexuellen Frustration sind einfach spitze. Die trashige Synchro (genauso schlecht in der deutschen wie in der englischen Tonspur) bietet extra Unterhaltung.
Die Handlung ist dünn und lückenhaft. Immer wieder wird sie von langsamen Stripteasezwischenprogrammen unterbrochen. Es gibt in den letzten Minuten einige unerwartete (eher unmotivierte) Plottwists, die für mich aber selbst bei der fünften Sichtung des Films noch keinen Sinn machen konnten. Schauspielerin Pamela Stanford (die Gina spielt) meint, Das Frauenhaus wurde aus zwei unterschiedlichen Filmprojekten zusammengeschnitten. Die Behauptung scheint glaubwürdig zu sein, wenn man Francos wiederkehrenden Schwindeleien beim Filmemachen berücksichtigt.
Der filmische Stil von Das Frauenhaus ist das Gegenteil vom heutigen kommerziellen Unterhaltungskino. Man versucht nicht, einen würdigen Helden zu präsentieren, mit welchem sich der Zuschauer identifizieren kann. Die hochstilisierte Beleuchtung produziert einen Verfremdungseffekt, und Jess Franco hat gar kein Interesse daran, Spannung oder Intrige aufzubauen. Der Zuschauer sitzt einfach dabei, so wie einer der Gäste im Striplokal, ohne sich wirklich in die Action zu vertiefen. Diese absichtliche Oberflächlichkeit ist der Hauptgrund, warum Jess Franco-Filme nie wirklich von einem grossen Publikum akzeptiert wurden.
Es gibt sehr wenige Aufnahmen, und Jess Franco hält jeden Schuß unglaublich lang ohne Schnitte (ähnlich wie frühere Fassbinderfilme). Wie in Kubriks Uhrwerk Orange, filmt der Kultregisseur viele Szenen möglichst oft als Mastershot, entweder mit einen Weitwinkelobjektiv (die Striplokal Innenaufnahmen) oder als Tracking Shot (Eric Falk kommt aus dem Club, die Verräterin, die von Pamela Stanfords Citroën durch die kalten Pariser Straßen verfolgt wird).
Nur während den wenigen Actionszenen werden die Schnitte schnell, und der Betrachter bleibt von den wechselnden Tempi verwirrt zurück (Eric Falks Kampf gegen seine Leibwache in der Nacht, die Schiesserei am Schluss des Films). Die stilisierte Stripteaseszenen gehören zu den lethargischsten und weniger erotischen Szenen Francos Filmographie. Die Darstellerinnen bewegen sich fast nicht, sie liegen oder sitzen nur so rum, während jede Menge Kunstnebel im Hintergrund wabert.
Dieser Leidenschaftsmangel ist durch extrem schöne Beleuchtung etwas kompensiert. Das Frauenhaus ist der visuell ausgesuchteste aller Erwin C. Dietrich produzierten Jess Franco-Filme. Die bunten Farben erinnern mich visuell an Fantomas von Andre Hunebelle, Lola von Fassbinder oder auch spätere Edgar Wallace-Verfilmungen (wie Die Gorilla von Soho ).
Die Pariser Aussenaufnahmen sind - dazu im Gegensatz - bei natürlichem Licht gedreht. Diese Szenen (vermutlich selbst von Jess und nicht von Kameramann Ruedi Küttel gefilmt) sind deutlich grobkörniger und zeigen typische Jess-Franco-Zooms und seltene, verwackelte Bildkompositionen. Der Kontrast zwischen warmen, bunten Innenaufnahmen und grauen, dokumentarhaften Strassenszenen ist interessant und gehört zur eigenartigen Ästhetik des Films.
Jess ist kein Perfektionist. Vielleicht erinnert sich jemand an die Fliege, die zufällig auf Paul Müllers Stirn in Sie tötete in Ekstase landet, oder an Lina Romays Kinn, das in Female Vampire gegen das Kameraobjektiv stürzt.
In Das Frauenhaus zeigt Jess Franco seine Darsteller oft in gnadenloser Nahaufnahme. Vor allem auf Bluray sind Olivier Mathots und Eric Falks plombierten Zähne zu sehen, als sie vor Ekstase schreien. Im Kontrast zu italienische Genrefilme aus der Ära in der nur Frauen nackt auftraten, gibt´s bei Jess Franco-Filme fast genauso viel männliche wie weibliche Nacktheit zu sehen. Das heißt, man sieht nicht nur die nichtrasierten Achseln von Blue Ritas Spioninnen, sondern auch schlappe Schwänze und sich senkende Bierbäuche von unseren "Helden".
Mit Das Frauenhaus bietet Jess Franco den Zuschauer schon wieder einen bizzarren Cocktail aus schwacher Handlung, schönen Bilder, naiver märchenhafter Stimmung und sadistischen (aber billig und comicbookmäßig gefilmten) Folterszenen.
Das Frauenhaus war einer der frühesten Jess Franco DVDs die ich circa 2006 gesehen habe, und es war mir eine Riesenfreude, den Streifen mal auf Bluray anzuschauen.
Die Bluray von Ascot Elite (the Golden Goya Collection) bietet Das Fraunhaus in bestmöglicher Qualität. Die Farben und Bildschärfe sind für so einen alten Schmuddelfilm unglaublich gut. Die erhöhte Auflösung macht auch die etwas schäbige Kulisse auffälliger, als bei der alten DVD Version. Zum Beispiel wackeln die Wände der Zellen wo die nackten Gefangenen sitzen sehr deutlich und die angeblich scharfen Folterzacken an der Käfigdecke sind offensichtlich nur aus Pappe, die mit Folie umwickelt wurde... Doch Francos kreative Bildeinstellungen, zusammen mit seiner offenbaren Liebe (Obsession?) für sexy Comics, gleicht diesen Budgetmangel locker aus.
Eine Gruppe von Frauen unter der Leitung von Blue Rita (Martine Fléty) verführt Bankiere und Geheimagenten und kidnappt sie, um sie dann in eine Art Gefängnis zu schleppen, wo die Männer in kleinen Käfigen aufbewahrt werden. Die Stripperinnen begießen ihre Gefangenen mit knallgrüner Flüssigkeit, die sie extrem geil zu machen scheint. Die Männer werden bis zum Wahnsinn von den Frauen verarscht und angestichelt. Schliesslich verraten sie ihre Geheimnisse und geben ihr ganzes Geld Blue Rita, um endlich mal wieder Sex haben zu können.
Die Darsteller (Olivier Mathot - Mondo Cannibale, Eric Falk - Mad Foxes, Guy Delorme - Nachtblende) spielen ihre Rollen dabei verdammt übertrieben. Die Szenen ihrer sexuellen Frustration sind einfach spitze. Die trashige Synchro (genauso schlecht in der deutschen wie in der englischen Tonspur) bietet extra Unterhaltung.
Die Handlung ist dünn und lückenhaft. Immer wieder wird sie von langsamen Stripteasezwischenprogrammen unterbrochen. Es gibt in den letzten Minuten einige unerwartete (eher unmotivierte) Plottwists, die für mich aber selbst bei der fünften Sichtung des Films noch keinen Sinn machen konnten. Schauspielerin Pamela Stanford (die Gina spielt) meint, Das Frauenhaus wurde aus zwei unterschiedlichen Filmprojekten zusammengeschnitten. Die Behauptung scheint glaubwürdig zu sein, wenn man Francos wiederkehrenden Schwindeleien beim Filmemachen berücksichtigt.
Der filmische Stil von Das Frauenhaus ist das Gegenteil vom heutigen kommerziellen Unterhaltungskino. Man versucht nicht, einen würdigen Helden zu präsentieren, mit welchem sich der Zuschauer identifizieren kann. Die hochstilisierte Beleuchtung produziert einen Verfremdungseffekt, und Jess Franco hat gar kein Interesse daran, Spannung oder Intrige aufzubauen. Der Zuschauer sitzt einfach dabei, so wie einer der Gäste im Striplokal, ohne sich wirklich in die Action zu vertiefen. Diese absichtliche Oberflächlichkeit ist der Hauptgrund, warum Jess Franco-Filme nie wirklich von einem grossen Publikum akzeptiert wurden.
Es gibt sehr wenige Aufnahmen, und Jess Franco hält jeden Schuß unglaublich lang ohne Schnitte (ähnlich wie frühere Fassbinderfilme). Wie in Kubriks Uhrwerk Orange, filmt der Kultregisseur viele Szenen möglichst oft als Mastershot, entweder mit einen Weitwinkelobjektiv (die Striplokal Innenaufnahmen) oder als Tracking Shot (Eric Falk kommt aus dem Club, die Verräterin, die von Pamela Stanfords Citroën durch die kalten Pariser Straßen verfolgt wird).
Nur während den wenigen Actionszenen werden die Schnitte schnell, und der Betrachter bleibt von den wechselnden Tempi verwirrt zurück (Eric Falks Kampf gegen seine Leibwache in der Nacht, die Schiesserei am Schluss des Films). Die stilisierte Stripteaseszenen gehören zu den lethargischsten und weniger erotischen Szenen Francos Filmographie. Die Darstellerinnen bewegen sich fast nicht, sie liegen oder sitzen nur so rum, während jede Menge Kunstnebel im Hintergrund wabert.
Dieser Leidenschaftsmangel ist durch extrem schöne Beleuchtung etwas kompensiert. Das Frauenhaus ist der visuell ausgesuchteste aller Erwin C. Dietrich produzierten Jess Franco-Filme. Die bunten Farben erinnern mich visuell an Fantomas von Andre Hunebelle, Lola von Fassbinder oder auch spätere Edgar Wallace-Verfilmungen (wie Die Gorilla von Soho ).
Die Pariser Aussenaufnahmen sind - dazu im Gegensatz - bei natürlichem Licht gedreht. Diese Szenen (vermutlich selbst von Jess und nicht von Kameramann Ruedi Küttel gefilmt) sind deutlich grobkörniger und zeigen typische Jess-Franco-Zooms und seltene, verwackelte Bildkompositionen. Der Kontrast zwischen warmen, bunten Innenaufnahmen und grauen, dokumentarhaften Strassenszenen ist interessant und gehört zur eigenartigen Ästhetik des Films.
Jess ist kein Perfektionist. Vielleicht erinnert sich jemand an die Fliege, die zufällig auf Paul Müllers Stirn in Sie tötete in Ekstase landet, oder an Lina Romays Kinn, das in Female Vampire gegen das Kameraobjektiv stürzt.
In Das Frauenhaus zeigt Jess Franco seine Darsteller oft in gnadenloser Nahaufnahme. Vor allem auf Bluray sind Olivier Mathots und Eric Falks plombierten Zähne zu sehen, als sie vor Ekstase schreien. Im Kontrast zu italienische Genrefilme aus der Ära in der nur Frauen nackt auftraten, gibt´s bei Jess Franco-Filme fast genauso viel männliche wie weibliche Nacktheit zu sehen. Das heißt, man sieht nicht nur die nichtrasierten Achseln von Blue Ritas Spioninnen, sondern auch schlappe Schwänze und sich senkende Bierbäuche von unseren "Helden".
Mit Das Frauenhaus bietet Jess Franco den Zuschauer schon wieder einen bizzarren Cocktail aus schwacher Handlung, schönen Bilder, naiver märchenhafter Stimmung und sadistischen (aber billig und comicbookmäßig gefilmten) Folterszenen.
Das Frauenhaus war einer der frühesten Jess Franco DVDs die ich circa 2006 gesehen habe, und es war mir eine Riesenfreude, den Streifen mal auf Bluray anzuschauen.
Die Bluray von Ascot Elite (the Golden Goya Collection) bietet Das Fraunhaus in bestmöglicher Qualität. Die Farben und Bildschärfe sind für so einen alten Schmuddelfilm unglaublich gut. Die erhöhte Auflösung macht auch die etwas schäbige Kulisse auffälliger, als bei der alten DVD Version. Zum Beispiel wackeln die Wände der Zellen wo die nackten Gefangenen sitzen sehr deutlich und die angeblich scharfen Folterzacken an der Käfigdecke sind offensichtlich nur aus Pappe, die mit Folie umwickelt wurde... Doch Francos kreative Bildeinstellungen, zusammen mit seiner offenbaren Liebe (Obsession?) für sexy Comics, gleicht diesen Budgetmangel locker aus.
Re: Das Frauenhaus - Jess Franco
Hab ich wirklich schon einige Jahre nicht mehr gesehen und das Review macht mir große Lust diesen Film mal wieder zu sichten .
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
- buxtebrawler
- Forum Admin
- Beiträge: 40376
- Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
- Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
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Re: Das Frauenhaus - Jess Franco (1977)
Danke für deine interessante Rezension, mathisvogel!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
- mathisvogel
- Beiträge: 12
- Registriert: Di 4. Nov 2014, 10:14
Re: Das Frauenhaus - Jess Franco (1977)
Danke fürs Lesen!
Übrigens, Erwin C. Dietrich hatte am 4. Oktober Geburtstag. Schon 84 Jahre alt.
Übrigens, Erwin C. Dietrich hatte am 4. Oktober Geburtstag. Schon 84 Jahre alt.
- CamperVan.Helsing
- Beiträge: 10885
- Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40
Re: Das Frauenhaus - Jess Franco (1977)
87!mathisvogel hat geschrieben:Danke fürs Lesen!
Übrigens, Erwin C. Dietrich hatte am 4. Oktober Geburtstag. Schon 84 Jahre alt.
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- mathisvogel
- Beiträge: 12
- Registriert: Di 4. Nov 2014, 10:14
Re: Das Frauenhaus - Jess Franco (1977)
Danke Ugo Piazza Dietrich ist also genauso alt wie Godard.