Re: Spuren auf dem Mond - Luigi Bazzoni / Mario Fanelli (197
Verfasst: So 19. Jun 2011, 02:11
Mit dem trotz seines Festhaltens an Genrekonventionen als Ausnahme-Giallo zu bezeichnenden „Ein schwarzer Tag für den Widder“ aus dem Jahre 1971 schuf Regisseur Luigi Bazzonis einen künstlerisch überaus beachtlichen Beitrag zum europäischen Kino. Schon vier Jahre später entstand leider sein bis dato letzter Film, der Mystery-/Psycho-Thriller „Spuren auf dem Mond“, bei dem sich an Regie und Drehbuch Mario Fanelli beteiligte, der (laut imdb.com) die mir unbekannte Literaturvorlage schrieb. „Spuren auf dem Mond“ wird oft zu den Gialli gezählt, weist aber kaum typische Genrecharakteristika auf.
Stattdessen handelt es sich um einen sehr eigenständigen Film, der in seiner Intensität und seinem unnachahmlichem, durchästhetisierten Stil „Ein schwarzer Tag für den Widder“ aber in nichts nachsteht. Dolmetscherin Alice ist ihrer offensichtlich zweitägigen Amnesie auf der Spur, die sie zum türkischen Urlaubsort Garma führt. Wer ist diese Nicole, mit der sie anscheinend verwechselt wird? Ist Alice Opfer eines konspirativen Komplotts oder verliert sie langsam den Verstand? Und welche Rolle spielen dabei die immer wiederkehrenden Alpträume von einem Film, den sie als Kind sah und der davon handelt, dass im Zuge eines wahnsinnigen Experiments ein Astronaut allein auf dem Mond zurückgelassen wird?
Mit eben jenem „Film im Film“, der Klaus Kinskis gewichtige Nebenrolle begründet – er spielt „Blackman“, der das Schicksal jenes bedauernswerten Astronauten besiegelt -, beginnt „Spuren auf dem Mond“. Fortan darf man sich wie schon in „Ein schwarzer Tag für den Widder“ in den prachtvollen Bildern von Kameramann Vittorio Storaro („Apocalpyse Now“) verlieren, die fast ausnahmslos wirken, als wären sie Fotografie-Bildbänden entsprungen. Eine schier unglaubliche, meisterliche Ästhetik, ohne die „Spuren auf dem Mond“ so nicht funktioniert hätte. Denn Bazzoni stellt vergleichsweise hohe Ansprüche an sein Publikum, indem er mit über die pure Cinematographie hinausgehenden Schau- und Unterhaltungswerten extrem geizt und weder mit Mordszenen, noch Action oder nackter Haut um die Gunst des Zuschauers buhlt. Er streut einige sparsame Indizien aus, erzählt seine Geschichte aber komplett aus der Sicht Alices, so dass Miträtseln zwar grundsätzlich möglich ist, man aber nie mehr Informationen als die Hauptrolle hat. Wer aufgrund einer falschen Erwartungshaltung, differierender Sehgewohnheiten oder allgemeiner cineastischer Abgestumpftheit keinen Sinn für die Ästhetik des Films entwickelt, wird spätestens über das sehr behutsame Erzähltempo stolpern und auf der Strecke bleiben. Ihm wird sich nicht eröffnen, wie perfekt Hauptdarstellerin Florinda Bolkan die leiseren Emotionen beherrscht und den Zuschauer subtil am Seelenleben und der fragilen Psyche Alices teilhaben lässt, wie geschickt der Film eine surreale, extrem verunsichernde Stimmung aufbaut, wie beispielsweise eine Nicoletta Elmi, jenes rothaarige Italo-Genre-Kindersternchen, allein schon durch ihr Auftreten zur mystischen, geheimnisumwitterten Atmosphäre beiträgt und wie die großartige musikalische Untermalung Nicola Piovanis die Ausrichtung des Films nicht nur perfekt trifft, sondern entscheidend zu ihr beiträgt.
Wer hingegen in der Lage ist, sich auf „Spuren auf dem Mond“ einzulassen, wird mit einem surrealen, wahrhaft schockierenden und zumindest für mich unvorhersehbaren Ende belohnt, das Kinski zwar nur kurz, aber erschreckend wie selten in Szene setzt. Letztendlich wird hier auch deutlich, wie schleichend, aber nachhaltig sich der Film ins Bewusstsein des Zuschauers eingebrannt hat, denn anderenfalls würde das Ende seine Wirkung verfehlen. So aber kann es durchaus eine alptraumreiche Nachtruhe provozieren, wodurch sich der Kreis zur Protagonistin schließen würde. Lediglich die Texteinblendung zum Schluss erscheint mir überflüssig und kontraproduktiv; ohne sie wäre das Ende offen(er) und sureal(er) ausgefallen. Ob diese aber möglicherweise nur eine Eigenheit der deutschen Fassung ist und sie im Original bzw. in anderen internationalen Fassungen fehlt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Fairerweise muss ich zugeben, dass auch mir „Spuren auf dem Mond“ zwischenzeitlich dann doch etwas zu langsam war, wenn auch nicht im klassischen Sinne von langweilig, eher von zuviel des Guten, was den Gesamteindruck ein klein wenig trübt. Das ändert aber nichts daran, dass man es hier mit einem unterschätzten, außergewöhnlichen, zu jeder Sekunde stilsicheren Paradebeispiel für die visuellen und akustischen Möglichkeiten des Kinos zu tun hat, das lange nachwirkt. Dass Bazzoni danach keinen Film mehr gedreht hat, ist ebenso eine Schande wie das Fehlen einer deutschen VHS- oder DVD-Auswertung (glücklicherweise lief „Spuren auf dem Mond“ aber mal im ZDF und im Bezahlfernsehen). Für diese Ignoranz sollte man den einen oder anderen Verantwortlichen auf den Mond schießen...
Stattdessen handelt es sich um einen sehr eigenständigen Film, der in seiner Intensität und seinem unnachahmlichem, durchästhetisierten Stil „Ein schwarzer Tag für den Widder“ aber in nichts nachsteht. Dolmetscherin Alice ist ihrer offensichtlich zweitägigen Amnesie auf der Spur, die sie zum türkischen Urlaubsort Garma führt. Wer ist diese Nicole, mit der sie anscheinend verwechselt wird? Ist Alice Opfer eines konspirativen Komplotts oder verliert sie langsam den Verstand? Und welche Rolle spielen dabei die immer wiederkehrenden Alpträume von einem Film, den sie als Kind sah und der davon handelt, dass im Zuge eines wahnsinnigen Experiments ein Astronaut allein auf dem Mond zurückgelassen wird?
Mit eben jenem „Film im Film“, der Klaus Kinskis gewichtige Nebenrolle begründet – er spielt „Blackman“, der das Schicksal jenes bedauernswerten Astronauten besiegelt -, beginnt „Spuren auf dem Mond“. Fortan darf man sich wie schon in „Ein schwarzer Tag für den Widder“ in den prachtvollen Bildern von Kameramann Vittorio Storaro („Apocalpyse Now“) verlieren, die fast ausnahmslos wirken, als wären sie Fotografie-Bildbänden entsprungen. Eine schier unglaubliche, meisterliche Ästhetik, ohne die „Spuren auf dem Mond“ so nicht funktioniert hätte. Denn Bazzoni stellt vergleichsweise hohe Ansprüche an sein Publikum, indem er mit über die pure Cinematographie hinausgehenden Schau- und Unterhaltungswerten extrem geizt und weder mit Mordszenen, noch Action oder nackter Haut um die Gunst des Zuschauers buhlt. Er streut einige sparsame Indizien aus, erzählt seine Geschichte aber komplett aus der Sicht Alices, so dass Miträtseln zwar grundsätzlich möglich ist, man aber nie mehr Informationen als die Hauptrolle hat. Wer aufgrund einer falschen Erwartungshaltung, differierender Sehgewohnheiten oder allgemeiner cineastischer Abgestumpftheit keinen Sinn für die Ästhetik des Films entwickelt, wird spätestens über das sehr behutsame Erzähltempo stolpern und auf der Strecke bleiben. Ihm wird sich nicht eröffnen, wie perfekt Hauptdarstellerin Florinda Bolkan die leiseren Emotionen beherrscht und den Zuschauer subtil am Seelenleben und der fragilen Psyche Alices teilhaben lässt, wie geschickt der Film eine surreale, extrem verunsichernde Stimmung aufbaut, wie beispielsweise eine Nicoletta Elmi, jenes rothaarige Italo-Genre-Kindersternchen, allein schon durch ihr Auftreten zur mystischen, geheimnisumwitterten Atmosphäre beiträgt und wie die großartige musikalische Untermalung Nicola Piovanis die Ausrichtung des Films nicht nur perfekt trifft, sondern entscheidend zu ihr beiträgt.
Wer hingegen in der Lage ist, sich auf „Spuren auf dem Mond“ einzulassen, wird mit einem surrealen, wahrhaft schockierenden und zumindest für mich unvorhersehbaren Ende belohnt, das Kinski zwar nur kurz, aber erschreckend wie selten in Szene setzt. Letztendlich wird hier auch deutlich, wie schleichend, aber nachhaltig sich der Film ins Bewusstsein des Zuschauers eingebrannt hat, denn anderenfalls würde das Ende seine Wirkung verfehlen. So aber kann es durchaus eine alptraumreiche Nachtruhe provozieren, wodurch sich der Kreis zur Protagonistin schließen würde. Lediglich die Texteinblendung zum Schluss erscheint mir überflüssig und kontraproduktiv; ohne sie wäre das Ende offen(er) und sureal(er) ausgefallen. Ob diese aber möglicherweise nur eine Eigenheit der deutschen Fassung ist und sie im Original bzw. in anderen internationalen Fassungen fehlt, entzieht sich meiner Kenntnis.
Fairerweise muss ich zugeben, dass auch mir „Spuren auf dem Mond“ zwischenzeitlich dann doch etwas zu langsam war, wenn auch nicht im klassischen Sinne von langweilig, eher von zuviel des Guten, was den Gesamteindruck ein klein wenig trübt. Das ändert aber nichts daran, dass man es hier mit einem unterschätzten, außergewöhnlichen, zu jeder Sekunde stilsicheren Paradebeispiel für die visuellen und akustischen Möglichkeiten des Kinos zu tun hat, das lange nachwirkt. Dass Bazzoni danach keinen Film mehr gedreht hat, ist ebenso eine Schande wie das Fehlen einer deutschen VHS- oder DVD-Auswertung (glücklicherweise lief „Spuren auf dem Mond“ aber mal im ZDF und im Bezahlfernsehen). Für diese Ignoranz sollte man den einen oder anderen Verantwortlichen auf den Mond schießen...