Nosferatu - Jenny Forte (2002)

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Salvatore Baccaro
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Nosferatu - Jenny Forte (2002)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Nosferatu

Produktionsland: Italien 2002

Regie: Jenny Forte

Cast: Alban Ceray, Francesco Malcom, Steve Holmes, Rita Faltoyano, Cory Baby, Ana Nova


Nachdem ich beim diesjährigen Braunschweiger Filmfestival mit Vampirfilmen regelrecht überschüttet worden bin, und innerhalb von knapp einer Woche, wenn man sämtliche Kurz- und Langfilme mit blutsaugerischen Gestalten zusammenzählt, insgesamt 14 Produktionen aus einer Zeitspanne von 1922 bis 2024 und aus unterschiedlichen Herstellungsländern wie Kolumbien, Italien, Deutschland, Belgien und den USA sehen durfte, ist der Drang nach noch mehr vampirisch vergossenem Filmblut in mir geweckt – zumal eingedenk der Tatsache, dass das NOSFERATU-Remake des von mir hochgeschätzten Robert Eggers ebenfalls in der Pipeline steckt, und Anfang Januar dann voraussichtlich der letzte Kinofilm sein dürfte, den ich für 18 Jahre zu Gesicht bekomme…

Sucht man die einschlägigen Filmdatenbanken nach weiteren NOSFERATU-Filmen ab, stößt man natürlich erst einmal auf die üblichen Verdächtigen: Murnaus Original, (wohl der Film, den ich in meinem Leben am häufigsten gesichtet habe), sowie Herzogs Remake von 1979 liefen beide auf dem 38. Braunschweiger Filmfest; mehr oder minder bekannt ist dann noch das (inoffizielle) Sequel zu Herzogs PHANTOM DER NACHT namens NOSFERATU A VENEZIA von 1988, dessen Produktion - nicht zuletzt dank Hauptdarsteller Klaus Kinski - eine mittelschwere Katastrophe gewesen sein dürfte, und den man eigentlich auch nur als missglücktes Experiment bezeichnen kann. Ein Freund wiederum spielte mir einen US-amerikanischen Streifen namens THE NOSFERATU DIARIES: EMBRACE OF THE VAMPIRE (deutscher Titel: NOSFERATU – VAMPIRISCHE LEIDENSCHAFT) aus dem Jahre 1995 zu, bei dem es sich im Grunde um einen halben Softporno handelt, dessen dürftige Handlung einzig nach genügend Gelegenheit sucht, Hauptdarstellerin Alyssa Milano so oft wie möglich so zu zeigen, wie Gott sie schuf – und der mit dem Murnau-Film nun wirklich keinerlei Berührungspunkte besitzt, außer eben, dass als Antagonist ein weltschmerztrunkener Halsbeißer auftritt.

Gräbt man tiefer und tiefer, kommen dann bald wesentlich obskurere Titel zum Vorschein – von denen der vorliegende NOSFERATU von 2002 – auch bekannt als: OFFERTE SANS RETENUE – einer der nebulösesten sein dürfte: Auf der IMDB gibt es exakt null Bewertungen des Films, und auch sonst sind die im Netz auffindbaren Informationen außerordentlich spärlich, was wohl nicht zuletzt damit zu tun hat, dass das Werk nicht in den Bereich konventionellen Narrationskinos gehört, sondern vielmehr einem italienischen Hardcore-Porno darstellt. Dieses Wissen triggert natürlich gewisse Erwartungen: Sollte es sich beim 2002er NOSFERATU um eine sex-positive Parodie des Murnau- bzw. Dracula-Stoffes handeln? Oder liefert Regisseurin Jenny Forte, die ansonsten für einschlägige Ware wie BEZAHLT MIT MEINER MÖSE (2005) oder DIE SÜNDIGE GEMEINDE (1998) verantwortlich zeichnet, gar eine originelle HC-Variante der Geschichte ab, so ähnlich wie Zunftgenosse Mario Salieri - (hier als Produzent fungierend) - es 1994 mit seinem DRACULA im Fahrwasser der Hollywood-Adaption Coppolas getan hat?

Beide Möglichkeiten zielen indes am Pudels Kern vorbei, und mit NOSFERATU steht mir stattdessen ein Film gegenüber, den ich so überhaupt nicht einzuordnen vermag. Die Story setzt im „Marzo 1785“ ein, und erzählt (außerordentlich gerafft) von einer unglücklich endenden ménage à trois im italienischen Adelsmilieu: Graf Drakul wird zufällig Zeuge, wie seine Geliebte mit einem Fremdem im Schatten der Bäume eines Landschaftspark turtelt, und zieht die krassesten Konsequenzen, schleicht sich nämlich des Nachts ins Schlafgemach der jungen Frau, um zunächst die Untreue, dann sich selbst zu erdolchen, denn als Gehörnter möchte er seine weiteren Lebenstage nicht verbringen.

Nach dem durchaus stimmungsvollen Prolog katapultiert uns das Drehbuch ins Jahr 2002, wo uns bereits unsere nominelle Hauptfigur, ein Jüngling namens Francesco, erwartet, inklusive Off-Kommentar aus der Ich-Perspektive, in dem er uns wissen lässt, dass er den Sinnesfreuden nicht abgeneigt ist. Dass dies der Fall zu sein scheint, zeigt uns gleich darauf bereits eine überlange Sequenz, in der Francesco mit einer brünetten Zufallsbekanntschaft in einem öffentlichen Park den Beischlaf pflegt. Als die beiden endlich befriedigt sind, stolpert unser Heros beim Hosenzuknöpfen im Unterholz über eine VHS-Kassette. Ohne zu zögern, nimmt er diese mit sich nach Hause und schiebt sie in den Player. Welch Überraschung: Offenbar wurde ihr Inhalt während eines Pornodrehs gefilmt, sprich, jemand irrt mit seinem Camcorder zwischen den einzelnen Balzakten umher. Das Setting ist im Übrigen eine herrschaftliche Villa, bei der es sich – erneut: welch Überraschung! – um jene des Grafen Drakul handelt, die wir ja bereits im Prolog als Schauplatz erlebt haben.

Im Prinzip bestehen die kommende Stunde größtenteils daraus, dass wir Francesco beim Betrachten des Porno-Videos über die Schultern schauen. Ein Fick-Clip reiht sich an den nächsten, es gibt Solonummern masturbierender Damen reiferen Alters, es gibt die obligatorischen Mann/Frau-Konstellationen, es gibt Gruppensexorgien – und dazwischen tummelt sich der französische Porno-Veteran Alban Ceray, zu diesem Zeitpunkt bereits fast 60 und bekannt aus zahllosen Genre-Klassikern wie beispielsweise dem Deliria-Dauerbrenner WILD PLAYGIRLS von 1982. Durchaus interessant ist ja, dass all dieses Gebalze dezidierten Making-Of-Charakter trägt: Die Handkamera wackelt unprofessionell; ständig hängen Mikrophone und Scheinwerfer ins Bild; immer wieder sind Crewmitglieder zu sehen, wie sie die Kopulierenden umringen. Dadurch betreibt NOSFERATU durchgehend einen Illusionsbruch, der verhindert, dass wir uns vollends dem Anschein hingeben, etwas anderes als eine kalkulierte Inszenierung zu betrachten. Eine metareflexive Ebene ist NOSFERATU immanent eingeschrieben, indem der Film kontinuierlich die eigene Gemachtheit ausstellt, uns einen Eindruck davon verschafft, wie turbulent und personenreich es an einem handelsüblichen Porno-Set zugeht, zuweilen gar augenzwinkernde Ironie erkennen lässt, wenn er beispielsweise einen Disput zwischen Regisseur und Produzent des Films im Film einflicht. Ermüdend sind die eher uninspiriert abgefilmten Fummeleien freilich trotzdem alsbald, und überhaupt stellt sich spätestens nach einer Dreiviertelstunde die Frage, ob man sich denn im Film vergriffen hat: Wo bleibt denn der titelgebende Vampir in einem Film, der immerhin NOSFERATU heißt? Weshalb sind wir stattdessen in so etwas wie das XXX-Remake von Truffauts LA NUIT AMÉRICAINE (1973) geraten?

Wie der Film schließlich Blutsauger und Meta-Porn zusammenbringt, könnte kaum irritierender sein: Irgendwann, während Francesco wie hypnotisiert vor dem Tape hängt, wird das VHS-Bild schwarz, die Fratze eines Vampirs erscheint aus dem Dunkeln, dessen optische Gestaltung unverhohlen an Max Schrecks Graf Orlok angelehnt ist: Er fletscht die Zähne, guckt Francesco bzw. die Kamera grimmig an, verschwindet sodann, um weiteren Sexeskapaden Platz zu machen. Als Francesco zum zweiten Mal diese Erscheinung innerhalb der Videoaufnahme bemerkt, erwacht in ihm der Forscherdrang, und er müht sich, herauszufinden, wo genau sein Zufallsfund denn gedreht worden ist, bzw., wer denn diese kuriose Gestalt sein soll, die da offenbar an der Peripherie des Porno-Drehs lauert. Ein Telefonat mit dem Porno-Produzenten liefert ihm die Adresse der Villa Drakul, wo er dann auch – natürlich nachts – aufschlägt, um sich in den leeren Räumlichkeiten umzuschauen. Im Schlafzimmer, wo der Graf einst seine Liebste meuchelte, steht ihm der Ruhelose leibhaftig gegenüber, und bringt seinen Wunsch zum Ausdruck, endlich Frieden finden zu können: Francesco soll ihn mit eben jenem Dolch niederstrecken, mit dem er einst sich selbst entleibt hat, nur das könne ihn erlösen. Gesagt, getan – und der Film endet unvermittelt, nachdem der Vampir in sich zusammengesackt ist.

Puh, ein Vampirfilm, in dem der Vampir keine drei Minuten Screentime hat, und in keinen einzigen Hals seine Beißer schlägt? Ein Vampirfilm, der zu 90 Prozent aus Sex-Clips besteht, die sich der Protagonist per VHS zu Hause anschaut? Ein Vampirfilm mit einem Helden, der, wie gesagt, die meiste Zeit aufgegeilt auf dem heimischen Sofa sitzt, und sich am Kopulieren anderer Menschen erfreut? Anders gesagt: Würde man diesen NOSFERATU um ein paar Minuten am Anfang und ein paar Minuten am Ende zurechtstutzen, würde ihn rein gar nichts überhaupt als Vampirfilm klassifizieren. Es wirkt, als habe man die Rahmenhandlung rund um das tragische Liebesleben des Grafen Drakul um einen Reigen pornöser Aufnahmen herumgestrickt, die möglicherweise auch bereits in anderer Form, eventuell als Einzelclips im World Wide Web?, erschienen sind. Hierfür spricht allein, dass keiner der Darsteller und keine der Darstellerinnen aus dem VHS-Tape, das Francesco sich reinzieht, jemals mit diesem oder dem Grafen interagieren: Beides sind rein erzählerisch zwei voneinander isolierte Bereiche, die sich lediglich dadurch überhaupt berühren, dass das Sex-Video vermeintlich in derselben Villa gedreht wurde, wie die, in der Drakul als ruchloser Untoter umhergeht - eben ganz so, als seien der Film im Film und die Rahmenhandlung völlig unabhängig voneinander in den Kasten gebracht worden. Ein solches Experiment kann natürlich auch schmackhafte Früchte tragen, keine Frage, in NOSFERATU schmecken sie schnell schal, zumal ich weder die ausgewalzten Bumsereien in irgendeiner Weise erotisch oder ästhetisch empfunden habe, es dem Ganzen sowieso an Tempo und Spannung ermangelt, die Chose sich tatsächlich primär so anfühlt, als seien wir bei irgendeinem Dude zu Gast, der sich vor unseren Augen eine Porno-Kassette zu Gemüte führt. Einzig positiver Aspekt: Die Selbstreflexivität, der sich der Film zuweilen verschreibt, aus der er dann aber auch nicht viel mehr macht, als ostentativ immer wieder auf die eigene Fabrikation zu verweisen. Auf diese Anstrengung erst einmal eine komplette Knoblauchknolle, uff...
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Blap
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Re: Nosferatu - Jenny Forte (2002)

Beitrag von Blap »

Oha!

Schau doch "Byzantium" und sei glücklich. Danke. :knutsch:
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Salvatore Baccaro
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Re: Nosferatu - Jenny Forte (2002)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Hierzulande erschien der wohl tatsächlich unter dem völlig irreführenden Titel und einem noch viel irreführenderen Cover als NOSFERATU - SAUG MICH AUS! Wie oben bereits gesagt: In diesem Film wird kein einziger Tropfen Blut gesoffen, höchstens die eine oder andere Unze Sperma, und das auch nicht vom vampirischen Titelcharakter... :D
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