Maulwurfs Hör-Bar

Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Chrome
Red exposure

LP - 1980

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Sturm und Drang des Punks sind durch, die Wut und die Aggressionen wurden mit Half machine lip moves ein-druck-svoll in das Publikum geschleudert, und alles war gut. Jetzt, im Sommer 1979, haben sich Musik- und darauf aufbauend auch die Gefühlswelt, weitergedreht. Nicht mehr der Hass muss herausgebrüllt werden, sondern die emotionale Vereinsamung, die Isolation, das Alleinsein sind die vorherrschenden Themen. Und wie auch schon beim Vorgänger bringen CHROME in einer Einheit aus Musik und Geräusch den Ausdruck auf den Punkt. Die Stücke klingen wie Soundtracks zu düsteren SF-Dystopien - Alex Proyas' DARK CITY gab es damals noch nicht, aber die beiden könnten Geschwister in der Finsternis sein. Vor dem geistigen Auge tauchen Großstadtstraßen voller Menschen auf, die sich zwischen Hochhäusern drängen, während geheimnisvolle Konzerne im Hintergrund schon längst den Untergang via TV-Overkill beschlossen haben. Außer bei dem Stück Night of the earth, das ich schon immer mit Lovecrafts Geschichte Die Farbe aus dem All assoziiert habe. Der kalte Hass aus der letzten Platte und die eisige Elektronik dessen Vorgängers Read only memory werden auf Red exposure kongenial miteinander kombiniert und ergeben etwas, was Cold Wave, lange bevor dieser Begriff en vogue war, vorwegnimmt.

Als Musikinstrumente tauchen in den Credits auch schon mal Instrumente auf wie "50 Gal. Oil Drum" oder "Bomb Shell", der "Gesang" wird ganz offiziell auch mal durch ein Megaphon geschleust, und allenthalben hat es Soundeffekte aus Fernsehgeräten oder gleich "White Noise". Willkommen im ausgehenden 20. Jahrhundert, wo jeder für sich alleine kämpft, und Einsamkeit und Anonymität in der elektronisch beherrschten Megalopolis der grauschwarze Alltag sind ...


Chrome - Isolation
Zuletzt geändert von Maulwurf am Sa 30. Nov 2024, 13:23, insgesamt 1-mal geändert.
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karlAbundzu
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von karlAbundzu »

Nur liebe für Chrome. Spät entdeckt.
Helios Creed kannte ich schon lang, hatte die ersten beiden LPs. AmRep Umfeld halt, da habe ich in fast alles reingehört. Ich dachte aber, dass wäre eine Band. Erst Jahre später in der Offenen Kanal Bremen Sendung Expeditionen ins Klangreich eine Sendung über Chrome gehört. Spannend, viel erfahren.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

karlAbundzu hat geschrieben: Sa 30. Nov 2024, 13:09 Nur liebe für Chrome. Spät entdeckt.
Helios Creed kannte ich schon lang, hatte die ersten beiden LPs. AmRep Umfeld halt, da habe ich in fast alles reingehört. Ich dachte aber, dass wäre eine Band. Erst Jahre später in der Offenen Kanal Bremen Sendung Expeditionen ins Klangreich eine Sendung über Chrome gehört. Spannend, viel erfahren.
Ich war sicher, mit CHROME etwas Unbekanntes auf dem Plattenteller zu haben. Ich habe niemals irgendjemanden gekannt, der mit der Band was anfangen konnte. Aber ja, wer wenn nicht Du? :prost:
Gestern habe ich erstmalig ein bißchen Bandgeschichte im Internet finden können, so zur Einordnung der Entwicklung der Musik. Recht interessant, da werde ich bei den nächsten Alben was zu schreiben. Und wenn Du noch Hintergrundwissen hast von damals, immer her damit.
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karlAbundzu
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von karlAbundzu »

Leider nein. Außer vage Informationen zur komplizierten Beziehung von Helios und Damon. Sie haben ja nicht viele, aber dafür sehr nerdige Fans. Von denen es einige Creed übel nahmen, daß er seine Projekte nach Damons Tod wieder Chrome nennt.
Ich bin sehr auf dein Wissen gespannt.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Maulwurf
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Re: Maulwurfs Hör-Bar

Beitrag von Maulwurf »

Chrome
Blood on the moon

LP - 1981

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CHROME wurden 1976 von Damon Edge und Gary Spain in San Francisco gegründet. Mike Low und John Lambdin waren damals die weiteren Bandmitglieder. Nach der Veröffentlichung des ersten Albums, Visitation, verlies Mike Low die Band, und bei den folgenden Auditions stellte sich ein gewisser Helios Creed vor. Niemand mochte ihn, weil er in irgendeinem seltsamen Piratenkostüm kam, aber nach einer oder mehreren Sessions wusste Damon Edge, dass Creed genau der Richtige war, und überzeugte die anderen Musiker. John Lambdin ging nach Alien Soundtracks seine eigenen Wege, Gary Spain wurde auf dem nächsten Album, Half machine lip moves, nur noch bei zwei Stücken als Credit gelistet, und somit bestanden CHROME faktisch fortan nur noch aus Damon Edge und Helios Creed, wobei für Blood on the moon und dessen Nachfolger zusätzliche Musiker an Bord geholt wurden.

1981 wurden CHROME von italienischen Fans eingeladen, ein Live-Konzert in Bologna zu spielen. Dies war ihr erstes Konzert, gefolgt von einem zweiten Auftritt in San Francisco. Danach wollte Helios Creed mehr Auftritte, wollte touren, wollte live spielen, während Damon Edge sich dagegen mit Hand und Fuß wehrte. Dieser Streit ging längere Zeit und brachte die beiden auf Dauer dann auch auseinander. Hinzu kam, dass Damon Edge die französische Schauspielerin und Musikerin Fabienne Shine heiratete (die unter anderem in BARBARELLA einen kleinen Auftritt hatte und mit LED ZEPPELIN jammte) und mit ihr nach Berlin zog. Keine gute Ausgangslage für eine Zwei-Mann-Band, wenn der eine in Berlin, und der andere in San Francisco lebt. Die beiden trennten sich, Damon Edge wiederveröffentlichte älteres Material und machte unter dem Namen CHROME mit einem neuen Line-Up weiter, während Helios Creed mit einer eigenen Psych-Punk-Band endlose Welttourneen bestritt.
Damon Edge starb 1995 in Los Angeles an Herzversagen, nachdem er mit der Scheidung von Fabienne Shine nie zurechtkam, und wohl offensichtlich zu einem schweren Alkoholiker und Kettenraucher wurde. Seine Leiche wurde erst nach über einem Monat in seinem Appartement gefunden. Er wurde 55 Jahre alt. Weiterreichende Infos kann man hier finden: http://staticwhitesound.com/chrome/News.htm

Zurück zur Hör-Bar-Gegenwart. Blood on the moon wurde mit zusätzlichen Musikern live im Studio eingespielt. Der daraus entstehende Sound ist hart und schnell, erinnert eher an Punk denn an ausgetüftelte Soundcollagen, und ist für meine Ohren zwar nach wie vor kalt und distanziert, aber dieses apokalyptische, was die Vorgängeralben auszeichnete, das fehlt. Stattdessen wird auf die Gitarren eingeprügelt, das Schlagzeug stampft wild und dominant durch die Gegend, und insgesamt ist der Sound sehr hell und metallisch. Wenig nachträgliche Overdubs und keine der bislang charakteristischen Breaks erzeugen einen Sound, der mit seiner Rohheit und Direktheit auf den Londoner Bühnen des Jahres 1976 sicher eingeschlagen wäre. Aber ich persönlich vermisse eben das Finstere, die Abgründe, die musikalische Apokalypse. Blood on the moon ist mit all seiner Power nicht schlecht, aber die Band begann eine Entwicklung zu nehmen, der ich nur bedingt folgen konnte ...


Chrome - Brain scan
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Jack Grimaldi
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